Der Notarzt 347 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 347 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Bootsausflug mit schlimmen Folgen
Wie ein Sommertag zur tödlichen Bedrohung wurde
Von Karin Graf

Glücklich genießt die angehende Ärztin Xenia die rasante Fahrt über die Autobahn. Mit ihrem neuen Freund Darius ist sie auf dem Weg zu seiner eigenen Jacht, die in einem Hafen an der Ostsee liegt. Die Sonne strahlt vom Himmel, und sie werden garantiert eine himmlische Zeit auf dem Wasser verleben. Alles scheint perfekt zu sein.
Doch zur gleichen Zeit sind der Notarzt Dr. Peter Kersten und sein Team auf der verzweifelten Suche nach Darius und Xenia. Die beiden waren bis vor wenigen Stunden noch in der Frankfurter Sauerbruch-Klinik - Xenia als Praktikantin, Darius als Patient. Und die Mediziner wissen nur zu gut, dass Xenia einen schwerwiegenden Fehler begangen hat, indem sie mit ihrem Freund "getürmt" ist. Die junge Frau will nämlich nicht wahrhaben, was die anderen Ärzte auf den ersten Blick erkannt haben: Darius ist gefährlich, und es ist kaum vorstellbar, was er Xenia womöglich alles antun wird ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Bootsausflug mit schlimmen Folgen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: PeopleImages / iStockphoto

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-8282-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Bootsausflug mit schlimmen Folgen

Wie ein Sommertag zur tödlichen Bedrohung wurde

Karin Graf

Glücklich genießt die angehende Ärztin Xenia die rasante Fahrt über die Autobahn. Mit ihrem neuen Freund Darius ist sie auf dem Weg zu seiner eigenen Jacht, die in einem Hafen an der Ostsee liegt. Die Sonne strahlt vom Himmel, und sie werden garantiert eine himmlische Zeit auf dem Wasser verleben. Alles scheint perfekt zu sein.

Doch zur gleichen Zeit sind der Notarzt Dr. Peter Kersten und sein Team auf der verzweifelten Suche nach Darius und Xenia. Die beiden waren bis vor wenigen Stunden noch in der Frankfurter Sauerbruch-Klinik – Xenia als Praktikantin, Darius als Patient. Und die Mediziner wissen nur zu gut, dass Xenia einen schwerwiegenden Fehler begangen hat, indem sie mit ihrem Freund „getürmt“ ist. Die junge Frau will nämlich nicht wahrhaben, was die anderen Ärzte auf den ersten Blick erkannt haben: Darius ist gefährlich, und es ist kaum vorstellbar, was er Xenia womöglich alles antun wird …

In den frühen Morgenstunden, als der Großteil der Frankfurter Bevölkerung noch im Tiefschlaf lag, hielt ein auf Hochglanz polierter silbergrauer Wagen direkt vor dem Haupteingang der Sauerbruch-Klinik an.

Schwester Barbara, die hinter dem Empfangstresen saß, kannte sich mit Automarken überhaupt nicht aus. Sie interessierte sich auch nicht dafür. Dieses Gefährt aber, das erkannte sie auf den ersten Blick, musste so ungefähr das Zehnfache ihres Jahresgehalts gekostet haben.

Mit Automarken kannte sie sich, wie gesagt, nicht aus, dafür aber mit den Besitzern solcher Fahrzeuge, die äußerlich auf unscheinbar machten – keine Zierleisten, keine extrabreiten Reifen, keine auffällig geschwungenen Heckflossen oder sonstige Extravaganzen –, denen man es aber trotzdem auf den ersten Blick ansah, dass der Besitzer nicht zur Spezies der „kleinen Leute“ gehörte.

„Hoffentlich bleibt der hier nicht stehen“, murmelte die Pflegerin und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Erst vier nach zwei“, stellte sie enttäuscht fest. Der Nachtdienst zog sich heute wieder einmal endlos dahin, und rein gefühlsmäßig hätte sie die Zeit auf mindestens halb sechs geschätzt. „Noch fünf Stunden!“

Der Wagen stand noch immer im Halteverbot. Wenn er das noch länger tat, musste sie hinausgehen und den Fahrer höflich darum bitten, sein schickes Vehikel auf dem gegenüberliegenden Parkplatz abzustellen. Die Antwort auf ihre Bitte konnte sie jetzt schon in Gedanken hören. Diese Typen sagten doch immer das Gleiche. Sie wissen wohl nicht, wen Sie hier vor sich haben, gute Frau!

Wenn er seinen Spruch abgesondert hatte, musste sie ihn dennoch dazu bewegen, wegzufahren. Und sie durfte sich dabei keinesfalls im Ton vergreifen, denn schließlich repräsentierte sie ja die Sauerbruch-Klinik.

