Der Notarzt 341 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 341 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Ziemlich beste Freundinnen
Doch ein Unglück veränderte alles
Karin Graf

Die junge Studentin Nanni ist heilfroh, in der Frankfurter Sauerbruch-Klinik einen der heiß begehrten Pratikumsplätze ergattert zu haben. Endlich einmal läuft es gut in ihrem Leben, nachdem sie es in ihrer Kindheit und Jugend sehr schwer hatte.
Ein zusätzlicher Lichtblick bei ihrer Arbeit ist es, dass hier in der Klinik auch ihre beste Freundin Paula arbeitet. Sie ist diejenige, die immer zu Nanni gestanden hat, selbst dann, wenn kein anderer etwas mit dieser zu tun haben wollte. Und auch in der Frankfurter Sauerbruch-Klinik ist Paula diejenige, die Nanni immer verteidigt und beschützt.
Doch dann kommt es zu einem furchtbaren Unglück, bei dem Nanni fast ihr Leben verliert. Und auf einmal stellt sich die Frage: Wie gut hat es Paula all die Jahre wirklich mit ihrer Freundin gemeint?

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Inhalt

Cover

Impressum

Ziemlich beste Freundinnen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: AntonioGuillem / iStockphoto

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-7940-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Ziemlich beste Freundinnen

Doch ein Unglück veränderte alles

Karin Graf

Die junge Studentin Nanni ist heilfroh, in der Frankfurter Sauerbruch-Klinik einen der heiß begehrten Pratikumsplätze ergattert zu haben. Endlich einmal läuft es gut in ihrem Leben, nachdem sie es in ihrer Kindheit und Jugend sehr schwer hatte.

Ein zusätzlicher Lichtblick bei ihrer Arbeit ist es, dass hier in der Klinik auch ihre beste Freundin Paula arbeitet. Sie ist diejenige, die immer zu Nanni gestanden hat, selbst dann, wenn kein anderer etwas mit dieser zu tun haben wollte. Und auch in der Frankfurter Sauerbruch-Klinik ist Paula diejenige, die Nanni immer verteidigt und beschützt.

Doch dann kommt es zu einem furchtbaren Unglück, bei dem Nanni fast ihr Leben verliert. Und auf einmal stellt sich die Frage: Wie gut hat es Paula all die Jahre wirklich mit ihrer Freundin gemeint?

„Entschuldigung, darf ich mich bitte zu Ihnen setzen? Ich möchte wirklich nicht aufdringlich erscheinen, aber das ist der einzige Platz, der noch frei ist.“

Diese Frage war nicht ungewöhnlich, denn gerade während der Mittagszeit herrschte in der Cafeteria der Frankfurter-Sauerbruch-Klinik immer ein ziemlicher Andrang. Vor allem dann, wenn das Wetter so mies war wie heute und keiner auf der großen Terrasse im Freien sitzen mochte.

„Klar“, murmelte Fernanda Tibory und machte sich nicht einmal die Mühe, von dem Buch aufzuschauen, über das sie ihren Kopf so tief gesenkt hatte, dass ihre langen kastanienbraunen Haare wie ein Zelt darüberfielen.

Sie tastete nur blind mit einer Hand vor sich herum, stapelte Schreibzeug, Bücher und Hefte, die sie vorhin großzügig über den ganzen Tisch verstreut hatte, übereinander und zog den ganzen Stoß mit einer Armbewegung zu sich heran.

„Vielen Dank!“

„Ja, ja, schon gut“, murmelte Fernanda, die meistens Nanni genannt wurde, und hoffte, dass Herr Werauchimmer nicht glaubte, er müsse sich mit ihr unterhalten, nur, weil er jetzt mit ihr an einem Tisch saß.

Anfang nächster Woche sollte sie zur abschließenden Staatsprüfung ihres vierjährigen Krankenpflegestudiums an der Frankfurter Goethe-Universität antreten, und bis dahin wollte sie noch jede freie Sekunde zum Lernen nutzen.

