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Der allseits gefürchtete und viel zu mächtige König Alaric versetzt die Herrscher der Nachbarreiche in größte Aufruhr. Er möchte sich aus ihren Reihen eine Braut auswählen. Nun möchte aber König Varric seine einzige Tochter und die Prinzessin, nicht in König Alarics Reich schicken, denn dieser gilt als ein grausamer Herrscher. In seiner Not und in der Hoffnung ihn so manipulieren zu können, entsendet er kurzerhand Selene, die Zofe seiner Tochter an ihrer Stelle. Mit dem Auftrag wichtige Informationen an König Varric zu schicken, gelangt die junge Frau zusammen mit anderen Töchtern der Nachbarreiche an den Hof des jungen Königs. Hier findet sie sich plötzlich inmitten einer seltsamen Brautschau wieder, die jedoch zuerst noch amüsant wirkt, bald schon aber erste Gefahren mit sich bringt. Mehr noch, als sie sich selbst in König Alaric verliebt.
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Seitenzahl: 101
Veröffentlichungsjahr: 2025
Simone Lilly
Kriegerherz
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1 – Der Brief
Kapitel 2 – Eine Einladung zum Unheil
Kapitel 3 – Die Liste der Möglichkeiten
Impressum neobooks
Das Kaminfeuer im Regierungszimmer von Dravora knisterte leise, als ein Bote in den Raum trat. Er trug das Wappen des Königreichs Elyndra auf der Brust – ein goldener Greif auf tiefblauem Grund. Der Mann neigte den Kopf, reichte ein versiegeltes Pergament und trat ohne ein weiteres Wort zurück.König Varric nahm den Brief entgegen, wog ihn einen Moment in der Hand, als könne er das Gewicht der Worte darin schon spüren. Das königliche Siegel – ein makellos geprägter Greif – schimmerte im Feuerschein.„Von Alaric“, murmelte er, und in seinem Ton lag weder Freude noch Überraschung.Neben ihm beugte sich sein Berater, Lord Marran, neugierig vor. Er war ein schlanker Mann mit scharf geschnittenem Gesicht, dessen Augen immer so wirkten, als ob sie gerade im Kopf rechneten.„Wahrscheinlich eine Einladung zu einem dieser glanzvollen Turniere, in denen er sich feiern lässt. Ich habe gehört, er liebt es, wenn alle Welt seine Ritterkunst bestaunt.“Varric schnaubte. „Alaric braucht keine Turniere, um zu glänzen. Der Mann könnte sich in einem Kartoffelsack zeigen und die Menge würde toben.“ Er brach das Siegel und entrollte das Pergament.Seine Stimme war ruhig, als er vorlas:
An König Varric von Dravora und an die edlen Herrscher der benachbarten Reiche,in Anerkennung unserer Bande und im Geiste der Bündnisstärkung lade ich alle Töchter edler Häuser im heiratsfähigen Alter in die Hallen meines Schlosses ein.Es ist mein Wunsch, eine Verbindung einzugehen, die sowohl meinem Volk als auch meinen Verbündeten Nutzen bringt – und, wie es die Natur verlangt, fruchtbar sei.In vier Wochen werde ich ein Fest ausrichten, bei dem ich die künftige Königin an meiner Seite erwählen werde.Mit Achtung, König Alaric von Elyndra.Varric legte den Brief auf den Tisch, betrachtete das Feuer und sagte nach einer Weile: „Er meint das ernst.“Lord Marran zog die Augenbrauen hoch. „Natürlich meint er das ernst. Er ist fünfunddreißig, alleinstehend, und jedes Kind weiß, dass er seine Macht ausweiten will. Er hat vier Königreiche in weniger als zehn Jahren unter sein Banner gebracht – ohne dass jemand einen Schwertstreich gegen ihn führen konnte, der nicht aussichtslos war.“„Aussichtslos?