Der dritte Versuch Die Drachenjägerin - Norbert Wibben - E-Book

Der dritte Versuch Die Drachenjägerin E-Book

Norbert Wibben

0,0

Beschreibung

Die Elfe Juna ist von dem Gedanken besessen, sich an den dunklen Zauberern zu rächen. Diese nutzten vor Jahren einen Drachen als todbringenden Helfer. Zusammen mit ihrer Tochter Cloe experimentiert sie mit den Fähigkeiten magischer Wesen und versucht sie zu lenken. Ein Greif folgt der jungen Elfe aufs Wort. Juna konzentriert sich dagegen auf einen Drachengeist, den sie auf die Dubharan loslassen will. Als ein Versuch völlig misslingt, macht sich Cloe auf, den wahren Drachen aufzuspüren. Die junge Elfe sucht Cian. Er hat einen geheimnisvollen Ring aus dem Versteck in Kayleighs Bibliothek genommen und ist seitdem unauffindbar. Das Artefakt ist gefährlich, es ruft einen tödlichen Drachen herbei. "Die Drachenjägerin" ist die Fortsetzung der Reihe "Der dritte Versuch". Die Heere der dunklen Zauberer erobern die ersten Gebiete. Sie unterwerfen die Menschen, doch Elfen vernichten sie unbarmherzig. Gelingt es der jungen Cloe trotzdem, ihr Vorhaben auszuführen?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 370

Veröffentlichungsjahr: 2018

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der dritte Versuch

Die Drachenjägerin

Fantasy-Roman

Norbert Wibben

Der dritte Versuch

Die Drachenjägerin

Der dritte Versuch, Band 2

In Memoriam

Erika und Kurt

Maria Anna und Gustav

In Erinnerung an viele schöne Vorleseabende mit meinen Kindern verpacke ich auch diese Geschichte in den bekannten Dreizeiler:

Ein Huhn und ein Hahn – …

Erinnerungen

Beschwörungen und Versuche

Schlechte Nachrichten

Der verfluchte Drachengeist

Tante Ainsley

Beratung bei den Ostelfen

Lauscher

Entdeckt

Entkommen?

Junas Bestattung

Hellsehen?

Die Suche

Entschluss der Ältesten

Spione

Connors Überlegungen

Im geheimen Wald

Drachen

Ein seltsamer Traum

Abschied von Ainsley

Connor greift ein

Oskars Vormarsch

Auf zur alten Stadt

Auf Cians Spur

Eine Nacht im Stall

Wo ist Cian?

Am Abend zuvor

In der alten Königsstadt

Wo ist Ryan?

Das Attentat

Eine unerwartete Flucht

Robyn und Shane

Unterstützung

Beunruhigende Nachrichten

Die Entscheidung

Im Ödland

Der Drache

Wo bin ich?

Jagende Wölfe

Gefunden!

Deans Suche

Rettung in Serengard?

Mein Drache!

Zaubersprüche

Danksagung

Erinnerungen

Ein Huhn und ein Hahn – die Geschichte fängt an

Dean ist enttäuscht, zum wiederholten Mal vergeblich nach seinem Ring gesucht zu haben. Dabei ist er sich sicher, er muss ihn zwischen den Trümmern der Königsburg verloren haben! Dort hat er ihn zuletzt genutzt, kurz bevor er mit dem jungen Elfenmagier kämpfte. Doch so oft er auf dem Kampfplatz auch suchte, wobei er manchmal die Erde vorsichtig schichtweise mit seinem Messer abgeschabt und zur Seite geschoben hatte, aufspüren konnte er ihn nicht.

Das Trümmerfeld liegt bereits weit hinter dem dunklen Magier und der kleinen Reitertruppe, da der Auftrag Connors Dean keine längere Zeit zur Suche gestattet. Aber seine Gedanken kreisen um die Ereignisse von vor zwanzig Jahren. Vielleicht findet er so einen Hinweis, wo er erfolgreich nach dem Ring suchen kann. Er sieht die Situation noch einmal Bild für Bild vor sich, in der er den Ring verloren haben muss.

Er hat soeben eine Feuerkugel auf einen alten Elfen geschleudert, der sie mit zusammenschlagenden Händen in einen Lichtspeer verwandelt, der auf ihn zurückgeschleudert wird. Der lässt seine Schutzglocke in unzählig kleine Teilchen zersplittern und zusammenbrechen. Dean erinnert sich an sein Erschrecken, als er seinen Schutz erneut aufzurufen versuchte, was ihm aber nicht gelang. Sein hastiger Blick suchte nach der Kreatur, die er mit dem Ring kontrollieren konnte, damit diese den gegnerischen Magier vernichten sollte. Weil er das Wesen nicht entdeckte, griff er zu seiner linken Hand unter den Umhang, um es erneut heraufzubeschwören. Im gleichen Moment wurde er gepackt und festgehalten. Das war der junge, unverschämte Elfenmagier, der die Gelegenheit nutzte, als er ohne Schutzglocke war. Dean erinnert sich an diesen Kampf, Mann gegen Mann. Sie verkrallten sich ineinander und waren bemüht, den jeweils anderen kampfunfähig zu machen. Eine Waffe ziehen oder einen Zauber zu sprechen, vergaßen sie in ihrem Drang, den Gegner niederzuringen. Verschwommen meinte Dean, Warnrufe des älteren Elfen gehört zu haben, die dem jüngeren galten. Der Dubharan lag bereits am Boden, als er sich plötzlich an das Messer an seinem Gürtel erinnerte. Er erlebt erneut, wie ihn die Zuversicht durchströmte, die Kleidung des Elfen damit leicht durchstoßen zu können.

Dean hat sich nun voll in das Geschehen von damals zurückversetzt. Seine rechte Hand fühlt sich wieder taub an, nachdem er einen Faustschlag auf den Oberarm erhalten hatte. Darum will er mit der linken Hand die Waffe ziehen. Sie befindet sich auf dem Rücken in einer Scheide, damit sie einem Gegner verborgen ist. Als er versucht, diese zu erreichen, greift der Elf zu und presst Deans Finger zusammen. Der Dubharan zerrt mit aller Kraft und bekommt sie schließlich frei. Der Elf stutzt einen Moment. Er scheint durch etwas irritiert zu sein, wodurch Dean das Messer ergreifen und zustechen kann. Als er diesen Augenblick erneut erlebt, sitzt er starr im Sattel. Ihm ist soeben die Erkenntnis gekommen, dass der Elf kurzzeitig innegehalten hat, weil er plötzlich den Ring in Händen hielt. Aber, was ist dann passiert?

Dean erinnert sich, nur mühsam auf die Beine gekommen zu sein. Er wollte im ersten Siegestaumel laut rufend triumphieren, als er den alten Mann erblickte, der zu ihm herüberschaute. Bevor der Elf etwas unternehmen konnte, verschwand Dean vorsichtshalber. Er war sich nicht sicher, gegen diesen mächtigen Magier gewinnen zu können.

