Der Notarzt 396 - Karin Graf - E-Book

Der Notarzt 396 E-Book

Karin Graf

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Beschreibung

Mit pochendem Herzen blickt Dr. Erik Demeter auf die junge Frau, die lächelnd vor ihm steht. Silvie Mendel ist nicht nur seine neue Kollegin an der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, sondern seit wenigen Tagen auch seine Nachbarin. Ihre beiden Appartements liegen direkt nebeneinander, und Silvie lässt keine Gelegenheit aus, um unter einem Vorwand an seine Tür zu klopfen. So, wie auch jetzt. Tief blickt sie in seine Augen, und es ist nur allzu offensichtlich, dass sie mit ihm flirtet. Doch obwohl Erik im Stillen längst weiß, dass er sich zu der bildschönen Ärztin wie magisch hingezogen fühlt, will er dies auf keinen Fall zulassen. Es darf nicht sein. Auf keinen Fall!
"Verlieb dich nicht in mich!", warnt er sie schroff. "Ich bin nicht interessiert! Okay?"
Einen Moment lang starrt Silvie ihn sprachlos an. Hat sie seine Blicke und sein Verhalten in den vergangenen Tagen so falsch gedeutet? Mit brennenden Wangen macht sie auf dem Absatz kehrt und rennt davon ...


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Inhalt

Cover

Verlieb dich nicht in mich

Vorschau

Impressum

Verlieb dich nicht in mich

Roman um einen Arzt, der sein Herz nicht verschenken will

Karin Graf

Mit pochendem Herzen blickt Dr. Erik Demeter auf die junge Frau, die lächelnd vor ihm steht. Silvie Mendel ist nicht nur seine neue Kollegin an der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, sondern seit wenigen Tagen auch seine Nachbarin. Ihre beiden Appartements liegen direkt nebeneinander, und Silvie lässt keine Gelegenheit aus, um unter einem Vorwand an seine Tür zu klopfen. So, wie auch jetzt. Tief blickt sie in seine Augen, und es ist nur allzu offensichtlich, dass sie mit ihm flirtet. Doch obwohl Erik im Stillen längst weiß, dass er sich zu der bildschönen Ärztin wie magisch hingezogen fühlt, will er dies auf keinen Fall zulassen. Es darf nicht sein. Auf keinen Fall!

»Verlieb dich nicht in mich!«, warnt er sie schroff. »Ich bin nicht interessiert! Okay?«

Einen Moment lang starrt Silvie ihn sprachlos an. Hat sie seine Blicke und sein Verhalten in den vergangenen Tagen so falsch gedeutet? Mit brennenden Wangen macht sie auf dem Absatz kehrt und rennt davon ...

»Kann es sein, dass Dr. Kersten den Verstand verloren hat?« Marianne Hoppe, die Sekretärin des Chefarztes der Frankfurter Sauerbruch-Klinik, wurde mit jeder Zeile, die sie las, immer noch ein bisschen blasser im Gesicht.

Prof. Lutz Weidner hatte sie darum gebeten, ein Arbeitszeugnis für Dr. Erik Demeter von der Berliner Kaiser-Wilhelm-Klinik anzufordern.

Der vierunddreißigjährige Facharzt für Innere Medizin, Intensivmedizin und Unfallchirurgie hatte seine Anstellung dort gekündigt und wollte auch Berlin verlassen. Peter Kersten, der ihn von früher gut kannte, hatte ihm eine Anstellung in seiner Abteilung zugesagt.

Der Chefarzt vertraute dem Leiter der Notaufnahme. Deshalb hatte er sich im Vorfeld auch überhaupt nicht darum gekümmert, wer dieser Kollege Demeter war, warum er die Kaiser-Wilhelm-Klinik in Berlin verlassen hatte und wie seine bisherige Karriere verlaufen war.

Der Kollege Kersten hatte ihm versichert, dass er Dr. Demeter schon lange und sehr gut kannte und dass er die Hand für ihn ins Feuer legen würde. Das hatte Prof. Weidner als Referenz vollauf genügt.

