Der Notarzt 323 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 323 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Julianes großes Gesundheits-Projekt - Was als Wette beginnt, verändert plötzlich ihr ganzes Leben


Mit einem glücklichen Strahlen im Gesicht baut sich Juliane Landsberg vor der Kinder- und Jugendpsychologin Lea König auf. Sie freut sich riesig über diese unverhoffte Begegnung. So lange hat sie schon davon geträumt, Lea endlich wieder gegenüberzustehen!
Die Psychologin aber blickt die hübsche Frau verdutzt an. Sie kennen einander doch gar nicht, oder?
Im Gesicht der Unbekannten zeichnet sich Enttäuschung ab.
"Guten Tag, Frau Dr. König", beginnt sie leise zu erklären. "Ich bin ..."

Aber plötzlich fällt es Lea wie Schuppen von den Augen. Sie kennt diese Frau! - Es ist allerdings eine unglaubliche Verwandlung mit Juliane vorgegangen, seit die Psychologin sie vor Jahren das letzte Mal gesehen hat. Kein Wunder, dass sie sie nicht gleicht erkannt hat!
Einen Moment lang ist Lea sprachlos, als sie schließlich erfährt, wie sich Julianes Leben gewandelt hat und wie ausgerechnet eine Wette und ein großes Gesundheits-Projekt dazu geführt haben, dass die junge Frau heute ein ganz neuer Mensch ist.

Was beide Frauen nicht ahnen: In der Sauerbruch-Klinik liegt ein kleines Mädchen, dessen Leben womöglich nur durch Juliane und deren große Wandlung gerettet werden kann ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Julianes großes Gesundheits-Projekt

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Ross Helen/iStockphoto

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6770-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Julianes großes Gesundheits-Projekt

Was als Wette beginnt, verändert plötzlich ihr ganzes Leben

Karin Graf

Mit einem glücklichen Strahlen im Gesicht baut sich Juliane Landsberg vor der Kinder- und Jugendpsychologin Lea König auf. Sie freut sich riesig über diese unverhoffte Begegnung. So lange hat sie schon davon geträumt, Lea endlich wieder gegenüberzustehen!

Die Psychologin aber blickt die hübsche Frau verdutzt an. Sie kennen einander doch gar nicht, oder?

Im Gesicht der Unbekannten zeichnet sich Enttäuschung ab.

„Guten Tag, Frau Dr. König“, beginnt sie leise zu erklären. „Ich bin …“

Aber plötzlich fällt es Lea wie Schuppen von den Augen. Sie kennt diese Frau! – Es ist allerdings eine unglaubliche Verwandlung mit Juliane vorgegangen, seit die Psychologin sie vor Jahren das letzte Mal gesehen hat. Kein Wunder, dass sie sie nicht gleicht erkannt hat!

Einen Moment lang ist Lea sprachlos, als sie schließlich erfährt, wie sich Julianes Leben gewandelt hat und wie ausgerechnet eine Wette und ein großes Gesundheits-Projekt dazu geführt haben, dass die junge Frau heute ein ganz neuer Mensch ist.

Was beide Frauen nicht ahnen: In der Sauerbruch-Klinik liegt ein kleines Mädchen, dessen Leben womöglich nur durch Juliane und deren große Wandlung gerettet werden kann …

Bereits um halb sechs Uhr morgens stand Dr. Peter Kersten in der Küche. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin wohnte er in deren Villa am Frankfurter Stadtrand.

Es kam nicht oft vor, dass er und Lea morgens so rechtzeitig aus dem Bett kamen, dass sie noch gemütlich miteinander frühstücken konnten. Einem heftigen Windstoß, der das Fenster im Schlafzimmer mit einem lauten Knall zugeschlagen und sie aus dem Schlaf gerissen hatte, verdankten die beiden heute dieses seltene Vergnügen.

„Schinken oder Speck zum Rührei?“, rief der Mediziner, der als Leiter der Notaufnahme an der Frankfurter Sauerbruch-Klinik arbeitete.

