Marry Me Just For Fun - Jona Dreyer - E-Book

Marry Me Just For Fun E-Book

Jona Dreyer

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Beschreibung

Was in Vegas passiert, bleibt in Vegas ... bis es an deiner Tür klingelt! Sir Montague Whitely führt ein gediegenes und seinem Stand entsprechendes Leben auf seinem Landsitz in Wales. Doch einmal im Jahr fährt er nach Las Vegas und lässt es dort richtig krachen. Als zwei Wochen nach dem letzten Urlaub plötzlich der Stripper Tate vor seiner Tür steht und sich als sein Ehemann vorstellt, ahnt er allerdings, dass er es diesmal zu weit getrieben hat ... Wie soll er diesen Kerl nur schnellstmöglich wieder loswerden – vor allem, wenn das Schicksal ganz offensichtlich andere Pläne hat?

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Marry Me just for Fun

Gay Romance

© Urheberrecht 2024 Jona Dreyer

 

Impressum:

Tschök & Tschök GbR

Alexander-Lincke-Straße 2c

08412 Werdau

 

Text: Jona Dreyer

Coverdesign: Jona Dreyer

Coverbilder: depositphotos.com

Lektorat/Korrektorat: Kelly Krause & Shannon O’Neall

 

Kurzbeschreibung:

 

Was in Vegas passiert, bleibt in Vegas ... bis es an deiner Tür klingelt!

Sir Montague Whitely führt ein gediegenes und seinem Stand entsprechendes Leben auf seinem Landsitz in Wales. Doch einmal im Jahr fährt er nach Las Vegas und lässt es dort richtig krachen.

Als zwei Wochen nach dem letzten Urlaub plötzlich der Stripper Tate vor seiner Tür steht und sich als sein Ehemann vorstellt, ahnt er, dass er es diesmal zu weit getrieben hat …

Über die Autorin

»Fantasie ist wie ein Buffet. Man muss sich nicht entscheiden – man kann von allem nehmen, was einem schmeckt.«

Getreu diesem Motto ist Jona Dreyer in vielen Bereichen von Drama über Fantasy bis Humor zu Hause. Alle ihre Geschichten haben jedoch eine Gemeinsamkeit: Die Hauptfiguren sind schwul, bi, pan oder trans. Das macht sie zu einer der vielseitigsten Autorinnen des queeren Genres.

Vorwort

Ein großer Teil der Handlung spielt während der ersten Lockdowns 2020, wodurch das Thema natürlich eine gewisse Rolle spielt (und weshalb die beiden auch miteinander festsitzen).

Nur, damit keiner sagt, ich hätte euch nicht vorgewarnt.

Ich denke und hoffe aber, dass wir jetzt, mit ein paar Jahren Abstand, damit zurechtkommen. Es war ja nun einmal Teil unserer Realität in dieser Zeit, und wer mich ein bisschen kennt, weiß, dass ich immer versuche, meine Contemporary Romances halbwegs realistisch zu gestalten.

 

Viel Spaß bei der Lektüre!

1

Tate: You Can Leave Your Hat On

Las Vegas, Februar 2020

 

Warum zum Teufel muss Haarspray immer so stinken? Ich huste und mir tränen die Augen. Aber wer schön sein will, muss ja bekanntlich leiden, und so leide ich jeden Abend. Denn zwei wichtige Sachen erfüllt das Haarspray ja: Es ist billig und sorgt dafür, dass meine neue Frisur den ganzen Abend hält. So ganz überzeugt bin ich von der Haartracht noch nicht, aber mein Friseur hat gesagt, das trägt jetzt jeder so. Ich finde allerdings, man sieht damit - anrasierte Seiten, volles Deckhaar – wie ein Brokkolistängel aus.

»Hey, Tate! Rate, wer da ist.« Wie eine Raubkatze schleicht sich mein Kollege Diego zu mir heran.

»Ähm ... du?«

»Doch nicht hier, du Idiot. Vorn im Club.«

Ratlos ziehe ich die Schultern hoch. »Weiß nicht?«

»Der Typ, der dir gestern die ganze Zeit an den Hacken hing!«

Mir geht ein Licht auf. »Du meinst den Engländer? Der mir gestern so viele Scheine ins Höschen gestopft hat?«

»Ja, genau!« Diego klingt sehr erleichtert, dass ich Dummkopf endlich kapiert hab, was er von mir will. »Der sitzt in der Lounge und schaut sich ungeduldig um. Schätze, er sucht nach dir.«

»Dein Ernst?«

»Klar! Jetzt beeil dich schon, bevor ein anderer seine Arschbacken an seinem Schoß reibt.«

»Ist ja gut, ist ja gut! Ich bin schon fertig. Ich bin nur immer so verunsichert mit diesem Glitzerhöschen. Es sitzt schlecht, ich muss laufend daran herumzupfen.«

Diego stößt ein Schnauben aus und seine schwarzbraunen Augen funkeln neckisch. »Wenn du das lasziv genug machst, könnte das sogar ein paar Extrascheinchen geben.«

»Na schön.« Ich atme noch einmal tief durch. »Auf ins Getümmel.«

Dieser Typ mit dem feinen, britischen Akzent hat mich gestern tatsächlich den ganzen Abend nicht aus seinen Fängen entlassen – was mich allerdings nicht gestört hat, weil er meine zahllosen Lap Dances immer sehr ordentlich entlohnt hat. Hackedicht war der Kerl allerdings auch, und als er mich auf der Toilette vögeln wollte, hat er dementsprechend keinen hochgekriegt. Schade, das wäre gutes Geld gewesen und attraktiv und irgendwie niedlich war er ja auch. Vielleicht hab ich heute eine Chance!

