Der Notarzt 261 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 261 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Im Schwesternzimmer der Notaufnahme herrscht eine ausgelassene Stimmung: Stolz zeigt Schwester Sabrina den funkelnden Ring an ihrem Finger. Ihr wunderbarer Freund Toni hat ihr vor einigen Tagen einen überraschenden Heiratsantrag gemacht, den sie überglücklich angenommen hat.

Peter Kersten freut sich mit Sabrina, denn er weiß nur zu gut, dass es im Leben der jungen Frau nicht immer so rosig zugegangen ist. Sabrina ist im Heim aufgewachsen und war einige Zeit drogenabhängig und am Rande eines endgültigen Abgrunds. Umso erleichterter ist der Notarzt, dass sie es doch noch geschafft hat, ihr Leben wieder in geordnete Bahnen zu lenken.

Doch nach der anfänglichen Euphorie verändert sich Sabrina schlagartig. Ihre roten Augen verraten immer öfter, dass sie geweint hat, und sie zieht sich zurück. Was ist nur los?

Niemand ahnt, dass Sabrina ihren Freund bei etwas Schrecklichem beobachtet hat. Sie weiß jetzt, dass alles, was zwischen ihnen war, Lügen gewesen sein müssen.

Die verzweifelte Schwester weiß nicht mehr ein noch aus. Zuflucht sucht sie bei einer ehemaligen Freundin, und plötzlich ist sie ihrem früheren Milieu wieder ganz nah ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Ich kann dir nicht mehr glauben

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/oliveromg

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2658-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Ich kann dir nicht mehr glauben

Warum die hübsche Schwester das Vertrauen in ihren Freund verlor

Karin Graf

Im Schwesternzimmer der Notaufnahme herrscht eine ausgelassene Stimmung: Stolz zeigt Schwester Sabrina den funkelnden Ring an ihrem Finger. Ihr wunderbarer Freund Toni hat ihr vor einigen Tagen einen überraschenden Heiratsantrag gemacht, den sie überglücklich angenommen hat.

Peter Kersten freut sich mit Sabrina, denn er weiß nur zu gut, dass es im Leben der jungen Frau nicht immer so rosig zugegangen ist. Sabrina ist im Heim aufgewachsen und war einige Zeit drogenabhängig und am Rande eines endgültigen Abgrunds. Umso erleichterter ist der Notarzt, dass sie es doch noch geschafft hat, ihr Leben wieder in geordnete Bahnen zu lenken.

Doch nach der anfänglichen Euphorie verändert sich Sabrina schlagartig. Ihre roten Augen verraten immer öfter, dass sie geweint hat, und sie zieht sich zurück. Was ist nur los?

Niemand ahnt, dass Sabrina ihren Freund bei etwas Schrecklichem beobachtet hat. Sie weiß jetzt, dass alles, was zwischen ihnen war, Lügen gewesen sein müssen.

Die verzweifelte Schwester weiß nicht mehr ein noch aus. Zuflucht sucht sie bei einer ehemaligen Freundin, und plötzlich ist sie ihrem früheren Milieu wieder ganz nah …

Die Sonne tauchte gerade über dem Frankfurter Stadtwald auf und zauberte einen rot-goldenen Schimmer auf das noch zarte Frühlingsgrün.

In dem großen parkähnlichen Garten, der die verwinkelte alte Villa der Kinder- und Jugendpsychologin Lea König umgab, lärmten hunderte Vögel, plusterten sich auf und zeterten aufgebracht in verschiedenen Tonlagen.

Grund der Empörung war der feuerrote buschige Schwanz, der durch die runde Luke ihres Futterhäuschens nach draußen ragte, das Lea am Vorabend zum letzten Mal vor dem nächsten Winter gefüllt hatte.

Eines der Eichhörnchen, die in den hohen alten Bäumen wohnten, hatte sich hineingezwängt, scharrte nun mit den Pfoten die Sonnenblumenkerne zur Seite und verleibte sich die Nüsse ein, die Lea daruntergemischt hatte. Es verharrte für einen Augenblick reglos, als ein schriller Schrei durch eines der gekippten Fenster des Hauses gellte.