“ Varrics Blick war kühl. „Es war Selbstmord. Seine Armee ist doppelt so groß wie jede andere in der Region. Und das, was er nicht mit Soldaten löst, löst er mit Münzen. Er kauft Loyalität schneller, als andere Könige einen Rüstungsknopf schließen.“Marran nickte langsam. „Man muss ihm lassen: Er ist kein Tyrann. Sein Volk verehrt ihn. Er hört auf ihre Sorgen, verteilt Land, senkt Steuern, wenn es nötig ist. Ein Mann, der so beliebt ist… ist schwer zu stürzen.“„Eben“, knurrte Varric. „Und jetzt will er auch noch ein Bündnis über Heirat. Mit wem auch immer er sich verbindet, er sichert sich deren Armee – und deren Erben. Wenn er die richtige Braut wählt, ist Elyndra uneinnehmbar.“Einen Moment lang herrschte Schweigen. Das Feuer warf lange Schatten über die Wände, und draußen heulte der Wind. Schließlich sprach Marran vorsichtig: „Eure Tochter Liora ist im richtigen Alter.“Varrics Blick wurde schmal. „Meine Tochter geht nicht nach Elyndra. Ich weiß, was für ein Mann Alaric ist – charmant, klug, gefährlich. Wenn er sie einmal ansieht, könnte selbst sie vergessen, dass sie ihm misstrauen soll.“„Dann…?“ Marran legte den Kopf schief.Varric stand auf, ging zum Fenster und blickte in die dunkle Nacht. „Wir schicken eine andere. Jemand, der überzeugt spielen kann, was er sehen will. Jemand, der ihm nah genug kommt, um mir zu sagen, wie er wirklich denkt. Und wenn möglich… wovon er träumt, was er fürchtet, wo er schwach ist.“„Eine Spionin.“ Marran lächelte dünn. „Habt Ihr jemanden im Sinn?“„Ja.“ Varric wandte sich um, seine Augen funkelten. „Selene.“
Selene hatte den Nachmittag eigentlich damit verbringen wollen, den widerspenstigen Saum eines höfischen Ballkleides zu zähmen. Stattdessen stand sie jetzt mitten im Thronsaal von Dravora, der sich zu dieser Stunde ungewöhnlich leer anfühlte.„Ich habe gehört, Eure Majestät wünscht mich zu sprechen?“ Sie verneigte sich mit geübter Eleganz – nicht zu tief, nicht zu steif. Genau so, wie es einer Dienerin zusteht, die oft genug an königlichen Empfängen teilgenommen hat, um das Protokoll blind zu beherrschen.König Varric saß auf seinem Thron, den Ellenbogen auf die Lehne gestützt. Neben ihm thronte, wie fast immer, Lord Marran, der sie mit seinem typischen, prüfenden Blick musterte.„Selene“, begann der König, „ich habe einen Auftrag für dich. Einen… außergewöhnlichen Auftrag.“Sie hob eine Braue. „Ich nehme an, ‚außergewöhnlich‘ bedeutet nicht, dass ich endlich einmal ein Kleid anprobieren darf, statt es nur zu nähen?“Marrans Mundwinkel zuckten, doch Varric ging nicht darauf ein. „König Alaric von Elyndra sucht eine Braut.“Selene nickte höflich, als wäre das eine Nachricht, die ihr Herz vor Freude hüpfen ließ – innerlich fragte sie sich, warum man ihr das erzählte.„Ich gratuliere. Sicher wird er aus den schönsten Damen der Reiche wählen.“„Das ist der Punkt“, sagte Varric und lehnte sich vor. „Ich werde meine Tochter Liora nicht dorthin schicken. Der Mann ist ein Stratege. Ein Krieger. Er hat Länder erobert, ohne dass ihm jemand standhalten konnte. Er lächelt, und die Leute vergessen, dass er gefährlich ist.“„Und… das ist mein Problem, weil?“ Selene verschränkte die Hände vor sich, um nicht mit der Halskette zu spielen, die bei Nervosität stets ihr Opfer wurde.„Weil du an ihrer Stelle gehen wirst.“ Varrics Stimme hatte diesen Ton, bei dem man wusste, dass Widerspruch zwar erlaubt war, aber nicht ratsam. „Du wirst als Prinzessin Liora auftreten. Du wirst sein Vertrauen gewinnen. Und während er dir Geschichten von Heldentaten erzählt, wirst du herausfinden, was er plant. Welche Schwächen er hat. Was ihn angreifbar macht.