Ich verlasse die Umkleide und steuere direkt auf die Lounge zu, in der Diego meinen Verehrer entdeckt hat. Und da sitzt er tatsächlich, in seinem feinen, dunkelgrauen Zwirn und nippt nervös an einem Cocktail.

»Hey!«, rufe ich, nicht sicher, ob er mich über die laute Musik überhaupt hört.

Nein, tut er nicht.

Ich nähere mich ihm weiter, in der Lounge ist die Musik etwas leiser, und mache durch Winken auf mich aufmerksam. Sein Gesicht hellt sich sofort auf, als er mich entdeckt, und ich fühle mich davon ja schon ein bisschen geschmeichelt.

»Ich hatte gehofft, dass du kommst«, bekennt er und streckt die Arme nach mir aus.

Willig lasse ich mich auf seinen Schoß ziehen. Seine langen Beine fühlen sich muskulös an und er riecht frisch und sauber nach einem teuren Aftershave. Bedauerlicherweise sind nicht alle Clubbesucher so. Manche sind regelrecht abstoßend. Aber sie abzuweisen, hieße, bares Geld liegen zu lassen, und das kann ich mir beim besten Willen nicht leisten.

»Ich hätte wiederum nicht gedacht, dass du noch mal wiederkommst«, gebe ich zu.

»Das hatte ich dir gestern Abend aber doch versprochen ... hatte ich doch, oder?« Er wirkt etwas unsicher und zwischen seinen dunklen Brauen zeigt sich eine steile Falte.

»Ja, aber hier in Vegas wird viel versprochen und wenig gehalten.« Ich zwinkere ihm zu.

»Hmm.« Seine gepflegten Hände gleiten über meinen nackten Oberkörper und bereiten mir eine Gänsehaut. »Ich bin jemand, der seine Versprechen immer hält.« Sein britischer Akzent mit der tiefen, etwas heiseren Stimme klingt unglaublich sexy. »Aktuell bin ich außerdem noch ziemlich nüchtern und würde allzu gern dort weitermachen, wo wir gestern aufgehört haben.«

Du meinst, als du zu betrunken warst, um einen hochzukriegen?

»Aber gern doch.«

Ich gleite von seinem Schoß, ergreife seine Hand und führe ihn mit mir in Richtung der Toiletten. Um meine Bezahlung mache ich mir keine Sorgen, denn bisher hat sich der Kerl immer als äußerst großzügig erwiesen.

Im Vorraum der Toilette sind schamlos zwei Männer mit einem Blowjob zugange. Unser Club hat nicht den Ruf, der Gehobenste zu sein, denn in solchen treiben es die Stripper normalerweise nicht mit der Kundschaft, aber hier ist das alles ein bisschen anders. Umso mehr wundert mich, dass der englische Kerl ausgerechnet hier einkehrt, aber wer weiß, vielleicht sucht er ja gerade den Kick außerhalb seiner feinen Gesellschaft.

Schnell finden wir eine freie Toilettenkabine und schließen uns darin ein.

»Soll ich dir einen blasen?«, frage ich und lasse meine Hände über seine feste Brust gleiten.

»Ich würde dich ehrlich gesagt gern ficken, wenn ich darf ... bitte.«

Ich muss lachen, weil dieses nachgesetzte Bitte einfach so typisch englisch ist. Die fragen offenbar sogar höflich nach einem Fick. »Na schön. Dann musst du aber einen Gummi aus dem Automaten holen.«

»Nicht nötig. Hab ich vorhin schon.« Mit einem triumphalen Lächeln zieht er ein verpacktes Kondom aus der Hosentasche – und ein Briefchen Gleitgel. »Es ist für alles gesorgt.«

»Du warst dir deiner Sache aber sehr sicher!«

»Der Wunsch war Vater des Gedanken.« Sanft drückt er mich gegen die Kabinenwand und lässt seine Hände über meine Pobacken gleiten. »Dieses billige Glitzerhöschen steht dir verboten gut.«

»Findest du?«

»O ja. Es setzt deinen Knackarsch schön in Szene ... und ich mag dieses leicht Verruchte, Schlampige.«

»Interessanter Geschmack für einen feinen, englischen Herren. Wie heißt du eigentlich?«

»Montague.«

»Echt jetzt?«

»Echt. Aber alle nennen mich Monty.«

»Und darf ich das auch?«

»Ich will, dass du es stöhnst.«

Monty drückt mich fester gegen die Wand, sein größerer, kräftigerer Körper umfängt meinen und seine Hand gleitet vorn in meine Hose. Ich komme seinem Wunsch wie von selbst nach.

»Monty ...«

»Gott, das macht mich so an, wenn du das mit deinem Western-Akzent sagst.«

»Dein britisches Englisch ist viel heißer.« Sein Daumen gleitet über meine Eichel und ich zucke zusammen. Mein Schwanz wird hart.

