Der Notarzt 395 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 395 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Katrin Neugebauer ist extrem ehrgeizig und steht ständig unter Strom. Dementsprechend viel hat sie in ihrem Leben schon erreicht. Die Dreißigjährige ist nicht nur glücklich verheiratet und Mutter von kleinen Zwillingsjungen, sie hat auch ihr Medizinstudium fast abgeschlossen und arbeitet nebenher als Rettungssanitäterin.
Auf einer ihrer Rettungsfahrten kommt Katrin zu einem besonders schweren Unfall. Eine junge Frau ist mit ihrem Wagen gegen einen Brückenpfeiler geprallt und eingeklemmt. Katrin tut, was sie kann. Sie spricht noch mit dem Unfallopfer und hält es bei Bewusstsein. Schließlich wird die junge Frau aus dem Wagen befreit und in die Klinik gebracht. Alles scheint gut gegangen zu sein. Erleichtert setzt die Rettungssanitäterin ihre Schicht fort.
Doch als sie später einen weiteren Notfall in die Waldner-Klinik einliefert, erhält Katrin die Nachricht, dass das Unfallopfer es doch nicht geschafft hat. Die junge Frau ist verstorben. Kurz nach Erhalt dieser Hiobsbotschaft bricht die Sanitäterin in der Waldner-Klinik zusammen ...


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Seitenzahl: 116

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Inhalt

Cover

Die unsichtbare Patientin

Vorschau

Impressum

Die unsichtbare Patientin

Dr. Kersten und eine junge Frau, die nicht erkannt werden wollte

Karin Graf

Erschöpft lässt sich Dr. Peter Kersten auf die Couch im Ruheraum der Notaufnahme sinken. Stundenlang hat er gerade in einer dramatischen OP um das Leben einer jungen Frau gekämpft. Alles, was er jetzt braucht, ist etwas Schlaf. Doch noch bevor er seine Augen schließen kann, meldet sich das Telefon mit einem schrillen Klingeln.

»Die Patientin ist nicht mehr da! Weg! Verschwunden! Oder unsichtbar! Ihr Bett ist leer«, berichtet Schwester Tanja von der Intensivstation mit aufgelöster Stimme.

»Das kann nicht sein!« Der Notarzt runzelt unwillig die Stirn. »Die Frau wäre um ein Haar gestorben. Sie ist schwer verletzt und hat einen enorm hohen Blutverlust erlitten. Ich glaube kaum, dass sie dazu fähig ist, aus dem Zimmer zu spazieren.« Er seufzt. »Ich komme rauf.«

Doch als Dr. Kersten wenige Minuten später das Zimmer der Patientin betritt, stockt ihm der Atem. Das ungemachte Bett ist tatsächlich leer, die Elektroden der Überwachungsgeräte liegen kreuz und quer auf dem Laken verstreut. Was ist hier nur passiert?

Es begann am Dienstagmorgen um halb sechs. Die Sonne war noch gar nicht richtig aufgegangen, doch man konnte bereits erkennen, dass sich hier in Frankfurt am Main ein strahlend schöner und warmer Frühlingstag anbahnte.

Die ersten Vögel waren bereits unterwegs und stürzten sich – nach dem Motto: Der frühe Vogel fängt den Wurm – laut zwitschernd auf alles, was klein war, lecker aussah und im Gras krabbelte oder sich auf der Erde ringelte.

Victoria Sanders lag noch im Bett und schlief, als unten in der Diele plötzlich das Telefon zu schrillen begann.

»Ach, hör doch auf, du dummes Ding!«, maulte sie schlaftrunken und steckte den Kopf unter das Kissen. »Vier, fünf, sechs ...«, zählte sie die durch die Daunen nur unzureichend gedämpften Klingeltöne mit. Nach zwölfmal Klingeln kickte das Telefon den Anrufer immer aus der Leitung. Also noch mal so viele. »Acht, neun, zehn, elf, zwölf. Und tschüss!«

Sie zog den Kopf wieder unter dem Kissen hervor, streckte sich, ohne die Augen zu öffnen, rollte sich unter der Decke zusammen und versuchte, wieder in den Traum hineinzukommen, den das bescheuerte Klingeln so unsanft unterbrochen hatte.

