Der König der Silion-Gasse - Jona Dreyer - E-Book

Der König der Silion-Gasse E-Book

Jona Dreyer

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Beschreibung

»Es wird eine Allianz geben, die Eure Väter nicht zu brechen wagen. Ihr werdet mein Gemahl.« An Bord eines Schiffes sucht Rheon Rí Silion, der Ziehsohn des legendären tharoganischen Königspaars, das Abenteuer seines Lebens. Frohen Mutes setzt er die Segel in Richtung der geheimnisvollen Ostlande, aber ein Sturm bringt sein Schiff zum Kentern und spült ihn an die Küste eines unbekannten Landes. Durch einen glücklichen Zufall wird er von König Anastasis von Shelzahav persönlich gerettet, doch der kalte, arrogante Herrscher der Goldenen Wüstenstadt nutzt seine Notlage skrupellos aus: Rheon ist gezwungen, ihn zu ehelichen, um eine politische Katastrophe in seiner Heimat zu verhindern. Aber nicht nur seine Ehe steht auf wackeligen Beinen, sondern auch das Königreich, denn der Sultan des Nachbarlandes hat ebenfalls hochfliegende Pläne.Kann aus Hass Liebe werden? Oder sind nicht nur Rheon und Anastasis, sondern auch die Goldene Stadt dem Untergang geweiht? Die Geschichte ist unabhängig und auch ohne Vorkenntnisse der anderen Inselreich-Bände zu lesen!

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Der König der Silion-Gasse

Gay Historical Fantasy

© Urheberrecht 2018 Jona Dreyer

 

Impressum:

Tschök & Tschök GbR

Alexander-Lincke-Straße 2c

08412 Werdau

 

Text: Jona Dreyer

Coverdesign: Jona Dreyer

Coverbild: depositphotos.com

Lektorat/Korrektorat: Kelly Krause, Kristina Arnold, Shan O’Neall & Sandra Schmitt

 

Kurzbeschreibung:

„Es wird eine Allianz geben, die Eure Väter nicht zu brechen wagen. Ihr werdet mein Gemahl.“

An Bord eines Schiffes sucht Rheon Rí Silion, der Ziehsohn des legendären tharoganischen Königspaars, das Abenteuer seines Lebens. Frohen Mutes setzt er die Segel in Richtung der geheimnisvollen Ostlande, aber ein Sturm bringt sein Schiff zum Kentern und spült ihn an die Küste eines unbekannten Landes. 

Durch einen glücklichen Zufall wird er von König Anastasis von Shelzahav persönlich gerettet, doch der kalte, arrogante Herrscher der Goldenen Wüstenstadt nutzt seine Notlage skrupellos aus: Rheon ist gezwungen, ihn zu ehelichen, um eine politische Katastrophe in seiner Heimat zu verhindern. 

Aber nicht nur seine Ehe steht auf wackeligen Beinen, sondern auch das Königreich, denn der Sultan des Nachbarlandes hat ebenfalls hochfliegende Pläne.

Kann aus Hass Liebe werden? 

Oder sind nicht nur Rheon und Anastasis, sondern auch die Goldene Stadt dem Untergang geweiht?

Über die Autorin

»Fantasie ist wie ein Buffet. Man muss sich nicht entscheiden – man kann von allem nehmen, was einem schmeckt.«

Getreu diesem Motto ist Jona Dreyer in vielen Bereichen von Drama über Fantasy bis Humor zu Hause. Alle ihre Geschichten haben jedoch eine Gemeinsamkeit: Die Hauptfiguren sind schwul, bi, pan oder trans. Das macht sie zu einer der vielseitigsten Autorinnen des queeren Genres.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

»So tief kann dich kein andres Leid betrüben, als hassen müssen, wo du solltest lieben.« (Unbekannt)

Vorwort

Auch diesmal möchte ich wieder einen kleinen Lesehinweis geben. Manch ein Charakter braucht Zeit, um sich zu entblättern und das zu zeigen, was sich hinter seiner Fassade verbirgt – ob diese nun besonders grausam oder übertrieben lebensfroh erscheint. Gewährt ihnen diese Zeit. Ihr werdet dafür belohnt. Perfekte, immer sofort sympathische Menschen sind nicht das, worüber ich schreiben möchte.

Und noch eine kleine Anmerkung sei mir gestattet: Auch wenn die eine oder andere Figur zunächst bisexuelle Tendenzen zeigt, geht es hier klar und eindeutig um eine (Liebes-)Geschichte zwischen zwei Männern – so, wie man es von den Inselreich-Abenteuern gewohnt ist.

 

Dramatis Personae

Eine Übersicht der wichtigsten handelnden Personen und Orte. Die Hauptfiguren sind mit einem * gekennzeichnet. Die ungefähre Aussprache wird in den eckigen Klammern erläutert.

Shelzahav (Ostlande)

Rheon Rí Silion*[ree’on ri si’lion]: Prinz von Tharog und Caorgan, Ziehsohn der berühmten Inselreichkönige Aneiryn und Riaghán, königlicher Expeditionsleiter und Schiffskommandant von Eilean Moryd

Anastasis Benairn*[anas’tasis be’narn]: König der Wüstenstadt Shelzahav, Vetter des sarcassischen Königs Lyall Machnairn

Oded: Rheons Leibdiener

Pashmin: Anastasis’ Leibdiener

Syr Darach Machmurtagh[da’rach mak’murta]: ein sarcassischer Lord und Diplomat im Dienste von König Anastasis

Syr Islon: ein aufrührerischer Lord

Syr Ránas: ein weiterer aufrührerischer Lord

Diarmaid Benairn* [diar’mid be’narn] : ein ostländischer Prinz

Joram: ein yishkarischer Heiler

Sultan Sahmoud[sach’muud]: Herrscher des darjumanischen Nomadenvolks, der sein Machtgebiet ausbreiten möchte

Prinz Sayad[sa’jadd]: der Bruder des Sultans

Vater Serafim: Priester im großen Gotteshaus von Shelzahav

Yael[ja’ell]: ein Kindermädchen

Eilean Moryd

Iona »Nonie« Caileansdaur* [io’na käi’lins’dor]: Königin von Eilean Moryd, Gemahlin von König Alasdhair und Rheons Jugendfreundin

Alasdhair Tasgall[alas’där tas’gall]: König von Eilean Moryd

Halvárd Tasgall[hall’ward tas’gall]: der gemeinsame Sohn von Alasdhair und Iona

Ronin »Der Schwarze« Machmoirean[ro’nin mak‘morran]: Ionas Onkel und Ziehvater

Liron »Der Braune«: ein Heiler und Ronins mysteriöser Mann

Tharog

Aneiryn Réaltán Athanavi[anaj’rin ree’al’tahn a’tanna’vi]: König von Tharog und Caorgan, Rheons Ziehvater

Riaghán Arachsúil »Drachenauge«[ria’gahn arach’su’il]: König von Tharog, Rheons Ziehvater

Rós »Scharfschwert«: Kronprinz von Tharog, Rheons älterer Bruder

Sarcas

Lyall Machnairn[lai’äll mak’närn]: machtgieriger König von Sarcas, ein Feind Eilean Moryds und Anastasis’ Vetter

Götter

Ásjavor[assja’wohr]: ein mysteriöser, morydischer Gott

Daryavesh[dari’a’wesch]: der eine Gott, der vom darjumanischen Volk und vielen anderen Ostländern angebetet wird

Der Allvater: der eine Gott der Westländer

Prolog

Es war stets zugig in Eilean Moryd. Der Wind heulte um die Klippen vor der Hauptstadt Tysk, als klagte er sein Leid darüber, dass er nicht in die robusten, mit dicken Fensterläden versehenen Häuser eingelassen wurde.

Rheon Rí Silion, Prinz von Tharog, zog den fellbesetzten Kragen seines Umhangs fester, um sich vor der elenden Kälte zu schützen. Wenigstens regnete es nicht. Stattdessen schien sogar die Sonne, wovon sich dieses raue Land im Norden der Inselreiche allerdings wenig beeindrucken ließ. Genauso wenig wie das Brautpaar, das in einer so stillen Eintracht vor dem Altar stand, dass selbst der Wind einen Bogen um sie zu machen schien.

Es sah seiner Jugendfreundin Nonie und ihrem Bräutigam, König Alasdhair von Eilean Moryd, ziemlich ähnlich, dem Sturm zu trotzen und unter freiem Himmel den Bund der Ehe einzugehen. Auf den ersten Blick waren sie ein ungleiches Paar: er um die fünfzig Jahre alt, sie gerade sechzehn. Aber schon als kleines Mädchen hatte Nonie, die die Gabe des zweiten Gesichts besaß, verkündet, einmal Alasdhairs Frau zu werden. Und was Nonie voraussagte, das traf in der Regel ein, ob nun von selbst oder auf ihr Drängen hin.

Ihren Alasdhair hatte sie allerdings nicht drängen müssen. Selbst ein Blinder konnte erkennen, dass er ihr hoffnungslos verfallen war. Wo er ihr früher eher väterlich entgegengetreten war, begegnete er ihr jetzt offenkundig mit dem Respekt, den man einer Frau entgegenbrachte. Rheon freute sich für die beiden, obwohl er mit all diesem Ehegeplänkel nichts anfangen konnte. Er bevorzugte seine Freiheit, denn er hatte gesehen, wohin es führen konnte, wenn man sich allzu sehr an jemanden band und ihm dann überdrüssig wurde. Es konnte ganze Kriege auslösen, weil der Zurückgelassene sich in seiner Eitelkeit gekränkt fühlte. Da hatte er doch lieber ein wenig unverbindlichen Spaß, nie mehr als zwei Nächte mit derselben Person, bevor er weiterzog.

