Three Scotsmen & One Wedding - Jona Dreyer - E-Book

Three Scotsmen & One Wedding E-Book

Jona Dreyer

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Beschreibung

»Schwule MacDougals? Dass ich das noch erleben darf ...« Nachdem er durch Druck vonseiten seiner Familie seine große Liebe verlassen musste, ist Spencer MacDougal vor zwölf Jahren in die Vereinigten Staaten ausgewandert. Doch eine Hochzeitseinladung seines Cousins führt ihn, inzwischen alleinerziehender Vater eines behinderten Sohnes, zurück nach Schottland. Nichtsahnend begegnet er auf der Hochzeitsfeier seiner Ex-Liebe Keaton – und dessen Ehemann. Anstatt jedoch Spencer wie erwartet feindselig gegenüberzutreten, begegnen die beiden ihm und seinem Sohn mit viel Herzlichkeit. Aber bald beginnen Spencers Gefühle für beide Männer verrücktzuspielen, und seine Pläne, vielleicht dauerhaft nach Schottland zurückzukehren, geraten ins Wanken. Muss er erneut nach Übersee flüchten? Und würde ihn der Clan MacDougal für die Liebe zu (zwei) Männern nicht genauso verurteilen wie damals?

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Three Scotsmen & One Wedding

Gay Romance

© Urheberrecht 2023 Jona Dreyer

 

Impressum:

Tschök & Tschök GbR

Alexander-Lincke-Straße 2c

08412 Werdau

 

Text: Jona Dreyer

Coverdesign: Jona Dreyer

Coverbilder: depositphotos.com

Lektorat/Korrektorat: Kelly Krause & Shannon O’Neall

 

Kurzbeschreibung:

»Schwule MacDougals? Dass ich das noch erleben darf ...«

Nachdem er durch Druck vonseiten seiner Familie seine große Liebe verlassen musste, ist Spencer MacDougal vor zwölf Jahren in die Vereinigten Staaten ausgewandert. Doch eine Hochzeitseinladung seines Cousins führt ihn, inzwischen alleinerziehender Vater eines behinderten Sohnes, zurück nach Schottland.

Nichtsahnend begegnet er auf der Hochzeitsfeier seiner Ex-Liebe Keaton – und dessen Ehemann. Anstatt jedoch Spencer wie erwartet feindselig gegenüberzutreten, begegnen die beiden ihm und seinem Sohn mit viel Herzlichkeit.

Aber bald beginnen Spencers Gefühle für beide Männer verrücktzuspielen, und seine Pläne, vielleicht dauerhaft nach Schottland zurückzukehren, geraten ins Wanken.

Muss er erneut nach Übersee flüchten?

Und würde der Clan MacDougal ihn für die Liebe zu (zwei) Männern nicht genauso verurteilen wie damals?

Über die Autorin

»Fantasie ist wie ein Buffet. Man muss sich nicht entscheiden – man kann von allem nehmen, was einem schmeckt.«

Getreu diesem Motto ist Jona Dreyer in vielen Bereichen von Drama über Fantasy bis Humor zu Hause. Alle ihre Geschichten haben jedoch eine Gemeinsamkeit: Die Hauptfiguren sind schwul, bi, pan oder trans. Das macht sie zu einer der vielseitigsten Autorinnen des queeren Genres.

Vorwort

In diesem Roman gebrauche ich mehrfach das Wort »behindert« – und zwar bewusst und zurecht.

In den vergangenen Jahren hat es sich eingebürgert, euphemistische Bezeichnungen wie »besondere Bedürfnisse« zu gebrauchen, aber Behindertenverbände [sic] sprechen sich klar und deutlich dafür aus, den Begriff »behindert« unbedingt zu verwenden. Zum einen, um ihn zu entstigmatisieren, um ihn aus der Ecke des albernen, von Jugendlichen gebrauchten Schimpfwortes herauszuholen. Zum anderen, weil er beschreibt, wie es ist: Die betroffenen Menschen werden in ihrem täglichen Leben behindert. Die Hürden sind für sie weitaus höher als für nicht behinderte Menschen. Das ist Fakt und das muss man auch nicht schönreden. Es würde die realen Probleme, vor die sie gestellt werden, nur marginalisieren.

Als familiär und auch selbst Betroffene ist mir diese kleine Anmerkung sehr wichtig.

