Der Notarzt 320 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 320 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Die Kraft der wahren Liebe - In Lynns dunkelster Stunde rettet Nick ihr das Leben


Seit Monaten bereitet sich die junge Architektin Lynn auf ihre Hochzeit vor. Leider hat ihr Verlobter keine Zeit, ihr bei den Vorbereitungen zu helfen, denn er arbeitet als Arzt in der Notaufnahme und ist dort sehr eingespannt. Doch als der lange ersehnte Tag endlich gekommen ist, melden sich in Lynn leise Zweifel. Ist ihr Bräutigam wirklich der Richtige für sie? Manchmal hat es den Anschein, als würde er sie nur ausnutzen. Alles muss Lynn bezahlen - selbst ihren wunderschönen Verlobungsring, die Feierlichkeiten und die geplanten Flitterwochen. Von morgens bis abends lässt er sich von ihr bedienen und tut selbst so gut wie nichts für seine Partnerin.

Trotzdem versucht Lynn, ihre Bedenken zu ignorieren. Sie liebt ihren Freund, alles andere zählt nicht. Doch auf dem Weg zum Standesamt steigt zunehmend Panik in ihr hoch. Es ist nicht nur die Aufregung wegen der bevorstehenden Eheschließung, es sind vor allem körperliche Symptome, die ihr zu schaffen machen. Schon in den letzten Tagen hatte sie immer wieder den Eindruck, nach und nach ihre Sehfähigkeit einzubüßen, und jetzt scheint plötzlich ihr schlimmster Albtraum wahr zu werden: Um sie herum versinkt alles in Dunkelheit - Lynn kann überhaupt nichts mehr sehen!

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Seitenzahl: 118

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Kraft der wahren Liebe

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: D-Keine/iStockphoto

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6571-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Die Kraft der wahren Liebe

In Lynns dunkelster Stunde rettet Nick ihr das Leben

Karin Graf

Seit Monaten bereitet sich die junge Architektin Lynn auf ihre Hochzeit vor. Leider hat ihr Verlobter keine Zeit, ihr bei den Vorbereitungen zu helfen, denn er arbeitet als Arzt in der Notaufnahme und ist dort sehr eingespannt. Doch als der lange ersehnte Tag endlich gekommen ist, melden sich in Lynn leise Zweifel. Ist ihr Bräutigam wirklich der Richtige für sie? Manchmal hat es den Anschein, als würde er sie nur ausnutzen. Alles muss Lynn bezahlen – selbst ihren wunderschönen Verlobungsring, die Feierlichkeiten und die geplanten Flitterwochen. Von morgens bis abends lässt er sich von ihr bedienen und tut selbst so gut wie nichts für seine Partnerin.

Trotzdem versucht Lynn, ihre Bedenken zu ignorieren. Sie liebt ihren Freund, alles andere zählt nicht. Doch auf dem Weg zum Standesamt steigt zunehmend Panik in ihr hoch. Es ist nicht nur die Aufregung wegen der bevorstehenden Eheschließung, es sind vor allem körperliche Symptome, die ihr zu schaffen machen. Schon in den letzten Tagen hatte sie immer wieder den Eindruck, nach und nach ihre Sehfähigkeit einzubüßen, und jetzt scheint plötzlich ihr schlimmster Albtraum wahr zu werden: Um sie herum versinkt alles in Dunkelheit – Lynn kann überhaupt nichts mehr sehen!

Die Gästeliste wurde von Tag zu Tag länger. Dabei hatten Lynn und Ralf sich ursprünglich auf eine Hochzeit im kleinen Kreis geeinigt. Nur Familie, ein paar enge Freunde und vielleicht noch der eine oder andere Arbeitskollege.

Doch fast jeden Tag, wenn einer der beiden an der Gästeliste, die in der Diele an der großen Pinnwand hing, vorüberkam, schrieben sie oder er nur noch einen weiteren Namen dazu.