»Runter damit.« Ungeduldig zerrt er an meinem Höschen und ich helfe ihm, es herunterzuziehen. »So was Süßes von einem Arsch. Das wird das Highlight meines Urlaubs.«

»Du schmeichelst mir.«

»Verdient ist verdient.«

Eine Gürtelschnalle klappert, ein Reißverschluss surrt, Stoff raschelt. Heiße Härte dringt zwischen meine Pobacken, reibt ungeduldig an meinem Loch.

»Denk an den Gummi«, erinnere ich ihn.

»Ach ja ...«

Ich drehe mich um, um ihm beim Überziehen zu helfen und auch, weil ich neugierig auf seinen Schwanz bin. Scheiße, ist das ein Prügel! Sind alle Engländer so gebaut oder nur er? Das braucht extra viel Gleitgel!

Ich schmiere ihn richtig dick ein und bedaure, dass er keine Lust auf Oralsex hat. Dieses Ding zu blasen, ist sicher eine spannende Herausforderung.

»Komm, dreh dich wieder um«, raunt er mir ins Ohr und ich tue, was er sagt.

Sein ungeduldiger Schwanz drängt sich erneut zwischen meine Pobacken, übt sanften Druck aus, gleitet ein Stück hinein. Montys Körper hinter mir, sein heißer Atem an meinem Ohr, lassen mich vor Erregung erschauern.

Oh, so leicht verdiene ich mein Geld sonst selten.

Bis zum Anschlag dringt er in mich ein und bald erfüllen mich seine Stöße. Feste Lippen küssen und saugen die Haut an meinem Hals, begleitet von kratzenden Bartstoppeln. Und seinem herrlichen Geruch.

»Nimm ihn ordentlich ran!«, ruft jemand von der Kabine nebenan und ich verdrehe die Augen. Wahrscheinlich werden wir gerade ausgespannt.

Leider kommt Monty, bevor ich so weit bin, und taumelt atemlos zurück. Ich bin enttäuscht, weil es schon vorbei ist, was wirklich selten vorkommt, aber es wollen eben auch extrem selten attraktive Briten mit mir schlafen.

»O Mann.« Monty grinst selig, rollt das Kondom ab und wirft es in die Toilette. Ich glaube, ein bisschen beschwipst ist er doch schon. Er zieht seine Hose hoch, greift in die Tasche und holt ein dickes Bündel Scheine hervor. »Ich würde mich sehr freuen, wenn du den Abend mit mir verbringst«, verkündet er und drückt sie mir in die Hand.

Erfreut klemme ich sie in den Bund meines Höschens. »Aber gerne doch«, gebe ich zurück. »Lassen wir’s krachen, Mylord!«

 

 

2

Tate: Marry Me Just For Fun

Je weiter der Abend fortschreitet, desto betrunkener wird mein Gast. Wir haben zwar die Anweisung, aufzupassen, dass unsere Gäste sich nicht allzu sehr zuschütten – weil sie dann manchmal randalieren und ihre Zeche prellen –, aber Monty schlägt all meine geäußerten Bedenken in den Wind.

»Ach, das ist doch nichts. In Großbritannien sind wir ganz andere Mengen an Alkohol gewohnt, ha, ha!«

Ich hab da so meine Zweifel, weil er ziemlich lallt. Aber da rationale Argumente nicht ziehen, muss ich es anders versuchen – indem ich ihn vom Trinken ablenke. Mit Lap Dances. Und mit Gesprächen.

»Wo in England wohnst du eigentlich?«, frage ich ihn. »In London?«

»Nee. Bah, London. Das ist ein füchte...fü...fürscherlisches Moloch geworden. Ich wohne in Wales.« Er zieht das Wort Wales sehr lang. »Auf der Insel Anglesey.«

»Oh, davon hab ich noch gar nichts gehört.«

Er schnaubt. »Ihr Amis. Ihr wisst ja auffe Landkarte nicht mal, wo Euro-ropa überhaupt ist ...« Rotgeäderte Augen blinzeln mich an. Ich kann ihm nicht widersprechen.

»Und wie wohnst du da? Ein Cottage oder so?«

»Ein Landsitz mit zü...zehn Zimmern.«

»Echt?«

Er grinst von einem Ohr zum anderen. »Echt. Adelig sein hat Vorteile ... man erbt schöne Häuser.«

»Warte – du bist echt adelig?« Verdutzt halte ich inne. Ich habe ihn vorhin zwar Mylord genannt, aber mehr so im Spaß. Meint der das gerade ernst?

»Montague George He-Hector Whitely, Lord Colfield.«

Ich tippe mit dem Finger gegen seine Brust. »Du verarschst mich doch!«

»Nein! Meine Mutter ist eine waschesche...echte Baronetess.«

»Und dein Vater?«

»Der ist tot.«

»Oh, tut mir leid.«

Monty zuckt mit den Schultern. Sieht nicht so aus, als ob er seinen Vater sonderlich gemocht hätte. Aber wow, ein echter, englischer Adeliger hier in unserem gar nicht mal so schnieken Club!