Es war ein wunderschöner Traum gewesen. Von ... also ... Sie hatte geträumt ... ähm ...

»Mist, weg!« So sehr sie auch nachdachte, sie konnte sich nicht mehr erinnern. Nur noch an das wundervolle Gefühl, das sie im Traum gehabt hatte. »Verdammtes Telefon!«

Wie aufs Stichwort begann es erneut zu klingeln. Wieder zwölf Mal. Und dann gleich wieder von vorne.

»Da muss irgendwas passiert sein!«, schoss es ihr durch den Kopf. Klar, wer würde denn ohne zwingende Notwendigkeit jemanden morgens um halb sechs aus dem Bett klingeln wollen? So jemanden kannte sie zumindest nicht. Noch nicht!

Am Anfang der vierten Zwölfmal-klingeln-Serie sprang sie aus dem Bett und rannte die knarzende Holztreppe nach unten.

»Sanders. Hallo? Was ist los?«

»Guten Morgen. Sind Sie Victoria Sanders?«

»Wer will das wissen?«

»Yvonne Zenker von der Morgenshow Der frühe Vogel fängt den Wurm. Ich wollte Sie gerne ...«

»Danke, aber ich bin nicht an Würmern interessiert!« Damit knallte Vicky den Hörer auf den Apparat. Ihr Herz klopfte wie verrückt, ihr war heiß und kalt zugleich geworden, und sie atmete schwer.

Jetzt fiel ihr wieder ein, wovor Frau Huber sie gewarnt hatte. Sie ahnte, was ihr bevorstand und dass es nicht bei diesem einen Anruf bleiben würde.

»Verdammt noch mal!«, schrie sie und stampfte mit dem Fuß auf. »Was hab ich denn damit zu schaffen? Ich war das doch nicht! Ich kenne ihn doch nicht mal richtig! Lasst mich doch alle in ...«

Es begann abermals zu klingeln. Vicky hob den Hörer an ihr Ohr.

»Hören Sie mal, Sie Yvonne Sowieso! Ich bin ...«

»Pardon? Nein, hier ist Karsten Kämmer von Guten Morgen, was gibt's Neues? Ich möchte Sie ...«

»Ich weiß nicht, was es Neues gibt. Okay? Fragen Sie jemand anderen! Meine Nachbarin, beispielsweise. Die guckt den ganzen Tag lang aus dem Fenster und weiß immer, was es Neues gibt!«

Abermals knallte Vicky den Hörer auf. Diesmal dauerte die klingelfreie Pause nicht einmal lange genug, um ein einziges Mal einzuatmen.

Sie wartete bis zum zehnten Klingelton, um sich ein wenig zu beruhigen. Dann hob sie den Hörer ab und lieh sich Stimme und Tonlage ihrer besten Freundin Jutta aus, die Psychotherapeutin war und sich für ihre Patienten eine vor Mitgefühl und Verständnis nur so triefende Sprechweise angeeignet hatte.

»Telefonische Seelsorge. Sie sprechen mit Pastoralassistentin Gunda Glisch. Möchten Sie mir Ihren Namen sagen, oder möchten Sie mir lieber anonym mitteilen, was Ihnen Kummer bereitet? Wenn Sie den Pastor persönlich sprechen wollen, müssen Sie sich noch etwa zwei Stunden gedulden. Er schläft noch.«

Ein paar Sekunden lang herrschte Stille in der Leitung. Dann hörte sie eine gedämpfte Stimme. Jemand deckte die Sprechmuschel des Telefons nur unzureichend ab und rief jemandem etwas zu.