Inzwischen war der kleine Kreis auf fünfundsechzig Personen angewachsen, und als Lynn an diesem Abend von der Arbeit nach Hause kam, fand sie schon wieder einen neuen Namen am Ende der Liste. Also, der Begriff Name war eigentlich nicht ganz korrekt, denn hier stand …

„Schatz, hier steht Idiot. Wer soll das denn sein?“

„Ach, der!“ Ralf, der eben aus der Küche kam, machte eine wegwerfende Handbewegung und schnitt dazu eine Grimasse. Er eilte auf seine zukünftige Frau zu, auf die er wegen ihrer Schönheit und ihrer Intelligenz über alle Maßen stolz war, und küsste sie auf den Mund.

„Das ist niemand.“

„Aha. Ein Niemand, der Idiot heißt. Warum willst du so jemanden einladen?“

„Hab ich doch gar nicht. Er hat sich selbst eingeladen“, erwiderte der einunddreißigjährige Mediziner, der seit fast einem Jahr in der Notaufnahme der Frankfurter Sauerbruch-Klinik arbeitete, wo er auch seine Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin und Unfallchirurgie gemacht hatte.

„Der Kühlschrank ist leer“, stellte er nörgelnd fest. Erstens, um von diesem Thema abzulenken, über das er nun wirklich nicht reden wollte, und zweitens, weil er hungrig und der Kühlschrank tatsächlich leer war.

„Dass er leer ist, das wussten wir doch schon am Morgen, Liebling.“ Die dreißigjährige Architektin schüttelte mit einem liebevollen, aber doch tadelnden Blick den Kopf. „Und du wusstest auch, dass es bei mir heute sehr spät werden würde. Warum hast du nichts eingekauft?“

Bevor Ralf seine üblichen Ausreden vorbringen konnte, deutete sie mit dem Kinn auf eine große Papiertüte mit der Aufschrift Ristorante La Mamma. Italienische Spezialitäten.

Sie folgte Ralf, der die mitgebrachten Speisen sofort auszupacken begann, in die Küche.

„Also, wer ist dieser Idiot nun wirklich?“

„Mein Bruder.“

Lynns Augen weiteten sich vor Überraschung.

„Du hast mir nie erzählt, dass du einen Bruder hast! Deine Eltern haben ihn auch nie erwähnt. Warum nicht?“

„Weil er ein Taugenichts ist.“

Lynn ignorierte den feinen Stich in ihrer Brust, mit dem sie registrierte, dass Ralf nur einen Teller für sich selbst aus dem Schrank genommen hatte und auch schon mit gutem Appetit zu essen begann.

In letzter Zeit stellte sie immer öfter fest, dass ihr Verlobter ein grenzenloser Egoist war. Aber sie liebte ihn nun einmal. Und wie so viele Frauen glaubte sie, ihn noch ändern zu können, wenn sie erst einmal mit ihm verheiratet war.

Sie wusch sich am Spülbecken die Hände, nahm sich ebenfalls einen Teller aus dem Schrank und Besteck aus der Schublade und setzte sich Ralf gegenüber.

„Als deine zukünftige Frau habe ich ein Recht darauf, ein bisschen mehr über diesen Taugenichts zu erfahren“, sagte sie schmunzelnd. „Er wird immerhin mein Schwager sein.“

„Außer bei der Hochzeit wirst du ihn wohl kaum jemals zu Gesicht bekommen“, mümmelte Ralf mit vollem Mund. „Wahrscheinlich kommt er überhaupt nur deshalb, weil er sich gratis den Bauch vollschlagen und vielleicht sogar noch das eine oder andere Hochzeitsgeschenk mitgehen lassen kann.“

„So schlimm?“

„Noch viel schlimmer“, winkte Ralf mit der Gabel in der Hand ab.

Lynn musste sich ducken, um nicht von dem gegrillten Zucchinistück getroffen zu werden, das sich bei der heftigen Bewegung von einer der Zinken löste.