Stille trat in der Versammlung ein, als der Priester zu sprechen begann. Er hielt einen langen Monolog, bei dem Rheons Gedanken schnell abschweiften und er stattdessen die umstehenden Gäste in Augenschein nahm. Vorne am Altar, neben der Braut, standen ihr Onkel, der berühmte Rebellenführer und königliche Vertraute Ronin, und dessen Gemahl, mit dem gemeinsam er Nonie nach dem Tod ihres Vaters aufgezogen hatte. Der seltsame Mann, den man Liron den Braunen nannte, wischte sich immer wieder verstohlen über die Augen. Rheon musste grinsen. Diese Zugluft hier eignete sich hervorragend dafür, seine Rührung zu verbergen und die Tränen auf den Wind zu schieben.

Er selbst wohnte dieser Hochzeit als Vertreter der vereinten Königreiche von Tharog und Caorgan bei, aber auch als Nonies Jugendfreund. Sie wäre ihm sicher böse gewesen, wenn er nicht gekommen wäre, und er selbst ließ sich natürlich keine Gelegenheit entgehen, an Bord eines Schiffes zu gehen und sonst wohin zu segeln. Die Überfahrt nach Eilean Moryd war immer besonders aufregend, denn hier gab es viele gefährliche Gewässer, Strudel und Engpässe. Die Königsdisziplin eines jeden Schiffskapitäns war jedoch die nördliche Umsegelung der Insel. Hier gab es Eisberge mit messerscharfen Kanten und gigantische Fische, die mit einem Schlag ihrer Flossen ein Schiff zum Kentern bringen konnten. Rheons Vater Aneiryn hatte die Insel im Zuge eines Krieges von Norden her umsegeln müssen und weigerte sich deshalb, ihm ein Schiff seiner Flotte für ein solches Vorhaben zur Verfügung zu stellen. Aber irgendwann würde sich Rheon sein eigenes Schiff mit seiner eigenen Besatzung leisten und sich in unerforschte Gewässer aufmachen. Die Seefahrt war seine große Leidenschaft, und da er zwar ein Prinz von Tharog, jedoch nicht der Thronfolger war, gedachte er, mehr daraus zu machen und vielleicht eines Tages der oberste Befehlshaber der tharoganischen Flotte zu werden. Die, wie er fand, viel zu klein war, da sein anderer Vater, König Riaghán, nicht viel von der Seefahrt hielt.

Endlich brach das Geschwafel des Priesters ab und Rheons Aufmerksamkeit wurde wieder auf das Brautpaar gelenkt. Über einer Weihrauchschale, deren Rauch beinahe waagerecht aus dem Gefäß getrieben wurde, legten die beiden ihre Hände übereinander. Der Priester band sie symbolisch mit einem verzierten, ledernen Band zusammen und sprach seinen Segen.

»Mögen die Götter Euch gewogen sein und Euch ein langes Leben als Gemahl und Gemahlin schenken, König Alasdhair Tasgall und Iona Caileansdaur.«

Rheon wandte sich ab, als Nonie und Alasdhair einen Kuss austauschten. Sein Blick kreuzte den eines jungen Dieners, der mit Honigwein gefüllte Kelche an die Anwesenden austeilte, damit sie auf das frischvermählte Paar anstoßen konnten.

»Nach dem Festbankett in der elften Abendstunde, unten im Weinkeller«, raunte er dem Burschen zu, als der ihm seinen Kelch überreichte. »Bring gerne auch ein Mädchen mit.«

Der Diener hielt verwirrt inne, aber dann schien er zu verstehen. »Natürlich, mein Prinz.«

Zufrieden lächelnd hob Rheon seinen Kelch und trank mit den Anwesenden auf das Brautpaar. Sein Abend war gesichert. Das vermutlich eher langweilige Bankett würde mit der Aussicht auf ein bisschen Spaß in der Nacht deutlich besser durchzuhalten sein. Schließlich sollten sich auf einer Hochzeit auch die Gäste amüsieren dürfen.

♔ ♔

Den ganzen Abend schon hatte Rheon die Stundenkerze im Blick, um die elfte Stunde nicht zu verpassen. Es war eine durchaus schöne Feier, aber er bekam keine Gelegenheit, mit Nonie oder Alasdhair zu sprechen, weil beide ständig von anderen Gästen belagert wurden. Hinzu kam, dass die Morydier allgemein ein wenig in sich gekehrter waren und es auf ihren Festen lange nicht so hoch herging, wie er es aus seiner tharoganischen Heimat gewohnt war. Den halben Abend hatte er sich letztendlich mit einem dicklichen Kerl unterhalten, dessen Name er schon wieder vergessen hatte, und der ihm ausführlich über seine grandiosen Abenteuer als königlicher Hufschmied berichtet hatte.

Als es endlich auf die elfte Abendstunde zuging, stand er schließlich auf und verließ so unauffällig wie möglich den Festsaal. Auf dem Gang war es erstaunlich still und die Geräusche der Feier drangen nur gedämpft hinaus. Je weiter er sich von dem Saal entfernte, desto ruhiger wurde es. Der Kopf schmerzte ihm ein wenig und er hoffte, dass er nicht so viel Wein getrunken hatte, dass es sich nachher auf sein Stehvermögen auswirkte.

»Rheon?«

Am Treppenabsatz zum Weinkeller blieb er stehen und fuhr herum.

»Ich will dich gar nicht aufhalten bei dem, was du vorhast. Ich wollte dir nur Danke sagen dafür, dass du den weiten Weg auf dich genommen hast, um heute hierzusein.«

»Du bedankst dich für eine Selbstverständlichkeit, Königin Iona«, erwiderte Rheon und machte ein paar Schritte auf seine Freundin zu. Sie streckte ihre Hände nach ihm aus und er ergriff sie. »Was wäre ich für ein Freund, wenn ich nicht zu deiner Hochzeit gekommen wäre?«

»Ich hätte verstanden, wenn du nur einen Brief geschickt hättest«, gab sie zurück. »Die Reise hierher ist kein Zuckerschlecken.«

»Nein, aber du weißt ja, dass ich jede Gelegenheit nutze, um in See zu stechen. Meine Väter lassen mir leider kaum eine Möglichkeit dazu. Außerdem konnte ich es mir ja wohl nicht entgehen lassen, meine kleine Nonie vor dem Altar stehen zu sehen.«

Sie lachte leise und lehnte sich gegen seine Brust. Er umfing ihre zierliche Gestalt und gab ihr einen Kuss auf den dunklen Scheitel. Rheon liebte Nonie wie eine Schwester. Sogar mehr als seine eigenen Schwestern, die Töchter seines Vaters Riaghán, die er kaum kannte und die viel älter waren als er. Letztendlich war er mit diesen genauso wenig blutsverwandt wie mit Nonie, denn seine Väter hatten ihn als Waisenjungen in den Gassen einer vom Krieg zerstörten Stadt aufgesammelt und als ihren Sohn aufgezogen.

»Ihr solltet ganz viele Kinder bekommen«, bemerkte er.

Sie schnaubte und zog ihre Stupsnase kraus, während sie ihn musterte. »Und du? Du könntest auch längst Vater sein.«

»Ich bin vermutlich schon zigfacher Vater, ohne es zu wissen«, gab er mit einem flegelhaften Grinsen zurück, »aber ich ziehe es vor, unwissend zu bleiben. Kinder sind fürchterlich nervtötend. Und wenn ihnen die Eltern wegsterben, dann sind sie verloren, wenn sie nicht so ein Glück haben wie ich.«

»Ich glaube trotzdem, dass du ein guter Vater wärst«, erklärte Nonie.

»Nein, wirklich nicht. Was ist nur mit euch allen los? Ich bin erst um die fünfundzwanzig Jahre alt und alle tun so als sei ich ein Greis, der langsam sesshaft werden sollte. Meine Väter reden schon genauso. Vertiefen wir dieses Thema nicht, ja?«

Sie nickte. »Ich bin schon schwanger«, flüsterte sie.

»Wie bitte?« Er drückte sie ein Stück von sich weg und nahm ihren Bauch in Augenschein, der nicht den Hauch einer Wölbung zeigte.

»Es ist noch frisch ...« Sie wirkte mit einem Mal verlegen.