»He, Frau Knopp! Da ist irgend so eine Pfaffentussi von der Telefonseelsorge dran und nicht die Sanders. Ist das sicher die Nummer, die Sie von dieser Jutta Bischof bekommen haben?«

Vickys Herz hörte zu schlagen auf. Nicht für immer zum Glück. Nur ein paar Sekunden lang. Jutta! Ihre beste Freundin hatte sie verraten. Vielleicht sogar verkauft. Das musste sie jetzt erst einmal verdauen.

Sie riss das Telefonkabel – das Telefon fing gerade wieder zu klingeln an – mit einem Ruck aus der Wand, lehnte sich mit dem Rücken gegen den Garderobenschrank und ließ sich langsam abwärts gleiten, bis sie auf dem Boden hockte.

»Okay, mal nachdenken.«

Vicky war ein durch und durch positiver Mensch. Hass oder Rachsucht waren ihr völlig fremd. Deshalb suchte sie jetzt auch krampfhaft nach einer halbwegs plausiblen Ausrede für ihre Freundin Jutta.

Vielleicht hatte sie sich gedacht, Vickys Festnetznummer sei ja ohnehin ganz leicht herauszukriegen, also wäre es auch nicht weiter schlimm, sie den Presseleuten zu verraten.

Ja, so musste es gewesen sein. Und es stimmte ja auch. Frau Huber, eine ehemalige Nachbarin aus Berlin, hatte ihre Telefonnummer ebenfalls ausfindig gemacht. Dabei war Vicky erst drei Jahre alt gewesen, als sie und ihre Mutter von Berlin nach Frankfurt gezogen waren. Jetzt war sie vierundzwanzig. Und Mama war vor einem halben Jahr gestorben.

Bei diesem Gedanken schossen ihr sofort wieder die Tränen in die Augen.

»Mama! Immer wenn man dich mal braucht, bist du nicht da.«

Okay, jetzt war nun wirklich keine Zeit für Selbstmitleid. Und in diesem Fall konnte Mama, der früher wirklich fast alles andere wichtiger gewesen war, als Zeit mit ihrer Tochter zu verbringen, ja nun wirklich nichts dafür, dass sie nicht hier war.

Also, Frau Huber hatte Vicky gestern am späten Abend angerufen und sie vorgewarnt. Sie hatte ihr genau das prophezeit, was jetzt gerade passierte. Aber wie gesagt war Vicky ein durch und durch positiv denkender Mensch, und als solcher hatte sie Frau Hubers Warnung nicht besonders ernst genommen.

Sie hatte gedacht, dass es schon nicht so schlimm kommen würde. Und überhaupt hatte sie doch mit der ganzen Sache absolut nichts zu tun!

Die Sache war die, dass Vickys Vater, den sie seit einundzwanzig Jahren nicht mehr gesehen hatte, gestern mit ungefähr einer halben Milliarde Euro – Geld, das er als Vermögensberater für Firmen und reiche Privatpersonen hätte gewinnbringend anlegen sollen – die Fliege gemacht hatte. Er war untergetaucht. Abgedampft. Weg. Unauffindbar.

Vermutlich lag er jetzt irgendwo in einer Hängematte, die zwischen zwei Palmen am schneeweißen Strand eines azurblauen Meeres gespannt war, lachte sich einen Ast ab, ließ sich von bildschönen, blutjungen Hula-Hulamädchen knallbunte Cocktails servieren und dachte keine Sekunde lang darüber nach, was seine Tochter, um die er sich nie gekümmert hatte, jetzt seinetwegen durchmachen musste.

Die alte Mistmade machte sich mit einer halben Milliarde Euro irgendwo in der Karibik einen schönen Lenz, während Vicky jetzt seinetwegen von diffamierenden Schlagzeilen erschlagen und womöglich von den um ihre Kohle Geprellten zur Rechenschaft gezogen werden sollte.

Frau Huber, die an der Berliner Börse arbeitete und mit dem Schlitzohr schon öfter mal beruflich zu tun gehabt hatte, hatte von der Sache erfahren, bevor die Presse Wind davon bekommen hatte.