Was ihr noch ein bisschen Sorgen bereitete, waren die zweihundertvierzehn Knochen des menschlichen Skeletts, von denen jeder Einzelne zwei Namen hatte, die sie wissen musste. Einen deutschen und einen lateinischen. Das machten also insgesamt vierhundertachtundzwanzig Namen.

Sie hatte gerade mit den Knochen des Schädels angefangen, als die Frage von wem auch immer sie rausgebracht hatte. Jetzt musste sie also noch einmal von vorne anfangen.

Sie knickte die obere Ecke der betreffenden Seite um, schlug das Anatomielehrbuch zu, um nicht in Versuchung zu geraten, zu spicken, und hob die rechte Hand hoch, um mitzuzählen. Mit der linken berührte sie die betreffenden Stellen an ihrem Kopf, während sie leise murmelnd memorierte.

„Os occipitale, das Hinterhauptbein, Os parietale, das Scheitelbein, Os temporale, das Schläfenbein, Os sphenoidale, das Keilbein, Os frontale, das Stirnbein, Os zygomaticum, das Jochbein, Os nasale, das Nasenbein, Os lacrimale, das Tränenbein … Tränen… Tränen … Tränen … ähm …“

Herrgott, das war wirklich zum Weinen! Hier blieb sie jedes Mal hängen. Wenn ihr das bei der mündlichen Prüfung auch passierte, war sie erledigt. Mal sehen, was fehlte noch?“

Sie tastete blind nach ihrer Kaffeetasse, hob sie an die Lippen und stellte fest, dass sie leer war. Mund! Ah, schon klar!

„Maxilla, der Oberkiefer, Mandibula, der Unterkiefer, Os ethmoidale, das Siebbein, Os palatinum, das Gaumenbein, Os hyoideum, das Zungenbein und – Halleluja, geschafft! – Vomer, das Pflugscharbein.“

Gut! Nein, gar nicht gut! Konsterniert starrte sie auf ihre rechte Hand, an der noch ein Finger umgebogen war.

„Verdammt, einer fehlt!“ Fünfzehn sollten es sein, sie kam aber immer nur auf vierzehn. „Os … Os … Os … Herrgott, wie heißt du denn, du verflixtes, kleines Ding?“

„Malleus, Incus und Stapes, die Gehörknöchelchen, fehlen noch“, half ihr der Typ, der an ihrem Tisch Platz genommen hatte, schmunzelnd weiter.

„Richtig!“ Frustriert schlug sich Nanni mit der Faust auf den Oberschenkel. „Die vergesse ich jedes Mal! Wieso vergesse ich die jedes …?“

Das letzte Wort blieb ihr in der Kehle stecken, denn sie hatte dabei den Kopf gehoben, und zwei Dinge waren ihr auf der Stelle aufgefallen.

Erstens war der Speisesaal der Cafeteria so gut wie leer, was bedeutete, dass er geflunkert hatte. Klar, Mittag war ja längst vorüber.

In der Notaufnahme war bis vor Kurzem die Hölle los gewesen. Also, wahrscheinlich war sie dort noch immer los, aber Dr. Kersten, der Leiter der Notaufnahme, bei dem sie ihr abschließendes Praktikum machte, hatte sie mit sanfter Gewalt in die späte Mittagspause gescheucht.

Und zweitens war ausgerechnet er es, der ihr gegenübersaß und ihr jetzt verschmitzt grinsend zublinzelte. Er, das war Dr. Tristan Wenzel, der unglaublich süße Assistenzarzt, in den sie sich gleich am ersten Tag ihres Praktikums unsterblich verliebt hatte.

Er hatte sie sogar schon angesprochen und sie gefragt, ob sie nach Dienstschluss mit ihm was trinken gehen wolle. Damals wäre sie beinahe ausgeflippt vor Freude und Aufregung. Und sie hätte sich beinahe selbst zum Affen gemacht, wäre da nicht Paula, ihre aller-allerbeste Freundin gewesen. Paula hatte ihr nämlich gesteckt, dass Tristan Wenzel sich hinter ihrem Rücken über sie lustig machte.