„Mein Bruder ist mit achtzehn von zu Hause abgehauen. Mit dem gesamten Bargeld, das meine Eltern im Safe hatten. Seither treibt er sich in der Weltgeschichte herum. Schlägt sich wahrscheinlich mit kleinen Gaunereien durch. Was anderes kann er ja nicht.“

Ralf hatte in rekordverdächtigem Tempo seine ganze Pizza verschlungen und zog jetzt – ohne zu fragen, ob Lynn vielleicht auch etwas davon abhaben wollte – die ganze Schüssel mit dem Tiramisu zu sich heran.

„Das hört sich ja gar nicht gut an. Aber woher wusste er überhaupt, dass wir heiraten?“

Ralf war nur schwer zu verstehen, denn er hatte sich einen gehäuft vollen Löffel Tiramisu in den Mund gestopft.

„Er hat mir vor ein paar Wochen eine E-Mail geschickt. Da war er gerade irgendwo in Afrika. Dummerweise habe ich ihm geantwortet. Ich habe ihm von dir erzählt und erwähnt, dass wir in drei Wochen heiraten werden.“

„Und?“ Lynn zwang sich zum Wegsehen. Die Art, wie Ralf aß – fraß, musste man dazu eigentlich schon sagen –, hatte ihr noch nie gefallen.

Während er wie ein ausgehungertes Tier über die Speisen auf seinem Teller herfiel, hielt er immer schon danach Ausschau, ob bei jemand anderem noch irgendwas für ihn abfallen könnte. Und jetzt hatte er Lynns Pizza, die sie noch nicht einmal zur Hälfte aufgegessen hatte, starr im Blick.

„Er muss etwas ganz gründlich missverstanden haben. Er hat sofort geantwortet, dass er zu diesem Zeitpunkt wieder in Deutschland sein und sehr gerne zu unserer Hochzeit kommen wird.“

„Herrje! Wird es Ärger mit deiner Familie geben?“

„Kaum.“ Ralf schüttelte den Kopf und kratzte die letzten Reste der Süßspeise aus der Schüssel. „Meine Eltern können sich gut beherrschen, wie du weißt. Sie werden ihn vermutlich einfach ignorieren. Du musst nur ein bisschen aufpassen.“

„Ich? Worauf denn?“

„An deiner Stelle würde ich keinen wertvollen Schmuck tragen und kein Geld in die Handtasche stecken. Es könnte nach dem ersten Tanz weg sein.“ Er leckte den Löffel sauber und deutete damit auf ihren noch halb vollen Teller. „Isst du das nicht mehr?“

Obwohl sie heute einen stressigen Tag gehabt hatte, noch gar nicht zum Essen gekommen und noch immer hungrig war, schob Lynn ihm wortlos den Rest ihrer Pizza zu.

„Er wird doch hoffentlich nicht bei uns wohnen wollen?“

Vor ihrem inneren Auge entstand das Bild von einem schmuddeligen jungen Mann mit brutaler Visage, der nachts durch das neue Haus schlich, das Lynn selbst entworfen hatte und in das sie nach der Hochzeit einziehen würden. Vermutlich würde er alles klauen, was er nur erwischen konnte.

„Nur über meine Leiche!“, stieß Ralf zusammen mit ein paar Schinkenstückchen hervor. „Wenn er sehr höflich bittet, darf er bestenfalls in unserem neuen Garten kampieren.“

„Wird es noch weitere Überraschungen geben?“, erkundigte sich Lynn. „Oder ist die Gästeliste damit komplett?“

„Komplett“, erwiderte Ralf einsilbig.

