Der Notarzt 343 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 343 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Im Zweifel für die Liebe - Die Ärzte stellten Laurin vor eine schwere Wahl

Karin Graf

Der fünfundzwanzigjährige Laurin verdankt seiner Urgroßmutter Merle alles. Wäre sie direkt nach seiner Geburt nicht für ihn dagewesen, wäre er damals mit Sicherheit gestorben. Stattdessen aber hat er bei ihr eine glückliche Kindheit verleben und sich zu einem stattlichen, erfolgreichen Mann entwickeln dürfen. Dafür liebt er sie von ganzem Herzen. Und er ist fest entschlossen, der inzwischen Vierundachtzigjährigen all das Gute zurückzugeben, das sie für ihn getan hat.
Aber als sich die Situationen häufen, in denen Merle ausgesprochen verwirrt wirkt und sie nicht mehr zu wissen scheint, wo sie ist, ahnt Laurin, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmt. Tief besorgt bringt er seine Urgroßmutter in den Asklepios-Tempel, eine Klinik, die unter den Reichsten der Reichen einen ausgezeichneten Ruf genießt. Schließlich soll es Merle an nichts fehlen!
Doch nach einem kurzen Anamnese-Gespräch wird Laurin hier vor eine schreckliche Wahl gestellt: Entweder stimmt er gegen Merles Willen zahlreichen unangenehmen Untersuchungen zu, oder aber er muss sich damit abfinden, dass er sie bald verlieren wird. Kopf oder Bauch? Wie soll er sich nur entscheiden? Oder gibt es womöglich noch eine dritte Option?

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Inhalt

Cover

Impressum

Im Zweifel für die Liebe

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Valua Vitaly / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-8028-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Im Zweifel für die Liebe

Die Ärzte stellten Laurin vor eine schwere Wahl

Karin Graf

Der fünfundzwanzigjährige Laurin verdankt seiner Urgroßmutter Merle alles. Wäre sie direkt nach seiner Geburt nicht für ihn dagewesen, wäre er damals mit Sicherheit gestorben. Stattdessen aber hat er bei ihr eine glückliche Kindheit verleben und sich zu einem stattlichen, erfolgreichen Mann entwickeln dürfen. Dafür liebt er sie von ganzem Herzen. Und er ist fest entschlossen, der inzwischen Vierundachtzigjährigen all das Gute zurückzugeben, das sie für ihn getan hat.

Aber als sich die Situationen häufen, in denen Merle ausgesprochen verwirrt wirkt und sie nicht mehr zu wissen scheint, wo sie ist, ahnt Laurin, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmt. Tief besorgt bringt er seine Urgroßmutter in den Asklepios-Tempel, eine Klinik, die unter den Reichsten der Reichen einen ausgezeichneten Ruf genießt. Schließlich soll es Merle an nichts fehlen!

Doch nach einem kurzen Anamnese-Gespräch wird Laurin hier vor eine schreckliche Wahl gestellt: Entweder stimmt er gegen Merles Willen zahlreichen unangenehmen Untersuchungen zu, oder aber er muss sich damit abfinden, dass er sie bald verlieren wird. Kopf oder Bauch? Wie soll er sich nur entscheiden? Oder gibt es womöglich noch eine dritte Option?

„Kaffee, Milch, Butter, Käse, ähm …“

Laurin steckte sich den Kugelschreiber, mit dem er die Sachen notierte, die er einkaufen sollte, hinters Ohr und zog die Schublade auf, in der das Brot aufbewahrt wurde.

„Okay, das ist auch schon wieder fast alle.“ Er fügte seiner Liste ein Brot hinzu und öffnete dann den Kühlschrank. Zwei Eier waren noch in dem dafür vorgesehenen Fach.

Er überlegte kurz, dann verließ er die ziemlich altmodisch eingerichtete, aber dafür urgemütliche Wohnküche und ging drei Räume weiter ins Wohnzimmer.

„Ich laufe rasch zum Supermarkt. Wie viele Eier soll ich kaufen, Grommy? Zwei sind noch da.“

Grommy, das war ein Wortmix, den er selbst mit etwa eineinhalb Jahren erfunden hatte. Dieser Name beinhaltete drei Generationen: Mutter, Großmutter und Urgroßmutter.