»Ihr konntet es wohl nicht abwarten, hm?« Er seufzte. Aus dem Weinkeller erklang ein leise rumpelndes Geräusch, aber er tat so, als hätte er es nicht gehört. »Du bist noch verdammt jung, Nonie. Und so zierlich. Ist das wirklich eine gute Idee?«

»Jetzt war eben der richtige Zeitpunkt. Du weißt, dass ich solche Dinge sehe. Und an meiner Zierlichkeit ändert sich auch in den nächsten Jahren nichts. Wünsch mir Glück. Es wird ein Sohn werden, aber es wird nicht leicht, ihn in die Welt zu bringen.«

»Mädchen, du machst mir Angst.«

»Ich sagte nicht, dass es schlimm ausgeht. Nur, dass es nicht leicht wird. Wirst du sein Pate werden, auch wenn du Kinder fürchterlich findest?«

»Natürlich werde ich sein Pate«, gelobte Rheon. »Aber lass mich nicht mit ihm allein, sonst mache ich so einen Tunichtgut aus ihm, wie ich einer bin.«

Nonie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Du bist der beste Tunichtgut, den ich kenne.« Sie schien kurz nachzudenken, dann drückte sie seine Hände fester. »Eilean Moryd ist dabei, eine Flotte aufzubauen. Ich habe große Visionen davon, diese Flotte nicht für den Krieg zu benutzen, sondern zum Erkunden der restlichen Welt. Die Ostlande und das, was sich vielleicht jenseits davon befinden mag. Alasdhair ist noch skeptisch, aber du weißt, ich kann sehr überzeugend sein. Könntest du dir vorstellen, ein Teil davon zu werden? Ein Kommandant der morydischen Flotte? Du träumst von der Seefahrt und ich träume von den Dingen, die die Seefahrt uns bringen könnte. Es wäre ein Gewinn für uns beide.«

»Ohne Zweifel wäre es das.« Aufregung wuchs in Rheon. Kommandant einer Flotte, die sich in bisher unerforschte Gewässer wagte? Das klang ganz und gar nach seinem Geschmack. Würde ihm am Ende seine Freundin aus Kindertagen die Chance geben, die seine Väter ihm bislang verwehrten? »Ich würde nichts lieber tun, als für dich und dein Königreich in See zu stechen, Königin Iona«, erklärte er feierlich.

Sie lachte auf. »Ich bin noch keine Königin, ich muss erst noch gekrönt werden. Aber es ist beruhigend, für die Zukunft Männer wie dich an meiner Seite zu wissen. Und nun geh da runter in den Weinkeller und vergnüge dich.«

»Nicht doch! Ich–«

»Du brauchst es nicht abzustreiten«, unterbrach sie ihn. »Ich kenne dich doch.« Sie zwinkerte ihm zu und wandte sich ab. Rauschte beinahe schwerelos davon, als berührten ihre Füße gar nicht den Boden.

Wie vom Donner gerührt blieb Rheon noch eine Weile in dem einsamen, nur von flackernden Wandfackeln erhellten Gang stehen, bis er sich endlich zu der Kellertreppe wandte. Noch immer trunken von der Aussicht auf eine Flotte unter seinem Befehl und dem Wein, der auf der Hochzeitsfeier ausgeschenkt worden war, wankte er die Stufen hinunter. Unten wartete bereits der hübsche Diener auf ihn, und mit ihm ein Mädchen, das ebenso feingliedrig und blondgelockt war wie er.

»Seid ihr Geschwister?«, raunte Rheon ihnen zu.

»Ja, mein Prinz«, antwortete der Bursche.

Rheon lächelte. Mit einem Geschwisterpaar hatte er sich schon länger einmal vergnügen wollen, aber keines gefunden, das ihm zugesagt hatte. Jetzt erfüllte ihm der Zufall seinen Wunsch. Der Besuch dieser Hochzeit hatte sich wahrhaft gelohnt.

»Also dann, ihr zwei Hübschen.« Er begann sein Wams aufzuknöpfen. »Ich hätte da eine dringende Frage an euch: Warum seid ihr noch nicht nackt?«

Kapitel 1

Am Anfang war das Ende

Das Jauchzen des kleinen Halvárd, als er sich in Rheons Arme warf, schien das einzige Geräusch am morydischen Königshof zu sein. Ansonsten herrschte eine solch gespenstische Stille, dass das Glucksen des Jungen wie ein Fremdkörper wirkte.

Rheon hielt das Kind fest, barg den silberblonden Schopf in seiner großen Hand. »Geht’s dir gut, Krieger?«

Halvárd nickte zunächst, aber dann senkte auch er still das Haupt. Er sah seinem verblichenen Großvater Cailean so unfassbar ähnlich, dass es fast schon wehtat. Einmal hatte Rheon Nonie gefragt, wie das sein konnte, denn schließlich hatte Cailean sie nicht gezeugt, sondern nur aufgezogen, bis er an einer qualvollen Krankheit gestorben war. Danach war der seltsame Liron an seine Stelle getreten.

»Er hat meiner Mutter von seinem heilenden Blut zu trinken gegeben, als ich noch durch die Nabelschnur mit ihr verbunden war«, hatte sie erklärt. »Deshalb fließt wohl auch etwas von seinem Blut in meinen Adern und ich habe es Halvárd vermacht.«

Rheon konnte sich eigentlich nicht vorstellen, dass so etwas möglich war, aber manchmal steckte wohl doch mehr Magie in der Welt, als man mit den eigenen Augen sehen konnte. »Du musst jetzt stark sein und auf deine Mutter aufpassen«, raunte er dem Jungen zu, der gerade erst seinen fünften Geburtstag gefeiert hatte. Er war ein Einzelkind geblieben, denn seine mehrere Tage andauernde Geburt hatte seiner blutjungen Mutter derart zugesetzt, dass diese nie wieder ein Kind empfangen konnte. »Wenn du weinen musst, dann komm zu mir. Ich habe eine starke Schulter und sag’s keinem weiter.«

Halvárd nickte abermals, schlang Rheon die dünnen Ärmchen um den Hals und drückte sich an ihn. Er zeigte sich stets erfreut, wenn Rheon zu Besuch kam, aber er war an sich ein sehr offener, neugieriger Junge, der schnell Freunde gewann.

»Dafür, dass du immer behauptet hast, keine Kinder zu mögen, kannst du erstaunlich gut mit ihnen umgehen«, flüsterte eine Frauenstimme hinter ihm.

Er fuhr herum. »Nonie.«

Sie nickte. Eine Kinderfrau kam herbei und nahm den kleinen Halvárd mit. »Können wir uns darauf einigen, dass du mich in der Öffentlichkeit Iona nennst? Nonie nimmt keiner ernst, und ich werde bald darauf angewiesen sein, von so vielen Leuten wie möglich ernstgenommen zu werden.«

Rheon erhob sich und deutete eine Verbeugung an. »Meine Königin«, sprach er ohne Spott und in aller Ernsthaftigkeit. »Wer es wagen sollte, dich nicht ernstzunehmen, der soll meinen ganzen Zorn zu spüren bekommen.«

Nonie gönnte sich einen Moment der Schwäche und ließ die Schultern hängen. Die Ringe unter ihren Augen waren dunkel und sie wirkte für einen Moment viel älter als ihre gerade zweiundzwanzig Jahre. Es gab einen Grund, warum eine solch angstvolle Stille am Hof herrschte: König Alasdhair lag im Sterben. Vor zwei Tagen hatte er einen Herzschlag erlitten, von dem er sich offenkundig nicht wieder erholen würde. Rheon war gerade erst bei Tysk vor Anker gegangen, als er es erfahren hatte.

»Mein Gemahl ist noch nicht einmal tot und es regen sich schon die ersten Stimmen gegen mich«, erklärte sie matt. »Halvárd ist der Thronfolger, aber er ist zu jung, um zu regieren. Und einer jungen Frau wie mir trauen sie nichts zu, obwohl Alasdhair mich von Anfang an in die Regierungsgeschäfte eingebunden hat.«

»Idioten«, grollte Rheon.

»Ich bin froh, dass du hier bist. Halvárd hat übrigens neulich gefragt, ob er dich heiraten kann, wenn er erwachsen ist.«

»Das hast du ihm hoffentlich ausgeredet, oder?«, erwiderte Rheon entsetzt.

»Alasdhair hat es ihm ausgeredet, dem standen die Haare zu Berge bei der Vorstellung.«

»Ich sehe, mein Ruf eilt mir voraus«, entgegnete er zerknirscht. »Aber ich bin für euch da. Das weißt du, oder? Was auch immer passiert. Ich verspreche es hoch und heilig. Ich schwöre es sozusagen bei all meinen Affären.«

Nonie lachte leise. »Weißt du, was so besonders an dir ist? Egal, wie traurig eine Situation ist: Du zauberst einem immer ein Lächeln aufs Gesicht.«

»Ich tue mein Bestes«, gelobte Rheon und verbeugte sich abermals vor Nonie. »Nur das Beste für meine Königin.«

♔ ♔

Die stille Anspannung am Hof war für Rheon, der vielmehr den Freuden des Lebens zugeneigt war, kaum zu ertragen. Aber er harrte aus. Was blieb ihm auch für eine Wahl?

Eigentlich war er hier, weil er zum Kommandant eines morydischen Expeditionsschiffs ernannt worden war, das in der nächsten Woche in See stechen sollte. Er ahnte allerdings, dass daraus so bald nichts mehr werden würde. Nicht jetzt, wo sie wahrscheinlich sehr bald den Tod des Königs zu beklagen hatten. Unter diesen Umständen würde Nonie ganz andere Sorgen haben, als ihn auf Forschungsreise zu schicken. Er verfluchte die Götter dafür, ausgerechnet diesen Zeitpunkt für Alasdhairs Ableben gewählt zu haben, kam sich im gleichen Moment jedoch furchtbar kindisch und egoistisch vor. Nonie hatte den Verlust ihres geliebten Gatten zu verkraften und sich alleine, als junge Mutter eines kleinen Sohnes, einer Welt voller machtgieriger Männer zu stellen. Und er trauerte seiner Expeditionsreise hinterher? Nein, eigentlich hatten die Götter den Zeitpunkt gut gewählt. Jetzt war er noch nicht abgereist und konnte seiner Freundin in dieser schweren Zeit beistehen. Er war erst Anfang dreißig; es würden sich noch andere Gelegenheiten ergeben, um zur See zu fahren und die Welt jenseits der Inselreiche zu erkunden.