 

Und nun wünsche ich viel Spaß bei der Lektüre des zweiten MacDougal-Romans!

1

Spencer: Schwule MacDougals!

Es gibt einfach kein MacDougal-Familienfest ohne brachiale Dudelsackmusik. Absolut keines. Auch dieses hier bildet keine Ausnahme.

Mein kleiner Sohn auf meinem Schoß jauchzt vor Freude und klatscht in die Hände, obwohl ich ihm Schallschutzkopfhörer aufgesetzt habe, damit es nicht so in seinen Ohren scheppert. Ich selbst hätte auch gern welche. Dass ich Dudelsackmusik gar nicht so besonders mag, dass sie mir oft zu schrill in den Ohren klingt, kann ich hier keinem verraten. Ich würde sofort vom Clan verstoßen. Aber Eden liebt sie. Was das angeht, kommt mein Junge so gar nicht nach mir.

Hier spielt gleich ein ganzer Korps auf. Zum Klang von Highland Cathedral wird einer der beiden Bräutigame, gekleidet in ein edles, cremefarbenes Jackett und einen Kilt in den Farben unseres Clans, von seinem Vater (der wiederum mein Cousin ersten Grades ist) zum Altar geführt. Der andere Bräutigam, ebenfalls in cremefarbenem Jackett und Kilt, wartet freudestrahlend am blumengeschmückten Altar unter freiem Himmel.

Und das ist einer der Hauptgründe, warum ich diese Hochzeitseinladung überhaupt angenommen habe und den ganzen Weg aus Connecticut nach Schottland angereist bin: Es ist die erste, schwule Hochzeit jemals in unserer Familie. Das musste ich einfach sehen. Mich überzeugen, dass sie wirklich stattfindet und die Einladung nicht nur ein schlechter Scherz war. Dass es tatsächlich so weit gekommen ist, versetzt mich immer noch in Erstaunen. Denn als ich damals ... na ja, egal.

Mein Großcousin Tony MacDougal, für meine Begriffe noch ziemlich jung zum Heiraten, hält die Hände seines Auserwählten, des Baronet of Ardnatyre, während der Standesbeamte redet. Sie lächeln sich an. Die Zuneigung, die sie zueinander verspüren und das Glück über diesen heutigen Tag, sind ihnen deutlich anzusehen. Ich seufze leise. Für mich persönlich käme eine Hochzeit nicht in Frage (ist mir zu altmodisch), aber ein kleiner Romantiker steckt in mir ja trotzdem.

»Ho-zei!«, ruft Eden plötzlich mitten in die Rede und klatscht in die Hände. Alle, inklusive die Brautleute, drehen sich zu uns um und lachen. Sogar Onkel Ivar schmunzelt ein bisschen.

Ich lächle entschuldigend, finde aber, dass Eden recht hat. Der Standesbeamte soll mit seiner Ansprache mal aus dem Quark kommen. Die zieht sich ja ewig. Der Trauzeuge meines Großcousins, ein hübscher, dunkelhäutiger Mann in einem schreiend bunten Kilt, wirkt auch langsam ungeduldig. Die Trauzeugin des Baronets – so weit ich weiß, seine Exfrau! – scannt derweil mit Blicken die männlichen Gäste ab.

Doch dann ist es endlich so weit: Die beiden geben sich das Ja-Wort. Aye, aye!

»Ich erkläre euch hiermit zu Ehemännern. Ihr dürft euch jetzt küssen.«

Und das tun sie. Ich schaue fasziniert zu. Eine schwule Hochzeit im Clan MacDougal! Was für eine Zeit, in der wir leben! Noch vor zwölf Jahren wäre das alles undenkbar gewesen. Aber ich gönne es Tony. Er hat den Anfang gemacht für alle, die noch nach ihm kommen.

Erneut dröhnt Dudelsackmusik, während das Brautpaar sich erst einmal in das Anwesen zurückzieht. Die Gäste zerstreuen sich und die Stimmung wird lockerer. Ardnatyre Manor ist eine wirklich schöne Anlage mit einem spätviktorianischen Haus, umgeben von Wald und Wasser. Viele der zahlreichen Gäste werden heute hier übernachten; andere auf dem Anwesen unseres Oberhaupts Ivar MacDougal eine halbe Stunde von hier. Eden und ich schlafen bei meinen Eltern.

