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Beatrice Whitmore hat langsam die Hoffnung aufgegeben, jemals die wahre Liebe zu finden. Groß, einfach gekleidet, wortgewandt und eine Tochter des Landadels, wirkt sie eher abschreckend auf begehrenswerte Gentlemen als anziehend. Doch dann betritt Nathaniel Blackwell den Ballsaal, fasziniert von ihrem scharfen Verstand. Doch in einer Gesellschaft, die schnell urteilt, verläuft selbst die größte Romanze niemals ohne Missverständnisse.
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Seitenzahl: 90
Veröffentlichungsjahr: 2025
Simone Lilly
Heart's Desire
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Impressum neobooks
Ein Frühstück voller BesorgnisseDas Haus der Familie Whitmore war von jener soliden Art, wie sie in der Grafschaft Shropshire seit Jahrhunderten gebaut wurden: breit, standhaft, aus hellem Stein, mit einem Dach, das schon bessere Winter gesehen hatte. Es war kein Herrenhaus von Ruhm und Reichtum, aber immerhin so stattlich, dass niemand die Whitmores für weniger als respektable Landbesitzer halten konnte. Das Anwesen war geräumig, gepflegt – und für Beatrice Whitmore bisweilen nichts weiter als ein hübsch verzierter Käfig.An diesem Morgen saß sie mit ihren Eltern am Frühstückstisch, während der Duft von frischem Brot und pochierten Eiern durch den Raum zog. Die Sonne fiel durch die hohen Fenster, so unbarmherzig, dass sie die Sommersprossen auf Beatrices Nase nur noch deutlicher hervortreten ließ.„Sechsundzwanzig“, begann Mr. Whitmore mit dem bedächtigen Tonfall eines Mannes, der seine Worte sorgfältig abwog – allerdings nicht so sorgfältig, dass sie nicht bereits das fünfzigste Mal in ähnlicher Form erklungen wären. „Meine Liebe, du bist nun sechsundzwanzig Jahre alt.“Mrs. Whitmore, die an seinem rechten Arm saß, seufzte bedeutungsvoll und legte das Messer beiseite, mit dem sie gerade einen Toast bestrichen hatte. „Und es ist nicht so, dass die jungen Herren interessiert gewesen wären. Aber du, Beatrice – du bist immer so… wie soll ich sagen… schwer greifbar.“„Unscheinbar, Mutter. Das Wort lautet unscheinbar,“ entgegnete Beatrice und versuchte, dabei die letzte Würde zu bewahren, die sich an einem Frühstückstisch halten ließ, an dem die eigene Heiratschancen wie die Börsenkurse analysiert wurden.„Unsinn!“, protestierte ihr Vater rasch, doch sein Tonfall verriet, dass er keineswegs unschlüssig war, ob nicht doch etwas Wahres an den Worten seiner Frau hing. „Unsere Beatrice hat sehr feine Eigenschaften. Sie liest! Und sie – sie… geht gerne spazieren. Das ist, äh, gesund.“„Spazieren.“ Mrs. Whitmore hob die Brauen derart hoch, dass sie beinahe in ihrem Haarknoten verschwanden. „Gesund, ja. Aber seit wann bitteschön haben sich Ehemänner in England auf dem Heiratsmarkt um Spaziergänge gerissen?“Beatrice, die ihre Tasse Tee in den Händen hielt, unterdrückte ein Schnauben. „Vielleicht sollten wir die Herren künftig beim Spaziergang ersteigern, Mutter. Mit einem schönen Katalog: ‚Dieser hier hat ausgezeichnete Lungen und kann zwölf Meilen gehen, ohne auch nur ein einziges Mal zu keuchen‘.“Mr. Whitmore musste sich räuspern, um ein Lachen zu verbergen, das er seiner Frau zuliebe in ein Husten verwandelte.„Dein Spott, Beatrice, ist wahrlich fehl am Platz“, fuhr Mrs. Whitmore fort und richtete sich strenger im Stuhl auf. „Es gibt Männer, die auf dein Alter und deine… deine Erscheinung hinwegsehen würden, wenn du dich nur etwas – nun, kooperativer zeigtest.“„Mit anderen Worten: Ich soll versuchen, weniger ich selbst zu sein?“ Beatrice hob die Augenbrauen. „Das wäre ein tragischer Verlust für die Welt, finden Sie nicht?“Diesmal entfuhr dem Vater ein unzweideutiges Lachen, das ihn prompt den missbilligenden Blick seiner Frau kostete.„Wie dem auch sei,“ sagte Mrs. Whitmore mit Nachdruck, „du wirst es dir nicht mehr leisten können, allzu wählerisch zu sein. Du bist keine zweiundzwanzig mehr, sondern sechsundzwanzig. Und eine Frau von deinem… eh… von deinem…“„Unscheinbaren Wesen,“ half Beatrice grinsend nach.„Von deinem sanften Wesen,“ korrigierte ihre Mutter streng. „Eine Frau deines sanften Wesens darf das Glück nicht vor der Tür vorbeigehen lassen.“Beatrice hätte beinahe erwidert, dass man das Glück nicht einfangen konnte wie ein entlaufenes Huhn, doch sie schwieg und blickte stattdessen hinaus in den sonnigen Garten. Dort zwitscherten die Vögel in einer Freiheit, die sie beneidete.In diesem Moment klopfte es, und die Dienerin brachte einen Brief auf einem Silbertablett herein. „Von Miss Arabella Fairchild, gnädige Frau,“ kündigte sie an.