„Für mich bitte einen möglichst fettarmen Schinken!“, tönte es aus dem Bad zurück, wo die Kinder- und Jugendpsychologin Dr. Lea König noch rasch ihre langen hellblonden Haare bürstete. „Nach acht Grillabenden in nur einem Monat fange ich nämlich langsam an, mich in ein Fass zu verwandeln.“

Lea überlegte kurz, ob sie sich einen Pferdeschwanz machen oder einen französischen Zopf flechten sollte. Doch dann machte sie es so wie fast immer: Sie drehte ihre Haare einfach zu einem Strick zusammen und befestigte diesen mit ein paar bunten Haarspangen an ihrem Hinterkopf.

Sie ging ja weder in die Oper noch auf einen Ball. Wozu also wertvolle Zeit verschwenden, wenn sie ohnehin den ganzen Tag in ihrer Praxis …

„He!“ Beim Stichwort „Praxis“ fiel ihr etwas ein. „Und mit Speck auch!“, fügte sie ihrer Bestellung von vorhin noch rasch hinzu. „Ich habe ja jetzt dieses tolle Laufband, das du mir zum Geburtstag in die Praxis hast liefern lassen, Schatz. Wie viel Speck darf ich essen, wenn ich jeden Tag eine Stunde laufe? Oder eine halbe … ähm … Viertel …stunde … mindestens zehn Minuten … oder so“, korrigierte sie sich, als sie an die Affenhitze dachte, die spätestens ab zehn Uhr vermutlich wieder herrschen würde.

Sie hörte Peter in der Küche lachen.

„Keine Ahnung! Ist aber ohnehin egal. Ich habe dir nämlich zu viel versprochen, es ist keiner mehr da!“

Der Notarzt verteilte die fertigen Ham and Eggs auf zwei Teller und stellte sie auf den bereits gedeckten Tisch.

„Frühstück ist fertig, Liebling! Ich laufe schnell raus und hole die Morgenzeitung rein! Der Sportteil gehört aber mir! Dafür kannst du den gesamten Rest haben!“

Als Peter die Haustür öffnete, wehte ein Windstoß den verführerischen Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee und Rührei mit Schinken ins Bad und erinnerte Lea daran, dass sie gestern das Abendbrot hatte ausfallen lassen, weil sie ihre Jeans nur noch mit viel Mühe zubekam.

„Himmlisch!“ Die Psychologin ließ die einzelne Haarsträhne, die sie eben noch mit einer Haarklammer nach oben hatte befördern wollen, einfach hängen und lief aus dem Bad.

Sie musste lachen, als sie in der weitläufigen Eingangshalle auf Peter traf, der mit vom Wind zerzausten Haaren und offensichtlich kochend vor Wut von draußen zurückkam.

„Was machst du denn für ein Gesicht, Schatz?“

„Ich bin sauer! Stinksauer! Hast du eine wasserdichte Plastiktüte?“

„Wofür denn?“

„Für die Zeitung!“, grummelte Peter missmutig. „Vor vier Wochen habe ich extra diese sündhaft teure Zeitungsbox draußen am Gartentor montiert, damit dieser unsägliche Zeitungsbote nicht mehr behaupten kann, unser Briefkasten wäre überfüllt gewesen.“

„Der Briefkasten war nie das Problem“, winkte Lea gelangweilt ab. „Das Problem ist, dass dieser Kerl zu faul ist, anzuhalten, von seinem Moped abzusteigen und die Zeitung einzuwerfen.“

Sie kramte eine Plastiktragetasche aus der Krimskramslade einer Kommode.

„Er knattert einfach mit einem Affenzahn durch die Gassen, schleudert die Zeitungen nach links und rechts über die Gartenzäune und kommt sich dabei unheimlich cool vor.“

„Sehr cool!“ Der Notarzt verzog das Gesicht. „Vorgestern waren die Einzelteile unserer Morgenzeitung über die halbe Straße verstreut. Die politischen Schlagzeilen waren auf dem Zaun aufgespießt, der Anzeigenteil hatte sich im Kanalgitter verfangen, und auf dem Sportteil hat Poldi, der Mops von den Neumanns, seine Notdurft verrichtet!“

„Vielleicht war das sein Statement zu den Fußballergebnissen?“, schlug Lea vor.