»Und du?« Träge blinzelt er mich an und zieht mich schwankend weiter auf seinen Schoß. »Wie heißt du eigentlich?«

»Mein Name ist Tate.«

»Tate. Hmm ... Taaate.« Er klingt, als ob er sich den Namen auf der Zunge zergehen lässt. »Und wie lebst du so?«

»Mit meinem Grandpa in einem Wohnwagen.«

Monty legt den Kopf in den Nacken und lacht schallend, präsentiert seine schneeweißen, wenn auch nicht ganz geraden Zähne. »Oh, komm, das ist zu klischeehaft. Klischeeee.«

»Ist aber die Wahrheit.«

»Du bist viel zu hübsch für Trailer...railerpark-Trash ...«

»Ich–« Ich verbitte es mir, dass du mich als Trash bezeichnest, wollte ich sagen, aber ich verkneife es mir. Wir haben die Anweisung, uns nicht mit Gästen zu zoffen und immer freundlich und unterwürfig zu sein. Aber das hat mich gerade echt getroffen.

Zu meiner Überraschung scheint er jedoch selbst zu merken, dass sein Kommentar nicht so prickelnd war. »Sorry«, entschuldigt er sich eilig, »sorry, das war ... unangemessen. Du bist natürlich kein Trash und äh ... dein ... dein Großva...vater ist sicher ein netter Gentleman.«

»Grandpa ist toll, ja.«

»Verzeihst du mir?« Er schaut mich an wie ein Hundewelpe. Hilfe!

»Ja, natürlich.«

»Oh, gut. Da bin ich erleichtert.« Er klammert sich an mich. »Tate. Taaate. Du bist wunderbar.«

Ich spüre, dass ich ein wenig erröte, obwohl ich durchaus immer mal Komplimente von Gästen bekomme, wenn auch meistens anzüglicher. »Danke.«

»Wirklich, ich mein’s ernst. Dieser Club hier ist ... na ja. Hab schon bessere gesehen.« Ein kleiner Schluckauf unterbricht seine Rede. »Bin nur deinetwegen noch mal hergekommen. Ich musste dich wiedersehen ...«

»Ich fühl mich geehrt, Mylord.«

»Ah, nenn mich nicht so ... sag Monty ... wie vorhin auf dem Klo.« Er grinst und seine Wangen sind feuerrot.

Ein Weilchen geben wir uns dem Clubleben hin, hören den wummernden Bässen der Musik zu und ich widme ihm noch ein paar Lap Dances, die er mit reichlich Scheinen in meinem goldenen Höschen quittiert. Den Leuten, die neben uns in der Lounge sitzen, schenken wir keine Beachtung.

»Sag mal ...«, fragt Monty irgendwann murmelnd in mein Ohr, »gibt es hier in der Nähe eine Hochzeitska...katapelle?«

»Eine Hochzeitskapelle?« Ich muss feixen. »Es gibt dutzende. Wir sind hier in Vegas, schon vergessen?«

»Mhm.« Er blinzelt mich an und driftet schon wieder in Richtung Welpe ab. »Würdest du in so eine mit mir gehen?«

»Willst du sie dir mal ansehen? Das können wir machen, ich hab aber erst in zwei Stunden Feierabend.«

»Ja ... nein ... ich meine ... würdest du da mit mir hingehen und mich heirei...raten?«

Ich lache auf und versetze ihm einen liebevollen Knuff. »Sehr komisch!«

Zu meiner Verwirrung wirkt Monty eher beleidigt. »Ich meine das ernst.«

»Quatsch.«

»Doch!«

»Du bist betrunken.«

»Noch nüchtern genug um zu ... um zu wissen, was ich hier mache.«

Bedauernd schüttle ich den Kopf. »Ich wäre mir da nicht so sicher. Warum solltest du mich heiraten wollen? Du kennst mich doch gar nicht. Du weißt meinen Namen erst seit ein paar Minuten. Und ich bin Trailerpark-Trash.«

»Na und? Du bist lieb und süß und ... ich habe Sehnsucht ... nach jemandem wie dir.« Müde legt er seinen Kopf an meine Schulter. »Ich kenn dich gut genug.«

Seufzend kraule ich ihm den Kopf. Der arme Kerl ist wirklich hackedicht.

»Bitte ...«

Ach komm, nicht der Hundeblick!

»Und dann?«, frage ich und hebe eine Braue. »Dann bin ich hier in Vegas und du in England?«

»Waaales.«

»Dann eben Wales.«

Monty runzelt die Stirn und scheint angestrengt nachzudenken. »Ja, dann kommst du eben zu mir nach Wales ... dann musst du nicht mehr im Wohnwagen hausen. Und kannst mir jeden Abend ... jeden Abend einen Lap Dance geben ...«

»Ich will nicht abstreiten, dass ich den Gedanken verlockend finde«, gebe ich zu.

»Na, dann? Was hindert dich?«

»Ich kann dich doch nicht einfach heiraten!«

»Aber warum denn nicht? Oh ... oh!« Seine Augen werden riesig. »Natürlich ... da ist schon jemand. Du hast schon jemanden.«

»Nein!«, widerspreche ich entschieden. »Ich bin Single.«

»Also heiratest du mich doch?«

»Das ist doch verrückt.«

»Klar ist es das ... aber das hier ist Vegas. Da tut man verrü...rückückte Dinge.« Er seufzt resigniert. »Aber zeig mir wenigstens so eine Kapelle.«

»Das kann ich machen«, lenke ich ein. »Ich kenne da so eine richtig trashige, mit Elvis-Imitator. Die wird dir gefallen.«

»Prima!«, ruft Monty begeistert. »Klingt ganz nach meinen Vorstellungen.«

3

Tate: It’s Now Or Never

Monty meint es ganz offensichtlich ernst mit der Hochzeitskapelle, denn jetzt, wo ich Feierabend habe, besteht er immer noch darauf, eine solche zu besuchen.