Seine Väter waren anfänglich nicht davon begeistert gewesen, dass er Schiffskommandant und Expeditionsleiter für ein anderes Königreich werden sollte, auch wenn sie mit diesem in freundschaftlicher Verbindung standen. Aber er hatte sich durchgesetzt. Wenn man ihm in Tharog schon keine Zukunft bieten wollte, die seinen Interessen entsprach, dann würde er sich eben anderswo verwirklichen. Sollte doch sein Bruder Rós sich mit all den Querelen herumschlagen, die die Thronfolge so mit sich brachte.

Ebenso wenig wie die Hofpolitik, entsprach die Schwermut seinem Naturell. Er hatte in den letzten Tagen am morydischen Hof beinahe das Gefühl, darin zu ertrinken. Er hatte sich schon mehrfach bei dem äußerst respektlosen Wunsch ertappt, König Alasdhair möge wenigstens schneller sterben, wenn sein Ableben nun schon unvermeidlich war. Die ganze Stimmung erinnerte ihn an damals, als Nonies Vater Cailean gestorben war. Wochenlang hatte eine unerträgliche Stimmung am tharoganischen Hof geherrscht, und hier würde es vermutlich kaum anders werden, wenn Alasdhair erst einmal die Reise ins Jenseits angetreten hatte. Noch war er allerdings da, und an einem für Eilean Moryd erstaunlich sonnigen Vormittag ließ er Rheon zu sich rufen.

Ein wenig fürchtete der sich vor dieser Begegnung, aber er war dankbar, wenigstens überhaupt irgendetwas tun zu können, was ihn aus seiner stillen Kammer holte und nicht in irgendeiner Weise unangemessen war. Er folgte dem Diener lange, bedrückende Gänge entlang und dachte daran, wie viel heller und luftiger er sich seinen Palast bauen würde, wenn er König wäre. Vielleicht fuhr er auch deshalb so gerne zur See, weil er die Freiheit liebte und dicke Mauern verabscheute, sei es um Städte oder Burgen. Er erinnerte sich noch an die Belagerung seiner Heimatstadt Allanthór, als er ein Knabe von gerade fünf oder sechs Jahren gewesen war. An die dicken Mauern, eingekesselt von einer Armee, die die Menschen darin gefangengehalten hatten. Auch auf einem Schiff war man zwar in gewisser Weise gefangen, sobald es in See stach, aber das Meer fühlte sich nicht wie eine Mauer an, sondern wie eine Straße in die Unendlichkeit.

Vor der großen, mit kunstvollen Beschlägen verzierten Tür zu den königlichen Gemächern machten sie Halt und der Diener klopfte leise an. Die Tür wurde einen Spalt geöffnet und ein weiterer Diener streckte den Kopf heraus.

»Prinz Rheon«, raunte der erste.

Der andere nickte und öffnete die Tür ein Stück weiter. »Tretet ein, Prinz. Der König erwartet Euch bereits. Sprecht bitte nur leise zu ihm und erschreckt ihn nicht mit lauten Geräuschen. Er ist sehr geschwächt.«

Rheon zog pikiert eine Braue in die Höhe. Er wäre auch ohne diesen Hinweis nicht in die Gemächer gepoltert und hätte laut herumgeschrien. Er trat an dem Diener vorbei in den großen Vorraum. Stickige Wärme schlug ihm entgegen, gemischt mit dem herben Geruch nach Kräutern. Es erinnerte Rheon daran, wie die Gemächer seines Vaters Riaghán rochen, wenn dieser wieder einmal mit einem Gichtschub im Bett lag. Manchmal, als er noch ein Junge gewesen war, war er zu seinem Vater ins Bett gekrochen und hatte ihn gewärmt und mit seinem Geplapper von den Schmerzen abgelenkt. Riaghán war ein Bollwerk von einem Mann, muskelbepackt und breitschultrig. Rheon war von ähnlicher Statur, und jene, die nicht wussten, dass Riaghán ihn nicht gezeugt hatte, behaupteten gern, dass er sehr nach ihm schlug. Er seufzte verstohlen. Es würde hart werden, eines Tages von ihm Abschied nehmen zu müssen. Alasdhairs Sterben gab ihm bereits einen bitteren Vorgeschmack darauf.

Die Tür zum Schlafgemach wurde geöffnet und Nonie trat heraus. Sie wirkte verweint, fast ein wenig verhärmt, aber dennoch auf ihre ganz eigene Art stolz und unerschütterlich. Sie sagte nichts, nickte ihm nur still zu und wollte an ihm vorbeihuschen, aber er fasste nach ihrer Hand, führte sie eilig an seinen Mund und drückte einen flüchtigen Kuss auf die zarten Finger.

»Du bist nicht allein. Du und Halvárd, ihr könnt auf mich zählen.«

»Ich weiß das, Rheon. Und ich bin dir unendlich dankbar dafür. Jetzt geh zu ihm, er will dich unbedingt sehen.«

Rheon ließ Nonies Hand los und betrat das Schlafgemach des Königs. Der Raum war von Stille erfüllt, die nur durch das leise Knistern des Feuers durchbrochen wurde. Alasdhair saß, von Kissen gestützt, halb aufrecht im Bett. Er war ein stattlicher Mann mit schulterlangem, grauem Haar, aber nun wirkte sein Gesicht eingefallen und der einst so scharfe, lebendige Blick getrübt.

»Rheon.« Ein heiseres Krächzen, was einst eine sonore Stimme gewesen war. »Komm näher.«

Er folgte der Bitte und nahm auf dem Stuhl neben der Bettstatt Platz. Die Sitzfläche war noch warm. Einen Augenblick flogen seine Gedanken zu Nonie, die Tag und Nacht an der Seite ihres sterbenden Gemahls wachte. Es fühlte sich so falsch an, dass eine so junge Frau schon eine solche Bürde auferlegt bekam und ihr kleiner Sohn zum Halbwaisen werden sollte. Allein deshalb fühlte sich Rheon ihnen verpflichtet. Er hatte das Glück gehabt, dass seine Ziehväter sich seiner angenommen hatten, und Nonie selbst war ein solches Glück nach dem Tod ihrer Mutter bei ihrer Geburt ebenfalls zuteilgeworden. Halvárd solle es nicht schlechter ergehen als ihnen.

»Majestät«, sprach Rheon und neigte das Haupt. »Ihr seht, mit Verlaub, gar nicht so übel aus, wie ich erwartet hatte.«

Alasdhair entfuhr ein leises, kratziges Lachen. »Wirst du mich auf dem Sterbebett wohl noch anlügen, Rheon Rí Silion? Ich weiß, wie schlimm es um mich steht, und dass ich vermutlich noch schlimmer aussehe. Es geht zu Ende, mein junger Freund. Ich kann es spüren. Ich hoffe nur, noch durchzuhalten, bis Ronin und Liron hier sind. Ich möchte mich von meinen alten Weggefährten verabschieden, bevor die Götter mich holen kommen mit ihrem ...« Ein unterdrücktes Husten unterbrach seine Rede. Als er sich wieder beruhigte, schien sein rasselnder Atem lauter als vorher. Es klang seltsam. So, als atme er Wasser. »Mit ihrem Schiff«, fuhr er fort. »Die Götter ... mit ihrem Schiff ...«

»Ich weiß.«

Alasdhair schloss die Augen. Der rasselnde Atem wurde wieder etwas leiser, aber die bläulich verfärbten Lippen ließen ahnen, dass noch immer nicht genug Luft in seiner Lunge ankam. »Ich lasse eine Frau und einen Sohn zurück, beide viel zu jung, um alleine gegen die Grausamkeiten dieser Welt zu bestehen. Ich hätte mir gewünscht, dass ich noch erlebe, wie Halvárd erwachsen wird, aber es hat nicht sollen sein. Iona und der Junge bringen dir eine große Zuneigung entgegen.«

Rheon schluckte. »Es ... wir sind wie Geschwister. Nonie ... Iona und ich kennen uns, seit sie ein kleines Mädchen war.«

»Schon gut, mein Freund.« Alasdhair machte den Eindruck, als wollte er die Hände heben, aber war zu schwach dafür. »Ich weiß, dass kein Verrat hinter euren Banden steckt. Selbst, wenn ihr euch mehr als wie Geschwister lieben würdet, ich hätte es verstanden. Ich bin ein alter Mann und mache mir keine Illusionen. Wirst du mir etwas versprechen, bevor ich von dieser Welt scheide?«

Rheon lehnte sich zurück und schloss für einen Moment die Augen. Er wusste, was jetzt kommen würde. Er hatte Nonie bereits gelobt, ihr beizustehen, aber dennoch bekam dieses Gelöbnis eine ganz andere Dimension, wenn er es einem Mann auf dem Sterbebett gab. »Nur zu.«

»Versprich mir, dass du auf Iona und Halvárd achtgeben wirst. Dass du meiner Gemahlin hilfst, dieses Land zu regieren, bis mein Sohn alt genug ist, um den Thron zu besteigen. Dass du gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Großvätern dafür Sorge trägst, dass einmal ein rechtschaffener Mann und ein guter König aus ihm wird. Du gibst dich gern als Halunke und Rebell unter den Prinzen, aber ich weiß, dass du sehr viel mehr bist als das.«

Rheon fragte sich, woher Alasdhair das wissen wollte, denn schließlich hatte er bislang kaum Gelegenheit gehabt, sich und seinen Wert allzu eindrücklich unter Beweis zu stellen. In den Inselreichen herrschte schon mehr als ein Jahrzehnt Frieden und zuletzt hatte er an der Seite seiner Väter und seines Bruders im morydischen Unabhängigkeitskrieg auf dem Schlachtfeld gestanden. Jener Krieg, der Alasdhair zum König gemacht hatte.