Doch Peter war so geladen, dass er einfach weiterpolterte.

„Gestern lag die Zeitung im taunassen Rasen unseres Vorgartens, und die Nacktschnecken haben sie vollgeschleimt! Und heute …“ Er stürmte vor die Tür und hob ein tropfnasses Etwas hoch. „Heute ist sie in der Vogeltränke gelandet!“

„Ach, du meine Güte!“ Lea schlug sich prustend eine Hand vor den Mund. „Dann muss ich rasch noch das Wasser wechseln. Die Druckerfarben sind ziemlich giftig. Und von den politischen Schlagzeilen könnte den armen kleinen Piepmätzen auch übel werden.“

Sie sauste nach draußen, um im Vorgarten das steinerne Wasserbecken – in dem die Vögel an heißen Tagen badeten und aus dem sie auch tranken – auszuwaschen und neu zu befüllen.

„Was hast du jetzt mit den ekligen Zeitungen vor?“, wollte sie wissen, als sie zurückkam und Peter gerade den gesammelten Unrat der ganzen letzten Woche in die Plastiktüte stopfte.

„Ich fahre damit bei der Zeitungsredaktion vorbei!“, gab der Notarzt entschlossen bekannt. „Ich mache von meinem Umtauschrecht für beschädigte oder mangelhafte Ware Gebrauch! Ich bringe denen Poldis Klopapier, den Schneckenschleim und die aufgeweichten Fetzen und verlange Schadensersatz. Jetzt reicht es mir nämlich!“

Peter stellte die volle Plastiktüte vor die Tür.

„Ich habe das Käseblatt abonniert, um es morgens zu lesen! Und nicht, damit sich Poldi nach seinem Morgengeschäft den Hintern abwischen kann! Verdammt noch mal!“

Lea prustete durch die Nase.

„Da wäre ich gerne dabei“, sagte sie kichernd. „Aber leider habe ich deinem Chef versprochen, dass ich vor meiner ersten Therapiesitzung in der Kinderstation vorbeischaue.“

„Probleme?“

„Ein kleines Mädchen mit einem gebrochenen Handgelenk“, berichtete die Psychologin. „Prof. Weidner sagte, sie sei bereits zum vierten Mal innerhalb eines halben Jahres mit einer schweren Verletzung in der Klinik.“

„Oh!“ Sofort vergaß der Mediziner seinen Ärger mit den Zeitungen und wurde hellhörig. „Glaubt er, dass die Eltern sie misshandeln?“

„Nein, das nicht. Aber sie scheint auch nicht gerade aus einer intakten Familie zu kommen. Das Mädchen dürfte extrem aggressiv sein. Sie ist ständig in irgendwelche Raufereien verwickelt und verletzt sich dabei selbst immer am schlimmsten.“

„Ein weiblicher Rambo?“ Der Notarzt wusch sich am Spülbecken die Hände und setzte sich zu Lea an den Tisch. „Und was macht man mit so einer rabiaten Göre?“

„Weiß ich noch nicht. Ich muss sie erst einmal kennenlernen und herausfinden, was sie ständig so sehr auf die Palme bringt. Dann kann ich eventuell versuchen, ihre überschüssigen Energien in andere Bahnen zu lenken.“

Lea zuckte zusammen, als Peter plötzlich wieder aufsprang.

„Was ist denn jetzt wieder los, Schatz?“

„Alzheimer!“ Peter rannte noch einmal vor die Tür hinaus. „Ein Paket für dich! Das war wahrscheinlich gestern Abend schon da, und wir haben es übersehen, weil es umgefallen und in der Ligusterhecke gelandet ist. Außerdem sind wir ja beide so spät nach Hause gekommen, dass es schon dunkel war.“

Er kam mit einem länglichen Paket in die Küche zurück, das in braunes Packpapier eingewickelt war.