Genau genommen eigentlich noch sehr viel mehr als nur das. Wenn Laurins Wortschatz mit eineinhalb schon groß genug gewesen wäre, dann hätte er sie vermutlich ganz anders genannt.

Mein Halt, beispielsweise, meine Sicherheit, mein Zuhause, meine Liebe, meine Zuflucht, mein Trost, der Mittelpunkt, um den sich mein ganzes Leben dreht. Oder etwas einfacher ausgedrückt: Meine ganze Welt.

Laurins leibliche Mutter war bei seiner Geburt erst sechzehn gewesen – und Lichtjahre davon entfernt, erwachsen, vernünftig oder verantwortungsbewusst zu sein. Sie hatte keine Verwendung für einen kleinen Schreihals gehabt, dessen Existenz sie leider viel zu spät entdeckt hatte, um ihn noch wegmachen lassen zu können.

Die Mutter seiner Mutter – Laurins Großmutter – war, wie Grommy oft sagte, der Stamm, von dem der Apfel leider nicht weit weg gefallen war. Das sollte heißen, dass sie genauso leichtlebig, unzuverlässig und verantwortungslos wie ihre Tochter gewesen war. Eigentlich hatte sich daran bis heute nichts geändert.

Auch sie hatte nach seiner Geburt sofort abgewunken und vorgeschlagen, ihn zur Adoption freizugeben.

Ein ungewisses Schicksal hätte Laurin erwartet, wäre da nicht Merle Isenberg gewesen, eine herzensgute, aber dennoch kämpferische Frau, die mit achtundfünfzig Jahren zur Urgroßmutter gemacht worden war.

Laurin war bereits drei Monate alt gewesen, als Merle über Umwege von seiner Existenz erfahren hatte. Weder ihre missratene Enkelin noch ihre missratene Tochter hatten sie über die Geburt des Urenkels informiert. Sie hatten beide Angst vor ihrer scharfen Zunge. Merle konnte sehr streng sein, aber sie war stets gerecht.

Sie hatte nur eine Stunde gebraucht, um herauszufinden, wo sich ihr Urenkel aufhielt. Mit wehenden Röcken war sie in das Kinderheim gerannt und hatte dem Jugendamt ihren Urenkel buchstäblich in letzter Sekunde entrissen. Er hatte nämlich genau an diesem Tag an ein Hospiz weitergereicht werden sollen, weil man ihn nicht für überlebensfähig hielt.

Sie hatte sämtliche Skeptiker, die sie für zu alt befanden, um noch ein Kind aufzuziehen, mundtot gemacht. Wie eine Löwin hatte sie gekämpft – und gewonnen.

Und weil der Junge wegen Alkohol- und Drogenmissbrauchs in der Schwangerschaft viel zu klein, zu zart und außerdem sehr kränklich gewesen war und sie absolut nicht daran gedacht hatte, diesen Umstand widerspruchslos hinzunehmen, hatte sie ihn Laurin genannt. Nach dem sagenhaften Zwergenkönig, der der Sage nach stärker als zwölf ausgewachsene Männer, mutiger als ein Löwe, kämpferisch und schlau gewesen sein soll.

Den Namen, den ihm seine leibliche Mutter verpasst hatte, kurz bevor sie ihn wie ein Stück Abfall in der Klinik zurückgelassen hatte, nämlich Justin-Kevin, den hatte sie noch am selben Tag aus seinen amtlichen Dokumenten streichen lassen.

Dann hatte sie unverzüglich damit begonnen, ihn aufzupäppeln. Statt Babymilch aus dem Drogeriemarkt hatte Laurin frische Schafmilch vom Biobauern bekommen. Statt Fertigbrei aus dem Gläschen gab es selbst gemixten Obst- und Gemüsebrei, den sie zusätzlich noch mit selbst gesammelten Wildkräutern anreicherte, die alle wichtigen Vitamine und Nährstoffe enthielten.