„Wir könnten anschließend gleich damit anfangen, die Einladungen zu schreiben“, schlug Lynn vor. „Es wird höchste Zeit. Viele unserer Freunde arbeiten auch an den Wochenenden. Sie werden sich den Samstag erst freinehmen müssen. Und viele werden sich erst passende Kleidung besorgen müssen.“

„Und Hochzeitsgeschenke kaufen“, fügte Ralf hoffnungsvoll hinzu, langte über den Tisch, nahm Lynns Glas und trank auch noch ihren Apfelsaft aus. „Fang du schon mal an mit den Einladungen“, sagte er, unterdrückte ein Rülpsen und stand auf. „Ich schaue mir noch die Spätnachrichten im Fernsehen an. Und außerdem habe ich morgen Frühschicht. Ich muss um halb sieben aufstehen.“

„Oh, dann sehen wir uns morgen früh leider nicht mehr. Um halb sieben sollte ich längst im Atelier sein. Wir haben morgen eine wichtige Präsentation und müssen noch allerhand vorbereiten.“

Diese Antwort überhörte Ralf, oder zumindest tat er so. Eine Minute später hörte Lynn, wie er sich nebenan stöhnend auf die Couch fläzte und der Fernseher zu plärren begann.

Seufzend machte sie sich daran, den Tisch abzuräumen und das Geschirr zu spülen. Und wie schon so oft in letzter Zeit, fragte sie sich, ob sie nicht im Begriff war, einen großen Fehler zu machen.

Ihr Verstand – von dem sie reichlich besaß – sagte ihr, dass sich Ralfs negative Eigenschaften nach der Hochzeit, wenn die Werbephase vorüber war, vermutlich noch verstärken würden.

Doch die Liebe in ihrem Herzen verpasste ihr rosarote Scheuklappen und gaukelte ihr romantische Zukunftsvisionen vor, die sie nur zu gerne glauben wollte.

***

Dr. Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme an der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, hatte natürlich keine rosaroten Scheuklappen, was seinen jungen Kollegen anbelangte. Deshalb sah er Dr. Ralf Libersky auch völlig realistisch.

Sein Urteil fiel nach fast einem Jahr der Zusammenarbeit nun nicht mehr ganz so positiv aus wie zu Beginn. Peter war ein bisschen enttäuscht.

Ralf war ein ganz passabler Arzt. Er war nicht gerade ein Genie, aber er stellte sich durchaus geschickt an und war eigentlich recht brauchbar. Es war eher die persönliche Seite, die dem Notarzt von Tag zu Tag mehr missfiel.

Auch heute hatte Ralf wieder pünktlich um sieben zum Schichtwechsel einfach alles stehen und liegen lassen und war gegangen. Ohne erst lange zu fragen, ob er vielleicht noch gebraucht wurde.

Und er wäre gebraucht worden. Denn kurz vor seinem Abgang waren fünf Rettungswagen im Konvoi eingetroffen – mit zum Teil schwer verletzten Opfern einer Massenkarambolage auf der Stadtautobahn.

Alle anderen waren geblieben. Selbst Schwester Katrin, Mutter eines kleinen Kindes, hatte ihre Schwägerin angerufen und sie gebeten, ihre vierjährige Tochter vom Kindergarten abzuholen. Nur Ralf nicht. Der hatte sich extra beeilt, damit bloß niemand auf die Idee kommen konnte, ihn um seine Mithilfe zu bitten.

Besonders kollegial war er auch nicht. Ralf beanspruchte täglich seine ihm gesetzlich zustehende Mittagspause. Auch dann, wenn seine Kollegen dafür doppelt so hart arbeiten mussten. Und er war noch nie auf die Idee gekommen, zu fragen, ob er vielleicht jemandem ein Sandwich aus der Cafeteria mitbringen sollte.

Ralf posaunte jeden kleinen Fehler, bei dem er einen Kollegen oder eine Pflegerin erwischte, laut hinaus. Die eigenen Fehler vertuschte er oder schob sie kurzerhand jemand anderem zu.

Schon seit einigen Monaten hatte Peter den Wunsch, den Kollegen gegen einen anderen Arzt auszutauschen. Das Problem war nur, dass es da gewisse private Verflechtungen gab.