»Wie niedlich kann man bitte sein?« Ma tritt zu uns heran und rückt Edens Fliege zurecht. Er schaut freudestrahlend zu ihr auf, mit seinem pausbäckigen Gesicht und seinen mandelförmigen Augen. Er ist jetzt vier und versteht immer mehr von seiner Umwelt.

»Nicht wahr?« Stolz grinse ich auf ihn hinab. »Ich konnte diesem kleinen Festtagsanzug mit der Fliege nicht widerstehen.«

»Er ist wirklich so entzückend. Komm her, mein kleiner Schatz.« Ma nimmt ihn auf den Arm und drückt ihm dicke Küsse auf die Wange. Ich halte derweil Ausschau nach Pa und entdecke ihn schwatzend bei Onkel Ivar.

Der zweite Grund, warum ich diese Hochzeitseinladung angenommen habe, ist der, dass ich sowieso mal wieder nach Schottland wollte. Ich hatte Sehnsucht. In all den Jahren war ich nur wenige Male auf Stippvisite da und seit Edens Geburt war ich gar nicht mehr hier, obwohl ich meine Familie seither ganz besonders vermisse. Ihre Liebe, ihre Unterstützung. In den Staaten bin ich allein. Deshalb trage ich mich mit dem Gedanken, dauerhaft zurückzukehren. Aber erst einmal will ich sehen, ob ich mich hier wirklich noch wohlfühlen kann.

»Pa-Pa!«, ruft Eden und fängt an, zu strampeln und sich zu winden. Er will wieder zu mir. Er mag seine Nana, aber er kennt sie erst seit drei Tagen, denn so lange sind wir jetzt hier. Sein restliches Leben hat sich bisher um mich gedreht. Und meins um ihn. Ich nehme ihn wieder entgegen und er beruhigt sich sofort.

»Übrigens«, Ma räuspert sich leise, »Keaton ist auch hier.«

Ich spüre, wie mir die Farbe aus dem Gesicht weicht und ärgere mich direkt darüber. »Aha«, mache ich, als würde mich das nicht interessieren.

»Da drüben«, beharrt sie und scheint meine innere Not nicht zu bemerken. »Willst du ihm nicht mal Hallo sagen?«

»Ich ...« Ich will gerade lieber flüchten, als nach zwölf Jahren meinen Ex wiederzusehen. »Aye, warum nicht.«

Himmel, es sind zwölf Jahre! Kein Grund, albern zu sein. Wir sind andere Menschen als damals, haben weitergelebt. Trotzdem ist es komisch, den Mann wiederzusehen, den ich bei unserem letzten Treffen noch geliebt habe.

Zögerlich bewege ich mich mit Eden an der Hand in seine Richtung. Er hat sich äußerlich wirklich kaum verändert, wirkt allenfalls etwas reifer. Aber das hübsche Lächeln, die sportliche Figur und das volle, rotbraune Haar hat er noch immer. Er unterhält sich gerade mit einer Frau, die neben ihm an einer der langen Festtafeln sitzt. Gestikuliert mit seinen Händen. Gott, was ich seine Hände geliebt habe, sie waren wirklich schön, langfingrig und maskulin.

Soll ich wirklich aktiv zu ihm hingehen und ihn begrüßen? Vielleicht wäre es klüger, einfach abzuwarten, ob wir im Laufe der Feier mal zufällig aufeinandertreffen. Es ist wirklich viel los und –

Er hat mich entdeckt.

»Spencer? Spencer MacDougal, kann das sein?«

Ich setze ein verkrampftes Lächeln auf und klammere mich an Eden fest, der leider gerade meinen Trost-Teddy spielen muss. »Aye ... da bin ich.«

»Wow, das ist ja ewig her!« Er steht auf und kommt mir entgegen. Jetzt gibt es kein Entkommen mehr. »Mensch, wie schön, dich mal wieder zu sehen!«

»W-wirklich?« Spencer! »Äh, ich meine ... ebenso!«

Aber mal im Ernst, findet er das wirklich schön? Wir sind damals schließlich mit gebrochenen Herzen auseinandergegangen. Andererseits: zwölf Jahre ...

»Lebst du immer noch in den USA?«, will er wissen. Wie so ziemlich alle anderen Männer hier trägt auch er einen Kilt. Der stand ihm schon immer gut, er hat die perfekten Beine dafür. Ich habe meine Stelzen lieber in Hosen gepackt und steche damit unangenehm als der Ami auf dieser Feier heraus.