Mit etwa einem Jahr war aus dem kränklichen, mageren Baby mit der fahlen, runzeligen Haut, den farblosen, trüben Augen und den katastrophalen Blutwerten ein rosiger, kerngesunder Prachtjunge geworden, der in seiner körperlichen und geistigen Entwicklung fast allen Gleichaltrigen weit voraus war.

Mit Merle Isenberg hatte Laurin das ganz große Los gezogen. Mit ihrer grenzenlosen Liebe und ihrem gesunden Verstand hatte seine Grommy in kürzester Zeit all die düsteren Vorzeichen, unter denen er geboren worden war, ins Positive verkehrt.

Heute, mit fünfundzwanzig, war er ein stattlicher junger Mann. Groß gewachsen, gut aussehend, kerngesund und intelligent genug, um sein IT-Studium in der kürzestmöglichen Zeit und mit dem bestmöglichen Abschluss durchzuziehen.

Seit zwei Jahren arbeitete er nun schon in einer der Frankfurter Großbanken als Leiter der Abteilung für Softwareentwicklung und Internetsicherheit. Für seine jungen Jahre verdiente er verdammt viel Geld. Und das brauchte er auch, denn er hatte vor, seine Grommy für all die Mühen und Entbehrungen, die sie seinetwegen auf sich genommen hatte, zu entschädigen.

Keine einzige Socke durfte sie mehr waschen. Einen Putzlappen auch nur anzugucken, hatte er ihr strengstens verboten. Und wenn sie aus alter Gewohnheit den Staubsauger aus dem Keller holen wollte, dann tat Laurin mit ihr, was sie früher mit ihm gemacht hatte, wenn er in der Schule nicht tüchtig gelernt hatte – er las ihr die Leviten, blies ihr den Marsch und geigte ihr die Meinung.

Aber selbst wenn sie gewollt hätte, sie hätte ohnehin kaum jemals Zeit für Hausarbeit gehabt, denn ihr Terminkalender war stets rappelvoll. Fußpflege, Kosmetik, Massage, Friseur, Seniorenschwimmen, Wellness, Oper, Theater, Kabarett, Ausflüge, Kreuzfahrten und tausend andere aufregende oder entspannende Unternehmungen füllten ihre alten Tage aus.

Laurin wollte, dass sie glücklich war. Er hätte alles dafür getan, hätte ihr, wenn das möglich gewesen wäre, sogar seine halbe Lebenszeit geschenkt, damit er sie noch viele, viele Jahre bei sich haben durfte. Umso schlimmer erwischte es ihn jetzt, als sie den Kopf hob und ihn erst verwirrt und dann belustigt anblickte.

„Eier? Wofür brauchen wir denn Eier, mein Junge?“

„Fürs Frühstück, zum Beispiel, Grommy. Wir essen doch beide gerne Eier zum Frühstück Ich gekocht und du als Spiegeleier.“

Sie erhob sich von dem Drehhocker, auf dem sie vor einer Staffelei saß und einem ihrer Hobbys frönte. Jahrelang hatte sie keine freie Sekunde zum Malen gehabt. Jetzt konnte sie endlich wieder ihre Jugenderinnerungen mit kräftigen Ölfarben auf der Leinwand festhalten.

Sie hatte gerade ein Bild von einem Stück Strand auf Sylt in Arbeit, an das sie sich noch aus ihrer Kindheit – sie war auf Sylt aufgewachsen – erinnern konnte. Ein Strand, wie er vor achtzig Jahren noch ausgesehen hatte.

„Eier! Und dann auch noch mit Spiegel!“, sagte sie lachend und kam kopfschüttelnd auf ihn zu. „Du willst mich wohl veräppeln, du kleiner Schelm? Wer, um alles in der Welt, isst denn Eier? Oder gar einen Spiegel?“

„Du und ich und so ziemlich alle Leute, die wir kennen“, erwiderte Laurin schmunzelnd, der sich an den Gedanken klammerte, seine Grommy mache nur Spaß.

Ihm mit erhobenem Zeigefinger drohend, machte sie zwei weitere Schritte vorwärts, bis sie dicht vor ihm stand.