Es war ein richtiges Kunststück, freundlich zu lächeln, während man von so einem reichen Schnösel heruntergeputzt und dabei angeguckt wurde, als sei man ein Fettfleck auf seinem Anzug.

Wenn es trotz aller Appelle an seine Vernunft nicht klappte und er demonstrativ stehen blieb, musste sie den Abschleppdienst anrufen. Dann wurde es üblicherweise erst so richtig haarig. Typen, die so großzügig austeilten, wurden nämlich plötzlich sehr kleinlich, wenn sie selbst eine Niederlage einstecken sollten.

„Ach, komm, zieh Leine! Bitte!“, seufzte sie. Doch er tat das Gegenteil, er stieg aus. Und er sah genauso aus, wie sie ihn sich vorgestellt hatte. Ein Herrenmensch von etwa Ende fünfzig oder Anfang sechzig mit akkurat gescheiteltem Haar, das an den Schläfen bereits grau wurde. Sein hellgrauer Businessanzug saß so perfekt, dass er ihm nur auf den Leib geschneidert worden sein konnte.

Im Gesicht trug er das typische Haifischlächeln, das Barbara nur allzu gut kannte und das genau das aussagen sollte, was er gleich laut aussprechen würde, wenn sie ihn bat, den Wagen wegzufahren: Sie wissen wohl nicht, wen Sie hier vor sich haben, gute Frau!

„Also dann, auf in den Kampf.“

Mit langen Schritten eilte die Pflegerin auf die gläserne Drehtür zu. Als sie nur noch wenige Meter davon entfernt war, stockten ihre Schritte. Der Mann hatte die Beifahrertür geöffnet und seiner elegant und teuer gekleideten Gattin galant beim Aussteigen geholfen.

Gemeinsam zerrten sie jetzt einen jungen Mann von der Rückbank, der entweder sehr krank oder komplett zugedröhnt und kurz vor einer Ohnmacht sein musste, denn als er jetzt auf dem Gehsteig stand, knickten seine Beine unter ihm ein, und die beiden mussten ihn stützen.

Schwester Barbara rannte ein paar Schritte zurück und schnappte sich einen Rollstuhl, von denen immer ein paar in der großen Eingangshalle bereitstanden. Sie ließ die Drehtür links liegen und öffnete die breite Seitentür.

„Warten Sie, ich helfe Ihnen!“

„Ein Rollstuhl! Vielen Dank, das ist wirklich sehr umsichtig von Ihnen, Schwester!“

Dem Mann schien ein Stein vom Herzen zu fallen. Seine Dankesworte klangen aufrichtig, doch die intuitive Abneigung, die Barbara bei seinem Anblick sofort empfunden hatte, blieb trotz seines freundlichen Lächelns.

Neid oder Instinkt?, fragte sie sich. Doch jetzt war nicht die Zeit dazu, das zu ergründen. Sie schob den Rollstuhl dicht hinter den etwa zwanzig- bis maximal fünfundzwanzigjährigen jungen Mann. Seine Eltern – vermutlich waren sie das –, die ihn fest an beiden Oberarmen gepackt aufrecht hielten, ließen ihn behutsam auf die Sitzfläche nieder.

„Was fehlt ihm denn?“

„Das wissen wir nicht so genau“, erwiderte der Mann. „Er hatte … eine Art Anfall … oder so etwas in der Art.“

„Er war heute den ganzen Tag zu Hause“, fügte die Frau hinzu. „Es ging ihm den ganzen Tag lang nicht besonders. Er war den ganzen Tag lang alleine. Im Bett.“

„Einen epileptischen Anfall?“, hakte Schwester Barbara nach.

„Könnte sein.“

„Hat er so was öfter mal?“

„Hin und wieder.“

„Gibt es eine Diagnose? Sie haben ihn deswegen doch bestimmt schon einmal untersuchen lassen.“

„Eine pubertäre Nervenstörung. Vorübergehend. Nichts, worüber man sich den Kopf zerbrechen müsste. So lautete zumindest die Diagnose eines renommierten Spezialisten.“

Schwester Barbara blickte misstrauisch von dem Patienten, der im Rollstuhl vornübergesunken war, zu dessen Vater. Selbst wenn der Patient erst zwanzig sein sollte, war das doch ein bisschen spät für eine vorübergehende pubertäre Störung. Und sie hatte das drängende Gefühl, dass der Mann sie wissentlich anlog.

Aber wie auch immer, es war nicht ihr Job, herauszufinden, was hier nicht stimmte. Sie beugte sich über den jungen Mann und wollte ihn unter beiden Armen fassen, um ihn aufzurichten und anzuschnallen, als die Frau sie plötzlich hinten am Kittel packte und sie mit einem beinahe panischen „Nicht!“ zurückreißen wollte.

