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Eigentlich hatte sich Sophia die Dienstreise auf die Malediven ganz anders vorgestellt. Ihre Kollegen, Ex-Affäre Richie und Polohemd-Max lassen die Karrierefrau schon bald um Herz und Job kämpfen. Zusammengepfercht in einem Luxus-Hotel werden einige Probleme aufgetan, peinliche Matsch-Wanderungen unternommen und ihre Gefühle auf die Probe gestellt.
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Seitenzahl: 103
Veröffentlichungsjahr: 2025
Simone Lilly
Verliebt mit Umwegen
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1 – Treffpunkt Wahnsinn
Kapitel 2 – Sicherheitslücke Herz
Kapitel 3 – Turbulenzen im Leisen
Kapitel 4 – Bitte nicht stören (außer du bist das Chaos)
Kapitel 5 – Und täglich lügt das Murmeltier
Kapitel 6 – Mai Tai und Mein Nein
Kapitel 7 – Kokosnuss und Charakterfragen
Impressum neobooks
Die Luft im Empfangsbereich der Firma roch nach zu viel Kaffee, zu wenig Schlaf und dieser besonderen Vorfreude, die entsteht, wenn Menschen Urlaub machen dürfen – aber gezwungenermaßen zusammen.Sophia Sommer balancierte ihren quietschend blauen Rollkoffer mit einer Hand, während sie mit der anderen versuchte, ihren Rucksack auf der Schulter zu halten, der sich entschlossen hatte, alle dreißig Sekunden herunterzurutschen. Neben ihr thronte ein Pappbecher mit lauwarmem Cappuccino auf dem Empfangstresen, dekoriert mit genau einem Tropfen, der unaufhaltsam an der Seite herunterlief – wie ihr Nervenkostüm.„Zehn Minuten Verspätung. Ein neuer Rekord für Moni, oder?“ sagte Max Graf, der mit seinem typischen Dauergrinsen auf sie zutrat. Poloshirt in Himmelblau, Turnschuhe in unverschämtem Weiß, Sonnenbrille in den Haaren wie ein Mann, der jederzeit bereit war, in einen italienischen Sportwagen zu steigen. Leider fuhr er einen Golf Kombi. Dienstwagen.„Ich glaube, sie hat ein neues Klemmbrett. Das hat sie bestimmt aus Versehen alphabetisiert“, erwiderte Sophia trocken, nippte an ihrem Kaffee und verzog das Gesicht. Pappe mit Milchschaum. Traumhaft.Max ließ sich neben ihr auf eine der Empfangs-Couches fallen, die aussahen, als würden sie ausschließlich für Wartezeiten über zwanzig Minuten hergestellt. „Ich gebe ihr noch fünf Minuten, dann fang ich an, Bingo zu spielen mit den Pünktlichen.“„Es sind nur wir zwei pünktlich.“„Also wird’s ein sehr einsames Spiel.“In dem Moment öffnete sich die Glastür. Richard Neumann kam hereingeschwebt – anders konnte man seinen überheblich-lässigen Gang nicht nennen – in einem Kaschmirpullover, der aussah, als hätte er mehr gekostet als Sophias Monatsmiete. Sein Rollkoffer rollte lautlos. Natürlich.Er lächelte in die Runde – also direkt in Sophias Richtung – aber so beiläufig, dass es fast unsichtbar war. Fast.Sophias Herz machte einen kleinen Hüpfer, der sofort von einem inneren Augenrollen abgelöst wurde. Es war ein bekanntes Wechselspiel: Euphorie, Gewissensbiss, Zweifel, Verdrängung, repeat.„Na, seid ihr alle schon urlaubsreif?“ fragte Richie und stellte sich so lässig hin, dass es fast an Gelenkunfähigkeit grenzte.„Ich bin reif für alles, was keine E-Mails mehr enthält“, sagte Max und stand auf, um ihm die Hand zu schütteln.Richie tat so, als wäre er überrascht, dass Max überhaupt mitkam. „Du auch dabei? Ich dachte, du machst Witze.“„Tu ich auch. Aber diesmal im Ausland.