Bei einem Betriebsfest im letzten Sommer hatten sich Peters Lebensgefährtin, die Kinder- und Jugendpsychologin Dr. Lea König, und Ralfs Verlobte, die Architektin Dr. Lynn Saalmann, ganz dick angefreundet.

Lynn war aber auch wirklich eine unglaublich sympathische junge Frau. Sie war sehr klug, sie war warmherzig, man konnte mit ihr lachen, sie war absolut loyal, voller Mitgefühl für alle, denen es nicht so gut ging, hilfsbereit und selbstlos. Auch Peter mochte und schätzte die Architektin sehr.

Tja, und da die beiden in drei Wochen heiraten würden und Lea Lynns Trauzeugin war, konnte er Ralf nicht gut entlassen.

„Wegwerfen oder ins Labor, Chef?“ Mit dieser Frage riss Schwester Katrin den Notarzt aus seinen trüben Gedanken. Er hatte gerade die völlig zerfetzte Milz eines Schwerverletzten aus dessen offenem Abdomen gehoben und in die Auffangschale gelegt, die die Pflegerin ihm hinhielt.

„Viertel vor zehn!“, stellte Peter nach einem Blick auf die Uhr über der Tür zum Waschraum erschrocken fest. „Und Sie sind immer noch hier, Kathrin! Ab nach Hause mit Ihnen, den Rest schaffen wir auch zu dritt.“

„Nein, nein, ich bleibe!“, winkte die zweiunddreißigjährige Pflegerin ab. „Um diese Uhrzeit schläft Nele ja sowieso schon. Und inzwischen ist mein Mann auch längst zu Hause. Also, Kühlschrank oder Mülleimer?“

„Für die Unterlagen fotografieren, damit uns nachher niemand nachsagen kann, wir hätten das Organ nur aus Jux und Dollerei entnommen, und dann ab in den Mülleimer“, entschied der Notarzt. „Dafür kommen Sie morgen aber erst frühestens um zehn zum Dienst“, kam er noch einmal auf das vorherige Thema zurück.

Mahnend sah er Kathrin an.

„Dann können Sie mit Nele noch in Ruhe frühstücken und sie selbst in den Kindergarten bringen. Ich will nicht schuld daran sein, wenn Ihre kleine Maus sie eines Tages fragt, wer Sie denn seien und was Sie in ihrer Wohnung zu suchen hätten.“

Die Pflegerin lachte, machte mehrere Fotos von den blutigen Gewebefetzen, die beim besten Willen nicht mehr zu nähen oder zu kleben gewesen wären, und kippte sie dann in den Eimer mit den OP-Abfällen. Dann griff sie zum Sauger, um das Operationsgebiet von ausgelaufenem Blut zu säubern.

„Einer ist noch übrig, aber um den kümmert sich Ralf hoffentlich inzwischen.“ Elmar Rösner, der rothaarige Assistenzarzt, verbiss sich ein Gähnen. Er war jetzt seit fünfzehn Stunden im Dienst und hatte wie alle anderen auch – außer Ralf natürlich – nicht einmal eine richtige Mittagspause gehabt.

„Schön wär’s“, grummelte Peter, während er das durchtrennte Blutgefäß vernähte. „Ralf ist längst zu Hause. Um Punkt sieben war er weg.“

„Na ja, kommt vor. Ich hatte es auch schon mal so eilig, dass ich nicht länger bleiben konnte“, murmelte Elmar.

An einen solchen Fall konnte Dr. Kersten sich beim besten Willen nicht erinnern. Elmar kam zwar morgens manchmal ein bisschen zu spät, weil er es oft nicht rechtzeitig aus den Federn schaffte, aber wenn Not am Mann war, arbeitete er auch in Doppel- und sogar Dreifachschichten, ohne sich zu beklagen.

Anders als Ralf, den Elmar mit seiner Aussage zu schützen versuchte, war Dr. Rösner ein sehr kollegialer Mitarbeiter, der für sein Team durchs Feuer gehen würde.