„Nein! Nicht!“ Im Inneren des Hauses fuhr Lea König schweißgebadet aus dem Tiefschlaf hoch, setzte sich mit einem Ruck auf, schaute sich verwirrt um und versuchte, sich daran zu erinnern, was sie so in Panik versetzt hatte. Sie schrie abermals auf, als der Mann, der eben noch friedlich neben ihr geschlafen hatte, wie ein Kastenteufel aus dem Bett schnellte.

„Bin schon da!“, stieß Dr. Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme an der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, gehetzt aus. „Schwester Trudi, Schockraum vorbereiten! Elmar, Defibrillator aufladen! Hannes, sofort intubieren! Zweihundert Joule, alle zurück und lo …“

Er hielt erschrocken inne, als er auf den Auslöseknopf des vermeintlichen Defibrillators drückte und statt eines Stromstoßes laute Musik herauskam. Betreten schaute er an sich hinab. Er war nackt, und der Defibrillator, den er in der Hand hielt, war in Wahrheit der Radiowecker, der auf seinem Nachtschränkchen gestanden hatte.

Das unterdrückte Glucksen, das von der anderen Seite des Bettes kam, steigerte sich jetzt zu einem lauten Prusten.

„Geh wieder ins Bett!“, keuchte Lea, und die Lachtränen liefen ihr über die Wangen. „Ich hatte bloß einen Albtraum. Es ist erst kurz nach fünf … auf dem … dem … Defibrillator!“

Erneut wurde die Psychologin von einem Lachkrampf geschüttelt, als sie Peters belämmerten Blick sah, mit dem er den Wecker anstarrte und ihn dann auf das Nachtschränkchen zurückstellte.

„Herrgott noch mal, du bist ja richtig gefährlich!“, prustete sie und rang dazwischen keuchend nach Luft. „Was, wenn du eines Tages ein Bügeleisen erwischst und mich damit defibrillierst, weil ich im Schlaf husten musste und du gerade von einem Notfall geträumt hast?“

„Ach! Ich dachte, ich hätte Bereitschaft, wäre eingeschlafen und hätte jemanden schreien gehört“, murmelte der Notarzt ein bisschen verlegen und kroch wieder unter die Decke.

„Ja, ich glaube, ich habe geschrien“, gestand die Psychologin. „Tut mir leid, Schatz. Ich hatte nur einen dummen Traum.“

„Wovon hast du denn geträumt?“ Peter rollte sich auf die andere Seite und schob einen Arm unter Leas Schultern. „Kannst du dich noch daran erinnern?“

„Von Sabrina“, erwiderte Lea König. „Ich träumte, sie hätte einen Rückfall erlitten, alles ginge wieder von vorne los, und die ganze Mühe sei umsonst gewesen.“

„Sabrina?“ Es dauerte ein paar Sekunden, bis Peter seine Gedanken so weit geordnet hatte, dass er verstand, worüber seine Partnerin sich so viele Gedanken machte, dass diese sie sogar bis in ihre Träume verfolgten.

Mehr als vier Jahre war es nun schon her, dass Lea die damals erst siebzehnjährige Sabrina Hansen kennengelernt hatte. Es hatte ein Gerichtsverfahren gegeben, in dem entschieden werden sollte, ob es besser sei, das drogensüchtige Mädchen ins Jugendgefängnis oder in die Psychiatrie zu stecken. Man hatte Lea ersucht, ein psychologisches Gutachten über die Jugendliche zu verfassen.

Die Gespräche mit dem bildhübschen Mädchen hatten Lea damals zutiefst erschüttert. Sabrina war im Alter von sieben Jahren von ihren Eltern ins Kinderheim abgeschoben worden. Dort hatte sie wenig Liebe und Verständnis, dafür aber umso mehr Gewalt erfahren.

Mit sechzehn hatte man sie – ohne sie erst lange zu fragen, ob sie vielleicht eigene Ideen oder Pläne für ihre Zukunft hätte – in eine Ausbildung zur Wurstverkäuferin gesteckt.