Paula Amon – Fernanda kannte sie schon seit dem gemeinsamen Besuch des Gymnasiums – hatte zufällig mitbekommen, wie Tristan mit einem Kollegen gewettet hatte, dass er die komische, kleine Dumpfbacke mit dem komischen Namen mit Links herumkriegen würde.

Das hatte verdammt wehgetan. Aber sie war Paula für diesen Hinweis unendlich dankbar. Ihre beste Freundin hatte sie davor bewahrt, zum Gespött der gesamten Klinik zu werden.

Wenn sie Paula nicht gehabt hätte, dann hätte Nanni vermutlich überhaupt keine Freunde gehabt, denn sie war – keine Ahnung, warum! – nicht sonderlich beliebt. Besser gesagt – gar nicht. Und zwar egal, ob Frauen oder Männer, niemand schien mit ihr enger befreundet sein zu wollen.

Bis Paula Amon in der zweiten Klasse der Oberstufe an das Friedrich-Schiller-Gymnasium gekommen war, hatte Nanni eigentlich keine beste Freundin gehabt.

Sie war damals nicht wirklich unbeliebt gewesen, aber sie war eines jener Mädchen, von denen die Eltern es nicht gerne sahen, wenn ihre Töchter sich zu viel mit ihr abgaben.

Warum? Nun, Nanni stammte aus der untersten Schublade der Unterschicht ab. Vater unbekannt, Mutter arbeitslose Alkoholikerin mit häufig wechselnden Beziehungen, aus denen sechs Kinder hervorgegangen waren. Jedes von einem anderen – natürlich ebenso unbekannten – Vater.

Es war zwar unfair, Nanni deswegen zu verurteilen, denn was konnte sie dafür, dass ihre Mutter … so war, wie sie war?

Auch zu Hause war Nanni wegen ihres Lerneifers und dem Drang, etwas aus sich zu machen, ausgegrenzt worden. Ihre Mutter, die manchmal monatlich wechselnden Stiefväter und auch ihre Halbgeschwister kreideten es ihr bis heute schwer an, dass sie sich offensichtlich für was Besseres hielt.

Tja, so hatte Nanni also nie irgendwo dazugehört. Sie passte nicht in die unterste Schublade, denn dort mochte man keine Streberinnen, die bescheuerte Bücher lasen und glaubten, was Besseres zu sein. Und in die oberen Schubladen schon gar nicht, denn dort mochte man keine Kinder von zweifelhafter Abstammung. So tickten die meisten Menschen nun einmal.

Paula aber nicht. Und die hatte immerhin von Anfang an zu den beliebten Mädchen gehört. Als Tochter eines angesehenen Pastors und einer ebenso angesehenen Grundschuldirektorin hatte sie sich vor Einladungen zu Geburtstagspartys kaum retten können.

Und obwohl auch ihre Eltern es nicht gerne gesehen hatten, wenn sie zu oft mit Nanni zusammen war oder sie gar ins Pfarrhaus mitbrachte, hatte Paula immer ganz offen zu ihrer besten Freundin gestanden.

Runter, runter, runter!, befahl Nanni ihren Mundwinkeln, die sich unbedingt zu einem dümmlich verliebten Grinsen nach oben verziehen wollten. Das fehlte gerade noch, dass dieses schrecklich attraktive Scheusal, das ihr gegenübersaß, seine Wette am Ende doch noch gewann!

Sie zwang sich zu einem ablehnenden Blick und einem frostigen Tonfall.

„Danke, aber jetzt sind mir die Gehörknöchelchen selbst auch schon eingefallen.“

„Sie gehen schon?“, fragte er, als sie ihre Sachen zusammenpackte und aufstand. Dieser heuchlerische Lump schaffte es doch tatsächlich, dabei richtig enttäuscht zu klingen! „Ist Ihre Pause denn schon vorüber?“

„Das nicht. Aber ich suche mir einen Platz, wo ich unbelästigt und in Ruhe lernen kann.“

Das hatte gesessen! Jetzt war er es, der belämmert dreinschaute. Recht so!

