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Eigentlich wollte Tilda mit ihrem Umzug in die neue Wohnung nur ihrem kontrollierendem Ex-Freund entkommen. Doch schon bald kleben Zettel am Fenster gegenüber. Mads, ihr Nachbar scheint nett zu sein. Höflich, zuvorkommend, humorvoll und romantisch veranlagt. Erst sind es kleine Nachrichten, doch schon bald ändert sich etwas. Ein Stalker hat sie im Visier. Nun ständig begleitet von Angst weiß sie nicht, wem sie trauen kann. Eine furchtbare Nervenschlacht beginnt.
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Seitenzahl: 69
Veröffentlichungsjahr: 2025
Simone Lilly
Das Licht von Gegenüber
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1 – Das Fenster gegenüber
Kapitel 2 – Zettel am Fenster
Kapitel 3 – Kaffeegrüße
Kapitel 4 – Nachtgespräche aus Papier
Kapitel 5 – Fehlender Zettel
Kapitel 7 – Begegnung im Café
Kapitel 8 – Abschied mit Knistern
Impressum neobooks
Der Regen hatte am Vormittag nachgelassen, aber die Luft war immer noch schwer vom Geruch nach nassem Kopfsteinpflaster und Salz. Tilda saß im dritten Stock ihrer neuen Wohnung, die Knie angezogen, den Laptop auf dem Tisch vor dem Fenster. Ihr Schreibtisch war eine wacklige Holzplatte, die schon in der alten Wohnung ein Dasein zwischen Kaffeeflecken und Farbspritzern gefristet hatte. Jetzt stand sie direkt neben dem Fenster – und das war nicht ohne Grund.„Ich sag’s dir, Ronja“, seufzte sie in ihr Headset, während sie mit der Maus über einen halbfertigen Entwurf fuhr. „Ich hab’s noch nie erlebt, dass ein Umzug so nervig ist. Die Möbelpacker haben meine Kaffeetassen zerbrochen, die Dielen hier quietschen wie verrückt, und die Heizkörper brauchen gefühlt drei Stunden, bis sie warm werden.“„Willkommen in der Welt der Altbauten“, lachte Ronja am anderen Ende. „Aber du wolltest doch unbedingt diesen Charme, weißt du noch? Knarzende Böden, hohe Decken, so ein bisschen Fräulein in der Hafenstadt-Atmosphäre.“„Ja… ja, das stimmt.“ Tilda grinste, obwohl Ronja sie nicht sehen konnte. „Aber keiner hat gesagt, dass es sich anfühlt, als würde man in einem Theaterstück wohnen, in dem die Requisiten langsam auseinanderfallen.“Draußen rief eine Möwe heiser, als würde sie zustimmen. Der Wind wehte Fetzen von Nebel durch die Gassen, als hätte jemand Milch in die Luft gegossen. Der Blick aus ihrem Fenster fiel auf den schmalen Innenhof, ein Rechteck aus bröckelndem Backstein und rostigen Regenrinnen. Und auf das gegenüberliegende Fenster.Es war offen. Dahinter bewegte sich jemand.Tilda blinzelte, leicht überrascht. Sie hatte in den ersten Tagen noch gar nicht bewusst darauf geachtet, wer dort wohnte. Der Mann, der jetzt dort stand, beugte sich leicht nach vorne, als würde er etwas auf dem Fenstersims ablegen. Groß, kräftig, breite Schultern. Dunkles Haar, das im diffusen Licht fast schwarz wirkte. Selbst aus der Entfernung stachen seine Augen hervor – so dunkel, dass man ihre genaue Farbe nicht ausmachen konnte. Er trug ein schlichtes, graues Shirt, das an den Armen spannte.„…hörst du mir überhaupt zu?“, fragte Ronja.„Hm?“ Tilda riss den Blick los und tat so, als müsste sie eine Datei suchen. „Ja, klar. Äh… Altbau-Chaos, alles schlimm, ich hab’s verstanden.“„Du hast wieder diesen Ton“, sagte Ronja gedehnt. „Gibt’s da irgendwas, was ich wissen sollte?“„Nein, nur… ich glaube, ich hab gerade meinen Nachbarn entdeckt.“„Und? Sieht er aus wie jemand, dem du gleich Kuchen vorbeibringen musst, oder eher wie ein Typ, bei dem du die Tür nicht aufmachst?“Tilda schmunzelte, ihr Blick glitt unwillkürlich zurück. Der Mann stand jetzt direkt am Fenster, stützte sich mit einer Hand am Rahmen ab, und für einen Moment hatte sie das Gefühl, dass er… sie ansah. Nicht beiläufig, nicht aus Versehen, sondern so, als hätte er sie schon bemerkt, bevor sie ihn gesehen hatte.„Ich… bin mir noch nicht sicher“, murmelte sie.Der Mann hob plötzlich die Hand, ein kurzes, leichtes Winken. Keine große Geste, mehr ein beiläufiges Erkennen. Tilda erwiderte es zögerlich. Da zog er die Augenbrauen leicht hoch, als hätte er gerade einen stillen Witz gemacht, und trat zurück ins Halbdunkel seiner Wohnung.„Tilda?“ Ronjas Stimme holte sie zurück. „Du klingst komisch. Was macht er denn?“„Nichts… er war nur… da.“„Aha.“ Das „Aha“ klang so, als hätte Ronja bereits entschieden, dass es sich lohnen würde, diesen Nachbarn näher zu beobachten.Tilda hingegen war sich da nicht so sicher. Irgendwas an seinem Blick war… intensiv. Nicht unfreundlich, aber auch nicht flüchtig.Als hätte er etwas erkannt.Und das, dachte sie, war für einen ersten Blick durchs Fenster eigentlich ein bisschen zu viel.