“Sophia unterdrückte ein Grinsen und beschäftigte sich demonstrativ mit ihrem Rucksack.Langsam trudelten die übrigen Kolleg*innen ein. Lars, der schweigsame IT-Guru, hatte ein T-Shirt mit einer Katze im Astronautenanzug an. Tina, mit Espresso-to-go und einem Stirnband, das mehr Modeaussage als Frisur war. Und schließlich Moni, in voller Projektmanagerin-Montur, bewaffnet mit einem Ausdruck der Teilnehmerliste, einer Powerbank und dem glühenden Wunsch, alles unter Kontrolle zu halten.„So, Team!“ rief sie mit militärischem Enthusiasmus. „Wir sind vollzählig! Fast. Nur Sören fehlt noch. Aber der findet den Weg schon.“„Wie jedes Mal“, murmelte Tina.Moni verteilte die Flugpläne, als wären es geheime Agentenbriefe, und erklärte lautstark, wer neben wem sitzen würde. Sophia tat so, als würde sie zuhören, obwohl sie nur einen Gedanken hatte: Bitte nicht neben Richie. Bitte nicht.„Und auf Platz 17B: Sophia! Direkt daneben sitzt… Richard.“Natürlich.Max warf ihr einen Blick zu, der ungefähr sagte: Willst du tauschen? Oder soll ich einfach mit dir durchbrennen?Sie zuckte mit den Schultern, lächelte gequält – und wusste, dass dieser Urlaub anstrengender werden würde als jeder Business-Trip. Und dabei hatten sie noch nicht mal eingecheckt.
Der Flughafen war überfüllt. Menschen schoben sich wie desorientierte Schildkröten durch die Gänge, begleitet von nervösem Rollkoffergeratter, quietschenden Kinderschuhen und Lautsprecherdurchsagen, die alles sagten und trotzdem nichts verständlich machten.Sophia hatte das Gefühl, schon drei Wochen unterwegs zu sein, dabei hatten sie noch nicht mal das Terminal verlassen.„Ich hab da ’ne Flasche Duschgel vergessen rauszunehmen“, murmelte Tina, während sie hektisch in ihrer Handtasche wühlte.„Du hast auch vergessen, eine normale Menge Duschgel einzupacken. Das ist ein Kanister“, kommentierte Max trocken und schob seinen Rucksack nonchalant aufs Band.„Ich hab halt Hoffnung, dass wir duschen dürfen.“Sophia war als Nächste dran. Sie legte ihren Rucksack auf das Förderband, trat mit angehaltenem Atem durch den Körperscanner – und wurde prompt von einem freundlichen, aber viel zu gründlichen Sicherheitsbeamten gebeten, zur Seite zu treten.„Stellen Sie sich bitte hierhin. Ich muss Ihre Tasche nochmal überprüfen.“„Natürlich müssen Sie das“, murmelte Sophia und warf Max einen gequälten Blick zu, der sich bereits diebisch amüsierte.Der Beamte öffnete ihre Tasche mit der Geschwindigkeit eines Bombenentschärfers. Es war alles da: ein halbes Drogeriesortiment, drei Snackriegel, ein zusammengeknüllter Schlüpfer (oh Gott, der war eigentlich für die unterste Schicht), ein Taschenbuch mit dem Titel „Liebe per Umweg“ (peinlich), und – natürlich – ein vibrierender Reise-Massagestab, der sich im perfekten Moment einschaltete.Summ.Die Welt hielt kurz den Atem an. Dann hörte man Max kichern.„Der ist für den Nacken“, sagte Sophia viel zu laut und viel zu schnell.Der Beamte nickte mit einem Gesichtsausdruck, der sagte: Natürlich, der Nacken. Klar.Als sie endlich entlassen wurde – mit einem Gemisch aus Scham, Wut und unfreiwilliger Komik – standen Richie und Max nebeneinander, bereit zum Boarding. Richie warf ihr einen schiefen, beinahe süffisanten Blick zu, den sie normalerweise sexy gefunden hätte. Heute hätte sie ihm dafür fast ihren „Nackenmassierer“ ins Gesicht geworfen.Das Flugzeug war kleiner als erwartet. Die Sitze rochen wie in einem Fernbus, und die Beinfreihheit war ein Konzept, das irgendwo zwischen Theorie und Marketing verloren gegangen war.Sophia saß am Fenster. Richie neben ihr. Zu nah. Zu präsent. Zu vertraut.Max saß zwei Reihen weiter hinten und streckte beim Vorbeigehen die Hand zum High-Five aus. Sie klatschte halbherzig ein.