»Aye, da lebe ich noch. Ich denke allerdings darüber nach, wieder nach Schottland zu ziehen. Da ist aber noch nichts spruchreif.«

»Leute mit Kindern bekommen oft Heimweh, wenn sie in der Fremde wohnen, hab ich gehört.« Er lächelt auf Eden hinab, der ihn neugierig mustert. »Das ist dein Sohn, nehme ich an? Ich hatte mal gehört, dass du Vater geworden bist.«

»Das stimmt«, bestätige ich. »Das ist Eden. Er ist vier Jahre alt.«

»Er ist wirklich niedlich.«

»Hallo!« Ein weiterer, mir unbekannter Mann tritt zu uns heran. Groß, kräftig, Vollbart, Typ Holzfäller, aber ein unglaublich warmes Lächeln, das ihn sofort sympathisch wirken lässt.

»Oh, Dirk!« Keaton packt ihn beim Ärmel und zieht ihn noch einen Schritt nach vorn. »Das ist meine erste große Liebe. Spencer MacDougal.«

Seine erste große Liebe? Das sagt er jetzt einfach so? Ich glaube, er hat unsere damalige Trennung gründlicher verarbeitet als ich. Steht jetzt über den Dingen, während ich ihm kaum in die Augen schauen kann, als wäre alles erst gestern gewesen.

»Schön, dich endlich mal kennenzulernen, Spencer.« Dirk reicht mir die Hand und ich ergreife sie mit einiger Verwirrung. Was heißt hier endlich mal? Wer ist er und warum will er mich kennenlernen? »Ich bin Dirk. Keatons Ehemann.«

2

Spencer: Hochzeitsgäste

»Du – du bist verheiratet, Keaton?«, stammle ich. »Das wusste ich gar nicht.«

»Na, woher auch?« Keaton lacht. »Wir hatten ja schließlich zwölf Jahre lang keinen Kontakt.«

Aber ich habe in diesen zwölf Jahren immer wieder nach dir gefragt. Warum hat mir das keiner verraten?

»Stimmt.« Ich zwinge mich zu einem Lächeln. »Wann habt ihr denn geheiratet?«

»Vor fünf Jahren. Zusammen sind wir seit acht.«

»Wie schön.« Ich werfe einen verstohlenen Seitenblick auf Dirk, doch dessen Aufmerksamkeit wandert hinunter zu Eden.

»Was bist du denn für ein zauberhafter, kleiner Kerl?«, ruft er verzückt aus und geht in die Hocke. »Hallo!«

Eden, dem Schüchternheit in der Regel ein Fremdwort ist (sogar gegenüber großen, bärtigen Männern), grinst ihn breit an.

»Ich bin Dirk. Und du bist Eden, nicht wahr? Das habe ich vorhin aufgeschnappt.«

»Aye, das ist Eden«, bestätige ich.

»E-den!«, ruft der Kleine bekräftigend.

»Was für ein schöner Name.«

»Den habe ich ausgesucht«, bekunde ich stolz. »Er fiel mir spontan ein, als ich ihn gesehen habe. Weil in seinem Blick noch das Paradies zu sehen war, aus dem seine kleine Seele zu uns gekommen ist.«

»Wow.« Dirk sieht mich mit großen, braunen Augen an. »Das ist wirklich die schönste Geschichte hinter einer Namenswahl, die ich je gehört habe.«

»Danke.«

Dirk bleibt weiter in der Hocke und beschäftigt sich mit meinem Sohn; Keaton lächelt erst die beiden an und dann mich. »Dirk ist Heilerziehungspfleger«, erklärt er mir. »Er arbeitet in einem Pflegeheim für Menschen mit geistiger Behinderung.«

»Oh.« Das lässt Keatons Ehemann gleich noch mal so sympathisch wirken. Und wenn ich sehe, wie er mit meinem Sohn umgeht, wie viel Wärme und Freundlichkeit er ausstrahlt – da wundert mich nicht, dass Keaton gleich den sinnbildlichen Sack zugeschnürt und ihn geheiratet hat. »Und du? Was machst du so?«

Wir setzen uns an den Tisch; Keaton stützt sich lässig mit dem Ellenbogen auf. Er sieht wirklich immer noch verdammt heiß aus. Die Ehe scheint ihm gut zu bekommen.