»Ich verspreche es«, gab er feierlich zurück. »Ich werde mein Möglichstes tun, um Iona und Halvárd beizustehen und sie vor Angriffen zu schützen.« Und die werden kommen, fügte er in Gedanken hinzu.

»Ich ... danke dir«, krächzte Alasdhair. »Was immer dafür nötig ist, du hast dafür meinen Segen.« Er warf ihm einen eindringlichen Blick zu. »Auch vor Ablauf der Trauerzeit. Ich lasse es ... lasse es schriftlich ...« Ein erneuter Hustenanfall zwang ihn, in seiner Rede innezuhalten.

Machtlos musste Rheon mit ansehen, wie der alte Freund sich quälte und wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft japste. Womit hatte Alasdhair ein solches Ende verdient? Über das, was er ihm gerade hatte sagen wollen, mochte Rheon lieber nicht nachdenken. Die Anspielung war eindeutig gewesen: Der König stellte ihm frei, Nonie zu heiraten. Bat ihn sogar unterschwellig darum. Wenn das nötig war, würde er es tun, aber er hoffte, dass sich andere Wege finden würden, um seine geliebte Freundin und deren Sohn zu schützen.

»Was auch immer nötig ist, Majestät.«

»Gut.« Alasdhair schloss die Augen und ließ sich zurück in die Kissen sinken. Sein Gesichtsausdruck wirkte sehr viel friedlicher als vorher. »Das ist gut, Rheon Rí Silion. Mit diesem Wissen kann ich beruhigter von dieser Welt gehen. Ich bin den Göttern dankbar, dass sie mir noch ein paar Tage Frist gegeben haben, um alles zu regeln. Lass uns nun Abschied voneinander nehmen.« Er schlug die Augen auf. »Für immer.«

Rheon erhob sich, ging neben dem wuchtigen Bett auf die Knie und ergriff die kalte, klamme Hand des Königs. »Ich wünsche Euch eine sanfte Reise, Majestät«, sprach er und drückte einen Kuss auf den Handrücken. »Mögen die Götter reichlich Met ausschenken, wenn Ihr in den ewigen Hallen ankommt.«

♔ ♔

Rheon saß in dem hohen Sessel unter dem verglasten Fenster seines Zimmers. Er konnte nicht einmal einen Blick hinauswerfen, denn die Fensterläden waren aufgrund des unwirtlichen Wetters fest verschlossen und klapperten bei jeder Windböe entnervend laut. Er sehnte sich von hier fort. Nach Tharog, an den weißen Strand von Scillon in Caorgan, oder am liebsten in fremde, unentdeckte Welten. Wie ein Herz so sehr an diesem unwirtlichen Land hier hängen konnte, dass man dafür wie Nonies Väter und König Alasdhair sein Leben riskierte, würde er nie so ganz verstehen.

Ein Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken. Wie spät war es? Rief man ihn schon zum Essen? Er hatte jegliches Gefühl für die Zeit verloren, weil er sich selbige aufgrund der delikaten Situation kaum auf eine angenehme Weise vertreiben konnte.

»Herein«, rief er und stemmte sich stöhnend aus seinem Sessel hoch.

»Mein Prinz.« Der blondgelockte Diener, mit dem Rheon sich in den Jahren nach Nonies Hochzeit gelegentlich vergnügt hatte, wann immer er in Tysk zu Gast gewesen war, trat ein. »Euer Mahl wird Euch heute in Eure Gemächer gebracht. Wünscht Ihr eine bestimmte Speise, oder soll der Hofkoch Euch eine Auswahl zusammenstellen?«

»Warum wird heute nicht getafelt?«, erkundigte sich Rheon und runzelte die Stirn.

Der Diener senkte die Stimme. »Die Priesterinnen sind beim König. Die Königin weicht nun nicht mehr von seiner Seite. Es geht zu Ende ...« Er wirkte ernstlich erschüttert. Alasdhair war ein beliebter König und das morydische Volk würde seinen Verlust sehr betrauern.

»Kann ich zu ihnen?«

Der junge Mann schüttelte den Kopf. »Die Königin hat Weisung gegeben, niemanden an das königliche Sterbebett vorzulassen. Nicht einmal Laird Ronin und Laird Liron haben Zutritt. Sie wird nach Euch schicken, wenn sie Euren Beistand benötigt.«

»Verstehe.« Sein Magen verkrampfte sich vor Anspannung. Er wünschte, er könnte irgendetwas tun und Nonie beistehen, anstatt hier tatenlos in seinem Zimmer ausharren zu müssen. »Ich habe keinen richtigen Hunger, wenn ich ehrlich sein soll. Ein paar Scheiben Brot und eine Karaffe Wein würden mir genügen.«

»Wie Ihr wünscht, mein Prinz.« Der Diener nickte und machte Anstalten, den Raum zu verlassen.

»Warte, Cahal.« Rheon hielt ihn an der zierlichen Schulter fest.

»Ja, Herr?«

»Ich bräuchte deinen Beistand heute Nacht. Wenn deine Dienste nicht mehr gebraucht werden, komm zu mir.«

Der Junge schien zu zögern. »Ist das nicht unangemessen?«, flüsterte er.

Rheon schüttelte den Kopf. »Wir spenden uns Trost in einer Zeit der Trauer. Trübsal zu blasen, macht den König nicht wieder lebendig. Also?«

Cahal nickte. »Na gut. Ich werde etwa in der achten Stunde mit meiner Arbeit fertig sein. Dann komme ich zu Euch.«

♔ ♔

Cahals warmer Körper war in der Tat sehr tröstlich. Er schmiegte sich an ihn, ließ sich berühren und machte, dass Rheon für eine kleine Weile an etwas anderes denken konnte, als an den sterbenden König und die trauernde Nonie.

Es war stockdunkel in der Kammer, das letzte Kaminfeuer heruntergebrannt, und sie konnten einander nur fühlen, nur ertasten. Rheon fuhr mit den Fingern die Kontur des schmalen Rückens nach, vergrub die Nase in dem lockigen Schopf des Jungen und rieb seine Hüften wippend an ihm.

»Ein Jammer, dass deine Schwester uns nicht auch noch Gesellschaft leistet«, murmelte er und bedeckte Cahals Wange mit neckenden, kleinen Küssen.

»Das geht leider nicht mehr, Herr«, gab der Diener zurück und umfasste mit flinken Fingern seinen Schaft. »Ihr Ehemann wäre nicht begeistert davon.«

Rheon gab ein missmutiges Brummen von sich und stieß rhythmisch in die Umklammerung der Hand. »Ich werde nie verstehen«, keuchte er, »wie man sich freiwillig in ein solches Gefängnis begeben kann.«

»Was meint Ihr?« Eine zweite Hand glitt zwischen seine Beine und umfasste die Hoden, massierte sie fest, während er weiter in die Hand stieß.

»Die ... die Ehe. Sich an einen zu binden und den ganzen Spaß mit ... all den anderen zu verpassen.« Er näherte sich seinem Höhepunkt und krallte die Hände in Cahals Pobacken, als er kam. Nicht zum ersten Mal in dieser Nacht.

»Ihr seid sehr potent, mein Prinz«, bemerkte der Diener, während ein Rascheln verkündete, dass er sich an irgendetwas die Hände abwischte.

»Bei den Göttern, erspare mir solche windigen Komplimente«, bat Rheon. »Ich bin nicht außergewöhnlich potent, ich bin nur frustriert und ausgehungert. Wenn ich zu lange an irgendeinem Königshof herumhocken muss, sei es nun Tharog, Caorgan oder Eilean Moryd, dann werde ich unruhig, vor allem dann, wenn die Zeichen auf Trauer stehen. Mich zieht es in die Ferne, Cahal.«

»Mich nicht«, gab der Junge zurück. »Ich bin gerne zu Hause. Da fühle ich mich sicher. Und mit einer Ehe ist es doch auch so: Ein sicherer Hafen. Den einen oder die eine finden, der man sein Leben widmen möchte. Ich mag den Gedanken. Aber Ihr legt Euch nicht gerne fest, oder? Nicht einmal darauf, ob ihr Frauen oder Männer lieber mögt.«

»Warum sollte ich, wenn ich beides haben kann?« Rheon gähnte und streckte sich aus. »Dieser Blödsinn kann ganze Kriege verursachen. Aber du warst vermutlich noch nicht einmal geboren, als die Schlacht der zwei Brücken geschlagen wurde und beinahe zwei Nationen dem Untergang geweiht waren. Und warum? Weil ein Mann nicht ertragen konnte, dass sein Verflossener nicht mehr ihn, sondern einen anderen liebte. Und der Verflossene zu taub gewesen war, um zu bemerken, wie es wirklich um den anderen stand.«

Jener Verflossene war sein Vater Riaghán gewesen. Nur dem Mut und einigen klugen Schachzügen seitens Aneiryns war es zu verdanken gewesen, dass Rheon nicht erneut Vollwaise geworden war. Er gedachte jedenfalls, der Welt einen solchen Wahnsinn zu ersparen und wünschte sich, dass noch viel mehr Menschen so denken würden wie er. Und dass es nicht nötig werden würde, Nonie zu heiraten, auch wenn er sie liebte wie nur wenige Menschen sonst auf dieser Welt. Die Müdigkeit übermannte ihn, er wickelte sich in seine Decke und sank in einen Dämmerschlaf hinüber. Wirre Traumbilder zuckten vor seinem inneren Auge, und bald wurden seine Ohren von einem seltsamen, melodischen Dröhnen erfüllt. Ein Dröhnen, das auch dann nicht aufhörte, als er erwachte.