Eigentlich wäre ich nicht verpflichtet, mich außerhalb meiner Arbeitszeit mit ihm zu beschäftigen, aber ich tue es trotzdem. Warum auch immer. Vielleicht ist es die Hoffnung auf ein weiteres, gutes Trinkgeld, die mich antreibt, oder Monty tut mir einfach leid. In all seinem beschwipsten, englischen Charme wirkt er irgendwie verloren – und völlig deplatziert.

Ich beschließe, ihn in die Hochzeitskapelle zwei Straßen weiter zu schleppen, in der ein alter Freund meines Grandpas arbeitet. Dort bin ich schon ein paar Mal gewesen, einmal davon als Trauzeuge für einen Kollegen. Die Kapelle ist glitzernd, trashig, und das Wichtigste: Sie hat einen Elvis-Imitator. Also genau das, was Besucher erwarten, wenn sie nach Vegas kommen, um zu heiraten.

Monty schlurft hinter mir her und macht den Eindruck, als bereiteten die blinkenden Lichter der Stadt ihm Kopfschmerzen. Was kaum verwunderlich ist.

Das kleine, weiße Gebäude mit dem blauen Dach, das wie eine Spielzeugkirche in einem Erlebnispark aussieht – und eigentlich auch nichts anderes ist –, befindet sich zwischen zwei Casinos und lädt Heiratswillige mit einer großen Neonreklame dazu ein, den Bund der Ehe zu schließen. Es ist zwar bereits zwei Uhr morgens, aber meiner Erfahrung nach ist immer jemand hier.

Ich öffne die Tür und schiebe Monty vor mir hinein. Auch innen ist die Kapelle eine Minikirche mit weißen Bänken und einem Altar, und gerade ist sie gähnend leer.

»Nett«, bemerkt Monty, während er sich umblickt. »Aber wo ist Elvis?«

Wie aufs Stichwort huscht der Elvis-Imitator um die Ecke hinter dem Altar. Er wirkt, als sei er gerade von einem Nickerchen aufgewacht, seine Schmalzlockenperücke sitzt etwas schief und er schiebt sich hastig seine Sonnenbrille auf die Nase. Er ist eher der alte, fette Elvis kurz vorm Abnippeln, als der junge Frauenschwarm.

»Hi, ihr beiden.« Er räuspert sich. »Wie kann ich euch helfen?«

»Äh, mein Gast hier wollte sich nur mal die Kapelle ansehen. Er kommt aus England.«

»Wales«, korrigiert Monty und bekommt das Wort kaum heraus.

»Ah, verstehe.« Elvis rückt den glitzernden Kragen seines goldenen Jacketts zurecht. »Die Now Or Never-Kapelle wurde bereits 1935 gegründet – dem Geburtsjahr von Elvis! Damals hieß sie natürlich noch anders. Aber der King hatte stets eine tiefe Verbindung zu unserer Stadt und so wurden ihm viele Orte hier gewidmet ...«

Er faselt noch ein bisschen mehr über die Geschichte der Kapelle und führt uns herum. Monty nickt begeistert bei jedem Satz, als wäre das hier die Sixtinische Kapelle oder so was.

»Also.« Strahlend sieht mich mein Gast am Ende der Führung an. »Was ist, wollen wir jetzt heiraten?«

Ich dachte, das Thema hätten wir besprochen?

»Äh ...« Entschuldigend hebe ich die Hände. »Ich glaube nicht, dass wir das jetzt einfach so spontan können.«

»Also, ich hab Zeit«, bemerkt Elvis und fällt mir damit unbewusst in den Rücken.

»Du bist nicht nüchtern«, betone ich noch einmal in Richtung Monty.

»Nü...nühüchtern genug, um zu wissen, was ich hier tue«, beharrt der und strafft demonstrativ die Schultern. »Ich mein’s ernst. Absolut ernst.«

Seine grünlichen Augen bohren sich regelrecht in mich hinein und hinter dem rot geäderten Elend sehe ich tatsächlich eine gewisse Ehrlichkeit - und Verzweiflung?

»Jetzt komm schon«, setzt er regelrecht flehend nach. »Heirate mich. Komm zu mir nach Wales. Dort ist es echt schön. Ich habe Geld und ein groooßes Haus ... du kannst einen Hund haben oder ein Pferd, wenn du möchtest. Oder beides. Und einen Axolotl. Und ich müssüsste nicht mehr alleine sein ...«

Himmel!

»Klingt ja nach einem guten Angebot«, bemerkt Elvis und zwinkert mir zu.

Ja, klingt es! Aber ist es nicht trotzdem der komplette Irrsinn? Er ist betrunken, wir kennen uns nicht wirklich.