“Selene blinzelte. „Also… ich soll mich als königliche Erbin ausgeben, eine politische Ehe vortäuschen und einem der mächtigsten Männer des Kontinents schöne Augen machen, nur um ihn zu hintergehen?“„Genau.“ Marran lächelte beinahe stolz, als hätte sie gerade ein besonders komplexes Rätsel gelöst.„Das klingt“, sagte Selene langsam, „nach einem hervorragenden Plan. Für jemanden, der nicht ich ist.“Varric erhob sich. „Ich habe dich nicht gewählt, weil du es willst. Ich habe dich gewählt, weil du es kannst. Du bist klug, beobachtend, anpassungsfähig. Du hast am Hof gelernt, dich in jeder Gesellschaft zu bewegen. Und“, sein Blick wurde kühl, „du schuldest mir deine Loyalität.“Selene seufzte leise. Loyalität. Das große Wort, das in Dravora gleichzeitig Verpflichtung und Fessel bedeutete.„Und wenn dieser König Alaric tatsächlich so charmant ist, wie alle sagen?“„Dann gerade deshalb“, erwiderte Varric scharf. „Vertraue ihm nicht. Er wird dir jeden Grund geben, ihn zu mögen. Aber unter der glänzenden Rüstung steckt ein Mann, der nur an Macht denkt.“Selene neigte den Kopf, als hätte er sie überzeugt – dabei dachte sie nur: Wunderbar. Vier Wochen Lächeln, Knickse und höfische Konversation mit einem Mann, von dem ich nicht weiß, ob er mich zum Dinner oder ins Verlies einlädt.„Wie Ihr wünscht, Majestät“, sagte sie schließlich. „Aber wenn ich zurückkomme, will ich mindestens ein Kleid, das mir gehört.“Marran schnaubte leise, und Varric erlaubte sich ein kurzes, schiefes Lächeln. „Abgemacht.“
Der Thronsaal von Elyndra war zu dieser Stunde ungewöhnlich still. Nur ein paar Strahlen der Nachmittagssonne fielen durch die hohen Buntglasfenster und zeichneten bunte Muster auf den Marmor.König Alaric saß nicht würdevoll auf seinem Thron, sondern halb quer, den einen Ellbogen auf der Lehne abgestützt, einen Pergamentbogen in der Hand. Gegenüber stand Sir Cedric – hochgewachsen, breitschultrig, und mit dem Gesichtsausdruck eines Mannes, der jede Minute lieber beim Bogenschießen verbracht hätte.„Also“, begann Alaric, „Lady Mirabel von Trastmoor.“Cedric verdrehte die Augen. „Ah, die Dame mit dem Talent, jede Unterhaltung in einen Monolog über ihre eigene Haarpflege zu verwandeln.“„Ihre Familie kontrolliert eine der wichtigsten Handelsrouten am Westufer.“„Und ihre Zunge kontrolliert jede Unterhaltung in einem Radius von drei Meilen.“Alaric unterdrückte ein Lächeln und fuhr fort: „Lady Verena aus Galdwyn.“Cedric zog eine Grimasse. „Ist das nicht die, die beim letzten Fest den Bischof versehentlich mit Wein übergossen hat?“„Das war Absicht“, sagte Alaric trocken. „Er hatte ihren Hund beleidigt.“„Ah. Ich mag sie jetzt schon.“„Lady Seraphine von Caerhall.“Cedric überlegte kurz. „Die Schöne mit der Stimme wie ein sterbender Schwan?“„Eine begabte Sängerin.“„Ein begabter Schwan dann.“Alaric schüttelte leicht den Kopf, legte das Pergament beiseite und sah zu Cedric. „Es ist mir ernst, Cedric. Ich brauche eine Frau, die mehr ist als ein hübsches Gesicht in einer Krone.“Cedric verschränkte die Arme. „Du meinst: intelligent, politisch geschickt, in der Lage, den Hof zu navigieren, und bereit, dir ein paar Kinder zu schenken, bevor du alt und grau wirst.“„Erben sind wichtig“, entgegnete Alaric schlicht. „Ohne sie ist ein Reich angreifbar. Ich habe nicht vor, alles, was ich aufgebaut habe, irgendwann in einer Erbfolgekrise untergehen zu sehen.