Der Dubharan sitzt unbeweglich im Sattel. Er hatte schon früher vermutet, dass er in diesem Gerangel den Ring verloren haben musste, dabei aber eines vergessen: der ältere Elf war sehr besorgt um den jüngeren gewesen. Er wird diesem also sofort zu helfen versucht haben. Was ist, wenn der den Ring gefunden und an sich genommen hat? Dean ist überzeugt, jetzt die Spur zu haben, auf der er sein mächtiges Artefakt wiedererlangen kann. Aber zuerst muss er den Auftrag Connors erfüllen. Er soll den Thronfolger des Ostkönigreiches fangen, bevor dieser die Elfen und Menschen des Ostens zusammenführt. Das wäre eine ernste Bedrohung für den dritten Versuch, die Macht im Land zu übernehmen. Dean grinst in sich hinein. Das sicherste Mittel, einen Gegner für immer unschädlich zu machen, ist, ihn zu töten. Mit dem Spruch »Interemptus es« gelingt das bei jedem Lebewesen, das sich nicht durch einen Gegenzauber zu schützen vermag. Der Sohn des Königs ist ein normaler Mensch ohne magische Fähigkeiten, wie soll er ihm da widerstehen können? Dean lächelt zuversichtlich.

Er dringt mit seiner Reitertruppe weit in das Gebiet der Ostelfen ein. Der Thronfolger kann ihm nicht entgehen. Und danach wird er den alten Elf suchen und finden. Falls der noch am Leben sein sollte, wird er das schnell ändern!

Im Land verbreitet sich die Nachricht wie ein Lauffeuer, dass die dunklen Zauberer erneut versuchen, die Herrschaft zu übernehmen. Die Menschen in den entlegeneren Orten hören erst davon, als der Süden bereits zum größten Teil in der Hand der bösen Magier ist. Voller Sorge denken sie daran zurück, wie es vor zwanzig Jahren gewesen war. Die Heere der Dubharan hatten damals zuerst den Osten angegriffen, um die dortige Königsfestung zu zerstören. Auf ihrem Weg dorthin wurden jeder Ort und auch befestigte Städte verwüstet. Der König wurde getötet und der Thronfolger, der zu jener Zeit noch ein Säugling war, verschwand spurlos. Der Sieg war für die bösen Zauberer damals zum Greifen nah gewesen. Auf ihrer Seite kämpfte neben den grausamen Wolfskriegern ein todbringendes Wesen, das von den Überlebenden als grauenvolle Erscheinung mit Flügeln und einem langen Schwanz beschrieben wurde. Viele meinten, es müsse ein Drache gewesen sein, da die Kreatur mit ihrem Feueratem selbst die Schutzglocken der Zauberer durchdrang. Dabei gab es diese Ungeheuer seit Jahrhunderten nur in Märchen, falls es die überhaupt jemals gegeben haben sollte. Plötzlich stockte der Ansturm der Dubharan und ihrer Verbündeten. Sie zogen sich völlig unerwartet zurück und rückten in den Westen ab. Eine letzte Auseinandersetzung erfolgte, als die unzufriedenen Krieger, mehr aus Missvergnügen als aus strategischem Kalkül, einen kleinen Ort in der Nähe eines Hochmoors im Westen angriffen. Den Bewohnern kam damals ein einzelner Elfenzauberer zu Hilfe und besiegelte mit der Niederlage der Dubharan das Ende ihres Versuchs, die Macht im Land zu übernehmen.

Vor einhundert Jahren war es nicht viel anders gewesen. Daran erinnert sich außer Elfen, die ein längeres Leben als Menschen haben, niemand. Aber Erzählungen und Geschichtsschreiber halten die Geschehnisse lebendig. Der Sturm der Heere der Dubharan fegte damals Richtung Süden übers Land. Zuletzt hatten sich alle dort lebenden Elfen und die sie unterstützenden Menschen in die Mauern der Burg Deasgard, das bedeutet Südfestung, zurückgezogen. Auf Seiten der Dubharan kämpften wie stets grausame Wolfskrieger, aber auch das todbringende, drachenähnliche Wesen, das damals zum ersten Mal in Erscheinung trat. Die dunklen Zauberer schleiften bei diesem Versuch die Burg und alle Verteidiger wurden getötet. Damals löschten sie das Volk der Südelfen aus. Hilfe von weiteren Elfenvölkern und mit ihnen verbündeten Menschen aus anderen Regionen kam zu ihrer Rettung zu spät. Doch schließlich schlugen diese die Dubharan zurück. Sie setzten den fliehenden Truppen hinterher und stellten sie mehrmals, wobei es gelang, viele der gegnerischen Kämpfer und Zauberer zu töten.

Jetzt ist es also wieder so weit. Bisher ist der tödliche Drache nicht in Erscheinung getreten, aber trotzdem wurde der Süden nicht nur angegriffen, sondern auch schnell unterworfen. Die in den verschiedenen Orten stationierten Truppen werden inzwischen auf ihre neuen Befehlshaber eingeschworen. Das erfolgt nur teilweise unter Zwang. Es gibt viele Menschen, die sozusagen mit den Wölfen heulen, um ihre eigene Haut zu retten. Andere wiederum brennen einfach darauf, sich bei den kommenden Kämpfen durch Plünderungen in den überfallenen Orten zu bereichern.

Den Dubharan ist es durch den schnellen Sieg im Süden gelungen, die Kampfkraft ihrer Heere auf diese Weise erheblich zu vergrößern. Sie lassen eine Besatzung unter dem Befehl einiger Zauberer in der Hauptstadt und beordern die restlichen Kämpfer zu den anderen großen Orten im Süden. Auch wenn die Hauptstadt unterworfen ist, werden sich vermutlich nicht alle Städte und regionalen Herrscher den neuen Machthabern ergeben. Es wäre aus Sicht der dunklen Magier unverantwortlich, feindlich gesinnte Regionen als Keimzellen bewaffneten Widerstandes agieren zu lassen. Deshalb ziehen die Truppen systematisch durch den Süden und stationieren in jedem Ort, der sich ihnen unterwirft, eine kleine Besatzung. Auch hier werden die kampffähigen Männer zwangsrekrutiert. In manchen Orten kommt es zu kleineren Kämpfen, wobei sich die Krieger der Dubharan stets besonders grausam verhalten. Für jeden Getöteten auf ihrer Seite werden zehn Verteidiger umgebracht, sobald die Angreifer gesiegt haben. Die Nachricht über dieses Verhalten sorgt dafür, das kaum Widerstand aufkommt. Wenn aber doch, kämpfen die Menschen verzweifelt und mit allen Mitteln. Nicht selten stehen Männer und Frauen gemeinsam mit ihren Kindern an vorderster Front. Sie finden es besser, vereint im Kampf zu sterben, als anschließend von den Gegnern grausam gequält und schließlich doch umgebracht zu werden.

Beschwörungen und Versuche

Juna und Cloe setzen ihre Übungen mit den magischen Kreaturen fort. Am besten gelingt es ihnen, einen Greif heraufzubeschwören und zu kontrollieren. Das Wesen wirkt auf beide schon fast wie ein Haustier, obwohl es das natürlich nicht ist. Cloe sieht sich neben den Übungen die Beschreibung der Kreatur in dem Buch »Magische Wesen und ihre Macht« noch einmal an, um nach weiteren Informationen zu suchen. Sie beschwört den Greif herauf, so wie sie es mit Juna schon oft gemacht hat. Es erscheint eine kleine Version dieses Wesens. Der halb durchsichtige Körper besteht aus blauem Licht. Cloe murmelt leise, was im Buch zu der Kreatur geschrieben steht. Sie beobachtet dabei fasziniert, wie die Lichtgestalt sich bewegt und die aufgezählten Merkmale veranschaulicht.