Was ist jedoch, wenn es genau die eine Chance ist, die der liebe Gott mir auf ein besseres Leben (und einen Axolotl) gibt? Wenn ich diese jetzt nicht nutze und mich dann den Rest meines Lebens darüber ärgere? Keine Geldsorgen mehr, nicht mehr in einem Stripclub arbeiten müssen, ganz weit weg von all der Scheiße sein ...

»Man kann so eine Ehe notfalls auch annullieren«, raunt Elvis mir zu wie der Advokat des Teufels.

»Warum gerade ich?«, frage ich Monty noch einmal verzweifelt.

»Weil du süß bist und mich glücklich machst ...«

»Das weißt du doch gar nicht.«

Monty tippt sich auf die Brust, dort, wo sein verrücktes Herz schlägt. »Doch. Ich weiß das, hier drin.«

Der ist wirklich hackedicht.

»Entscheidet euch, ihr beiden Turteltäubchen«, drängt Elvis, »sonst geh ich wieder ins Hinterzimmer und schaue weiter alte Folgen der Sopranos auf meinem Tablet.«

»Okay!«, rufe ich und stampfe mit dem Fuß auf. »Ist ja gut!«

Scheiß drauf. Scheiß drauf!

»Soll das heißen ...« Monty sieht mich mit offener Klappe an.

»Ja, wir heiraten. Na los, lass es uns hinter uns bringen!«

Ich muss verrückt sein. Völlig durchgeknallt.

»Welches Lied soll ich für euch singen?«, erkundigt sich Elvis und reibt sich freudig die Hände, denn eine Trauung bedeutet Geld in der Kasse.

»Danke, wir brauchen k–«

»I Can’t Help Falling In Love!«, unterbricht mich Monty zuckersüß.

»Die perfekte Wahl! Ähm ... habt ihr einen Trauzeugen?«

»Nein.«

»Dann, äh ... geht schon mal vor zum Altar, ich bin gleich wieder da.« Elvis verschwindet wieder ins Hinterzimmer.

Genug Zeit, um erneut Zweifel in mir aufkeimen zu lassen, was Monty zu bemerken scheint.

»Du wirst es n-nicht bereuen«, verspricht er hoch und heilig.

»Aber du vielleicht.«

»Neeee ... nee. Ich bin ... glücklich, dass du mich heiratest. Das ist ein Match wie im Himimmel gemacht. Ich wusste ... wussusste gleich, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe: Der isses.«

Ich weiß nicht, ob ich das jetzt als Kompliment auffassen soll, aber gut.

Elvis kehrt zurück, im Schlepptau einen älteren, hispanischen Mann in der Uniform einer Putzfirma. »Emilio hier hat sich bereit erklärt, als Trauzeuge zu fungieren.«

»Buenos días«, grüßt Emilio und wirkt auch ein bisschen unbehaglich.

»Ich brauche nur noch eure Pässe und die Gebühr, dann können wir loslegen.« Wir zeigen sie vor, Elvis kontrolliert sie kurz und nickt. Monty bezahlt. »Also, dann können wir die Zeremonie starten! Liebe Anwesenden, wir haben uns hier versammelt, um ...«

Ich höre nicht mehr zu. Will es nur noch hinter mich bringen und nicht weiter darüber nachdenken, wie irre das ist. Will es als Chance sehen. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Und wenn es schiefläuft, was hab ich zu verlieren? Auf jeden Fall deutlich weniger als Monty. Er ist derjenige, der hier das wirkliche Risiko eingeht, nicht ich. Ich kann eine Menge gewinnen. Der Name der Kapelle erscheint mir auf einmal wie ein weiterer Wink des Schicksals: Now or never. Jetzt oder nie! Ich meine, wie lange werde ich noch als Stripper mein Geld verdienen können? Vier, fünf Jahre vielleicht, dann habe ich die Dreißig überschritten und bin zu alt, als dass mir noch irgendjemand Geld ins Höschen stecken will. Und was mache ich danach? Ich hab keinen Beruf gelernt, keine nennenswerten Ersparnisse ...

Monty stupst mich an. »Du musst ja sagen ...«

»Oh, äh ... ja, ich will!« Ich hatte die Frage nicht mal gehört.

»Dann erkläre ich euch hiermit, kraft des mir verliehenen Amtes als King of Rock’n’Roll, zu Ehemann und Ehemann! Ihr dürft euch jetzt küssen!«

Monty wankt mir entgegen, in seinen verquollenen Augen stehen Tränen der Glückseligkeit. Ich fühle mich elend und gut zugleich. Dass jemand wie er so glücklich ist, mich zu heiraten, ist schwer zu begreifen. Vielleicht sollte es mir auch zu denken geben, keine Ahnung. Jetzt ist es jedenfalls zu spät. Monty gibt mir einen alkoholgetränkten Kuss, Elvis säuselt »I Can’t Help Falling In Love« ins Mikro und wir unterschreiben unsere Eheurkunde (auch Emilio als Trauzeuge).

Das war’s also. Ich bin jetzt verheiratet. Mit einem englischen Adeligen. Hätte ich nicht für möglich gehalten, als ich heute Vormittag in meinem Wohnwagen aufgestanden bin.