„Was denn? Ich will ihm ja nichts tun“, erwiderte Barbara kopfschüttelnd und befreite sich mit einem Ruck aus dem festen Griff der Frau. „Ich schnalle ihn nur lieber an, sonst rutscht er Ihnen auf dem Weg zur Notaufnahme vom Sitz und verletzt sich womög…“

Jetzt war sie es, die panisch aufschrie. Es war alles so schnell gegangen, dass sie nicht mehr rechtzeitig reagieren konnte.

Die Augen des jungen Mannes, die zuvor bis auf einen schmalen Schlitz geschlossen gewesen waren, klappten plötzlich auf, und er starrte sie an. Später hätte sie schwören können, dass sie sich im Bruchteil einer Sekunde von einem hellen Stahlblau zu einem undurchdringlichen Schwarz verfärbt hatten.

Blitzschnell packte er ihren langen rotblonden Pferdeschwanz, der ihr nach vorne gefallen war, als sie sich über ihn gebeugt hatte. Er hielt das Ende fest und schlang sich die lange dicke Strähne zweimal um sein Handgelenk. Daran zerrte er sie an den Haaren tief nach unten und öffnete seinen Mund.

Barbara hätte die Hand dafür ins Feuer gelegt, dass er ihr die Nase oder sonst was abgebissen hätte, wäre es dem Mann nicht in letzter Sekunde gelungen, sie zu befreien. Beweisen konnte sie es natürlich nicht, denn als alles vorüber war, hing der Patient wieder zusammengesunken und halb bewusstlos im Rollstuhl. Die Augen geschlossen, die Hände kraftlos in seinem Schoß, das Gesicht fahlweiß. Als ob nichts gewesen wäre.

Er machte den Eindruck, als ob er nicht einmal mehr die Kraft dazu hätte, auch nur ein Blatt Papier festzuhalten. Es wäre ein Leichtes gewesen, ihr einzureden, dass sie sich alles nur eingebildet hatte, wenn ihre Kopfhaut nicht noch immer wie Feuer gebrannt hätte.

„Eine Art unwillkürlicher, spastischer Krampf“, erklärte der Mann das Verhalten seines Sohnes. „Das gehört zu diesen Anfällen dazu. Dann hat er seinen Körper nicht mehr unter Kontrolle. Dann zuckt er am ganzen Leib und hält sich krampfhaft irgendwo fest. Aus Angst, verstehen Sie?“

Der Mann redete so hektisch auf sie ein, als wollte er ihr eine andere Version dessen ins Gehirn einpflanzen, was sie eben selbst erlebt hatte.

„Aha?“ Barbaras Knie schlotterten, ihr Herz wummerte wie verrückt, und ihr Atem ging viel zu schnell. Sie hechelte wie ein Hund an einem sehr heißen Tag. Die Folgen eines plötzlichen Adrenalinausstoßes, wie sie wusste.

Immerhin war sie diplomierte Krankenpflegerin, und als solche kannte sie auch spastische Krämpfe. Und sie konnte sich nicht erinnern, dass jemals ein Spastiker versucht hätte, während eines Krampfanfalls jemanden umzubringen.

Doch genau das hatte der Patient vorgehabt. Sie hatte sich seine schwarzen Augen, das sardonische Grinsen und die aufblitzenden weißen Zähne ganz bestimmt nicht bloß eingebildet.

„Sie müssen Ihren Wagen von hier wegfahren“, keuchte sie und versuchte, ihren Atem und ihren Herzschlag wieder zu beruhigen, indem sie gegen den Druck ihrer leicht geschlossenen Lippen langsam ausatmete. „Hier wird recht schnell abgeschleppt.“

Sie schob ihr bebendes Kinn vor und deutete damit auf den kleinen Gästeparkplatz jenseits der schmalen Zufahrtsstraße.

„Sie können ihn gleich dort drüben abstellen, dann müssen Sie nicht erst in die Tiefgarage runter.“

„Natürlich!“ Der Mann wandte sich an seine vornehme Gattin, die einen ziemlich verstörten Eindruck auf Barbara machte. „Achtest du solange auf Darius, Liebling?“

Barbara sah genau, wie sich die Augen der Frau entsetzt weiteten. Hätte er sie darum gebeten, doch bitte mal für ein paar Minuten eine gereizte Klapperschlange zu hüten, wäre diese heftige Reaktion verständlich gewesen. Aber so …?

„Muss das …“, begann sie, brach aber sofort ab, als sie sich einen mahnenden Blick ihres Mannes einfing. „Natürlich, Schatz, aber beeil dich, bitte!“, murmelte sie stattdessen.

Es dauerte keine zwei Minuten. Doch während dieser Zeit – Barbara behielt die Frau genau im Auge – bildeten sich riesige Schweißflecken unter den Armen ihrer pfirsichfarbenen Seidenbluse.