»Der Greif hat den Leib eines Löwen und den Kopf und die Flügel eines Adlers. Er vermag dank großer Intelligenz schnell auf Situationen zu reagieren. Im Kampf ist er ein nicht zu verachtender Gefährte. Seine scharfen Krallen und der Schnabel können einen Gegner in Sekundenschnelle in Stücke reißen. Da er ungeheuer stark ist, kann er sie auch ergreifen und in große Höhe tragen, um sie dann dort fallen zu lassen.« Doch das hat Cloe bereits alles von Juna erfahren. Sie verbringt einen Tag mit dem Studium der anderen Bücher und erfährt, die herausragendsten Eigenschaften dieses Wesens sind Stärke und Wachsamkeit. In bildlichen Zusammenhängen kommt der Greif häufig in einer Wächterrolle vor, beispielsweise als Hüter des Grabes oder des Lebensbaums. Er vermag alles Böse in Gestalt von Löwen, Schlangen und Basilisken zu überwinden und abzuwehren. Die Elfe weiß natürlich nicht, wie wichtig diese Informationen eines Tages sein werden!

Manche der magischen Kreaturen lassen sich schwieriger als andere kontrollieren. Obwohl Juna und Cloe es schließlich mit großer Ausdauer bei fast allen schaffen, widersetzt sich der Drachengeist immer noch. Daneben stellen sie bei ihren Übungen drei weitere Nachteile fest.

1. Sie benötigen das Buch, damit sie eines der magischen Wesen heraufbeschwören können.

2. Die Kreaturen sind nur etwa so groß, wie eine Hand breit ist.

3. Ein Mehrfachaufrufen bewirkt keine Vervielfältigung des Wesens.

Der gravierendste Mangel ist wohl, dass das Buch nicht nur zum Aufrufen, sondern auch zum Bestehenbleiben der Beschwörung erforderlich ist. Tragen Cloe oder Juna das Buch nicht bei sich, können sie keines der Wesen aufrufen.

Hat die Tochter beispielsweise den Greif herbeigerufen und die Mutter verlässt den Raum und nimmt das Buch mit, verschwindet die Kreatur sofort, ohne dass Cloe etwas dagegen machen kann.

In der ersten Zeit meinen die Elfen, immer nur eines der Wesen beschwören zu können, sei sogar noch nachteiliger. Juna insbesondere hofft, eine ganze Armee der jeweiligen Kreatur wäre besonders wirkungsvoll im Kampf gegen die Dubharan. Sie berücksichtigt dabei nicht, dass die Kontrolle mehrerer Wesen entsprechend schwieriger sein muss, als wenn es nur um eines geht.

Die Größe der Kreatur hat jedoch keinen Einfluss auf ihre Stärke. Der kleine Greif vermag enorme Lasten in die Luft zu tragen, was Cloe bei einem Test herausfindet. Sie denkt auch an den Versuch Junas zurück, als diese den Drachengeist zu kontrollieren versuchte. Dessen Feueratem war so heftig, dass ihre Schutzglocken innerhalb kürzester Zeit zusammenbrachen. Die starke Wirkung war der ähnlich, die dem drachenähnlichen Wesen zugeschrieben wurde, das die Dubharan bei ihrem ersten und zweiten Versuch der Machtübernahme nutzten.

»Die Größe der magischen Kreatur ist nicht ausschlaggebend«, stellt die junge Elfe fest. »Die Stärke ihrer Eigenschaften wird davon nicht beeinflusst.«

»Trotzdem kann eine Erscheinung allein durch ihre Größe beeindrucken. Uneingeweihte Gegner können schon durch den Anblick Furcht verspüren und die Lust auf einen Kampf verlieren«, entgegnet Juna.

»Das stimmt. Daran habe ich nicht gedacht. Kennst du einen Zauber, der eine Vergrößerung bewirkt?« Cloe schaut ihre Mutter gespannt an. Sie hat schon mehrfach darüber nachgedacht, ohne einen Spruch zu finden.

»Es gibt Bücher, in denen …« Plötzlich schweigt Juna. Dann fährt sie mehr im Selbstgespräch, als zur Tochter gewandt fort: »Das ist eine Idee. Vielleicht …? Ja, das könnte sein. Und wo habe ich meine Aufzeichnungen? Die müssen doch auch in dem Regal sein.« Cloe folgt mit ihren Blicken der Mutter, die zielstrebig zu einem Büchergestell tritt und die Buchrücken betrachtet. Die Suche dauert lange. Schließlich setzt sich Juna enttäuscht auf einen Stuhl. »Unter den Büchern befindet sich keines, das vielversprechend ist, und meine Kladde ist auch nicht zu finden.« Mit gekrauster Stirn blickt sie durch den Raum.

Cloe versucht zu helfen: »Wie war das noch mit dem Buch, das du von deinem Ausbilder bekommen hast? Das war doch hinter andere Bücher gerutscht. Du hattest es damals im Kummer um die Eltern …«

Mit einem Jubelruf unterbricht ihre Mutter sie und springt auf. »Die Idee ist gut!« Sie beginnt erneut im Regal zu suchen und hält kurz darauf ein dickes Heft in Händen, dessen Blätter mit einer roten Kordel zu einer Kladde zusammengehalten werden. Juna setzt sich an den Tisch, legt ihr Notizheft vor sich und atmet mehrmals langsam ein und aus, um ihre Aufregung zu dämpfen. Sie fühlt sich kurz in die Zeit von damals zurückversetzt, spürt erneut die Trauer über den Tod ihrer Eltern. Sie strafft schließlich die Schultern und beginnt, die Kladde durchzublättern. Schon bald verharrt sie an einer Stelle und schüttelt dann doch den Kopf. Nach dem Umblättern und Lesen weiterer Seiten blickt sie ihre Tochter triumphierend an.

»Mit diesem Spruch sollte es funktionieren.« Sie beschwört einen Zwerg, wirft erneut einen Blick in die Kladde, deutet mit der rechten Hand auf die Lichterscheinung, die mit der Axt einen Scheinkampf gegen einen Gegner ausficht. »Dilata!« Im nächsten Moment wächst die Gestalt bis auf die Größe eines erwachsenen Menschen oder Elfen heran. Mit der herumschwingenden Waffe wirkt der vergrößerte Zwerg nicht nur gefährlich, er ist es auch. Bevor Juna ihn zu kontrollieren vermag, fährt dessen Axt in das Bücherregal und durchschlägt mehrere Streben. Bücher fallen polternd zu Boden, denen etwas verzögert Regalbretter folgen. Hätte dort ein Wolfskrieger gestanden, wäre der sicher getötet worden. Erschrocken lässt die Elfe mit »Inhibeo« den Zwerg wieder verschwinden.