„Alles gut?“ fragte Richie, leise.„Ja. Also, nein. Also – Nackenmassierer. Weißt du? Ich… ich sage jetzt nichts mehr.“Er grinste. „Ich sag nur: Du bist die Frau für Abenteuer.“War ich auch, als du mich angelogen hast, dachte Sophia. Aber sie nickte nur stumm.Dann, mit dem ersten Surren der Turbinen, sank sie langsam tiefer in den Sitz und in Gedanken zurück.Es hatte im Frühling begonnen. Nicht im romantischen, blumengeschmückten „Aprilregen-küsst-Maiherzen“-Frühling. Nein – eher in diesem grauen, schlammigen März, in dem niemand mehr Hoffnung hat und alle dringend Urlaub brauchen.Er hatte ihr bei einem Projekt geholfen. Einfach so. Stand plötzlich in ihrem Büro mit einem extra ausgedruckten Plan und einem Lächeln, das die Neonröhren freundlich aussehen ließ.„Ich dachte, du brauchst vielleicht wen, der den Budget-Excel-Wahnsinn entschlüsselt.“Er hatte Recht. Und Excel. Und diese Stimme, die klang wie warmer Whiskey.Danach waren es Mittagspausen. Gespräche. Einmal aus Versehen gleichzeitig ins Parkhaus. Und irgendwann diese verdammte Dienstreise nach Frankfurt.Ein Hotel. Zwei Gläser Wein. Drei Sekunden Schweigen zu lang.Der Kuss kam überraschend. Das, was danach kam, war… ein Rutschhang.Sie wusste damals noch nicht, dass er verheiratet war. Nicht mal, dass er ein Kind hatte. Er hatte das alles sauber getrennt. Zu sauber. Fast professionell.Als sie es erfuhr, war es zu spät. Ihr Herz war schon eingezogen, hatte die Schuhe ausgezogen und sich aufs Sofa gelegt.„Es ist kompliziert“, hatte er gesagt. „Wir leben nebeneinander her. Ich wollte dir das alles erzählen, aber… du warst zu schnell zu wichtig.“Und sie hatte das geschluckt. Weil sie es wollte. Weil sie gehofft hatte, sie sei der Grund, warum jemand sein Leben ändern würde.Spoiler: war sie nicht.Zurück in der Gegenwart bemerkte sie, dass Richie sie ansah. Nicht ganz direkt. Aber genug, dass es kribbelte – und gleichzeitig brannte.„Du bist still“, flüsterte er.„Ich plane meine nächsten Sicherheitskontrollen“, flüsterte sie zurück. „Vielleicht bring ich nächstes Mal gleich einen ganzen Vibrator mit. Für den Rücken.“Er schnaubte leise. „Du bist verrückt.“„Und du bist vergeben“, sagte sie, diesmal ohne Lächeln.Er schwieg. Und für den Rest des Flugs schwiegen sie gemeinsam.
Die Kabine war in ein schummriges Dämmerlicht getaucht. Die Fenster hatten sich längst in bläuliche Schatten verwandelt, die Geräusche des Starts waren verklungen und nur das gleichmäßige Brummen der Turbinen erinnerte daran, dass sie sich mit über 800 km/h irgendwo zwischen Heimat und Sonne befanden.Rund um sie herum hatten sich die Kolleg*innen mehr oder weniger elegant in ihre Sitze gefaltet und in eine kollektive Dämmerung verabschiedet. Lars hatte sich Kopfhörer aufgesetzt, durch die leise Drum’n’Bass zu hören war. Tina schnarchte ganz leicht, mit offenem Mund und einer Schlafmaske, auf der Drama Queen stand. Moni hatte sich in eine fleißige Embryohaltung verknotet, den Flugplan noch immer in der Hand.Max saß zwei Reihen hinter Sophia – nicht schlafend, sondern versonnen aus dem Fenster blickend. Weiße AirPods, leichtes Kopfnicken. Wahrscheinlich irgendeine Playlist mit ironischem Titel wie „Chill mal, du Clown“.Ab und zu trommelte er mit den Fingern im Takt auf seine Armlehne. Als wäre Musik sein Sicherheitsgurt.Sophia drehte sich unauffällig um und beobachtete ihn für einen Moment. Da war wieder dieses kleine Ziehen in ihrer Brust. Leise. Nervig.Irgendwie… angenehm?Sie schüttelte den Gedanken ab – nur, um zu merken, dass Richie sich in seiner Sitzlehne so weit zu ihr gelehnt hatte, wie es die Economy-Class-Gesetze erlaubten.