Den schlechten Umgang mit den falschen Freunden und die ersten Erfahrungen mit Drogen hatte sie zu diesem Zeitpunkt schon längst gehabt. Die Drogen waren dann nur stärker geworden. Alkohol war dazugekommen, und um den immer größer werdenden Konsum an Heroin finanzieren zu können, hatte Sabrina sich prostituiert.

Um diese Erfahrung wiederum verkraften zu können, hatte sie noch mehr Drogen gebraucht, und irgendwann war dieser Teufelskreis nicht mehr aufzuhalten gewesen.

Lea hatte damals vor Gericht hart für das Mädchen gekämpft. Sie hatte gefordert, Sabrina statt eines sinnlosen Aufenthalts im Jugendgefängnis lieber dabei zu unterstützen, ihr Leben zu ordnen und ihr eine Perspektive für eine erstrebenswerte Zukunft zu geben.

Gemeinsam mit ihrer besten Freundin, der Sozialpädagogin Heidi Solms, hatte sie alles versucht, um Sabrina Hansen von der Straße fernzuhalten. Die beiden Frauen hatten sich nächtelang in zwielichtigen Gegenden herumgetrieben, hatten sich mit Drogendealern angelegt, aufdringliche Freier vertrieben und Sabrina immer wieder zurückgebracht, wenn sie aus der Klinik, in der sie einen Therapieplatz bekommen hatte, ausgerissen war.

Als es Sabrina besserging, hatte sie sich für eine Ausbildung zur Krankenpflegerin entschieden und diese auch ohne nennenswerte Zwischenfälle absolviert. Seit fast einem Jahr arbeitete sie nun schon in der Notaufnahme der Sauerbruch-Klinik und hatte Peter seither noch nie enttäuscht.

„Sabrina geht es gut!“, sagte der Notarzt beruhigend zu Lea. „Mach dir doch keine Sorgen mehr um sie. Sie ist längst darüber hinweg.“

„Über eine ehemalige Sucht ist man nie hinweg. Das müsstest du doch eigentlich wissen“, widersprach die Psychologin. „Es braucht nur irgendein schwieriges Problem aufzutauchen, und das Erste, das ihr in den Sinn kommen wird, um sich zu trösten, werden Drogen sein.“

„Ja, das stimmt vermutlich“, gab Peter grummelnd zu. „Aber es werden keine Probleme auftauchen. Ich habe dir ja erzählt, dass sie mit einem Sanitäter aus der Kardiologie zusammen ist. Weidner hält große Stücke auf ihn. Schwester Sabrina schwebt im siebten Himmel.“

„Vielleicht deshalb der Albtraum?“, mutmaßte Lea. „Du weißt schon, wer schwebt, kann ganz leicht abstürzen. Junge Liebe ist das Instabilste, das es auf der Welt gibt!“

Lea lachte laut auf.

„Als ich in Sabrinas Alter war, war das Thema Liebe eine einzige Berg- und Talbahn. Himmelhoch jauchzend an einem Tag, zu Tode betrübt am nächsten. Mit einundzwanzig liegen oft nur wenige Minuten zwischen der Gewissheit, dass man die einzig wahre und große Liebe gefunden hat, und dem Wunsch, der Teufel möge den verdammten Bastard holen.“

Peter stimmte in Leas Lachen mit ein.

„Ich weiß! Es ging mir damals nicht anders.“

Mit plötzlichem Ernst schaute er sie an.

„Aber für Toni lege ich meine Hand ins Feuer. Er ist ein absolut aufrichtiger, korrekter und loyaler junger Mann. Er hat einen sehr positiven und stabilisierenden Einfluss auf Sabrina. Einen Besseren hätte sie gar nicht kriegen können. Sabrina hatte gerade eine Woche Urlaub und ist heute wieder im Dienst. Ich werde sie mir genau ansehen und dich sofort anrufen, sollte mir irgendwas komisch vorkommen.“

Der Notarzt küsste seine Freundin laut schmatzend auf die Nasenspitze.