Die Glocken von Tysk läuteten inmitten der tiefen, windgepeitschten Nacht. Es gab keinen Zweifel daran, was das bedeutete. König Alasdhair war gestorben.

Kapitel 2

Witwen und Waisen

Es war die Beerdigung eines Herrschers, aber für das morydische Volk schien es wie der Abschied von einem geliebten Freund zu sein. Scharenweise strömten die Menschen in die Hauptstadt, um ihrem König das letzte Geleit zu geben. Sie weinten echte, ehrliche Tränen. Jene, die dem Glauben an den einen Allvater anhingen, beteten für Alasdhairs Seele. Die anderen, die den alten, morydischen Göttern huldigten, brachten kleine Opfergaben und legten sie vor der Halle nieder, in der der Leichnam aufgebahrt wurde.

Auch Rheon hatte ein paar Tränen vergossen. Alasdhairs Tod war ein Verlust, und außerdem zehrten die vergangenen Wochen in all ihrer Bedrückung an seinen Nerven. Nonie hingegen schien wie zu Stein erstarrt, sodass einige wirklich böse Zungen tuschelten, ihre Trauer um ihren verblichenen Gemahl könnte wohl nicht allzu groß sein. Rheon brannte vor Zorn auf diese Menschen, die einer jungen Witwe nicht ihre eigene Art zu trauern zugestehen wollten. Er wünschte sich, Nonie und Halvárd vor ihnen abschirmen zu können, aber das war nicht so einfach, denn sie war nun faktisch die Regentin dieses Landes und konnte sich keinen Rückzug leisten, wenn sie nicht direkt abgesetzt werden wollte. Es war eine schwierige Zeit, die nun folgen würde. Das Volk hatte seinen König geliebt, aber seiner Königin traute es nicht zu, das Lebenswerk Alasdhair des Großen, wie man ihn mithin nannte, fortzuführen. Rheon hingegen war davon überzeugt, dass Nonie die Einzige war, die dazu in der Lage sein würde. Sie mochte zwar jung an Jahren sein, aber sie besaß eine alte Seele.

Am Morgen nach der Totenfeier fühlte sich Rheon wie gerädert. Es fiel ihm schwer, sich aus seinem Bett zu erheben, aber er zwang sich dazu. Es nützte nichts, Trübsal zu blasen und an die Decke zu starren. Er hatte einen Schwur geleistet und gedachte, sich auch daran zu halten. In den vergangenen Tagen hatte es kaum ein Herankommen an Nonie und Halvárd gegeben. Stets waren sie von Höflingen und Würdenträgern umgeben, und wenn das nicht der Fall war, befanden sie sich in Gesellschaft von Ronin und Liron. Langsam wurde Rheon paranoid und hatte das Gefühl, man wollte ihn absichtlich von ihr fernhalten. Wussten womöglich bereits andere von dem Versprechen, das er König Alasdhair gegeben hatte, und wollten verhindern, dass er es einhielt? Königshöfe waren keine Orte, an denen man sich mit allzu viel Vertrauen entgegentrat, denn der Wunsch nach Macht war oftmals stärker als jede Moral. Rheon jedoch würde sich davon nicht einschüchtern lassen. Er war an einem Königshof aufgewachsen, kannte die Ränkespiele und die geheuchelte Freundlichkeit. Ein ehrliches Herz wie Nonie konnte es schwerhaben.

Er ging hinüber zu dem hölzernen Waschtisch, auf dem eine Schüssel sowie ein Krug mit Wasser bereitstanden, nahm den Krug und goss das Wasser in die Schüssel. Es war kalt, denn es stand noch unbenutzt von gestern Abend hier. Mit einem leisen Seufzen tauchte er die Hände hinein und genoss für einen Moment das kühlende Gefühl, bevor er sich über die Schüssel beugte und das Wasser in sein Gesicht schwappte. Es tat gut, weckte prickelnd seine Lebensgeister und vertrieb die lähmende Müdigkeit, die ihn seit Tagen im Griff hatte. Er sehnte sich nach einem Ausritt, besser noch nach einer Schifffahrt, oder wenigstens nach dem einen oder anderen Schäferstündchen. Aber selbst dieses blieb ihm im Moment versagt, weil niemand an diesem Hof dafür in Stimmung war, und im Hurenhaus wollte er dieser Tage lieber nicht gesehen werden.

Er nahm das Leinentuch zur Hand, das neben der Schüssel lag, und trocknete sich das Gesicht. Vielleicht würde er heute Abend fragen, ob es möglich wäre, ihm ein Bad zu bereiten. Er fühlte sich verschwitzt und schmutzig und hatte das Bedürfnis, all die Anspannung, all die Trauer von sich abzuwaschen. Mit feuchten Fingern strich er sich die Haare aus dem Gesicht und trat vor den kleinen, trüben Spiegel, der über der Kleidertruhe an der Wand hing. Es war kein guter Spiegel, er verzerrte seine Züge zu einer grotesken Grimasse, aber Rheon erkannte tiefe Schatten um seine hellgrünen Augen, ungewohnt hohle Wangen und strähnig wirkendes, dunkles Haar. Nein, das alles war nicht das, was er sich von seiner näheren Zukunft erhofft hatte. Aber es ließ sich nichts daran ändern.

Er zog sich frische Kleider an, verließ seine Kammer und machte sich auf die Suche nach Nonie, in der Hoffnung, sie endlich einmal allein anzutreffen. Und heute hatte er Glück. Sie befand sich in ihren privaten Gemächern, und weder Halvárd, noch Liron und Ronin waren bei ihr. Auch sonst niemand.

»Störe ich dich?«, fragte er vorsichtig und streckte den Kopf zur Tür herein. Die Wachen hatten ihn vorbeigelassen, weil sie wussten, dass er ihr enger Vertrauter war.

»Nein«, entgegnete sie müde. »Komm nur herein.«

Er trat ein, schloss die Tür hinter sich und blieb unschlüssig stehen. »Ich erspare uns die Frage, wie es dir geht. Ich kann es mir denken.«

»Er fehlt mir so, Rheon«, wisperte sie und ließ den Kopf hängen.

Sein Herz krampfte sich zusammen, als er ihre zierliche Gestalt betrachtete, die wie verloren in dem großen Sessel wirkte. So eine große Last auf so schmalen Schultern. Er musste einen Weg finden, ihr etwas davon abzunehmen. »Natürlich fehlt er dir«, antwortete er, war mit wenigen Schritten bei ihr und kniete sich vor ihr hin. Er nahm ihre Hände in die seinen. »Er war dein Seelengefährte. Und das wird er auch immer bleiben, nicht wahr?«

»Ja«, bestätigte sie und nickte tapfer. »Ich spüre immer noch die Verbindung zu ihm. Er wird nie von mir fortgehen. Aber mir fehlt seine Umarmung. Seine Hand.« Sie drückte die seinen. »Seine Nähe. Ich werde lernen müssen, mich an jemanden anzulehnen, der keinen Körper mehr besitzt.«

»Verstehe. Denk an deinen Vater. Sagst du nicht immer noch, dass er dir viel Kraft gibt?«

»Stimmt.« Sie lächelte und biss sich auf die Unterlippe. »Aber das ist nochmal etwas anderes.«

Rheon führte eine ihrer zierlichen Hände an seine Lippen und küsste sie. »Wenn du eine echte Schulter zum Anlehnen brauchst – hier bin ich. Wo immer du mich haben möchtest, werde ich sein.«

»Mein Rheon.« Sie ließ sich nach vorne kippen und legte die Stirn auf seiner Schulter ab. Nach einer Weile begann sie leise zu schluchzen und Feuchtigkeit durchdrang den Stoff. Rheon schlang die Arme um sie, zog sie zu sich herunter und hielt sie fest. Wiegte sie, streichelte sie, flüsterte ihr tröstende Worte ins Ohr. Die ganze Anspannung schien aus ihr herauszufließen, sich in Beben und Schluchzen zu entladen. Man hätte ihn viel eher zu ihr lassen sollen. Vielleicht war er der Einzige, bei dem sie nicht die Starke mimen musste.

Irgendwann beruhigte sie sich, blickte zu ihm auf und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Sie wirkte verquollen, die Gesichtszüge verschoben, aber sie war immer noch die einzige Frau, die Rheon wirklich schön fand, auch wenn er viele begehrte. Er strich ihr eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht und sie blickten sich lange an, schweigend, aber nicht bereit, auch nur auf einen Fingerbreit an Nähe zu verzichten.

»Brauchst du noch mehr Beistand?«, raunte er und strich ihr mit dem Daumen über die Lippen.

Sie schluckte heftig. Atmete hörbar mit leicht geöffnetem Mund und zitterte ein wenig. »Ja«, flüsterte sie. »Ja. Nur dieses eine Mal.«

♔ ♔

Rheon hatte das seltsame Gefühl, dass die Leute wussten, was er und Nonie getan hatten. Und dass sie sie dafür verurteilten. Ihre Blicke schienen ihn zu verfolgen, aber vielleicht war es am Ende nur sein eigenes schlechtes Gewissen, das ihn sich das alles einbilden ließ. Vielleicht war es pietätlos gewesen, mit einer Witwe zu schlafen, deren Gemahl erst vor wenigen Tagen gestorben war. Insbesondere, wenn dieser Gemahl der König von Eilean Moryd gewesen war. Aber Nonie hatte Trost gebraucht. Und weil er nicht so gut mit Worten umgehen konnte, hatte er ihn ihr eben auf diese Weise geschenkt. Rheon war ein Mensch, der lieber seinen Körper sprechen ließ. Der Tränen lieber fortküsste, als sie wegzureden. Nonie wusste es, und sie hatte danach verlangt.