„Kannst du schlafen?“ flüsterte er.Sie schüttelte stumm den Kopf. Seine Stimme war leise. Zu leise. Dieses „zwischen den Zeilen“-Leise, das sie so gut kannte.„Ich auch nicht“, sagte er und sah sie an. Augen wie geschmolzene Schokolade. Früher hätte sie das als poetisch empfunden. Heute klang es mehr nach Karies.Er bewegte seine Hand auf der Armlehne ganz sachte in ihre Richtung. Zentimeterweise. Ganz der Schattenagent einer geheimen Romanze. Als wäre es ein Film und sie das versteckte Liebespaar auf der Flucht.Seine Fingerspitzen berührten schließlich ihre.Ein Hauch. Eine Geste.Und eine Erinnerung.Sophia zog ihre Hand unauffällig zurück. Nicht wütend. Nur… leise entschieden.Richie blinzelte. Nicht überrascht. Nicht einmal beleidigt. Nur irritiert. Als hätte man ihm ausnahmsweise mal nicht den Applaus gegeben, den er erwartet hatte.„Alles okay?“ flüsterte er, dieses Mal mit einem säuselnden Unterton, der sie früher schwach gemacht hatte.Heute klang es wie: Ich weiß, wie du funktionierst. Also funktionier.Sie antwortete nicht. Stattdessen zog sie sich die dünne Borddecke über die Schultern, drehte sich leicht zur Seite und schloss die Augen.Nicht, um zu schlafen. Sondern um ihn auszublenden.Hinter ihr, zwei Reihen weiter, tippte Max auf seinem Handy herum. Er schrieb sich immer selbst kleine Gedanken auf, Notizen für spätere Gags oder Gespräche, die er nie führen würde.Heute stand da:„Manche Leute denken, Nähe ist, jemandem die Hand zu halten. Ich denke, es ist, ihm den Raum zu lassen, sie zurückzuziehen.“Er schickte die Zeile an sich selbst.Und tippte den Titel dazu: Flughöhe Gefühle.Dann lehnte er sich zurück, legte den Kopf zur Seite – und lächelte in die Dunkelheit.
Die Sonne über dem Zielort brannte gnadenlos vom Himmel, als hätte sie seit Tagen darauf gewartet, endlich auf eine Gruppe überarbeiteter Büroangestellter losgelassen zu werden.Sophia fühlte sich, als hätte sie ihren Körper im Flugzeug vergessen. Ihr Gesicht war trocken wie Toastbrot, ihre Haare hatten sich in eine bizarre Mischung aus Dutt, Wirbel und Frizz verwandelt, und sie roch nach einem Gemisch aus Flugzeugluft, Desinfektionsmittel und einem Hauch von Verzweiflung.„Willkommen im Paradies!“ rief Moni überdreht, als sie aus dem klimatisierten Reisebus vor dem Hotel stolperten. Es war ein Vier-Sterne-Resort mit dem Charme eines überambitionierten Prospekts: Palmen, Springbrunnen, zu viele Mosaike.Max schob seinen Koffer über das Kopfsteinpflaster, als wäre er gerade von einer Expedition zurückgekehrt.„Ich schwöre, ich habe in der Economy Class einen Bandscheibenvorfall bekommen. Und Tina hat mich im Schlaf einmal geboxt. Im Gesicht.“Tina hob die Hand. „Ich wollte deinen Schnarcher erledigen. War also Notwehr.“Lars trug Kopfhörer. Wahrscheinlich hörte er „Naturgeräusche mit Code-Zeilen“, wie er es mal beschrieben hatte.Am Empfang des Hotels herrschte organisierte Verwirrung. Moni hatte alle Buchungen natürlich in ihrer Mappe. Doch die Mappe war irgendwo zwischen Duty Free und Rolltreppe verschwunden.„Ich hatte sie noch in der Hand! Ich weiß es ganz genau! Vielleicht hat sie einer aus Versehen—“