»Puh, das war nicht ungefährlich«, bestätigt die Tochter. »Kannst du eine Kreatur auch verkleinern?«

»Warte einen Moment, dafür gibt es auch einen Spruch.« Sie wirft einen Blick in die Kladde. »Genau, hier ist er. Nehmen wir erneut den Zwerg, oder was meinst du?« Da ihre Tochter nickt, ruft sie den Axt schwingenden Kämpfer wieder herbei. Erschrocken ruft sie sofort mit ausgestreckter Hand »Deduce«, da die erscheinende Kreatur die Abmessungen von soeben behalten hat. Jetzt schrumpft sie auf ihre ursprüngliche Größe. Ein weiteres »Deduce« bewirkt die Verkleinerung auf etwa die Länge eines Daumennagels. Bevor Juna den Zwerg erneut verschwinden lässt, vergrößert sie das Wesen auf seine anfängliche Größe.

»Das war beeindruckend«, bestätigt Cloe. »Die Sprüche wirken sicher nicht nur auf diese Kreaturen, oder?«

»Natürlich nicht. Als ich das notierte, hatte ich keine Ahnung, wie ich sie heraufbeschwören könnte. Warum fragst du? Aber warte einen Augenblick. Ich muss erst die Schäden beseitigen, die die Axt verursacht hat. Renovo!« Im nächsten Moment ist das Bücherregal wieder unversehrt und sogar die Bücher stehen an ihren Plätzen. Juna blickt ihre Tochter abwartend an, die langsam ihre Idee äußert.

»Für die Beschwörung der Wesen müssen wir das Buch bei uns tragen. Es wäre gut, wenn wir es verkleinern könnten, dann wäre es sowohl besser zu verbergen, als auch zu transportieren.« Sie fährt nach einem Moment zögernd fort. »Vermutlich wirken diese Zauber aber nicht auf das Buch, da Renovo nach der Beschädigung durch den Feueratem des Drachengeistes wirkungslos blieb. Die Brandspuren sind immer noch vorhanden.«

»Es stimmt, dieses besondere Artefakt, das durch Magie geschaffen wurde, konnte nicht so einfach wiederhergestellt werden«, murmelt Juna nachdenklich. »Trotzdem sollten wir es versuchen. Es kann dadurch ja kaum etwas passieren, oder?« Beide Elfen halten gespannt den Atem an, als die ältere ihre rechte Hand auf das Buch richtet und »Deduce« spricht. Zuerst meinen sie, dass genau das passiert, was sie erwartet haben, nämlich nichts. Dann vibriert es, ein heller Blitz erscheint und dann schauen beide auf eine Miniaturausgabe. Sie ist etwa zwei Zentimeter groß und wenige Millimeter dick. Aufgeregt betrachten sie die Verkleinerung.

»Jetzt probiere, ob du den Zwerg erneut beschwören kannst. Ach nein, nimm doch lieber den Greif!«, drängt Cloe aufgeregt. Sie ist genauso gespannt auf das Ergebnis, wie ihre Mutter. Zu ihrer Erleichterung klappt alles wie erhofft und die aufgerufene Kreatur hat die bisherige Größe. Schnell probiert die Tochter, ob der Vergrößerungs- und Verkleinerungsspruch jetzt genauso wirken, wie zuvor. Das funktioniert ebenfalls.

»Das war eine gute Idee von dir«, bestätigt die Mutter. »Das Buch wäre bei einer Auseinandersetzung mit den Dubharan schwierig mitzuführen, aber so ist das kein Problem.«

Schlechte Nachrichten

Die Truppen der Dubharan überfallen im Süden die Orte, die ihnen noch keine Gefolgschaft geschworen haben, wobei auch einsame Anwesen nicht verschont werden. Inzwischen bewegt sich das zweite Heer nicht mehr heimlich durch die Regionen im Osten. Es verfolgt den Auftrag, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, damit die kleine Truppe Deans ihrer Aufgabe folgen kann. Sie haben zuerst jede Auseinandersetzung vermieden und sind unermüdlich marschiert. In der Nacht legten sie nur kurze Pausen ein, um den Abstand zu Deans Schar schnell zu verringern. Als sie in der Nähe der alten Königsburg im Osten erkennen, dass ihnen das gelungen ist, greifen sie seitdem jede Siedlung an, die auf ihrem Weg liegt. Anders als das Heer im Süden lassen sie in den Orten aber keine Besatzungen zurück. Damit die wenigen Reiter Deans als Späher wirken, halten sich die Fußsoldaten nicht lange mit den Überfällen auf. Sollte der Widerstand heftiger als erwartet sein, brechen sie die Aktion ab, um den Abstand zwischen sich und den Reitern nicht wieder groß werden zu lassen. Sind sie erfolgreich, ziehen sie kurz plündernd durch die Straßen. Es wirkt wie ein unheimlicher Spuk, der Tod und Verwüstung hinter sich lässt.

In den anderen Regionen des Landes ist es dagegen bisher seltsam ruhig geblieben. Das große Heer, das von Finn und Ryan beobachtet wird, hat, bis auf den eher zaghaften Angriff auf den kleinen Ort im Westen, keine weiteren Aktionen gestartet. Es scheint das Ziel zu verfolgen, möglichst unbemerkt und ohne Aufsehen in den Norden vorzustoßen.

Von alldem bekommen Juna und Cloe in ihrem einsam gelegenen Haus nichts mit. Seit das Volk der Südelfen vor vielen Jahren durch die Dubharan vernichtet worden war, hat sich Juna in die Einsamkeit zurückgezogen. Auf einer der wenigen Zaubererversammlungen, an denen sie dann noch teilgenommen hatte, lernte sie durch Zufall den späteren Vater Cloes kennen. Ihr neues Heim verlassen wollte sie nicht. Sie hatte sich derart an ihr zurückgezogenes Leben gewöhnt, dass dieser ihr ohne Widerspruch dorthin folgte. Sie lebten zufrieden für sich allein, bis ihr Glück mit der Geburt Cloes vollständig zu sein schien. Gelegentlich besuchte Ainsley, die Schwester des Vaters sie, die zur Patin der jungen Elfe ernannt worden war. Doch als die Dubharan ihren zweiten Versuch unternahmen, die Herrschaft im Land an sich zu reißen, konnte und wollte der Vater die Elfen seines Volkes im Osten unterstützen. Er starb bei dem Kampf um die Königsburg der Menschen und hinterließ eine verbitterte Elfe mit einem kleinen Kind. Diese zog, auf sich allein gestellt, ihre Tochter liebevoll auf, denn ein Ortswechsel kam für sie jetzt erst recht nicht in Frage, obwohl ihre Schwägerin sie oft drängte. Seit jenem Verlust forscht Juna nach einer Möglichkeit, die verhassten Dubharan für das ihr zugefügte Leid zu bestrafen.

Während der Suche nach magischen Wesen an der Westküste, hatte Cloe von ihrer Mutter endlich die Gründe für ihr zurückgezogenes Leben erfahren. Die junge Elfe versucht deshalb ebenso wie Juna, diese Kreaturen zu beherrschen. Dabei ist ihr der Greif am liebsten.

»Das ist zwar ein starkes Wesen«, pflegt ihre Mutter sich dann zu äußern, »aber ein Drache oder der Drachengeist ist wesentlich mächtiger. Wenn ich den nur endlich kontrollieren könnte!« Die Tochter schüttelt jedes Mal betrübt den Kopf. Juna scheint starrköpfig daran festzuhalten, nur diese Kreatur könne ihr helfen, Rache an den Dubharan zu nehmen. Oder ist es einfach ihr Plan, dass sie das Wesen, das so viel Kummer in ihr Leben gebracht hat, gegen ihre Feinde hetzen will?