„Ich könnte Sie nach Dienstschluss um sieben abfragen. Das würde ich sehr, sehr gerne tun“, schlug er vor, und Nanni war perplex, wie leicht und gekonnt ihm die Lügen über die Lippen kamen. „Darf ich Sie um sieben von der Notaufnahme ab…?“

„Tschüss!“, fiel sie ihm kühl ins Wort, tat, als ob sie sein Angebot gar nicht gehört hätte, drehte sich um und verließ die Cafeteria.

Bei jedem einzelnen Schritt, den sie machte, wünschte sie sich von ganzem Herzen, er hätte seine Einladung ernst gemeint. Weil er sie mochte. Nicht, weil er eine Wette gewinnen wollte.

Mit jedem Atemzug nahm die Sehnsucht danach, sein falsches Lächeln wäre aufrichtig gewesen, immer noch mehr zu. Unter ihrem Os lacrimale, dem Tränenbein, sammelten sich heiße Salzwassertropfen, ihr Os nasale, das Nasenbein, begann zu laufen, und Malleus, Incus und Stapes, ihre Gehörknöchelchen, klapperten unentwegt seinen Namen: Tristan, Tristan, Tristan!

Sie zog die Nase hoch und senkte den Kopf, damit niemand ihre Tränen sah. Verrückt! Sie liebte einen Mann, von dem sie genau wusste, dass er nur Böses mit ihr im Sinn hatte.

Aber wenigstens verdankte sie ihm eine Eselsbrücke, die sie nie wieder vergessen würde. Malleus, Incus und Stapes würden für sie von nun an und bis in alle Ewigkeit drei unsagbar traurige, kleine Knöchelchen sein, die in ihrem Ohr das Lied von Herzeleid und unerfüllter Liebe klapperten.

***

„Gehört der junge Mann zu Ihnen?“, fragte Prof. Lutz Weidner, der Chefarzt der Sauerbruch-Klinik, misstrauisch. Er war eben auf der Geburtsstation aus dem Fahrstuhl gestiegen, und es kam ihm recht merkwürdig vor, dass der junge Mann, der sich eben noch sehr angeregt mit Schwester Paula unterhalten hatte, bei seinem Anblick mit tief gesenktem Kopf und in geduckter Haltung davongerannt war.

„Welcher junge Mann denn?“ Paula Amon schaute mit einem strahlenden Lächeln und offensichtlich völlig unbefangen zu dem zweiundsechzigjährigen, großgewachsenen Klinikchef auf.

„Der, mit dem Sie sich eben noch unterhalten haben“, erwiderte Lutz Weidner ein bisschen ungeduldiger, als er es eigentlich beabsichtigt hatte.

Er war von der Säuglingsschwester, die seit fünf Wochen in seiner Klinik angestellt war, nicht sonderlich begeistert. Eigentlich hatte er sie nur recht widerwillig als Dreingabe genommen. So, wie man manchmal zu einem Zeitungsabo ein Geschenk erhielt, mit dem man nichts anzufangen wusste.

Fernanda Tabory, von der Peter Kersten so begeistert war, dass er sie nach ihrem Praktikum unbedingt fix anstellen wollte, hatte ihn darum gebeten. Es war sogar ihre Bedingung gewesen. Sie wollte unbedingt in derselben Klinik arbeiten wie ihre allerbeste Freundin.

Von Anfang an hatte der Chefarzt der durchaus hübschen jungen Frau mit den langen blonden Haaren misstraut. Warum, das konnte er nicht so genau sagen. Es war nur so ein Instinkt. Ein sogenanntes Bauchgefühl. Ein ziemlich starkes Gefühl allerdings, das er einfach nicht loswurde.

Paula Amon, die im Gegensatz zu ihrer Freundin Fernanda Tabory das Abitur nicht geschafft hatte, hatte ihre Ausbildung an einer herkömmlichen, dreijährigen Schwesternschule absolviert. Sie besaß ihr Diplom seit einem Jahr und hatte seither bereits dreimal den Arbeitsplatz gewechselt.