„Keine Albträume mehr, Frau Doktor!“, befahl er. „Sabrina ist ganz bestimmt bestens drauf.“

„Schön!“ Lea machte eine kurze Pause. „Was man von uns allerdings nicht behaupten kann.“

„Wie meinst du das?“ Peter hob mahnend einen Zeigefinger hoch, ehe Lea antworten konnte. „Vorsicht!“, warnte er sie. „Falls du mir einen Seitensprung zu beichten gedenkst – ich habe immer noch den Defibrillator in Reichweite.“

„Der sieht wirklich sehr gefährlich aus!“, antwortete die Psychologin kichernd.

„Ja, lach du nur! Ein falsches Wort und ich suche einen Blasmusik-Sender, drehe bis zum Anschlag auf und puste dich damit um.“

„Okay, dann lieber kein Geständnis!“, winkte Lea schmunzelnd ab.

„Nein, Spaß beiseite, was wolltest du denn sagen?“

„Na ja …“ Lea setzte sich auf und legte nachdenklich den Kopf schief. „Ich wache schreiend auf, weil sich eine meiner Klientinnen im Traum eine Dosis Heroin in die Venen jagt, und du schnellst wie ein Springteufel aus dem Bett und willst mich defibrillieren. Normal ist das nicht mehr. Ich würde sagen, wir sind beide nervlich ziemlich angespannt.“

„Da ist was dran“, gab der Notarzt zu. „Und was schlägst du vor? Sollen wir einen Meditationskurs belegen? Oder Mandalas ausmalen? Oder uns einen anderen, einen ruhigeren Job suchen? Ich könnte Leuchtturmwärter auf einer einsamen Insel werden und du … vielleicht Köchin für Null-Diäten.“

Lea lachte. „Klingt richtig verlockend. Aber vielleicht würde ja schon ein beruhigendes Hobby reichen? Du könntest Briefmarken sammeln, und ich lerne töpfern.“

„Wie schön!“, rief Peter sarkastisch aus. „Ich glaube, ich würde höchstens zwei Wochen brauchen.“

„Wofür? Um die bedeutendste Sammlung des ganzen Landes zusammenzustellen?“, hakte Lea nach.

„Nein. Um den ersten Anfall zu kriegen und die blöden Papier-Schnipsel, die einem ständig an den Fingern pappen bleiben, aus dem Fenster zu pfeffern.“

„Okay, dann ist das wohl nicht ganz das richtige Hobby für …“ Lea brach ab und sprang aus dem Bett. „Jetzt hab ich’s, Schatz!“, rief sie, verließ das Schlafzimmer, sauste auf nackten Füßen in ihr Arbeitszimmer, das drei Türen weiter war, und kam mit einem großen dicken Briefumschlag zurück.

„Ah, das ist das Ende unserer Probleme?“ Peter setzte sich auf und schaute interessiert zu, wie Lea eine dicke Broschüre aus dem Umschlag zog. „Ein Reisekatalog?“

„Besser!“, versprach die attraktive Psychologin schmunzelnd. „Eine Kollegin, die ich nicht mal persönlich kenne, eröffnet eine …“ Lea brach ab, warf einen Blick auf die Broschüre und las vom Cover ab: „Wellness-Oase für mentale Gesundheit.“

„Wow!“ Peter schnalzte mit der Zunge. „Kriegt man dort alles in einem? Mandalas ausmalen, Töpfern, Meditation und Tiefenentspannung durch Gruppen-Häkeln?“

„So ähnlich, Schatz!“ Lea gluckste. „Autogenes Training, Meditation, Yoga, Tai-Chi, Qigong, Aromatherapie, Klangschalen-Massage, Bogenschießen, psychologisches Clearing, Reinigung von Fremdenergien, Shiatsu …“, las sie vor, während sie durch das dicke Heft blätterte.

„Das klingt wie eine asiatische Speisekarte“, entgegnete Peter lachend. „Shiatsu, Tai-Chi, Qigong – kein Sushi?“

„Kein Sushi, und Tai-Chi wird ohne Sojasoße serviert!“, antwortete Lea König lachend. „Aber dafür ist alles gratis. Bevor die Klinik, oder was immer das sein soll, eröffnet wird, gibt es eine Werbeveranstaltung. Ein ganzes Wochenende nur für die Presse und ein paar ausgewählte Fachleute.“

Lea klopfte sich selbst auf die Schulter.