In der darauffolgenden Zeit wich er nicht mehr von ihrer Seite. Ließ sich nicht vertreiben, besonders dann, als Ronin und Liron aufbrachen, um nach Hause zurückzureisen. Rheon war nicht der einzige Mann, der Nonie vorbehaltlos unterstützte. Auch andere, enge Vertraute König Alasdhairs, die wussten, wie viel der auf seine Frau gehalten hatte und dass es sein letzter Wille gewesen war, dass sie für ihren Sohn regierte, unterstützten sie. Aber es gab auch Gegner. Männer, die ihr nichts zutrauten, weil sie eine Frau war, eine junge noch dazu, und die offenbar vergaßen, dass auch viele kämpferische Frauen maßgeblich an der Rebellion und dem Unabhängigkeitskrieg beteiligt gewesen waren. Es machte Rheon wütend. Aber sie würden sich davon nicht kleinkriegen lassen.

Fast ein Monat war seit dem Tod König Alasdhairs vergangen. Das trauernde Land fand langsam wieder in seinen Alltag zurück, und auch am Hof musste sich Nonie nun ihren ersten Regierungsgeschäften stellen. Sie schlug sich wacker und die Stimmen, die gegen sie sprachen, wurden leiser. Leider jedoch nicht das Getuschel.

»Man redet über uns«, erklärte sie bitter, als Rheon sie an einem verregneten Abend in ihren Gemächern besuchte. »Wahrscheinlich auch jetzt schon wieder, weil du hier bist.«

»Was sagen sie?«

»Dass Alasdhairs Leiche noch nicht einmal kalt war, als ich mir schon den Nächsten ins Bett geholt habe.« Unvermittelt brach sie in Tränen aus und verbarg das Gesicht in den Händen. »Es tut so weh, Rheon. Warum sagen sie das? Sie wissen doch, wie sehr ich ihn geliebt habe.« Schlagartig verstummte ihr Schluchzen und sie blickte auf. »Du hast doch niemandem etwas von unserer gemeinsamen Nacht am Tag nach der Beerdigung erzählt, oder?«

»Bist du des Wahnsinns?«, fuhr er auf. »Natürlich nicht! Denkst du, ich würde dir schaden wollen?« Müde fuhr er sich mit einer Hand übers Gesicht. »Nonie, hör zu. Ich habe Alasdhair am Sterbebett geschworen, dass ich alles tun werde, um dich und Halvárd zu beschützen. Und mir ist es ernst damit. Du brauchst einen Beschützer. Du weißt, wie wichtig ihr mir seid.« Er nahm all seinen Mut zusammen, um die Worte auszusprechen, die er nie hatte aussprechen wollen. »Vielleicht wäre es das Beste, wenn wir heiraten.«

Ungläubig riss sie die Augen auf. »Was hast du da gerade vorgeschlagen?«

»Ich meine es ernst«, beteuerte Rheon. »Gegen eine legitime Ehe kann keiner etwas sagen, und alle, die Alasdhair wirklich kannten, wissen, dass er seinen Segen gegeben hätte. Außerdem wärst du durch mich mit dem mächtigen tharoganisch-caorganischen Königshaus verbunden. Niemand würde mehr wagen, auch nur schief in deine Richtung zu blicken, glaub mir das.«

»O Rheon.« Energisch stemmte sie sich aus ihrem Sessel hoch und brachte einige Schritte Entfernung zwischen sie. »Du wolltest nie heiraten, das hast du stets betont. Jetzt auf einmal doch? Wie kommt es zu dem Sinneswandel?«

»Das habe ich dir doch gerade erklärt«, erwiderte er, irritiert über ihre schroffe Reaktion.

»Du weißt, dass das Thronfolgegesetz dich zum König machen würde, wenn wir heiraten? Ist es das? Willst du hier König werden, weil in Tharog der Thron schon für deinen Bruder Rós vorgesehen ist?«

»Was ist denn in dich gefahren?«, fragte Rheon und runzelte die Stirn. »Hörst du dich eigentlich reden? Ich will kein König werden. Ich bin schon der König der Silion-Gasse, das ist Verantwortung genug.«

Ihre Anspannung verflog für einen Moment, als sie lachten. Der König der Silion-Gasse war sein Spitzname, seit er ein Kind gewesen war, denn in dieser Gasse in der Stadt Allanthór war er aufgewachsen, bis er von Aneiryn und Riaghán adoptiert worden war.

»Es tut mir leid«, sagte Nonie schließlich. »Ich wollte dir nicht wehtun oder dir unlautere Motive unterstellen. Ich erkenne mich und meine Launen selbst kaum wieder, aber ohne meinen Alasdhair fühle ich mich an manchen Tagen noch so verloren. Du und er, ihr habt eine große Gemeinsamkeit.«

»Welche denn?«

Sie seufzte. »Ihr unterschätzt mich. Beide. Und das tut mindestens genauso weh wie das Getuschel der Leute. Ich weiß, dass ich jung bin, aber Weisheit ist nicht immer eine Frage des Alters. Ich kann es schaffen, wenn man mir denn eine Chance gibt. Und die habe ich nicht, wenn ich dich heirate. Ich kann mich dann nicht mehr selbst beweisen, weil man alles, was ich tue, am Ende dir oder deinem Einfluss zuschreiben wird. Die Götter haben entschieden, uns Alasdhair jetzt schon zu nehmen und mir seinen Thron zu überlassen. Sie werden ihre Gründe haben, warum ich mich jetzt meinem Schicksal stellen muss. Aber ich weiß, dass der Weg nicht über eine Ehe mit dir oder irgendjemandem sonst führt. Ich bin nicht länger nur die Gemahlin eines mächtigen Mannes.« Sie hob ihr Kinn und straffte ihre Schultern. »Ich habe das Zepter nun selbst in der Hand.«

»Aber wie kann ich dir denn sonst helfen?«, fragte Rheon verzweifelt. »Ich will dir doch beistehen. Etwas dazu beitragen, dass du deine Träume und Ziele verwirklichen kannst, so wie auch Alasdhair es immer wollte.«

»Du kannst mir helfen«, erwiderte sie lächelnd, »indem du deinen Traum lebst. Sei meine Augen und Ohren in der weiten Welt, Rheon.«

Sein Herz setzte für einen Takt aus. »Du schickst mich fort?«

»Nein. Ich bitte dich, deinen und meinen Traum zu einem zu machen und mir zu helfen, ihn zu verwirklichen. Du wolltest immer in die weite Welt. Ich wollte immer Großes für Eilean Moryd. Es aus dem Schatten seines Rufes als karge Insel im Norden holen und zu einem florierenden Land machen, dessen Tore offen für die Welt stehen, das Handel treibt und in der Welt bekannt ist. Seit vielen Jahren machen Schiffe aus den Ostlanden an Häfen der Inselreiche fest, um mit ihren exotischen Waren zu handeln, aber wann wäre je einer von uns in die Ostlande gesegelt? Es war immer mein Traum, zu erforschen, was sich dort befindet. Wie die Menschen sind, was wir von ihnen lernen können und sie vielleicht von uns. Nun kann ich selbst nicht auf ein Schiff steigen, weil ich hier meine Pflichten habe. Aber du kannst es, mein Rheon.«

Völlig überrumpelt ließ er sich in den Sessel sinken, von dem sie aufgestanden war. Ja, sie hatte bereits vor Alasdhairs Tod vorgehabt, ihn zu einer Expedition über das große Meer zu schicken, aber er hatte geglaubt, dass diese Sache sich ein für alle Mal erledigt hatte. Dass sie jetzt wieder damit ankam, raubte ihm für einen Moment die Worte. »Aber was wird aus dir, wenn ich nicht da bin?«

»Eine Königin, die auch ohne Mann an ihrer Seite zurechtkommt, hoffe ich«, gab sie entschieden zurück. »Rheon ... du weißt, dass ich dich gerne bei mir habe. Dass ich dich liebhabe. Dass du mein Bruder bist, mein bester Freund, einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Deshalb kann ich in dieser Sache nur dir vertrauen, aber deshalb muss ich dich auch wegschicken. Seien wir ehrlich. Es schadet mir eher, wenn du hier bist, als dass es mir nützt. Ich kann vielleicht mit dem Leben, was die Leute über mich sagen, aber nicht mit dem, was sie über dich sagen.«

»Was sagen sie?«

»Bitte erspar mir, dir das zu erzählen«, bat sie.

»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Ich will es hören.«

Sie seufzte. »Na schön. Sie sagen, dass du nach dem Thron gierst. Dass du nur auf Alasdhairs Tod gewartet hast, um seinen Platz einzunehmen. Und dass sie kein Problem damit haben, eine neue Rebellion loszutreten, wenn sich ein Tharoganer auf ihren Königsthron setzt.«

»Guter Gott, als ob ich so etwas je vorgehabt hätte«, grollte er.

»Du könntest schon in drei Tagen lossegeln. Es war ja schon fast alles vorbereitet, es müsste nur noch Proviant an Bord geladen werden.«

Er schnaubte. »Du hast es ganz schön eilig, mich loszuwerden.«

»Es ist das Beste für uns.« Ihr Tonfall klang so hart, dass er keinen Widerspruch duldete.