»Ich hab das Pub von meinen Eltern übernommen. Meine Mutter ist leider vor vier Jahren gestorben, mein Vater lebt freiwillig im Heim. Er ist mittlerweile leider auch sehr pflegebedürftig, das könnten wir gar nicht stemmen mit unseren Berufen.«

»Verstehe.«

»Und du?«

»Ich arbeite Teilzeit im Home Office für eine Werbeagentur. Anders geht es leider nicht, weil ich mich ja um Eden kümmern muss.«

»Wo ist denn seine Mutter?«, erkundigt sich Keaton neugierig.

»Das weiß ich nicht«, gestehe ich. »Wir waren schon vor Edens Geburt nicht mehr richtig zusammen, aber noch befreundet. Wir haben erst nach der Geburt erfahren, dass er Trisomie 21 hat.«

»Trisomie 21 – das ist das Downsyndrom, nicht wahr?«

»Richtig. Sie kam wohl nicht damit zurecht, dass Eden ist, wie er ist, und hat sich drei Tage nach seiner Geburt aus dem Staub gemacht. Wir haben keinen Kontakt mehr zu ihr.«

»Wie traurig.« Dirk setzt sich zu uns, mit Eden auf seinem Schoß. »Sie weiß gar nicht, was sie verpasst. Natürlich geht das Syndrom auch mit vielen Problemen einher, aber Menschen mit Downsyndrom sind für mich die liebsten und gütigsten Leute, die es gibt.«

»O ja.« Lächelnd streichle ich meinem Sohn, der sich in Dirks Obhut pudelwohl zu fühlen scheint, über die Wange. »Das kann ich nur bestätigen.«

»Ist sein Herzchen gesund?«

»Gott sei Dank, ja. Das meiste ist in Ordnung, er hat nur zweimal Paukenröhrchen bekommen und seine Atemwege sind sehr empfindlich. Er wird da öfter krank als andere Kinder in seinem Alter.«

»Das ist leider normal.«

»Aye, das ist wohl so. Ich werde trotzdem immer nervös, wenn er einen Schnupfen hat. Ansonsten macht er es mir verhältnismäßig einfach. Wie ausgeprägt seine geistige Behinderung ist, ist noch nicht ganz klar zu beurteilen. Er hinkt Gleichaltrigen deutlich hinterher, aber er lernt sprechen und versteht auch ziemlich gut. Auch motorisch geht es langsam, aber stetig voran.«

Eine Weile herrscht Schweigen, während Dirk Eden auf seinem Knie wippen lässt. Er und Keaton passen wirklich toll zusammen, das muss ich mir eingestehen. Auf der einen Seite fühle ich mich wohl in ihrer Gesellschaft, weil sie so nett zu mir und meinem Sohn sind; auf der anderen Seite bin ich eifersüchtig. Eifersüchtig auf Dirk, weil er jetzt der Mann an Keatons Seite ist (für den ich immer noch einen Rest Gefühle habe), und eifersüchtig auf Keaton, weil er einen Mann wie Dirk gefunden hat. So jemanden wünsche ich mir für mich und Eden auch.

Natürlich kommen wir durchaus alleine zurecht, das sind wir in den vergangenen vier Jahren schließlich auch, aber ich bin eben nur ein Mensch, der sich wie jeder andere mal nach jemandem sehnt, an den er sich anlehnen kann.

»Ich werde dann mal weiterziehen«, erkläre ich, bevor ich hier noch zu melancholisch werde. Ich hebe meinen Sohn von Dirks Schoß. Eden wirkt unglücklich über diese Trennung. »War schön, dich wiederzusehen, Keaton«, erkläre ich. »Und dich kennenzulernen, Dirk.«

»Ebenso«, erwidert Keaton mit einem Lächeln. »Wie lange bist du jetzt erst mal noch in Schottland?«

»Wenigstens drei, vier Wochen.«

»Dann komm uns doch mal besuchen«, schlägt Dirk vor und Keaton nickt. »Bring Eden mit. Wir wohnen in Keatons Elternhaus, das kennst du ja.«

»Aye ...« Ist es nicht komisch für dich, den Ex deines Ehemanns zu Gast zu haben, den der sogar als seine erste, große Liebe bezeichnet? »Aye, warum nicht.«

»Wir sollten unsere Nummern austauschen«, drängt Keaton.