„Arabella!“ rief Beatrice aus, und ihr Gesicht erhellte sich augenblicklich.Miss Arabella Fairchild war ihre Nachbarin, ihre beste Freundin – und der vollkommene Gegenentwurf zu Beatrice. Wunderschön, strahlend, von allen Herren umschwärmt, aber mit einer rebellischen Ader, die sie mindestens ebenso gefährlich wie faszinierend machte.„Sie lädt mich zu einem Ausflug in die Stadt ein,“ verkündete Beatrice, nachdem sie den Brief hastig gelesen hatte. „Oh, das wird wundervoll!“„Ausflüge in die Stadt sind immer voller Gelegenheiten,“ bemerkte Mrs. Whitmore mit dem listigen Funkeln einer Generalin, die einen neuen Schlachtplan wittert. „Und ich hörte, dass der hochgeschätzte Mr. Nathaniel Blackwell nach vielen Jahren ins Land zurückgekehrt ist. Ein wohlhabender Junggeselle von bester Herkunft.“„Dann wird er gewiss Arabella heiraten,“ entgegnete Beatrice trocken und schob sich ein Stück Toast in den Mund.Doch in Wahrheit verspürte sie ein leises, unerklärliches Kribbeln bei dem Klang des Namens – Nathaniel Blackwell.
Eine Fahrt voller GerüchteDie Kutsche rumpelte über den holprigen Weg, der von den Feldern Richtung Marktplatz führte. Beatrice saß mit verschränkten Armen auf der gepolsterten Bank, während Arabella Fairchild neben ihr wie ein aufgeregter Singvogel plapperte. Arabella war an diesem Morgen so makellos gekleidet, als ginge sie zu einem Ball, nicht in die Stadt. Ihr Kleid aus zartblauem Musselin flatterte an den Ärmeln, und die Locken ihres hellblonden Haars schimmerten selbst im diffusen Licht, das durch die Kutschfenster fiel.„Du glaubst gar nicht, Beatrice, wie sehr die Damenwelt Kopf steht. Seit gestern spricht niemand mehr von irgendetwas anderem.“„Oh, lass mich raten,“ erwiderte Beatrice und tippte sich ans Kinn. „Ein neues Rezept für Rinderbrühe? Oder die tragische Nachricht, dass Mrs. Higgs Huhn endlich dem Fuchs zum Opfer gefallen ist?“Arabella warf ihr einen Blick zu, halb amüsiert, halb genervt. „Spotte nur! Du weißt genau, wen ich meine. Mr. Nathaniel Blackwell! Er ist zurück. Reich, gut aussehend, unverheiratet – er ist praktisch ein Geschenk des Himmels für jede ehrbare Familie in dieser Grafschaft.“„Oder eine Plage für jeden unverheirateten Mann, der weniger als zehntausend Pfund im Jahr zu bieten hat,“ murmelte Beatrice.Arabella kicherte. „Oh, wie bitter du klingst! Du solltest dich lieber freuen, dass jemand mit einem solchen Namen überhaupt hierher zurückkehrt. Mr. Blackwell! Es klingt wie geschaffen für Romantik. Man könnte sich sofort verlieben, ohne ihn je gesehen zu haben.“„Das tue bitte du, nicht ich,“ entgegnete Beatrice trocken. „Ich finde, man sollte Männer nicht nach ihrem Vermögen beurteilen. Oder nach ihrem Nachnamen.“„Du findest Männer überhaupt nie.“ Arabella stupste sie in die Seite. „Wenn du dich weiter hinter deinen Büchern und Spaziergängen versteckst, wirst du eines Tages mit nichts als einem Regenschirm verheiratet sein.“„Ein Regenschirm ist wenigstens zuverlässig,“ konterte Beatrice. „Und er widerspricht mir nicht ständig.“Die Kutsche schaukelte, und Arabella brach in ein helles Lachen aus, das Beatrice gleichzeitig erheitert und leicht genervt zurückließ.Als sie den Marktplatz erreichten, herrschte dort bereits geschäftiges Treiben. Händler priesen lautstark ihre Waren an, Kinder huschten zwischen den Ständen umher, und eine Schar von Damen bewegte sich geschlossen in Richtung des Schneiders.„Siehst du?“ flüsterte Arabella, als sie die Gruppe beobachteten. „Die Mütter bestellen schon neue Kleider für ihre Töchter. Stell dir vor: ein Ball im Hause Blackwell! Oh, Beatrice, ich schwöre dir, bis zum Ende des Monats werden mindestens zehn Damen in Ohnmacht fallen, wenn er den Raum betritt.“„Und mindestens zwanzig Väter werden über ihre Finanzen ins Schwitzen geraten,“ bemerkte Beatrice.Arabella zog ihr Kinn in gespielter Entrüstung hoch. „Du bist wirklich hoffnungslos. Wenn ich Mr. Blackwell nur einmal sehe, werde ich sofort wissen, ob er mein Schicksal ist.“„Oder ob er dir auf den Fuß tritt,“ murmelte Beatrice, als sie aus der Kutsche stiegen.Doch insgeheim musste sie sich eingestehen, dass sie selbst ein gewisses Knistern verspürte – nicht, weil sie Nathaniel Blackwell je begegnet wäre, sondern weil seine bloße Anwesenheit wie eine unsichtbare Welle durch die Stadt rollte. Überall tuschelte man, überall funkelten Augen vor Erwartung. Und Beatrice wusste, ob sie es wollte oder nicht: auch sie würde diesem Namen nicht entkommen.