„Jan, du schlimmer Junge!“, sagte sie lachend. „Es ist ganz, ganz garstig von dir, dass du deine kleine Schwester ständig auf den Arm nimmst. Wenn du nicht damit aufhörst, petze ich es Papa, dass du gestern bei Herrn Brehmer nachsitzen musstest, weil du im Unterricht schon wieder nichts als Unfug getrieben hast!“

Jan, das war Merles großer Bruder gewesen. Er hatte sie all die Jahre über finanziell unterstützt, damit sie über die Runden kamen. Vor noch nicht ganz zwei Jahren war er gestorben. Sie hatten seine Asche vor Sylt ins Meer gestreut. So hatte er es sich gewünscht.

„Ich bin Laurin, Grommy!“ Seine Unterlippe begann zu zittern. Er klemmte sie sich zwischen die Zähne und biss fest darauf, bis das Zittern nachließ. Dann blickte er in ihre geweiteten Augen, aus denen sie ihn verwirrt anstarrte. „Du wirst mir doch nicht vergesslich werden, oder? Bitte! Tu mir das nicht an!“

Jetzt begann es auch im Gesicht der weißhaarigen alten Dame, die mit ihren vierundachtzig Jahren immer noch eine ehrfurchtgebietende, stattliche Erscheinung war, verdächtig zu zucken.

„Natürlich bist du Laurin. Wer sonst? Das dumme Bild ist schuld!“, behauptete sie und deutete mit dem Kinn auf die Staffelei. „Ich habe beim Malen an früher gedacht. Daran, wie Jan mich immer mit seinen verrückten Geschichten aufgezogen hat.“

Sie kicherte wie ein kleines Mädchen hinter vorgehaltener Hand.

„Zum Beispiel hat er mir eingeredet, dass die Löcher in den Ringbucheinlagen, die wir in der Schule benutzten, in einer Fabrik gemacht würden, in der tausend Hummer auf einem Förderband im Kreis herumfahren und die Löcher in das Papier zwicken würden. Als ich noch klein war, habe ich ihm das tatsächlich geglaubt und mich damit überall zum Affen gemacht.“

„Ja, das sieht Onkel Jan wirklich ähnlich.“ Laurin lachte erleichtert auf. Jan Olavson war in der Tat ein richtiger Witzbold gewesen. Er musste es wissen, denn die früheren Besuche bei Onkel Jan auf Sylt waren immer ein unglaublicher Spaß für Laurin gewesen. Jan hatte ihn ständig auf den Arm genommen.

Und dass Merle beim Malen in die Vergangenheit abgedriftet war, das konnte er ebenfalls gut nachvollziehen. Es war also alles in bester Ordnung.

Beinahe zumindest. Blieben nur noch …

„Und die Eier, Grommy? Weißt du jetzt wieder, was Eier sind?“

Sie reckte trotzig ihr Kinn in die Höhe und schaute ihn herausfordernd an.

„Natürlich weiß ich, was Eier sind! Hältst du mich etwa für senil?“

„Nein, tut mir leid. Also, wie viele soll ich kaufen?“

„Ach was!“ Sie machte eine ungeduldige Handbewegung. Dieses Gespräch war ihr sichtlich unangenehm. „Kaufe gleich zwei, drei Kilo. Und so viele Spiegel, wie du willst. Das Wochenende steht vor der Tür. Und wenn wir sie so gerne zum Frühstück essen, dann werden wir sie schon brauchen. Aber lass dir bloß keine welken, verschrumpelten andrehen!“

„Okay, Grommy.“ Laurin zwang sich zu einem unbefangenen Lächeln. Er konnte ihr deutlich ansehen, dass sie beunruhigt war, und wollte diesen Zustand nicht noch weiter verschlimmern.

Aber eines stand fest: Sie hatte keine Ahnung, was Eier waren. Die waren über Nacht aus ihrem Gedächtnis verschwunden. Genauso wie das Abendgeläut der Kirchenglocken, das sie seit zig Jahren Tag für Tag hörte und das sie gestern für Fliegeralarm gehalten hatte. Mit ängstlicher Kleinmädchenstimme hatte sie ihn gebeten, sie in den Luftschutzbunker zu bringen.