Immer noch ein bisschen durcheinander über diese Einladung schreibe ich Keaton meine Nummer auf und er mir seine. Dann verabschieden wir uns. Mit klopfendem Herzen und Eden an der Hand mische ich mich unter die anderen Gäste. Was war das gerade für eine Begegnung?

»Hey, Spencer!«

Ich drehe mich um und sehe den lächelnden Bräutigam, meinen Großcousin Tony, auf mich zukommen. »Tony! Alles Gute zur Hochzeit!«

»Danke! Schön, dass du gekommen bist.«

»Gern. Ich habe mich zugegeben ein bisschen über die Einladung gewundert. Wir kennen uns ja kaum, trotz unserer Verwandtschaft.«

Tony hebt die Schultern und lächelt. »Zum einen hat Onkel Ivar darauf bestanden, alle MacDougals einzuladen, auch wenn tatsächlich nicht alle gekommen sind. Zum anderen war Cousin Spencer sehr oft Thema in meinem Leben.«

»Wie das?«, frage ich verwundert.

»Nun ja, es ging immer darum, dass du ... dass ...«

»Dass ich mit einem Mann zusammen war?«

Tony nickt. »Genau. Und dass du dann aber eine Frau hattest und ein Kind, das wurde mir dann immer als Beweis präsentiert, dass Schwulsein nur eine Phase ist.«

»Tut mir leid«, erwidere ich zerknirscht. »Und was für ein Blödsinn. Ich bin bisexuell, bei mir war und ist nichts eine Phase. Ich würde auch immer noch eine Beziehung zu einem Mann eingehen, wenn sich der Richtige findet. Aber damals ... tja, damals war der Clan MacDougal noch nicht so tolerant, wie er heute scheinbar ist.«

»Die Zeiten ändern sich zum Glück«, gibt Tony zurück. »Aber glaub mir, Keir und ich hatten es auch nicht gerade leicht. Man kann wohl nicht von heute auf morgen einen kompletten Wandel erwarten. Es geht Schritt für Schritt.«

Ich lächle. »Ich freue mich für euch. Ehrlich.«

»Danke.« Tony lächelt zurück. Er ist wirklich ein sympathischer, junger Mann mit wilden, dunkelblonden Locken und den, trotz der Sanftheit seines Gesichts, typischen, etwas kantigen MacDougal-Zügen. »Hab Spaß auf unserer Feier. Da drüben gibt es für die Kinder nachher einen Zauberer. Vielleicht gefällt das auch deinem Kleinen?«

»Bestimmt«, gebe ich zurück und Tony verabschiedet sich.

Ich mache mich auf die Suche nach meinen Eltern und finde sie wenig überraschend am Buffet.

»Warum hast du mir nicht gesagt, dass Keaton verheiratet ist?«, zische ich Ma ohne Umschweife zu.

Sie lädt sich ungerührt Kuchen auf ihren Teller. Da fällt mir auf, dass Keaton, Dirk und ich während unseres Gesprächs offenbar das Anschneiden der Hochzeitstorte verpasst haben. »Ich dachte, das frustriert dich nur. Du redest ja immer noch so viel von ihm und fragst so häufig.«

»Und da hast du es für eine bessere Idee gehalten, mich ohne Vorwarnung direkt zu ihm und seinem Ehemann zu schicken?«

Sie zuckt mit den Schultern. »So ist es jetzt gleich geklärt.«

»Na toll.«

»Jetzt steiger dich doch nicht so rein!«, mahnt sie kopfschüttelnd. »Es ist zwölf Jahre her, dass ihr euch getrennt habt. Eine lange Zeit.«

»Aber ich darf daran erinnern, dass ich ihn nicht verlassen habe, weil ich keine Gefühle mehr für ihn hatte, sondern weil die Familie einen solchen Druck gemacht hat. Das hier ... das hätte meine Hochzeit sein können.«

»Was willst du denn mit dem Baronet of Ardnatyre?«

»Doch nicht mit dem! Mit Keaton!«

Ma seufzt. »Schatz, wirklich. Das Leben ist für euch beide weitergegangen. Keaton hat jetzt seinen Dirk und du deinen kleinen Eden. Ich dachte, wenn ihr euch hier begegnet, kannst du endlich mal damit abschließen.«

»Es hat gerade eher alles aufgewühlt. Passt du kurz auf Eden auf? Ich möchte mal in Ruhe was trinken.«