Sie hatte Vicky prophezeit, dass ihr die Journalisten die Tür einrennen würden, sobald sie spitzkriegten, dass sie die Tochter von Raimund Sanders war. Und spitzkriegen würden sie es, hatte sie gesagt, weil es ihr Job sei, alles spitzzukriegen.

Der Fall würde ziemlich heftige Wellen schlagen, hatte Frau Huber gesagt. Weil sich unter den Gelackmeierten nämlich auch ein paar sehr prominente Persönlichkeiten befänden. Und weil es ein so kapitales Verbrechen, bei dem es um so viel Geld ging, schon länger nicht mehr gegeben hätte.

Okay, es war also kein Kunststück, ihre Nummer herauszukriegen. Wahrscheinlich brauchte man nur ins Telefonbuch zu gucken und alle Sanders' durchzutelefonieren, bis die richtige Sanders so doof war, zuzugeben, dass sie die Richtige war. Was natürlich nie und nimmer der Fall sein würde, weil Vicky schließlich nicht auf den Kopf gefallen war. Ab sofort würde sie sich nie mehr unter ihrem eigenen Namen melden, wenn es klingelte.

Allerdings würde es sowieso nie wieder klingeln, weil sie nicht mal im Traum daran dachte, das Telefonkabel jemals wieder einzustöpseln.

Aber zurück zu Jutta. So hatte Jutta sich das bestimmt gedacht. Ja, ganz bestimmt sogar. Gemein und hinterhältig wäre sie nur dann gewesen, wenn sie den Presseleuten Vickys geheime Handynummer gegeben hätt...

Noch ehe sie diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, begann wie aufs Stichwort in der Küche ihr Handy zu klingeln. Aber das musste ja nicht unbedingt etwas Schlimmes bedeuten. Vielleicht war es ja Jutta, die sie ebenfalls vorwarnen wollte.

Unbekannter Teilnehmer, stand auf dem Display. Also nicht Jutta.

»Ja, bitte?«, meldete sie sich zurückhaltend.

»Guten Morgen! Hier ist Bernd Bunzel von Nachgedacht um acht. Ich spreche doch mit Frau Victoria Sanders? Ja? Wir würden gerne ein Interview mit Ihnen machen. Wäre es Ihnen recht, wenn wir mit einem Kamerateam zu Ihnen kommen? Sagen wir mal ... in einer Stunde?«

Vicky zwang sich dazu, cool zu bleiben, obwohl sie sich fühlte, als ob die Welt um sie herum untergehen würde. Und was jetzt?

»Hier spricht Karla Eichholz«, sagte sie so ruhig sie nur konnte. »Haben auch Sie meine Nummer von einer Frau Jutta Bischof bekommen?«

»Ja. Sie hat uns auch schon ein Interview gegeben und uns einiges über Frau Sanders erzählt.«

»Also, das ist ja echt merkwürdig. Ich hoffe, Sie haben ihr kein Geld dafür gegeben, denn die Telefonnummer, die Sie Ihnen angedreht hat, ist definitiv nicht die, die Sie wollten. Wie gesagt, ich heiße Eichholz und nicht Sandmann.«

Sie stieß ein neckisches und ein bisschen einfältiges Kichern aus.

»Und leider bin ich auch kein bisschen berühmt. Ich würde Ihnen wahnsinnig gerne ein Interview fürs Fernsehen geben. Ich stelle mir das ganz doll aufregend vor. Aber ich bin bloß Buchhalterin und kein Filmstar.«

»Na, das ist ja ein Ding!« Bernd Bunzel war hörbar empört. »Zehntausend hat diese Frau für Nummer und Interview verlangt. Also dann ... entschuldigen Sie bitte die Störung.«

»Wenn Sie das auch an Ihre Kollegen weiterleiten könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar. Sie sind nämlich bereits der Zehnte, der hier anruft. Die Dame hat wohl nicht nur bei Ihnen abgesahnt.«

»Okay, das mache ich gerne. Also dann, nichts für ungut und tschüss.«

»Tschüss.«

Sie schaltete das Handy aus, das sofort wieder zu klingeln begann, kaum dass sie die Verbindung getrennt hatte.