„Solche, wie mich“, fügte sie grinsend hinzu. „Und ich darf in Begleitung kommen.“

„Das wäre dann wohl ich.“ Der Notarzt schmunzelte. „Weißt du was? Das machen wir! Ich fühle mich jetzt schon viel entspannter.“

„Ach ja? Nur vom Bilder angucken?“ Als Lea ihn mit gerunzelter Stirn fragend anblickte, lachte er. „Nein, die Bilder sind mir egal, aber gratis, das ist so ein unheimlich beruhigendes Wort.“

***

Als Peter Kersten kurz vor sieben Uhr mit dem Fahrstuhl von der Tiefgarage in die Notaufnahme hinauffuhr, fiel ihm Leas Albtraum wieder ein, und er schüttelte schmunzelnd den Kopf. Für ihn war es undenkbar, dass Schwester Sabrina jemals wieder auf die schiefe Bahn geraten könnte.

Er schaffte es noch nicht einmal, die dramatischen Geschichten, die Lea ihm über die Vergangenheit der Pflegerin erzählt hatte – er hatte Lea und auch Sabrina damals noch gar nicht gekannt – in Zusammenhang mit der immer fröhlichen, tüchtigen und vor Lebensfreude und Gesundheit strotzenden jungen Frau zu bringen, die nun schon seit fast einem Jahr zu seinem Team gehörte.

Als der Fahrstuhl anhielt und er aus der Kabine trat, verging ihm das Schmunzeln jedoch schlagartig, und der Schrecken fuhr ihm bis in die Knochen. Aus dem Schwesternzimmer drangen nämlich laute schrille Schreie.

„Herrgott noch mal!“ Peter beschleunigte seine Schritte. Sollte Leas Albtraum tatsächlich eine böse Vorahnung gewesen sein? Die letzten paar Meter legte er rennend zurück, dann riss er die Tür auf und stürmte atemlos ins Schwesternzimmer. „Was ist passiert?“

„Himmel, Arsch und Friederich!“ Schwester Trudi, die nur eins fünfzig kleine und ziemlich mollige Mittfünfzigerin, ließ sich auf die Knie fallen. „Jetzt ist er mir vor Schreck runtergefallen!“, klagte sie und warf ihrem Chef einen bitterbösen Blick zu, ehe sie auf allen Vieren unter dem Tisch verschwand.

Oberschwester Nora, die ihre junge Kollegin Sabrina eben noch scheinbar tröstend im Arm gehalten hatte, fuhr mit einem Aufschrei zurück und starrte den Notarzt entgeistert an.

„Peter! Mensch, hast du mich jetzt erschreckt! Was hast du denn?“, fragte sie vorwurfsvoll.

Schwester Sabrina presste sich keuchend beide Hände aufs Herz.

„Chef! Da trifft einen ja noch der Schlag, wenn Sie ohne Vorwarnung so rasant hereingebrettert kommen! Ist irgendwas los? Sie schauen ja drein, als wäre ein wildes Tier hinter Ihnen her.“

„Ich … also, ich dachte eigentlich, dass …“, stammelte Peter verwirrt und schaute sich in dem großen Aufenthaltsraum um, da er erwartete, irgendwo Blut, Tränen oder sonstige Anzeichen einer Katastrophe zu entdecken.

„Hab ihn! Nichts passiert!“ Schwester Trudi kam unter dem Tisch hervorgekrochen und hielt triumphierend einen kleinen glitzernden Gegenstand hoch.

„Was ist das?“, verlangte der Notarzt, noch immer misstrauisch, zu wissen. „Und wer hat hier so laut geschrien? Und warum?“

„Deswegen!“ Sabrina Hansen nahm Trudi lachend den Gegenstand aus der Hand und hielt ihn Peter vor die Augen. „Den hat Toni mir vor eine Woche geschenkt.“

„Ein Verlobungsring!“, stellte Peter fest und atmete erleichtert auf. Er nahm den Ring behutsam zwischen Daumen und Zeigefinger und betrachtete ihn interessiert. „Der ist wunderschön, der muss ja ein Vermögen gekostet haben.“