»Na klar.«

Ich lasse den Kleinen bei meiner Ma und spaziere ein bisschen durch die Gartenanlage von Ardnatyre Manor. Hat Ma nicht recht? Nach zwölf Jahren sollte ich wirklich langsam loslassen. In jedem anderen Fall hätte ich das wahrscheinlich schon längst getan, nur bin ich einfach nie über die Umstände unserer Trennung hinweggekommen. Die gesamte Familie hat auf mich eingestritten, allen voran Ivar MacDougal, den ich seither leidenschaftlich hasse (natürlich, ohne das öffentlich zu äußern, weil das nur zu weiterem Drama führen würde). Deswegen bin ich schlussendlich nach Amerika gegangen, sobald sich die Chance geboten hat – ich wollte einfach ganz weit weg von allem. Weg von der Familie, weg von Keaton.

Natürlich hätte ich stark sein und mich einfach durchsetzen können. Aber ich war damals Anfang zwanzig und nicht sonderlich selbstbewusst. Vor der Familie zuzugeben, dass ich einen Freund habe, war schon ein großer Schritt. Zu mehr war ich nicht in der Lage. Leider. Denn was ich hätte haben können, sehe ich heute hier auf dieser Hochzeit.

Andererseits gäbe es Eden dann nicht. Und das wäre ein großer Verlust. Wenn ich mich zwischen Keaton und Eden entscheiden müsste, fiele meine Wahl ohne Zögern auf meinen Sohn. Der Gedanke beruhigt mich ein wenig. Ich habe zwar etwas Geliebtes verloren, aber dafür auch etwas Wundervolles hinzugewonnen.

3

Keaton: Früher war alles irgendwie anders

Während sich mein Mann angeregt mit unserer Tischnachbarin unterhält, stehe ich auf, um mir ein wenig die Beine zu vertreten.

Spencer ist hier.

Ich hätte nie geglaubt, dass er auf dieser Hochzeit auftauchen würde, denn seit er in die Staaten ausgewandert ist, hat er den Eindruck gemacht, nie wieder nach Schottland zurückkehren zu wollen. Doch plötzlich scheint alles anders. Auf einmal ist die Rede davon, dass er ganz nach Schottland zurückzieht. Mit seinem niedlichen, kleinen Sohn.

Mein Mann in seiner typischen, arglosen Freundlichkeit hat ihn direkt mal zu uns eingeladen. Ich habe natürlich zugestimmt, weiß aber gerade gar nicht, wie ich mit meinen Gefühlen umgehen soll. Beziehungsweise, wie ich sie überhaupt zuordnen soll.

Unsere Trennung damals hat eine Narbe bei mir hinterlassen. Wir waren beide die erste, große Liebe des anderen. Wir haben uns gemeinsam in einer sehr konservativen Umgebung geoutet und Pläne für die Zukunft geschmiedet. Aber dann ist er unter dem Druck seiner Familie eingeknickt, hat sich gegen mich entschieden – und das Land verlassen. Ich habe lange gebraucht, ehe ich wieder Vertrauen zu anderen Menschen aufbauen konnte.

Ich habe mit Dirk oft darüber gesprochen und er war stets verständnisvoll. Ein Grund von vielen, warum dieser wunderbare Mensch heute mein Ehemann ist. Sowieso würde ich Dirk niemals gegen einen anderen eintauschen wollen! Ich liebe ihn abgöttisch. Wir führen eine harmonische, offenherzige Beziehung. Aber das ändert nichts daran, dass ich in einer kleinen Ecke meines Herzens noch immer Spencers sinnbildliche, alte Sachen aufbewahrt habe.

Just in diesem Moment entdecke ich ihn, allein, an einen alten Apfelbaum gelehnt. Er scheint nachdenklich. Ich sollte ihn in Ruhe lassen. Aber meine Füße haben anderes vor und tragen mich direkt zu ihm hin.