„Da klebt ein Zettel drauf.“

„Was ist das denn?“ Lea löste die Haftnotiz von dem Paket. „Liebe Lea“, las sie laut vor. „Leider habe ich Sie nicht zu Hause angetroffen. Ich werde versuchen, Sie im Laufe des Tages in Ihrer Praxis zu erreichen. Ich habe so oft an Sie gedacht, freue mich riesig auf ein Wiedersehen und habe Ihnen furchtbar viel zu erzählen! Liebe Grüße, Ihre Juliane Landsberg.“

„Das klingt nett! Wer ist denn Juliane Landsberg? Eine Kollegin von dir?“

„Nein.“ Kopfschüttelnd begann Lea, das Papier von dem länglichen Gegenstand herunterzureißen. „Ich habe diesen Namen noch nie gehört. Glaube ich zumindest.“

„Eine ehemalige Patientin vielleicht?“, schlug Peter vor.

„Möglich.“ Die Psychologin runzelte nachdenklich die Stirn. „Aber wenn, dann müsste es schon eine Ewigkeit her sein, dass sie bei mir in Behandlung war. Im Allgemeinen merke ich mir die Namen meiner Kinder.“

„Was ist das denn?“

„Ein … ein Besen?“ Leas Augenbrauen zuckten nach oben. „Offensichtlich selbst gebastelt. Der ist wunderschön! Viel zu schade, um damit zu fegen.“

„Ein Hexenbesen!“, stellte Peter schmunzelnd fest. „Ob das vielleicht eine Anspielung sein soll?“

„Ein Reisigbesen! Wie man sie früher gehabt hat“, stellte Lea richtig.

Sie fuhr mit der Hand über den kunstvoll geschnitzten Stiel. Dann hob sie das wirklich schön gearbeitete Stück hoch und betrachtete den kompliziert geflochtenen, glänzenden Messingdraht, von dem das dicke Bündel Birkenreisig zusammengehalten wurde.

„Ich habe keine Ahnung, wer mir den schenkt. Und warum? Verhext habe ich noch nie jemanden, soweit ich weiß.“

„Doch! Mich“, erwiderte der Notarzt grinsend.

„Ha!“ Lea schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Es war nun wirklich nicht nötig, dich zu verhexen, mein Lieber“, erinnerte sie den Mann, den sie heute nicht mehr missen wollte, an die Zeit, in der er sehr hartnäckig um sie geworben hatte.

Leas erster Mann, der nach nur wenigen Ehejahren an Krebs gestorben war, war damals erst seit zwei Jahren tot gewesen. Sie hatte noch immer getrauert und sich nicht vorstellen können, sich jemals wieder zu verlieben.

„Du bist mir nachgelaufen wie Nachbars Lumpi.“

„Okay. Nicht besonders charmant ausgedrückt, aber es kommt so ungefähr hin.“ Peter streckte die Zunge heraus und hechelte.

Lea kraulte ihn hinter den Ohren.

„Guter Junge, braver Junge!“, lobte sie lachend und steckte ihm einen Keks in den Mund. Dann legte sie den Besen behutsam auf die Anrichte.

„Ich glaube, den befestige ich im Wohnzimmer über dem offenen Kamin. Allerdings erst, wenn ich weiß, wer ihn mir schenkt und was dahintersteckt.“

„Wenn die Unbekannte dich heute in deiner Praxis besucht, wirst du es ja bald wissen.“ Peter trank seinen Kaffee aus. „Kommst du noch in der Notaufnahme vorbei, wenn du in der Kinderstation fertig bist?“

„Wenn es zeitlich noch passt, dann auf alle Fälle“, versprach die Psychologin. Sie stellte das benutzte Geschirr in die Spülmaschine. „Und du willst das mit den Zeitungen wirklich durchziehen?“

„Na klar! Glaubst du, ich habe Lust darauf, mich weiterhin jeden Morgen grün und blau zu ärgern? Außerdem geht es mir auch um die älteren Leute, die hier wohnen und die sich nicht mehr so verrenken können, um an ihr bescheuertes Käseblatt heranzukommen.“

„Ach? Macht der das bei den anderen auch so?“ Lea schlüpfte draußen in der Eingangshalle in ihre Schuhe und nahm ihre Tasche. „Ich dachte, er macht das nur bei uns. Aus Bosheit, weil du ihn schon dreimal abgefangen und ihm gründlich die Meinung gegeigt hast.“

„Nein, nein!“

Der Notarzt folgte Lea aus dem Haus und schloss die Tür ab.