“„Und Liebe?“ fragte Cedric mit einem leicht spöttischen Unterton.„Liebe ist… angenehm, wenn sie passiert. Aber nicht notwendig. Vertrauen ist wichtiger. Ein Bündnis, das auf Ehrlichkeit und Respekt beruht, hält länger als einer, der nur vom Herzklopfen lebt.“Cedric nickte langsam. „Klingt, als würdest du nach einem Feldherrn in einem Kleid suchen.“„Vielleicht tue ich das.“ Alaric lehnte sich zurück, und ein winziges, fast amüsiertes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. „Die Frau, die ich heirate, muss wissen, wann man kämpft – und wann man verhandelt. Schönheit vergeht. Klugheit nicht.“„Du weißt, dass die meisten Damen, die hier erscheinen werden, eher ihre Roben als ihre Diplomatiekünste polieren?“ Cedric hob eine Braue.„Dann wird es eine kurze Brautschau.“ Alaric stand auf und ging zu den Fenstern. Sein Blick glitt über die Stadt, die sich unter den Mauern ausbreitete. „Eine von ihnen wird die richtige sein. Und falls nicht…“ Er zuckte leicht die Schultern. „Dann bleibt Elyndra eben noch eine Weile ohne Königin.“Cedric grinste. „Ich hoffe nur, du nimmst mich mit, wenn du den Bischof beleidigst.“
Kapitel 4 – Bürsten und BissigkeitenDer Himmel über Dravora färbte sich langsam dunkel, als Selene die schweren Vorhänge im Gemach der Prinzessin zuzog. Das warme Licht der Öllampe spiegelte sich im Goldrand des Spiegels, vor dem Liora saß. Selene stand hinter ihr, eine Haarbürste in der Hand, und zog sie in langen, gleichmäßigen Strichen durch das seidige, kastanienbraune Haar der Prinzessin.„Ich verstehe es einfach nicht“, begann Liora, und der Tonfall verriet, dass dieser Satz garantiert nicht zu einem Kompliment führen würde. „Warum schickt Vater dich?“Selene hob eine Braue, obwohl Liora sie im Spiegel nicht ansah. „Weil er der Meinung ist, ich könnte dort einen guten Eindruck hinterlassen.“„Einen guten Eindruck?“ Liora lachte kurz, glockenhell, aber mit diesem leicht herablassenden Unterton, den Selene nur zu gut kannte. „Ich bin die Königstochter. Ich hätte mich ihm zeigen sollen. Alaric ist jung, gutaussehend – und er ist mächtig. Das hat seinen Reiz.“Selene rollte mit den Augen, was sie sich nur leistete, weil Liora nicht direkt hinsah. „Mächtig, ja. Das ist ein Wort dafür. Andere würden sagen: gefährlich, unberechenbar, zu ehrgeizig.“„Ach, bitte.“ Liora wedelte abfällig mit der Hand. „Mächtig ist immer gefährlich. Aber wenn man weiß, wie man einen Mann wie ihn ansieht…“ Sie warf sich selbst einen koketten Blick im Spiegel zu. „…dann frisst er einem irgendwann aus der Hand.“„Oder er schickt einen ins Verlies, wenn man zu sehr auf seinen Füßen tanzt“, murmelte Selene, wobei sie darauf achtete, es so leise zu sagen, dass es wie ein zufälliger Gedanke klang.„Du bist viel zu misstrauisch“, entgegnete Liora und neigte den Kopf, damit Selene besser an eine widerspenstige Strähne kam. „Er ist charmant, sagen sie. Und charmante Männer sind selten wirklich grausam.“„Sagen sie.“ Selene ließ den Blick über Lioras teures Seidenkleid und die feinen Juwelen an ihrem Hals gleiten. Leicht zu sagen, wenn man nicht diejenige ist, die mit einem Lächeln herausfinden muss, wie dieser König denkt.„Vielleicht solltest du froh sein, dass du hierbleibst. Die Feste in Elyndra sind bestimmt weniger bequem, wenn man sich mitten im Gespräch umdrehen muss, um nicht zu zeigen, dass man gähnt.“