Cloe kommt eines Abends von einem Besuch bei ihrer Tante Ainsley zurück, bei dem ihre Mutter sie natürlich nicht begleiten wollte. Sie bringt beunruhigende Neuigkeiten über die Aktionen der Dubharan mit und brennt vor Ungeduld, sie mitzuteilen. Doch im Haus ist es unnatürlich ruhig. Das Ticken der alten Standuhr vermittelt zwar den gewohnten heimeligen Eindruck, trotzdem rieselt der jungen Elfe ein Angstschauer über den Rücken. Woran es liegt, weiß sie nicht, doch ihr Puls beginnt zu rasen.

»Mom, wo steckst du?«, ruft sie in der verwaisten Wohnstube. Eine Antwort bleibt jedoch aus. Von Unruhe getrieben, ruft Cloe immer wieder nach der Mutter, wobei sie einen Raum nach dem anderen betritt. Doch das Haus ist verlassen! Was ist, wenn die Dubharan sie überfallen haben, so wie das an vielen Orten im Süden und Osten passiert? Dann wird sie bereits getötet oder verschleppt worden sein. Sie liegt möglicherweise in einem Gefängnis und wartet schwerverletzt auf Hilfe. Allein konnte sie nicht gegen mehrere …

Cloe unterbricht ihre sich jagenden Gedanken. Wenn es einen Überfall auf ihre Mutter gegeben haben sollte, müsste es hier anders aussehen! Es wirkt eher so, als ob das Haus freiwillig verlassen wurde. Aber warum? Ihre Mom ist doch sonst fast immer hier. Am Morgen, als Cloe sich von ihr verabschiedete, hatte sie nicht angedeutet, erneut nach magischen Wesen suchen zu wollen. Das wäre zwar eine Möglichkeit, weshalb sie das Haus verlassen haben könnte, aber einen Blutmond hat es nicht schon wieder gegeben. Falls sie also einer anderen, plötzlichen Idee gefolgt sein sollte, müsste eine Nachricht von ihr zu finden sein! Die Elfe rast in das Wohnzimmer zurück und sucht auf dem Esstisch und dann auf dem Schreibtisch nach einer Notiz. Doch sie findet keine. Eine neue Idee veranlasst sie, erneut den Sekretär zu durchsuchen. Sie öffnet Schubladen und schaut in Fächer, hebt Papiere an und schüttelt schließlich enttäuscht den Kopf.

»Wo ist das Buch geblieben?«, murmelt sie leise, während sie zum Bücherregal hinübergeht. Nach längerer Suche ist sie sicher, dass das Buch über die magischen Wesen dort auch nicht zu finden ist. Erneut steigt Unruhe in Cloe auf. Es sieht ihrer Mutter nicht ähnlich, das Haus ohne eine Nachricht für ihre Tochter zu verlassen, jedenfalls nicht unter normalen Umständen. Es sei denn, sie wollte unlängst zurück sein, noch bevor Cloe vom Besuch ihrer Tante zurückerwartet wurde. Aber das bedeutet dann vermutlich, dass Juna etwas passiert sein muss! Ein kalter Schauer läuft der Elfe über den Rücken. So, als würde jemand mit einem Stück Eis darüberstreichen.

»Mom! Was ist passiert?«, ruft Cloe wider besseres Wissen. Wie soll sie eine Antwort erhalten, wenn ihre Mutter nirgends zu finden ist. Da die beiden Elfen stets zusammen sind, fällt der Tochter erst jetzt die sonst fast nie genutzte Möglichkeit der gedanklichen Kontaktaufnahme ein. Sie setzt sich auf einen Stuhl, nimmt den Kopf zwischen die Hände und versucht es. Von innerer Unruhe getrieben steht sie schon bald wieder auf. Stillsitzen kann sie jetzt nicht. Auch während ihres unsteten Hin- und Herlaufens sendet sie andauernd: »Mom, melde dich! Wo bist du?« Doch eine Verbindung kommt nicht zustande. Cloe meint, mittlerweile zu ersticken. Ihr Hals fühlt sich an, als würde er ihr zusammengedrückt. Sie muss nach draußen, die Luft im Haus wirkt plötzlich derart dicht, dass sie nicht mehr eingeatmet werden kann. Panik steigt in der Elfe hoch. Sie taumelt beim Wechsel in die Küche und schafft es mit letzter Kraft, dort die Tür in den Garten zu öffnen. Auf der Schwelle bricht sie zusammen und streckt die Arme in einer hilflosen Geste aus. Ihr ist kurzzeitig schwarz vor Augen und Schweißperlen sammeln sich auf ihrer Stirn. Ihre Augenlider flattern, dann kommt sie wieder zu sich. Der Bauch scheint sich zu einem Knoten zusammenzukrampfen und drückt, als befände sich dort ein harter Stein. Ihr laufen unbemerkt Tränen übers Gesicht. »Mom, melde dich!«, sendet sie erneut. Aber auch jetzt ist es vergeblich.

Die hastigen Atemzüge der Elfe erinnern an das verzweifelte Schnappen nach Luft, eines im Wasser ums Überleben Kämpfenden. Cloe beruhigt sich nur langsam. Die warme Abendluft umfächelt ihr Gesicht und einige leise Vogelstimmen dringen allmählich in ihr Bewusstsein. Sie atmet jetzt langsam und gleichmäßig und richtet sich vorsichtig auf. Immer noch verwundert über ihre unerklärlich heftige Reaktion, sucht sie nun im Garten und in der Nähe des Hauses nach der Mutter. Die Bewegung beruhigt sie zusätzlich, auch wenn sie Juna nicht findet. Sie kehrt ins Haus zurück und plötzlich durchfährt sie ein Gedanke. Der Keller! Sie hat bei ihrer Suche die unteren Räume vergessen! Um sich nicht erneut in eine Situation voller Panik hineinzusteigern, geht sie bewusst langsam in den hinteren Bereich des Hauses, um dort über eine Stiege in die Kellerräume hinunterzusteigen. Hier ist es dunkel. Darum erwartet Cloe auch nicht, ihre Mutter zu finden, als sie mit »Solus« eine Lichtkugel herbeiruft.

»Nein! Mom! Nein!«, ruft sie voller Schrecken, während sie die letzten Stufen der Treppe hinunter stolpert, um möglichst schnell zu der Gestalt zu kommen, die hier bewegungslos auf dem sandigen Kellerboden liegt. Im nächsten Moment hockt sie vor Juna und versucht, ein Lebenszeichen zu entdecken. »Lebensenergie. Du musst Lebenskraft übertragen!«, vernimmt sie eine Stimme, die in ihr Bewusstsein zu dringen versucht. Cloe hockt völlig erstarrt, betäubt und hilflos vor ihrer Mutter, deren Anblick grauenhaft entstellt ist. Kann es noch Leben in diesem mit Verbrennungen übersäten Körper geben? Von den Haaren sind nur noch gekräuselte Reste vorhanden und die Kleidung existiert fast nur noch als schwarze Fetzen. Gab es hier also doch einen Überfall der Dubharan? Aber wieso? Die wissen sicher nicht, wo sich Junas Heim befindet und einen Grund für einen Angriff können sie auch nicht haben, oder doch?