»Verraten und verkauft für zehntausend Silberlinge!« Vicky war erschüttert. Sie fühlte sich wie erschlagen. Sie hatte Jutta vertraut. Und sie hatte ihr fast alles aus ihrem Leben erzählt. Auch die peinlichen Dinge, die man sonst lieber für sich behielt. Wenn jetzt vielleicht ihre intimsten Geheimnisse über die Bildschirme flimmerten und in den Zeitungen standen, dann ...

Apropos! Sie stelzte auf zitternden Beinen ins Bad und schlüpfte in ihren Morgenmantel. Sie wollte nach draußen gehen und nachsehen, ob die Tageszeitung, die sie abonniert hatte, bereits in ihrem Briefkasten steckte. Vielleicht stand da ja schon was drin.

Sie schob den Riegel zurück, sperrte die Tür auf, öffnete sie und schrie laut auf, als gleißende Blitze aus geschätzten hundert Kameras sie blendeten.

Vor dem Gartenzaun ihres kleinen Häuschens hatte sich offensichtlich die gesamte Weltpresse versammelt. Riesige Übertragungswagen säumten die schmale Kaiser-Wilhelm-Straße im Frankfurter Bezirk Westend. Dutzende Fernsehkameras waren auf sie gerichtet. Moderatoren begannen wie aufgezogen in ihre Mikrofone zu labern. Reporter brüllten ihr Fragen zu und versuchten einander zu übertönen.

»Frau Sanders, Frau Sanders, wissen Sie, wo sich Ihr Vater aufhält? Frau Sanders, dürfen wir hineinkommen? Frau Sanders, haben Sie telefonischen Kontakt zu Ihrem Vater? Frau Sanders, hat Ihr Vater Ihnen einen Teil von dem Geld abgegeben? Frau Sanders, haben Sie eine Ahnung, in welches Land er sich abgesetzt haben könnte? Frau Sanders ...«

Vicky schlug die Tür zu. Sie wankte in die Küche, ließ sich dort auf die Eckbank in der Essecke fallen, tastete blind nach dem Zierkissen, das irgendwo auf der Bank liegen musste, fand es und drückte, in Ermangelung einer starken Schulter zum Anlehnen, ihr Gesicht hinein.

»Und jetzt? Was jetzt? Was soll jetzt aus mir werden?«, schluchzte sie verzweifelt.

Sie würde das Haus heute auf keinen Fall verlassen können. Sie konnte heute also nicht zur Arbeit gehen. Und was, wen die morgen noch immer dort draußen standen? Und auch übermorgen? Vielleicht blieben die dort so lange, bis sie raus musste, weil sie nichts mehr zu essen hatte!

Und jetzt hatte sie nicht einmal mehr eine Freundin, die sie hätte anrufen und um Hilfe bitten können. Wahrscheinlich wartete Jutta nur darauf, dass sie sich bei ihr ausweinte, damit sie Stoff für das nächste Zehntausend-Euro-Interview hatte.

Vicky hatte nicht mehr gebetet, seit sie ein kleines Mädchen gewesen war. Doch jetzt faltete sie die Hände und schaute zum Himmel hinauf. Besser gesagt zur Küchendecke, die dringend frisch gestrichen werden musste.

»Hallo, Gott!«, sagte sie und versuchte, so fromm dreinzuschauen, wie es ihr nur möglich war. »Wenn ich darf, dann würde ich jetzt gerne einen richtig dollen Platzregen bestellen, damit die dort draußen endlich verschwinden. Also, ich sag schon mal danke dafür und verlasse mich auf dich. Okay? Danke und ... ähm ... herzliche Grüße, deine Vicky.«

***