»Und wer steht dir bei, wenn sich doch zu viele gegen dich erheben?«, fragte er nachdenklich und stemmte sich aus dem Sessel hoch. »Ich weiß, dass du eine kluge Frau bist, aber du bist nicht allmächtig. Ich hätte keine ruhige Minute auf einem Schiff, wenn ich nicht wüsste, dass du jemanden hast, der dir in der Not beisteht.«

»Ich habe Ronin und Liron«, gab sie zurück. »Ronins Stimme hat sehr viel Gewicht, denn Alasdhair hat ihn als einen der größten aller Rebellenführer geehrt. Und manch einer zollt mir auch Respekt dafür, dass ich die Tochter des berühmten Cailean bin, ohne den es auch kein unabhängiges Eilean Moryd gegeben hätte. Außerdem gibt es noch Alasdhairs treue Männer, die seinen letzten Willen kennen und respektieren. Sie alle haben mir ihre Unterstützung zugesichert. Deine Dienste kann ich woanders gebrauchen. Vielleicht sind meine Pläne auch viel zu hochfliegend und ich scheitere damit, aber ich will nicht schon aufgeben, bevor ich es nicht wenigstens versucht habe. Und das solltest du auch nicht. Deshalb will ich uns diese Gelegenheit geben. Was sagst du?«

Rheon schwirrte der Kopf von all den Dingen, die auf ihn einprasselten. Erst Alasdhairs Tod, dann die Nacht mit Nonie, das Gerede am Hof, und nun sollte er sich doch mit einem Schiff gen Osten aufmachen und für sie auf Entdeckungsreise gehen? Sie hatte recht: Es war sein Traum. Einer, für den er viel zu geben bereit war. Aber war der Preis nicht zu hoch? Andererseits mochte es wirklich stimmen, und er fügte ihr mit seiner Anwesenheit mehr Schaden zu, als dass er ihr Nutzen brachte. »Lass mich eine Nacht darüber schlafen«, bat er.

»Natürlich«, gab sie zurück. »Auch zwei, wenn du sie brauchst.«

♔ ♔

Er brauchte drei. Aber dann hatte er sich entschieden. Er würde in die Ostlande segeln, um für Königin Iona von Eilean Moryd die Welt zu erkunden, Freundschaften zu schließen und neue Handelsrouten aufzutun. Es war sein Traum. Es war auch ihrer. Es war das, was sie miteinander teilten, was sie viel mehr verband, als diese eine gemeinsame Nacht. Vielleicht war dies die einzige Gelegenheit, die er je bekommen würde, um dem Ruf der Ferne zu folgen. Er sollte sie beim Schopfe packen.

Nonie war nicht überrascht über seine Entscheidung und hatte, noch während er nachgedacht hatte, das Schiff mit Proviant beladen und seetüchtig machen lassen. Er hoffte, dass sich ihre Fähigkeit, Dinge vorauszuahnen, auch beim Regieren als nützlich erweisen würde. Vielleicht, dachte er aufgeregt, war dies sogar der Beginn von etwas ganz Großem. Von etwas, was die kleine Welt der Inselreiche nachhaltig verändern würde.

»Wir haben das Schiff Silion getauft«, verkündete Nonie, während sie mit ihm am Kai stand, um ihn zu verabschieden. »Ich hoffe, es bringt dir Glück.«

»Kannst du etwas voraussehen?«, wollte Rheon wissen. »Was die Überfahrt angeht?«

»Nur ein Stück weit«, gestand sie. »Ich habe das Gefühl, meine Gabe hat räumliche Grenzen. Ich sehe das Schiff auf See, aber nicht, was danach kommt. Bis dahin ist jedoch alles gut. Zur Sicherheit habe ich jedoch noch etwas für dich.« Sie zog einen kleinen Gegenstand aus den Falten ihres Rockes hervor und hielt ihn Rheon hin. Es war ein Amulett an einer ledernen Schnur.

»Ich danke dir«, sagte er, nahm es an sich und unterzog es einer kurzen Musterung. Der Anhänger war aus Silber gearbeitet und wurde von den schemenhaften Umrissen eines Kopfes mit langem Haar geziert. Darunter waren morydische Runen eingraviert, die Rheon nicht entziffern konnte. »Was bedeutet das?«

»Das ist ein Amulett des Ásjavor.«

»Von dem habe ich noch nie gehört«, gestand Rheon, hängte sich das Amulett jedoch um.

»Er ist ein besonderer Gott. Ich habe eine Weile überlegt, was ich dir mitgeben könnte, aber Ásjavor passt zu dir. Er wird dich leiten und beschützen.«

Rheon nickte. Er glaubte nicht allzu sehr daran, dass die Götter wirklich aktiv in die Welt eingriffen, aber es war gut, etwas von Nonie mitzunehmen, was er immer bei sich tragen konnte. »Ich bin sicher, dass ich wohlbehalten wiederkommen werde.«

Unerwartet machte sie einen Schritt auf ihn zu und schlang ihm die Arme um den Hals, obwohl alle Umstehenden zusehen konnten. Es war ihr offenbar egal, und ihm war es auch egal. Er drückte sie an sich, sog noch einmal tief ihren Duft ein und löste sich dann von ihr. Wenn er eine Frau geheiratet hätte, dann diese. Für Nonie wäre er alles zu tun bereit gewesen.

»Und nun segel los«, gebot sie ihm lächelnd. »Schau dir an, was sich hinter dem Rand der Welt verbirgt. Bald sollen alle Inselreiche von Rheon dem Entdecker sprechen.«

Er wandte sich zu seinem Schiff, der Silion, die bereits wartend im leichten Seegang wogte. »Von Rheon, dem Entdecker sollen sie erzählen«, erklärte er und lächelte nun ebenfalls. »Und von Königin Iona von Eilean Moryd, die ihn in die große, weite Welt gesandt hat.«

Kapitel 3

Das Leuchten des Meeres

Freiheit duftete nach salziger Luft. Nach Gischt und Seetang, nach gebeiztem Holz. Sie klang nach flatternden Segeln, die der Wind blähte, knarrenden Schiffsbohlen und dem Gekreisch der Möwen, die über ihnen kreisten.

Die Möwen hörten sich stets so an, als wenn sie lachten, fand Rheon. Und sie hatten allen Grund dazu. Sie flogen ihre Bahnen über das weite Meer, getragen von der Brise, und blickten noch weiter in den Horizont als ein Matrose im Mastkorb. Er beneidete die Vögel um ihre Fähigkeit, einfach die Flügel auszubreiten und zu reisen, wohin auch immer sie wollten. Aber Menschen hatten Schiffe. Sie halfen ihnen, die Meere zu überqueren und die Welt zu erkunden, wo ihnen die Flügel fehlten. Rheon hatte jedes Einzelne der Inselreiche bereist, aber die Inselreiche waren nicht die Welt, sondern vermutlich nur ein kleiner Ausschnitt davon. Jenseits des Ozeans wartete mehr.

Die Ostlande waren kein gänzlich unbekanntes Terrain. In den großen Städten der Inselreiche, auf den Märkten, traf man immer wieder Händler aus fernen Ländern, die exotische Gewürze, Stoffe oder gar Tiere feilboten. Dennoch war wenig über den fremden Kontinent bekannt. Nur wenige Schiffe aus dem Westen hatten bislang dort festgemacht und man wusste so gut wie nichts über die Menschen, die dort lebten. An welche Götter sie glaubten, wie ihre Sprachen sich anhörten, wie ihr Essen schmeckte. Es gab kleine Gruppen von Yishkarern, die seit über einhundert Jahren in den Inselreichen lebten, aber auch diese blieben meist unter sich, oft sogar in eigenen Stadtvierteln wie dem großen Yishkarerviertel in der Hafenstadt Farolaín, die zu Tharog gehörte. Aber Yishkaron war nicht das einzige Reich der Ostlande. Es gab noch viel Unbekanntes zu entdecken. Und das war genau das, was Rheon vom Leben wollte: Ein Entdecker dieses Unbekannten sein.

Er hatte Gewissensbisse bekommen, als sein Schiff am Hafen südlich von Tysk abgelegt hatte. Er fühlte sich wie ein Eidbrecher, weil er davonsegelte, anstatt bei Nonie und ihrem Sohn Halvárd zu sein, so wie er es Alasdhair am Sterbebett versprochen hatte. Aber Nonie hatte seine Abreise befohlen, und als ihr oberster Expeditionskommandant hatte er ihr zu gehorchen.

»Das Wetter ist hervorragend, Captaen.«

Rheon, der an der Reling gestanden und die Nase in den Wind gehalten hatte, drehte sich herum. Sein oberster Navigator Sastnán trat mit einem Lächeln zu ihm heran.

»Wir haben Rückenwind. Wenn meine Berechnungen stimmen, sollten wir morgen in der Frühe bereits Land sehen.«

»Das wäre wünschenswert«, gab Rheon zurück und lächelte ebenfalls. Seit guten zwei Wochen waren sie nun auf See und etwas fester Boden unter den Füßen wäre eine willkommene Abwechslung. »Ich bin gespannt, wie man uns wohl empfangen wird.«

»Am Hafen von Akran, den wir anlaufen, ist man fremdländische Schiffe gewohnt«, erwiderte Sastnán, »man wird also vermutlich gar nicht viel Aufhebens um uns machen. Interessant wird es, wenn wir uns ins Landesinnere bewegen.«