„Ist das Ihr Sohn?“, erkundigte sich Barbara im lockeren Plauderton, während die Blicke der attraktiven Frau gehetzt zwischen Rollstuhl und Parkplatz hin und her flogen.

„Ja.“

„Haben Sie Angst vor ihm?“

Ein völlig gekünsteltes, hohes Lachen war die Antwort auf Barbaras Frage.

„Angst? Vor meinem eigenen Sohn? Sind Sie verrückt?“

„Entschuldigen Sie, bitte. Ich dachte nur, dass ich vielleicht ein bisschen Angst hätte, wenn ich wüsste, dass mein Sohn Krämpfe bekommt, die ihn dazu veranlassen, Dinge zu tun, die er nicht kontrollieren kann.“

„Das … das ist … so … so ist das nicht“, stammelte die Frau, und auf ihrer Stirn bildeten sich feine Schweißtröpfchen.

In dem Moment kam der Mann zurück, und Barbara konnte nicht weiter nachbohren. Sie zeigte den beiden den Weg zur Notaufnahme und nahm sich vor, bei Gelegenheit dort nachzufragen, zu welcher Diagnose Dr. Kersten gelangt war.

Eine pubertäre Nervenstörung hatte der junge Mann ganz sicher nicht. Und ganz ehrlich: Wenn dieser gruselige Typ Barbaras Sohn gewesen wäre, dann hätte sie keine Nacht mehr ruhig schlafen können.

Gut möglich, dass ihre eigenen Nerven ein bisschen überreizt waren. Immerhin war es nach zwei Uhr morgens, die Zeit bis Mitternacht war heute sehr turbulent gewesen, und sie hatte bereits einige dramatische Szenen hinter sich.

Aber auch wenn dieser Darius das Gesicht eines Engels hatte – aus seinen schwarzen Augen hatte ihr die Hölle entgegengeblickt. Den Moment, in dem er seine schneeweißen Filmstarzähne gebleckt hatte, den würde sie im Leben nie mehr wieder vergessen. Es wäre ihr vor Angst beinahe das Herz stehen geblieben.

***

„Da ist eine uralte Frau im Warteraum, Herr Dr. Kersten.“

In der Notaufnahme blieb Xenia Lemke ziemlich unschlüssig in der offenen Tür zum Bereitschaftsraum stehen, verschränkte ihre Hände hinter dem Rücken, weil sie wieder einmal nicht wusste, wohin damit, und senkte befangen den Blick.

Mit ihren dreiundzwanzig Jahren wirkte sie oft noch recht kindlich und unbeholfen. Die vielen fremden Menschen, die Hektik, die in der Notaufnahme oft herrschte, und – allem voran – der Anblick nackter Männer, der sich in einem Krankenhaus nun einmal nicht vermeiden ließ, setzten ihr fallweise ganz schön zu.

Xenia hatte ihr Medizinstudium in der schnellstmöglichen Zeit absolviert und ihr einjähriges Praktikum vor drei Wochen an der Sauerbruch-Klinik begonnen.

Eigentlich hätte sie nachts in der Notaufnahme gar nichts zu suchen gehabt, denn Nachtdienste waren für Praktikanten nicht vorgesehen. Aber sie hatte wenigstens einmal dabei sein wollen, und Peter Kersten, der Leiter der Notaufnahme, hatte nach mehrmaligem Bitten schließlich nachgegeben und es ihr erlaubt.

„Von siebzig bis hundertfünfzehn nennen wir das hier eine ältere Dame, Xenia“, korrigierte Oberschwester Nora die junge Frau mit den langen blonden Haaren. „Alte Frau, das klingt nicht so toll.“ Nora Lechner lachte. „Mit fast vierzig lege ich da schon großen Wert drauf. Immerhin nähere ich mich ja schon selbst mit Riesenschritten dem Ältere-Damen-Stadium.“

„Oh, ja, klar, sorry!“

Wenn Nora, die mit ihrer groß gewachsenen, schlanken Figur und dem langen dunklen Pferdeschwanz ohne Weiteres für Ende zwanzig durchgegangen wäre, auf heftigen Widerspruch spekuliert hatte, so wurde sie bitter enttäuscht. Mit fast vierzig – genau genommen waren es noch gute zwei Jahre bis dahin – war sie wohl für Xenia tatsächlich eine ältere Dame.

„Das hast du jetzt von deinem fishing for compliments, du ältere Dame“, sagte Peter lachend und stieß die Oberschwester mit dem Ellbogen in die Seite. „Leg doch ruhig mal die geschwollenen Füße ein bisschen hoch“, witzelte er. „Soll ich dir dein Wurstbrot einweichen, damit du es besser beißen kannst?“

„Ha, da spottet der Richtige!“, schoss Schwester Nora zurück. „Ich bin fast vierzig, du bist über vierzig, mein Lieber. Also weich dir dein Brot gefälligst selbst ein, du alter Knacker!“