Aber das war es nicht allein, warum Lutz Weidner sich fest vorgenommen hatte, sie im Auge zu behalten. Es war ihre manipulative und herrschsüchtige Art, mit der sie – auf sehr subtile Weise, zugegebenermaßen – ständig versuchte, allen ihre eigene Meinung aufs Auge zu drücken.

Wenn er sie mit Schwester Fernanda zusammen beobachtete, konnte er, ehrlich gesagt, keine wirkliche Freundschaft erkennen. Schwester Paula hielt sich Schwester Fernanda vielmehr so, wie andere Leute sich einen Dackel hielten.

Aber gut, Prof. Weidner gehörte nicht zu den Menschen, die sich selbst für unfehlbar hielten. Er zog durchaus auch die Möglichkeit in Betracht, dass er sich irrte. Und wenn nicht, was sollte er tun? Schwester Fernanda darauf aufmerksam machen, dass die dicke Freundschaft möglicherweise einseitig war?

Ausgeschlossen! Sie würde es für eine Intrige halten und ihm fortan mit Misstrauen begegnen. Und das wollte er nicht, denn Schwester Nanni, wie sie von allen genannt wurde, war eine unerwünschte Dreingabe allemal wert.

Die Vorahnung, dass die liebenswerte und äußerst begabte junge Pflegerin möglicherweise eine große Enttäuschung erleben würde, wenn sie merkte, dass die tiefe Freundschaft einseitig war, betrübte ihn. Aber leider waren ihm die Hände gebunden. Er musste warten, bis sie von selbst dahinterkam.

Da ging es ihm so wie so manchen Eltern, die genau wussten, dass ihre fast erwachsenen Kinder sich in den falschen Mann oder die falsche Frau verliebt hatten. Jeder gut gemeinte Hinweis konnte nur das Gegenteil bewirken.

Seufzend deutete Prof. Weidner mit einer Kopfbewegung ans andere Ende des Flurs, wo der junge Mann, der sich die Kapuze seines Sweaters tief ins Gesicht gezogen hatte, eben durch die Stationstür verschwand.

„Dieser junge Mann dort“, beantwortete er die Frage der angeblich ahnungslosen Pflegerin. „Ich hätte schwören können, dass Sie sich eben noch sehr intensiv mit ihm unterhalten haben.“

„Ach, der!“ Schwester Paula lachte völlig unbefangen. „Er hat mich nur gefragt, ob man hier irgendwo Blumen kaufen kann. Ich habe ihm den Weg zum Blumenkiosk in der Eingangshalle beschrieben.“

„Ach so!“ So hatte es zwar ganz und gar nicht ausgesehen, denn wozu hätte der Fremde denn seine Hände auf Schwester Paulas Schultern legen und sie schütteln sollen, wenn er nur nach Blumen fragte? Aber fürs Erste wollte er es gut sein lassen. „Zu welcher unserer jungen Mütter gehört er denn?“ Er bemühte sich um eine etwas freundlichere Stimme.

„Keine Ahnung. Das habe ich ihn nicht gefragt.“

„Das sollten Sie aber in Zukunft unbedingt tun!“ Jetzt musste er sie doch noch rügen. „Sie wissen ja, auf der Säuglingsstation lege ich ganz besonderen Wert darauf, dass nur berechtigte Besucher Zutritt erhalten. Es ist hier schon das eine oder andere Mal zu unschönen Szenen gekommen.“

„Ich werde in Zukunft daran denken, Herr Professor.“ Sie nickte und lächelte reumütig. Aber sie schaute ihm dabei nicht wirklich in die Augen. Ihr Blick ging knapp an seinem linken Ohr vorüber.

Der Chefarzt warf einen Blick über die Schulter zurück und glaubte, gerade noch gesehen zu haben, wie der junge Mann irgendein Zeichen mit der Hand gemacht hatte. Oder bildete er sich das nur ein? Vielleicht hatte er sich nur an der Nase gekratzt?