»Reiß dich zusammen! DU MUSST LEBENSENERGIE ÜBERTRAGEN!«, schreit ihre innere Stimme. Wie aus einem Traum aufschreckend, fährt die Elfe hoch und blickt dann erneut auf ihre Mutter. Jetzt hält sie die Hände über die bewegungslose Gestalt.

»Beatha. Beatha. BEATHA!«, ruft Cloe verzweifelt. Sie hofft, dass sie nicht zu spät reagiert hat. Die nächsten Augenblicke scheinen Stunden und nicht nur wenige Bruchteile einer Sekunde zu dauern. Zuerst bemerkt sie es nicht, aber dann sieht sie das goldene Gleißen, das von ihren Händen zu ihrer Mutter hinüberfließt. Es ist zwar sehr schwach, aber es ist vorhanden. Sie spürt ein feines Kribbeln. Warum wird das Licht nicht stärker? Die Elfe kneift die Lippen zusammen und versucht, mit großer Anstrengung, mehr Energie zu ihrer Mutter hinüberzupressen. Mit einem Mal wird es finster um sie herum und Cloe unterbricht hastig die Übertragung. Schwer atmend, wie nach einem langen Lauf, hockt sie am Boden und keucht heftig. Sie hat nicht aufgepasst und sich fast völlig verausgabt. Sofort überwältigt sie ein Hustenreiz und ihr ist übel. In der Luft schweben bläuliche Schwaden. Sie bezwingt den Reiz, beugt sich zu ihrer Mutter hinab und versucht ihren Puls am Hals zu ertasten. Hier ist die Haut nicht geschädigt, aber Cloe kann keinen feststellen, es scheint kein Lebenszeichen zu existieren! Aufgeregt hält sie ihren Kopf mit dem Ohr auf den Oberkörper Junas und horcht nach dem Herzschlag. Der verbrannte Stoff reizt ihre Atmung, trotzdem zieht sie den Kopf nicht zurück. Zuerst meint sie, nur das Rauschen ihres eigenen Blutes zu vernehmen, das unnatürlich laut zu sein scheint. Aber dann ist er zu hören, der Herzschlag ist vorhanden! Er ist zwar schwach und sehr unregelmäßig, aber er ist da! Die Elfe berührt ihre Mutter und nutzt den magischen Sprung. Sofort befinden sie sich in Junas Schlafzimmer, wo Cloe die immer noch bewusstlose Gestalt auf das Bett legt. Erneut horcht sie nach dem Puls und nickt dann zuversichtlich. Sie überträgt nochmals Lebensenergie und behandelt nun auch mit »Salvus« die Verletzungen an Händen und Gesicht. Sie zieht die verbrannten, fast verkohlten Kleidungsstücke vom Körper der Mutter und versorgt auch dort die vielen Verbrennungen, die sie erst jetzt bemerkt. Anschließend deckt sie ein kühles Leinentuch über Juna und rückt einen Stuhl neben das Bett, auf den sie sich setzt. Sie will sofort zur Stelle sein, wenn Hilfe notwendig werden sollte und wartet, dass ihre Mutter erwachen wird.

Grübelnd versucht sie, sich zusammenzureimen, was passiert sein mag. Erst jetzt dringen die Bilder aus dem Kellerraum zu ihr durch. Was bedeutet das? Die Regale mit Vorräten sind nicht mehr vorhanden. Die Gläser liegen zerbrochen am Boden und Reste eines stinkenden Qualms hängen ätzend in der Luft. Deshalb hatte sie auch diesen unerträglichen Hustenreiz! Sollte es dort gebrannt haben und Juna wollte das Feuer löschen? Dafür sprechen der Rauchgeruch ihrer Kleidungsfetzen und ihre Verbrennungen. Aber wodurch sollte im Keller ein Brand ausbrechen? Sie benutzen niemals eine Fackel, um etwas zu sehen, sondern Lichtkugeln. Außerdem könnte Juna eine Feuersbrunst sofort mit »Uisge« löschen, womit ein großer Wasserschwall heraufbeschworen wird. Weshalb sollte sie einem Feuer derart nahekommen, dass es ihre Kleidung erfassen kann? Was kann die Ursache gewesen sein? Obwohl es auf der Hand liegt, kommt Cloe nicht drauf.

Der verfluchte Drachengeist

Lange sitzt Cloe am Bett ihrer Mutter. Deren rasselnder Atem klingt flach und unregelmäßig. Manchmal befürchtet sie, dass der nächste Atemzug ausbleibt. Sie schreckt dann auf und beobachtet wie hypnotisiert den Brustkorb Junas. Er bewegt sich nicht! Was kann sie machen? Dann hebt er sich doch. Das Pfeifen, mit dem die Luft plötzlich eingesogen wird, klingt fast noch beängstigender als die Ruhe davor. Cloe sinkt trotzdem erleichtert auf den harten Stuhl zurück. Was hat ihre Mutter nur im Kellerraum gewollt? Wenn es dort gebrannt haben sollte, wodurch könnte das verursacht worden sein? Offenes Feuer als mögliche Ursache gibt es dort nicht! Wenn es jedoch im Keller nicht brannte, als ihre Mutter hingegangen ist, was hatte sie dann vor? Gab es vielleicht doch einen Angriff der Dubharan? Aber weshalb sieht es außer im Kellerraum völlig normal im Haus aus? Nein. Das kann sie als Grund ausschließen. Außerdem würde sich ihre Mom nicht in den Keller zurückziehen, um sich vor einem Angriff zu retten. Sie hätte sich an Ort und Stelle gewehrt, und das wäre zu erkennen gewesen. Sie würde in letzter Verzweiflung sogar den Drachengeist heraufbeschworen haben, der mit seinem Feueratem jeden Gegner …

Cloe stockt bei diesem Gedanken. Sie blickt ihrer Mutter in das verbrannte Gesicht, in dem sie bereits erste Heilungserfolge zu erkennen meint. Sollte sie im Keller versucht haben, den Drachengeist zu beschwören und zu kontrollieren? Dabei ist der letzte Versuch, bei dem Cloe anwesend war, doch fürchterlich danebengegangen. Wollte ihre Mutter es deswegen erneut probieren, einfach nur, um nicht klein beizugeben? Die Enge des Kellerraums beeinflusste die Kontrolle möglicherweise positiv. Das magische Wesen könnte sich dort nicht so schnell einem Lähmungszauber oder der Willensübernahme durch das Verbergen hinter Möbeln oder dem Entwischen in angrenzende Räume entziehen. Andererseits hat Cloe nicht den Eindruck gewonnen, dass sich der Drachengeist durch Verstecken einer Unterwerfung des Willens widersetzen würde. Nein. Diese Kreatur kennt kein Heil in der Flucht, es greift stattdessen an und setzt seinen tödlichen Feueratem ein.