Das Herz zog sich in seiner Brust krampfartig zusammen. Jetzt konnte er sich nicht mehr selbst betrügen und sich einreden, dass sie nur scherzte oder gerade unkonzentriert war. In ihrem Gehirn braute sich etwas zusammen, was ihm Angst machte. Große Angst. Angst davor, den wichtigsten und liebsten Menschen in seinem Leben zu verlieren.

„Ich bin in einer halben Stunde zurück, Grommy!“ Er bemühte sich um einen möglichst unbefangenen und fröhlichen Tonfall. „Soll ich sonst noch was mitbringen?“

„Nein, danke, mein Lieber.“

Sie kehrte wieder an ihre Staffelei zurück und begann damit, kleine weiße Schaumkronen auf die Wellen der sturmgepeitschten Nordsee zu tupfen.

„Oder doch, warte!“, rief sie ihn noch einmal zurück, als er schon an der Haustür war. „Nimm dir fünfzehn Reichspfennige aus meiner Spardose, und bring eine Zigarre mit, Jan. Für Papa. Aber eine von den Guten aus Ole Sörensens Tabakladen. Du musst sie jedoch vor Mama verstecken. Du weißt ja, sie mag es nicht, wenn Papa raucht.“

***

„Wenn Sie eine Krankheit vollständig ausrotten könnten, Herr Dr. Kersten, nur eine, welche wäre das dann?“

Dr. Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme an der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, hätte sich beinahe an seinem Kaffee verschluckt, als ihm diese Frage völlig unvermittelt gestellt wurde.

Es war Freitagabend, kurz nach sechs, und in der Notaufnahme herrschte gerade die berühmt-berüchtigte Ruhe vor dem Sturm. Und da es der erste Freitag im Monat war und die Löhne erst vor zwei Tagen ausbezahlt worden waren, würde es heute nicht bloß ein gewöhnlicher Sturm, sondern ein Orkan werden.

Um diese Uhrzeit saßen nun auch die Arbeiter, die nicht das Glück hatten, an Freitagen schon gegen Mittag Feierabend machen zu können, in den Kneipen.

Erfahrungsgemäß würden etwa zwei Stunden später die ersten Bierflaschen auf den ersten Köpfen zerplatzen. Die ersten Ehefrauen, die verhindern wollten, dass ihre Männer den halben Monatslohn vertranken, würden gegen die Kneipentüren laufen und sich dabei aufgeplatzte Lippen oder ein blaues Auge holen.

Gegen zehn begannen dann die wirklich üblen Schlägereien, bei denen mitunter auch Messer zum Einsatz kamen. Ab Mitternacht war mit jenen zu rechnen, die vom Barhocker gefallen waren, weil durch ihre Adern fast nur noch hochprozentiger Korn floss.

Und in den frühen Morgenstunden kamen die, die ganz sicher waren, dass sie auch mit drei Promille Alkohol im Blut noch super Autofahren konnten … und sich darin leider täuschten.

Doch jetzt war es noch ruhig. Und das nutzte die Belegschaft der Notaufnahme, um Kraft für den bevorstehenden Freitagnacht-Wahnsinn zu tanken.

„Geht‘s noch?“, beantwortete Peter die ihm eben gestellte Frage mit einer Gegenfrage. „Seit wann siezen wir uns, Elmar?“

Der junge rothaarige Assistenzarzt errötete. Das tat er oft. Selbst dann, wenn er nur nach der Uhrzeit gefragt wurde.

Früher war er schrecklich schüchtern und gehemmt gewesen. Seit er jedoch eine Freundin und ein kleines Töchterchen hatte – das eigentlich die elternlose kleine Schwester seiner Freundin war –, die er beide über alle Maßen liebte, war er schon sehr viel selbstsicherer geworden.

„Weil das ein Interview ist, und da macht man das nun einmal so.“

Elmar Rösner hielt seinem Chef ein kleines Diktiergerät vor den Mund. So dicht, dass Peter sich einen Scherz nicht verkneifen konnte und so tat, als wolle er davon abbeißen.

„He! Nicht! Das Teil hat ein Schweinegeld gekostet. Glaube ich zumindest. Lena hat es mir gestern geschenkt, damit ich nicht immer alles aufschreiben muss.“