„Herr Siebert musste seine letztens mit dem Besen vom Garagendach herunterholen. Und Frau Podmansky hat sich neulich die Hand zerkratzt, als sie die einzelnen Seiten aus den Rosenbüschen zusammengesammelt hat. Ich habe eine halbe Stunde gebraucht, um die Dornen zu entfernen und ihre Hand zu verbinden. Das werde ich denen ebenfalls verklickern.“

„Lieb von dir, Schatz, dass du dich immer um alle kümmerst“, erwiderte Lea schmunzelnd. „Aber das hat auch seine Nachteile.“

„Welche denn?“

„Dass ich langsam fett werde!“

Vor dem Haus trennten sich ihre Wege. Bevor sie beide in ihre Autos stiegen, nahm Peter seine Freundin noch einmal in die Arme.

„Was hat denn mein gutes Verhältnis zu unseren Nachbarn mit deiner Figur zu tun?“, erkundigte er sich schmunzelnd. „Die übrigens makellos ist“, fügte er noch schnell hinzu.

„Ist doch logisch!“, erwiderte die Psychologin. „Hätten dich nicht alle in unserer Straße so gern, würden wir nicht ständig zu Grillpartys eingeladen oder mit selbstgebackenen Kuchen beliefert.“

***

Keine Sekunde lang hatte Juliane Landsberg daran gezweifelt, dass Lea König sich noch an sie erinnern würde, als sie ihr gestern am späten Nachmittag einen Besuch hatte abstatten wollen.

Es war bereits eine halbe Ewigkeit her, dass das Schicksal sie und die nette Psychologin zusammengeführt hatte. Und das leider auch nur für wenige Tage. Doch für Juliane war diese Begegnung eine der Besten, der Schönsten und der Wichtigsten ihres gesamten Lebens gewesen.

Juliane Landsberg war vor dreiundzwanzig Jahren in Frankfurt geboren worden. Mitten in die tiefste Hölle hinein. Sie war als Unfall zur Welt gekommen. Ungeplant, unerwünscht und als „dumm gelaufen!“ hingenommen.

Elterliche Liebe? Fehlanzeige! Ihre Eltern waren ja selbst noch halbe Kinder gewesen. Dass sie nicht abgetrieben worden war, hatte sie einzig und allein dem Umstand zu verdanken, dass das Geld für einen solchen Eingriff gefehlt hatte.

Nächtelang hatte Juliane alleine in der schmuddeligen Wohnung herumgelegen. Anfangs hatte sie geweint und Angst gehabt, während ihre Eltern sich Gott weiß wo herumgetrieben und sich fast bis zur Besinnungslosigkeit betrunken hatten. Später, so mit drei Jahren, war es ihr schon völlig normal vorgekommen, dass sie sich oft tagelang alleine versorgen musste.

Hungern hatte sie jedoch nie müssen. Wenn ihre Eltern wieder einmal ein ganzes Wochenende lang um die Häuser gezogen waren, hatten sie ihrer Tochter den Fernseher aufgedreht, damit sie sich nicht langweilte, und ganze Wagenladungen Hamburger, Pommes, Kartoffelchips, Kekse, Schokolade, Gummibärchen und Bonbons für sie zurückgelassen – in einer Kiste, die sie immer ein bisschen an einen Schweinetrog erinnert hatte.

Bereits mit vier Jahren hatte Juliane über fünfzig Kilo gewogen, ihre Zähne waren schwarz und löchrig gewesen, und sie hatte über einen beachtlichen Wortschatz und ein ebenso beachtliches Wissen verfügt.