»Das muss es gewesen sein«, ist die Elfe überzeugt. »Mom hat versucht, den Drachen zu bezwingen, und wurde dabei von dessen Feuer überwältigt.« Eine Träne läuft über das Gesicht der Tochter. Sie wischt sie schnell fort. Sie will nicht trauern, ihre Mutter muss, nein, wird genesen! In diesem Moment kommt ihr ein anderer Gedanke. »Wo mag der Drachengeist jetzt sein? Wurde er dadurch aufgelöst, dass Mom ohnmächtig wurde?« Dann hätte er seine Beschwörung sozusagen selbst aufgehoben. Oder gibt es einen anderen Grund, weshalb er nicht im Keller zu sehen war? Cloe und Juna versuchten bisher nicht, herauszubekommen, wie lange eines der magischen Wesen existent bleiben würde, wenn sie den Zauber nicht mit »Inhibeo« aufheben. Plötzlich fällt der jungen Elfe noch eine andere Möglichkeit ein. Der Feueratem hatte beim ersten Versuch der Kontrollübernahme durch Juna das Buch teilweise verbrannt. Was ist, wenn das Buch jetzt völlig zerstört wurde, so wie die Regale im Keller? Ihre Mutter muss das Buch bei sich getragen haben, sonst hätte sie die Kreatur nicht heraufbeschwören können. Cloe erinnert sich aber nicht, es in dem unteren Raum gesehen zu haben.

»Mom könnte es auf eine kleinere Größe reduziert und in einer Tasche ihres Gewandes bei sich getragen haben!« Cloe springt auf und untersucht die größtenteils verbrannten Reste der Kleidung, die sie vorhin achtlos auf einen Haufen geworfen hat. Sie sucht sehr gründlich, findet das Buch jedoch nicht. »Sollte der Drachengeist deshalb verschwunden sein, weil das Buch nicht mehr existiert?« Dieser Gedanke ist bestürzend, da sich die Elfe sozusagen mit den Fähigkeiten des Greifs angefreundet hatte. Andererseits hätte der Fall auch etwas Positives. Ihre Mom käme nicht erneut auf die Idee, dieses gefährliche Wesen für ihre Zwecke zu nutzen. Cloe betrachtet im Licht der von ihr hervorgerufenen Lichtkugel Junas Gesicht. Hinter den geschlossenen Lidern bewegen sich die Augen unstet hin und her. Was mag sie wohl träumen? Von ihren Eltern oder ihrem Mann, die alle durch den Feueratem eines Drachen umkamen? Kämpft sie möglicherweise gerade mit einem derartigen Lindwurm? Die Elfe schüttelt den Kopf. Sie wird es erfahren, wenn es Juna wieder besser geht und setzt sich auf den Stuhl. Obwohl die Nacht mittlerweile weit fortgeschritten ist, verspürt sie keine Müdigkeit.

Doch plötzlich schreckt sie auf. Sollte sie vor Erschöpfung kurz eingeschlafen sein? Was ist es nur, was sie stört? Irgendetwas hat sich geändert! Es ist beunruhigend still. Das Pfeifen des Atems fehlt! Wie lange dauert der Atemaussetzer wohl schon? Cloe springt auf. Der Brustkorb hebt sich nicht! Sie breitet die Hände über ihre Mutter.

»BEATHA! BEATHA! B E A T H A!«, ruft sie verzweifelt, doch das goldene Gleißen stellt sich nicht ein! Sie packt ihre Mutter an den Schultern und schüttelt sie. »Atme! Wach auf!«, ruft sie verzweifelt, während ihr Tränen übers Gesicht laufen. Doch Juna reagiert nicht. Cloe wirft sich über sie. »Nein! Mom. Bleib bei mir!«, schluchzt sie verzweifelt. Obwohl sie weiß, dass es vergeblich sein wird, versucht sie immer wieder, Lebensenergie zu übertragen. Als sich der Morgen durch einen leisen Schimmer ankündigt, herrscht in Cloe tiefste Nacht. Sie hört weder das erste Zwitschern der frühen Vögel, noch achtet sie auf die Sonnenstrahlen, die das Zimmer bereits mit einem goldgelben Licht erhellen. Dann erhebt sie sich erstaunt, sollte jetzt doch noch Lebensenergie übertragen werden? Dann erkennt sie ihren Irrtum, es ist nur das Sonnenlicht. Sie streichelt verzweifelt das verbrannte Antlitz ihrer Mutter, fällt auf die Knie und vergräbt ihr Gesicht an deren Schulter.

»Warum? Warum?«, jagt es in einer Endlosschleife durch ihren Kopf. Dann schreit sie ihre Wut heraus. »Diese grässlichen Drachenwesen. Sie haben meine Familie, ALLE meiner Familie getötet. Ich hasse euch. Ihr sollt verflucht sein!« Schließlich verlieren sich die Worte in einem Meer unendlicher Traurigkeit. Sie sperren den Sonnenschein aus, der schon bald das Zimmer hell erleuchtet. Immer wieder schluchzend erbebt die Gestalt der Elfe, bis sie ermattet zu Boden sinkt.

Es ist Mittag, als Cloe ihre Augen öffnet. Wider besseres Wissen hofft sie, dass sie den Tod der Mutter nur geträumt hat. Doch der erste Blick auf den reglosen Körper Junas zeigt ihr die bittere Realität. Langsam richtet sich die Elfe auf, streicht zuerst zögernd, dann ganz vorsichtig und sacht über das liebe Gesicht ihrer Mutter. Sie befürchtet, ihr Schmerzen zuzufügen, da die Haut immer noch die großflächigen Verbrennungen aufweist. In der Nacht meinte sie, erste Zeichen eines Heilungsprozesses gesehen zu haben, den sie mit »Salvus« erreicht hätte. Aber das war ein Irrtum, wie sie jetzt erkennt. Der Widerstand des stark verbrannten Körpers war trotz der Übertragung von Lebensenergie nicht groß genug gewesen, um sich zu regenerieren. Wenn sie daran denkt, dass nicht nur das Gesicht, sondern auch Arme und Beine verbrannt wurden, wäre es vermutlich ein Wunder gewesen, wenn Juna hätte gerettet werden können. Doch Cloes Kopf ist leer, sie sinkt erschöpft auf den Stuhl und streichelt immer wieder die Hand ihrer Mutter.

Sie weiß nicht, was sie als Nächstes beginnen soll, also bleibt sie einfach da, wo sie jetzt ist. Welchen Sinn sollte es auch machen, etwas Essen herzurichten, wo sie keinen Hunger verspürt, oder jemandem vom Tod ihrer Mom zu berichten? Das würde nichts ändern. GAR NICHTS! Dunkelheit und Verzweiflung hüllen Cloe ein.

Die letzten Sonnenstrahlen färben den Abendhimmel rot. Dessen Widerschein leuchtet in das Zimmer und scheint Wärme zu verbreiten, obwohl das nur eine Täuschung ist. Cloe spürt die Kälte, die sich im Leichnam, aber auch in ihr selbst ausbreitet. Welchen Sinn macht das Leben noch, jetzt, wo ihre nächste Verwandte, ihre Mutter, von ihr gegangen ist. Sie wird nun bei denen sein, die ihr vorausgegangen sind, bei Dad und ihren Eltern. Am liebsten wäre es der jungen Elfe, wenn sie einfach hätte mitgehen können. Dann wären sie jetzt vereint und glücklich.

»Nein, das wären wir nicht!«, wispert es in ihrem Kopf. Es dauert einige Zeit, bis der Satz in Cloes Bewusstsein dringt. Sie hebt langsam den Kopf und meint nachträglich eine Ähnlichkeit dieser Stimme zu erkennen. Das war doch ihre Mutter, aber wie sollte das möglich sein? Ihre Augen schwimmen in Tränen, verhindern einen klaren Blick auf die Gesichtszüge Junas. Da sie immer noch deren Hand umschlossen hält, bemerkt sie keine Bewegung, wohl aber die Kälte. Sie lässt den Kopf hängen und Tränen fallen auf ihre Hände. »Warum wären wir das nicht?«, fragt sie sich.