Der Tag war lang gewesen. Viel zu viele Kundenmails, viel zu viele winzige Änderungen an einem Logo, das wahrscheinlich sowieso wieder umgeschmissen würde. Tilda schaltete den Laptop aus, streckte sich und hörte dabei das leise Knacken der Dielen unter ihren Füßen. Die Heizung gluckerte im Hintergrund, draußen prasselte wieder leichter Regen gegen die Scheiben.Sie zog die Vorhänge halb zu – und blieb stehen.Drüben, im gegenüberliegenden Fenster, ging jemand auf und ab.Der Nachbar hatte das Licht in seiner Wohnung an. Warmes, gelbliches Licht, das seinen Schatten über die Wände huschen ließ, während er mit einem Telefon am Ohr sprach. Er ging ein paar Schritte, blieb stehen, fuhr sich mit der Hand durch die Haare, lachte kurz leise. Aus der Ferne sah er entspannt aus, fast… charmant.Tilda grinste.Warum eigentlich nicht?Sie hob kurz die Hand zum Winken. Ganz locker. Er sah sie – und winkte zurück. Nicht einfach so, sondern mit einer kleinen, übertrieben feierlichen Bewegung, wie ein Kapitän, der jemanden an Bord begrüßt.Sie musste lachen. Das war… nett.Und irgendwie fühlte es sich nach einer Gelegenheit an.Ihr Blick fiel auf den Block neben dem Laptop. Ohne groß nachzudenken, riss sie ein Blatt ab, nahm den Filzstift und schrieb in großen Buchstaben:„Hallo, ich bin Tilda (neu hier).“Dann klebte sie das Blatt mit Tesafilm von innen an die Scheibe, trat einen Schritt zurück und deutete mit einer kleinen Geste darauf.Drüben hielt der Mann inne. Er sah erst auf den Zettel, dann zu ihr, dann wieder zum Zettel. Er lachte, schüttelte den Kopf, als hätte er das nicht erwartet. Kurz verschwand er aus dem Bild – und kam wenige Sekunden später zurück. Auch er hatte jetzt ein Blatt in der Hand, auf dem er mit dicken Buchstaben geschrieben hatte:„Mads. Willkommen im Viertel.“Tilda nickte anerkennend. Sie formte lautlos ein „Danke“ und zeigte mit dem Finger auf ihren Zettel, dann auf seinen, als würde sie fragen: „Und, was jetzt?“Er zuckte mit den Schultern, kritzelte wieder etwas, und hielt den nächsten Zettel hoch:„Bist du eher Kaffee- oder Tee-Mensch?“Tilda lachte, schüttelte kurz den Kopf und schrieb:„Kaffee. Immer.“Er tat, als würde er erleichtert aufatmen, und schrieb:„Gut. Tee-Leute sind mir suspekt.“Sie lachte noch mehr – und irgendwo im Hinterkopf war ihr bewusst, dass das der Anfang von etwas sein konnte.Und trotzdem… als sie wenig später das Licht ausmachte und der Regen wieder lauter wurde, dachte sie noch kurz an den Blick, den er ihr im Morgengrauen zugeworfen hatte.Charmant, ja.Aber auch intensiv. Vielleicht ein kleines bisschen zu intensiv.Der Regen war inzwischen in ein leises, stetiges Tropfen übergegangen, das wie ein Hintergrundgeräusch zum Einschlafen taugte. Tilda lag im Bett, eingekuschelt unter einer viel zu großen Decke, das Handy über ihrem Kopf. Das Licht der Straßenlaterne vor dem Fenster zeichnete blasse Streifen an die Wand.„Noch wach?“Ronjas Nachricht ploppte auf.Tilda tippte zurück:„Ja. Bin noch dabei, meinen ersten Nachbarschaftskontakt zu verarbeiten.“Sofort kam die Antwort:„Ach jaaa? Erzähl. Und wehe, du sagst, er sieht nicht gut aus.“Tilda grinste im Halbdunkel.„Groß. Dunkle Haare. Dunkle Augen. Kaffee-Mensch.“„Klingt gefährlich. Mag ich.“Ein paar Sekunden lang starrte Tilda auf die blinkende Eingabezeile. Ihre Finger zögerten, bevor sie schrieb:„Erinnert mich ein bisschen an… na ja, an Erik.“Ronja antwortete schneller, als Tilda gedacht hätte:„Oh.“Tilda sog die Luft ein, als hätte sie gerade etwas Lautes gesagt, obwohl sie nur tippte.„Ich mein nicht vom Charakter. Einfach nur… dieses dunkle, etwas zu direkte Gucken.“Ronja ließ sich diesmal Zeit.„Du weißt, dass du dich davon nicht abschrecken lassen musst. Aber du weißt auch, dass du vorsichtig sein solltest.“Tilda kaute auf ihrer Unterlippe.„Ich bin vorsichtig. Immer noch. Seit Erik…“Der Satz blieb unvollendet, aber sie wusste, dass Ronja ihn in Gedanken selbst beendete.Erik Heß.Ihr Ex, der irgendwann aufgehört hatte, nur eifersüchtig zu sein – und angefangen hatte, in ihren Nachrichten zu kontrollieren, wem sie schrieb, wo sie war, mit wem sie sprach. Der bei jeder Kleinigkeit laut geworden war, als müsste er sein Recht auf sie mit Nachdruck verteidigen.Und der ihr zuletzt klargemacht hatte, dass er nicht gut darin war, „loszulassen“.Ronja schrieb:„Ich hoffe einfach, der Typ gegenüber ist nur nett. Nicht so ein verkappter Kontrollfreak wie ER.“Tilda lächelte müde.„Er ist nur ein Nachbar. Mehr nicht. Noch nicht.“