Eine unerwartete BegegnungDer Laden des Schneiders war an diesem Vormittag so gut besucht wie ein Bienenstock im Hochsommer. Vor den Fenstern hingen Ballstoffe in allen nur erdenklichen Farben: zartes Rosé, tiefes Smaragd, funkelndes Goldbrokat. Es war, als hätten die Mütter der Grafschaft gemeinschaftlich beschlossen, ihre Töchter noch vor dem Mittag in Seide und Samt zu hüllen, um für einen einzigen Mann gewappnet zu sein.„Wir müssen uns beeilen, sonst bleibt nichts Anständiges übrig,“ erklärte Arabella, als die Kutsche hielt. Sie glitt hinaus wie eine Königin, die ihr Reich inspizierte. Beatrice folgte etwas ungelenker, dabei mit der leisen Hoffnung, dass sie im Inneren des Ladens vielleicht wenigstens ein paar Minuten Ruhe vor dem allgegenwärtigen Namen „Blackwell“ finden würde.Doch so weit kam sie gar nicht. Denn kaum hatte sie mit Arabella die Schwelle erreicht, kreuzten zwei wohlbekannte Gestalten ihren Weg: Miss Lydia Morton und ihre Freundin Charlotte – die seit jeher Beatrices größte Kritikerinnen gewesen waren.„Aber seht nur,“ rief Lydia mit einem süßlichen Lächeln, das Gift im Kern trug, „Miss Whitmore in eigener Person! Ich hätte nicht gedacht, Sie würden es wagen, heute noch Stoff zu kaufen. Schließlich…“ Sie musterte Beatrice von Kopf bis Fuß. „Stoff kann nicht alles verbergen.“Charlotte kicherte leise, als hätte ihre Freundin soeben die witzigste Bemerkung der Saison gemacht.Beatrice spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Arabella blieb unbeeindruckt und stürmte bereits in den Laden, fest entschlossen, den schönsten Ballstoff der Grafschaft zu ergattern – sie ließ ihre Freundin ohne böse Absicht schlicht stehen.„Wie schade,“ fügte Lydia nun hinzu, „dass manche junge Damen ihre besten Jahre bereits hinter sich haben. Ich fürchte, Miss Whitmore, die Schneiderkunst hat ihre Grenzen.“Beatrice richtete sich kerzengerade auf. Ihre Lippen zuckten einen Augenblick, bevor sie sich zu einem leisen, aber scharfen Lächeln formten.„Da haben Sie recht, Miss Morton,“ erwiderte sie gelassen. „Die Schneiderkunst hat tatsächlich ihre Grenzen. Glücklicherweise gilt das nicht für Intelligenz – und die muss man bekanntlich nicht anpassen lassen.“Für den Bruchteil einer Sekunde herrschte vollkommene Stille. Lydia starrte sie an, als hätte man ihr ins Gesicht geschlagen, Charlotte hielt abrupt das Lachen an, als sei es ihr im Hals steckengeblieben. Dann rafften beide ihre Schals zusammen und rauschten mit so viel Würde davon, wie es zwei beleidigten Damen eben möglich war.Beatrice atmete tief durch, doch ehe sie sich sammeln konnte, spürte sie ein Paar Augen auf sich ruhen. Langsam wandte sie den Kopf – und sah ihn.Er stand auf der anderen Straßenseite, direkt vor einem Geschäft für Herrenbekleidung. Groß, schlank, mit jener natürlichen Haltung, die niemandem beigebracht werden konnte. Seine dunklen Haare widersetzten sich jeder Disziplin und fielen in sanften Wellen auf seine Stirn. Sein Blick – durchdringend, aufmerksam, zugleich voller Zurückhaltung – ruhte auf ihr.Für einen Atemzug lang vergaß Beatrice, zu atmen.Er nickte ihr knapp zu, ein Ausdruck leiser Anerkennung, fast… Respekt, in seinen Augen. Und dann wandte er sich um und ging, ohne ein Wort zu verlieren.Beatrice stand noch immer wie angewurzelt da. Ihr Herz klopfte wie wild, und ein Schauer aus Verwirrung und unwillkürlicher Faszination rann ihr den Rücken hinab.