»Weil der Drache immer noch tötet.«

»Mom?« Obwohl sich das erneut nach Juna anhörte, bekommt sie keine Antwort. »Werde ich jetzt verrückt?«, überlegt Cloe. »Das wäre vielleicht nicht schlecht. Dann könnte ich die Einsamkeit vermutlich besser ertragen.«

»Könntest und wirst du nicht! Du hast eine Aufgabe: Töte dieses Ungeheuer, verbanne es aus deiner Welt!«

Die Elfe schüttelt sich. Woher kommen diese Gedanken? Ihre Mom vermag sich doch nicht mehr mit ihr zu unterhalten!

»Ist das ihr Geist, der zu mir spricht?« Ein kleiner Hoffnungsfunke glimmt in Cloe auf. Falls das möglich sein sollte, wäre sie doch nicht so allein und eine Aufgabe hätte sie außerdem. Durch ihre Trauer hindurch dringt langsam die Frage, wie sie diesen Drachengeist besiegen könnte. Wenn ihre Mutter dabei versagt hatte, lediglich eine magische Variante, sozusagen ein Spiegelbild der wahren Drachenkreatur zu bezwingen, wie sollte sie dann gegen den Drachen bestehen, der ihren Vater und ihre Großeltern tötete? Plötzlich drängt sich ein flüchtiger Einfall in den Vordergrund.

»Es gibt etwas, dass dir helfen kann.« Doch im nächsten Moment, noch bevor sie den Gedanken richtig zu fassen vermag, ist diese Zuversicht verschwunden. Cloe weiß, sie sollte wissen, was ihr gegen einen Drachen helfen kann. Es müsste sozusagen auf der Hand liegen. Aber, nein. Es hat keinen Zweck. Sie bekommt die sich eben noch andeutende Idee nicht aufs Neue aufgerufen.

Die Dämmerung ist vorüber und Dunkelheit herrscht im Zimmer. Erneut leuchtet eine Lichtkugel auf. Die Elfe betrachtet das Gesicht ihrer Mutter und fragt sich, ob sie die Aufgabe, die sie von ihr übernommen hat, erfüllen kann. Ihre Gedanken wandern Tage zurück. Sie erinnert sich daran, wie zuversichtlich Juna gewesen war, als sie eine Haselmaus hierherbrachte, von der sie annahm, dass sie ein magisches Wesen sei. Was mag wohl aus dem Tier geworden sein, ob die Katze es damals doch gefressen hat? Aber nicht deshalb denkt sie daran zurück. Das war der Zeitpunkt gewesen, als ihre Mutter ihr zum ersten Mal ausführlich davon berichtete, weshalb sie die Dubharan und besonders das Drachenwesen so hasst. Plötzlich verdrängt ein neuer Gedanke die anderen: Wo ist das Buch geblieben, mit dem die magischen Kreaturen heraufbeschworen werden können? Cloe versucht, sich zu erinnern. Hat sie es möglicherweise im Keller übersehen? Sie war zu sehr um ihre Mutter besorgt gewesen, als dass sie sich dort gründlich umgesehen hätte. Und anschließend suchte sie zwar in den Überresten der Kleidung danach, aber nicht erneut dort unten.

»Ich bin gleich wieder zurück, Mom«, wendet sich die Elfe mit Tränen in den Augen an die Tote. Dann blinzelt sie diese entschlossen weg und steht im nächsten Moment im Keller. Die Lichtkugel erhellt das Chaos, das ihr gestern Abend nicht so schlimm vorgekommen war. Ihre Augen ruhten da nur auf der reglosen Gestalt Junas. Wie soll sie das Buch in diesem Durcheinander finden? Sie versucht es zuerst mit einem Aufrufzauber, obwohl sie nicht sicher ist, dass der auf das Artefakt wirkt.

»Evoco »Magische Wesen und ihre Macht«. Evoco!« Doch das Buch erscheint nicht. Obwohl es immer noch nach Verbranntem riecht, beginnt die Elfe systematisch zu suchen. Es ist mittlerweile Mitternacht, als sie enttäuscht wieder neben dem Bett ihrer Mutter erscheint. »Leider finde ich das Buch nicht. Sollte es verbrannt und dadurch unrettbar verloren sein?« Noch immer verspürt sie keinen Hunger und sinkt niedergeschlagen auf den Stuhl. Eine Antwort bekommt sie nicht, trotzdem grübelt sie, als ihr Blick jetzt auf der Gestalt ihrer Mutter ruht. Etwas war gestern anders als sonst, irgendwie sonderbar. Es ist nicht die ungewohnte Stille gewesen, und es hat auch nichts mit dem Durcheinander im Keller zu tun, ist sich die junge Elfe sicher. Hat es mit der verbrannten Kleidung zu tun? Erneut durchsucht Cloe diese, untersucht jedes kleine Stückchen davon. Nein. Das ist es nicht. Die Elfe hockt deprimiert auf dem Boden und versucht die Augen offen zu halten, die ihr immer öfter zufallen. Sie sieht ein, dass sie etwas Schlaf braucht. Vielleicht sind danach ihre Gedanken klarer. Sie erhebt sich ächzend und will das Tuch über der Mutter glattziehen, das sie in der Nacht so zerwühlt hat. Sie legt beide Arme Junas auf die Decke, so dass es aussieht, als ob sie schlafen würde. Dabei fällt ihr ein Armreif auf, der locker am linken Handgelenk der Mutter sitzt. Das ist es, was ihr im Unterbewusstsein so eigenartig vorgekommen war. Juna trägt sonst nie Schmuck, weshalb also jetzt?

Der Armreif ist aus Bronze und stellt ein Flechtwerk aus Zweigen dar, das ansonsten nicht verziert ist. Cloe erinnert sich, dass es ein Andenken Junas an ihre Mutter ist, von der sie es als junge Elfe bekommen hatte. Irgendeinen magischen Zweck erfüllt der Reif nicht, er besitzt auch keine verstärkende Wirkung auf Zaubersprüche, wie sie weiß. Das hatte ihre Mom gesagt, als sie ihn sich vor langer Zeit gemeinsam angesehen hatten. Aber warum sollte Juna den Schmuck bei ihrem Versuch mit dem Drachengeist tragen?

Cloe bestaunt die ausgefallene Machart des Reifs. Er kommt ihr ungewöhnlich dick vor, anders, als in ihrer Erinnerung. Sie zieht ihn vorsichtig vom Handgelenk der Mutter und betrachtet ihn genauer. Jetzt erkennt sie, dass der Armreif in einem Bereich tatsächlich dicker ist. Sollte er dort einen Hohlraum besitzen? Aufgeregt drückt sie an dem Reif herum und sucht einen Mechanismus, mit dem das Versteck geöffnet werden könnte. Die Zweige lassen sich weder verschieben noch zusammendrücken, das Material ist fest und unnachgiebig. Der Armreif gibt sein Geheimnis auf diese Weise nicht preis. Cloe überlegt und versucht es schließlich mit einem Zauber.