»Gott, ich bin so glücklich!«, heult Monty mir entgegen. »Ich freu mich schon auf unsere Hochzeitsna–« Er unterbricht, weil sein Handy klingelt. Stirnrunzelnd zieht er es aus seiner Hosentasche und nimmt den Anruf entgegen. »Hallo?« Seine Augen werden riesig. »Oh. Oooh! Ja, ich komme sofort ... ich bin gleich da. Ja.« Er legt auf. »Scheiße!«

»Was ist los?«, frage ich erschrocken.

»Mein – mein Taxi ...«

»Dein Taxi?«

»Ja, das mich zum Flughafen bringt ... mein Flug geht in einer Stuhunde.«

»Oh!«, rufe ich jetzt auch und klinge genau wie er.

»Ich - ich muss los ...« Nervös streicht er sich durch das dunkle Haar. »So ein Mist, ich hatte das ganz vergessen ...«

»Und was wird jetzt mit uns?«, hake ich verunsichert nach. Ich hab den Typen gerade eben geheiratet und jetzt haut er schon ab?

»Komm nach Wales!«

»Und deine Adresse? Telefonnummer?«

»Ähm, ja ... Elvis, hast du mal einen Zettel für mich? Und Stift? Danke.« Hastig kritzelt er mir etwas hin und steckt es mir zu. »Komm zu mir, süßer Taaate ... ich muss jetzt leider los, sonst verpassasse ich den Flug. Mach’s gut! Ich liebe dich!«

»Sicher ...«, murmle ich, während ich fassungslos zusehe, wie er aus der Kapelle stolpert.

»Die geb ich dann mal dir«, erklärt Elvis und überreicht mir die Eheurkunde. »Schätze, der war doch betrunkener, als ich dachte.«

»Ist die Eheschließung dann überhaupt rechtens?«

»Jein.« Elvis hebt die Schultern. »Wenn er auch nach der Ausnüchterung nichts dagegen hat, dann schon. Ansonsten hat er aber gute Karten für eine Annullierung.«

»Hm.« Seufzend sehe ich auf die Eheurkunde hinab und schüttle den Kopf.

»Mach das Beste draus«, rät Elvis. »Europa soll schön sein. Und grüß deinen Großvater von mir. Er schuldet mir noch ein Bier.«

»Mach ich. Danke dir.«

Grandpa. Na, der wird Augen machen, wenn ich ihm erzähle, was ich gerade getan habe ...

 

4

Monty: I Got A Hangover

»Sehr geehrte Fluggäste, wir begrüßen Sie in Liverpool. Das Wetter ist regnerisch bei einer Temperatur von 2°C. Wir wünschen Ihnen dennoch einen angenehmen Aufenthalt und bedanken uns, dass Sie sich für unsere Airline entschieden haben. Auf Wiedersehen und bis bald.«

So bald bestimmt nicht, das kann ich garantieren.

Wie ich in dieses Flugzeug gekommen bin, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber dass ich auf dem Flug zweimal kotzen musste, das weiß ich noch. Sowieso erinnere ich mich an die letzten Tage nur noch wie durch einen Nebel. Ich war in einem Stripclub, habe viel zu viel getrunken, vermutlich herumgevögelt, und irgendwann hat Elvis gesungen. Ja, das fasst meinen Aufenthalt in Vegas in etwa zusammen.

Eigentlich bin ich nicht so. Ich führe ein gediegenes Leben in meinem Haus auf der Insel Anglesey, umgeben von Meer, Natur und ein paar Schafen. Die einzige Action bringt mein Beruf in mein Leben. Aber ich mag es so. Nur einmal im Jahr, da gönne ich mir eine Auszeit und lasse es so richtig krachen. Anonym. Weit weg von zu Hause, in Las Vegas. Denn was in Vegas passiert, bleibt in Vegas. Und das ist auch besser so.

Ich stehe auf und strecke mich verstohlen. Mir tut alles weh. Gott sei Dank beginnt nun der letzte Teil meiner Heimreise. Erst bin ich von Las Vegas nach London geflogen, dann von London nach Liverpool. Nun stehen mir noch knappe zwei Stunden Fahrt nach Hause bevor, aber zum Glück werde ich abgeholt. Von meinem netten Angestellten Ioan. Die treue Seele steht schon im Empfangsbereich und wartet winkend auf mich. Ich muss an mich halten, ihm nicht freudig um den Hals zu fallen.

Ioan ist im Alter meines Vaters, wenn der noch leben würde. Allerdings muss ich zugeben, dass der alte Zausel mir immer viel näherstand. Eigentlich brauche ich seine Hilfe im Haus gar nicht, es gibt nicht so viel zu tun, dass ich und die Reinigungskraft, die zweimal wöchentlich kommt, es nicht allein schaffen würden. Aber ich würde ihm niemals kündigen. Erstens ist dieser Job sein Leben – er arbeitet für meine Familie, seit ich ein kleiner Junge war. Zweitens würde ich ihn schmerzlich vermissen.

Also bezahle ich ihn dafür, dass er ein bisschen im Garten herumwuselt, ein paar Glühbirnen wechselt und den einen oder anderen Botengang für mich erledigt, wenn ich zu faul bin. Na ja, und mich einmal im Jahr vom Flughafen abholt, verkatert und elend.

»Da ist ja unser Partylöwe!«, ruft er und ich quittiere es mit einer Grimasse.