»Hey.«

Er blickt überrascht auf. »Oh, hey. Wo ist Dirk?«

»In eine Unterhaltung mit der Bürgermeisterin des Nachbarorts vertieft.«

»Ah.« Spencer nickt abwesend. Er sieht immer noch gut aus. Nein, eigentlich besser. Reifer. Das dunkle Haar ist akkurat geschnitten und schwungvoll nach hinten frisiert; um seine blauen Augen haben sich ein paar Fältchen gebildet. »Woher kennt ihr das Brautpaar eigentlich?«

»Die paar Schwulen hier im Umkreis kennen sich alle«, erkläre ich lachend. »Ich unterhalte seit letztem Jahr einen kleinen LGBTQ-Stammtisch in meinem Pub und die beiden sind seit Jahresanfang regelmäßig Gast.«

»Einen LGBTQ-Stammtisch? Wow, hier hat sich echt viel verändert.«

»Ach, eigentlich ist Schottland doch schon lange tolerant.«

»In den Städten, aye. Aber auf dem Land ist es oft immer noch was anderes. In den Staaten aber genauso.«

»Warum willst du zurückkommen?«, frage ich interessiert.

»Familie«, gibt er schlicht zur Antwort. »Ich habe drüben niemanden. Edens Mutter hat sich aus dem Staub gemacht und meine Freunde haben den Kontakt nach und nach einschlafen lassen, weil es ihnen zu anstrengend wurde, dass ich in allem so abhängig von den Bedürfnissen meines Sohnes bin. Die Familie würde mich einfach etwas entlasten, mal auf Eden aufpassen, damit ich Zeit für mich habe. Außerdem ist seine medizinische Versorgung in den Staaten für mich kaum noch zu bezahlen. Das wäre hier alles viel einfacher.«

»Also da würde ich in der Tat nicht mehr großartig darüber nachdenken, ob ich zurückkomme oder nicht«, gebe ich zu. »Die Vorteile von Schottland überwiegen. Außerdem sind hier eure Wurzeln.«

»Vermutlich hast du recht.« Er lächelt und wendet ein wenig verschämt den Blick ab. Vermutlich ist die Situation für ihn genauso seltsam wie für mich.

»Die Einladung ist übrigens ernst gemeint«, bekräftige ich nach kurzem Zögern. »Wir würden uns freuen, wenn du und Eden uns besucht.«

»Dein Mann ist wirklich lieb und nett«, bemerkt Spencer.

»Aye, das ist er. Dirk ist meine Sonne. Die Bewohner im Pflegeheim lieben ihn auch von Herzen.«

»Das kann ich mir vorstellen.«

Für einen Moment verspüre ich Eifersucht, weil Spencer meinen Mann interessanter zu finden scheint, als mich. Aber ich will doch gar nicht, dass er an mir interessiert ist! Nun, vielleicht dieser ganz kleine Teil ... der, in dem noch Spencers Gerümpel herumsteht.

»Und bist du immer noch auf der Suche nach Frauen?« O Gott, Keaton, was für eine dummdreiste Frage! »Sorry, das war jetzt unpassend.«

Aber zu meiner Überraschung lacht Spencer amüsiert. »Sag bloß, du denkst genau wie meine Familie, dass ich mich zur Heterosexualität bekehrt habe? Das B in LGBTQ ist da nicht nur zur Deko. Ich bin bisexuell, wie damals auch schon. Und ich suche niemanden. Ich lasse mich aber gerne irgendwann von jemandem finden, der es gut mit mir und meinem Jungen meint. Egal, ob Mann oder Frau.«

»Nae, das ... wirklich, sorry. Das ist mir jetzt so rausgerutscht. Es war dumm.«

Spencer winkt ab und schüttelt den Kopf. »Schon okay. Es ist ja auch alles scheiße gelaufen damals.«

»Wir sollten das hinter uns lassen und nach vorn schauen«, schlage ich vor. »Jeder von uns ist seinen eigenen Weg gegangen und hat hier und da Glück gefunden.«

»Du und Dirk – ihr seht sehr glücklich aus«, stellt Spencer fest.

»Das sind wir.« Wenn auch immer ein wenig auf der Suche nach etwas, von dem wir selbst nicht wissen, was es ist. »Und du bist Vater. Eine Sache, um die ich dich wiederum beneide.«

Spencer lächelt. »Du warst immer ein Familienmensch.«

»Das waren wir beide. Vielleicht ein bisschen zu sehr.«

Plötzlich reckt er den Hals; ich drehe mich um und sehe Dirk auf uns zukommen.

»Da seid ihr ja!«, ruft er fröhlich. »Wo ist der kleine Eden?«

»Bei meiner Ma, damit ich mal ein paar Minuten für mich habe«, erklärt Spencer.

»O je, und dann komme ich und quatsche dich stattdessen voll«, erwidere ich zerknirscht.

Abermals lachend hebt er die Hände.

---ENDE DER LESEPROBE---