»Bitte nicht so laut«, jammere ich. »Ich habe Kopfschmerzen und außerdem einen ziemlichen Filmriss.«

»Solange du keine Prostituierte umgebracht hast, wie die in dem einen Film da ...«

»O Gott, nein. Hoffe ich.« Unbehaglich sehe ich mich um. »Jetzt will ich aber nur noch nach Hause.«

»Das dachte ich mir. Komm, Junge, gib mir deinen Koffer. Ich hab Essen von Fuyuki geholt, das musst du dann nur noch aufwärmen.«

»Du bist wirklich Gold wert!«

Das leckere, japanische Essen wird meinen Kater sicher vertreiben. Dazu noch eine Mütze voll Schlaf, oder zwei, und ich bin wieder fit. Fit für ein weiteres Jahr, ehe ich es wieder krachen lasse.

»Hast du schon gehört?«, fragt Ioan irgendwann während der Fahrt. »Da soll jetzt so eine neue Seuche grassieren, auch in Europa.«

»Was ist es diesmal? Wir hatten schon Vogelgrippe und Schweinegrippe. Pferdepest? Froschhusten?«

»Corona oder so ähnlich. Soll in China ganz schön wüten und sich weiter verbreiten.«

»Ach, das.« Ich winke ab. »So was gibt es dort doch alle paar Jahre. Nichts wird so heiß gegessen, wie man es kocht.«

»Denke ich auch. Wenn der Frühling kommt, kräht kein Hahn mehr danach. Aber man weiß ja, wie die Medien so sind. Erst mal alles aufbauschen.«

»Mhm.«

Der Regen wird stärker, je weiter wir uns zu Hause nähern. Obwohl die Heizung im Auto läuft, beginne ich zu frösteln, was sicher nicht nur an der winterlichen Kälte draußen liegt, sondern auch an meiner Müdigkeit.

Vielleicht fliege ich nächstes Jahr auch nicht mehr nach Vegas. Möglicherweise werde ich zu alt für diesen Scheiß. Ich bin jetzt vierzig und merke deutlich, dass ich solche Eskapaden nicht mehr so gut wegstecke wie früher. Was mich nervt, aber es lässt sich ja nicht ändern. Wahrscheinlich sollte ich in Zukunft eher in Wellnesshotels einchecken und mir Massagen und Anwendungen gönnen, anstatt Saufgelagen in Stripclubs.

Als ich endlich die Silhouette der Menai Suspension Bridge, die das Festland mit Anglesey verbindet, vor den verschneiden Berggipfeln Snowdonias entdecke, schlägt mein Herz höher. Zuhause! Gleich hinter der Ortschaft Menai Bridge befindet sich mein Heimatort, ein Dörfchen mit dem klangvollen Namen Gwynfelin.

In Gwynfelin bin ich aufgewachsen, bis ich mit zwölf Jahren ins Internat nach Durham und später auf die Militärakademie in Sandhurst kam. Als ich meine Ausbildung dort beendet hatte, bin ich wieder auf meine Insel zurückgekehrt. Weil ich sie so vermisst habe.

Warme Lichter scheinen aus den Fenstern meines Hauses und ein wohliger Schauer durchfährt mich. Immer, wenn ich nach Hause zurückkehre, weiß ich gar nicht, warum ich überhaupt verreist bin.

Ioan hilft mir noch, mein Gepäck vom Auto ins Haus zu bringen, ehe ich ihn für heute entlasse. »Danke, ich komme ab jetzt zurecht. Hab noch einen schönen Abend.«

»Du auch. Bis morgen dann!«

Ich schließe die Tür und atme tief durch. Regen prasselt gegen die Fenster, ansonsten herrscht Stille. Herrliche Stille, die sich wie Balsam auf meinen schmerzenden Kopf legt. Nach all dem Lärm in Vegas bin ich jedes Mal wieder erstaunt, wie ruhig es zu Hause ist. Die meiste Zeit gefällt mir das, jedoch nicht immer. Stille kann auch erdrückend sein. Das ist dann der Moment, in dem ich einen Ausflug nach Cardiff mache, oder nach London, obwohl ich diese Stadt nicht mal mag. Oder ich setze mich eben in ein Flugzeug nach Las Vegas, um etwas gänzlich anderes zu erleben.

Ich lasse mein Gepäck im Flur stehen und gehe in die Küche, wo mein Essen darauf wartet, aufgewärmt zu werden. Fuyu vom Amenoyoru, einem kleinen, aber feinen japanischen Imbiss in unserem Ort, weiß einfach, was mir schmeckt und hat mir gebratene Udon-Nudeln mit Ei gemacht, dazu eine schöne Miso-Suppe. Ich bin im Himmel. Und Ioan hat das Haus schön geheizt, sodass ich auch langsam aufhöre, zu frieren.

Während ich esse, lasse ich meinen Aufenthalt in Las Vegas noch einmal Revue passieren und stelle fest, dass ich mich wirklich an nicht allzu viel davon erinnern kann – was eigentlich schade ist, gemessen an dem Geld, das ich dafür ausgegeben habe. Einiges davon habe ich in den Casinos gelassen, gewonnen habe ich nichts Nennenswertes, außer den Thrill an der Sache selbst.

---ENDE DER LESEPROBE---