Die Anforderung eines Arbeitszeugnisses hatte absolut nichts mit einem etwaigen Anflug von Misstrauen zu tun. Frau Huber vom Personalbüro hatte den Professor darauf hingewiesen, dass dieses Dokument noch ausständig sei, als er sie vor wenigen Minuten um einen Dienstvertrag gebeten hatte, den er dem neuen Kollegen gleich am späten Nachmittag, wenn er hier eintraf, zur Unterschrift vorlegen wollte.

Als er jetzt die merkwürdige Frage seiner Sekretärin durch die nur angelehnte Tür hörte, eilte er besorgt aus seinem Büro.

»Stimmt was nicht, Marianne?«

»Das Arbeitszeugnis für diesen Dr. Demeter ist gerade per E-Mail angekommen.«

»Ach so. Sehr gut. Und ... stimmt denn etwas mit dem Arbeitszeugnis nicht?«

»Das können Sie laut sagen, Professor«, erwiderte die vollschlanke Mittfünfzigerin mit den bordeauxroten Ringellöckchen schnippisch. Sie legte den Kopf in den Nacken und leerte ein imaginäres Glas. »Zwitschert Herr Kersten vielleicht neuerdings gelegentlich einen zu viel?«

»Marianne!« Lutz Weidner schüttelte tadelnd den Kopf. »Natürlich nicht. Warum fragen Sie?«

»Das Arbeitszeugnis.« Frau Hoppe klickte auf das Symbol des Druckers, der augenblicklich zu rattern begann. »Soll ich es Ihnen vorlesen?«

»Okay. Dann brauche ich nicht noch mal reinzugehen, um mir meine Lesebrille zu holen.«

Die Sekretärin erhob sich halb von ihrem Rollsessel, beugte sich weit über ihren Schreibtisch und zupfte das Letzte von fünf bedruckten Blättern aus dem Drucker, noch ehe es ganz durchgelaufen war.

»Holen Sie sich einen Stuhl, Professor.«

»Wozu?«

»Weil Sie sonst möglicherweise aus den Latschen kippen.«

»Grundgütiger!« Lutz Weidner verdrehte schmunzelnd die Augen.

Er kannte Mariannes Hang zum Übertreiben nur allzu gut. Was konnte denn schon Schlimmes in dem Dokument stehen? Doch er tat ihr den Gefallen, holte sich einen Stuhl aus der Warteecke in Mariannes Büro, stellte ihn dem Schreibtisch seiner Sekretärin gegenüber und setzte sich.

»Also gut, fangen Sie an. Die Gefahr, dass ich aus den Latschen kippen könnte, ist gebannt.«

Marianne Hoppe deutete mit dem Kinn zur offenen Tür, die auf den Flur der Kardiologie hinaus führte.

»Soll ich Oberschwester Waltraud bitten, ein Fläschchen Riechsalz oder eine Beruhigungstablette für alle Fälle ...«

»Marianne!«, fiel ihr der Chefarzt genervt ins Wort. »Überspannen Sie den Bogen bitte nicht. Lesen Sie jetzt.«

»Ich hab's ja nur gut gemeint. Also auf Ihre Verantwortung!«, grummelte sie trotzig und hob die bedruckten Seiten vor ihre Augen. »Also: Bla, bla, bla ... Die übliche Einleitung halt. Die brauche ich Ihnen ja nicht vorzulesen, die ist ja eh bei allen gleich. Aber jetzt kommt's! Sitzen Sie gut?«

Der Chefarzt seufzte abgrundtief.

»Ja, Marianne.«

»Ich frag ja nur. Also: Bla, bla, muss ich zu meinem großen Bedauern und trotz meines besten Willens, dem Kollegen Demeter keine Steine in seinen zukünftigen Berufsweg zu legen, dennoch bekanntgeben, dass ich ihn wegen folgender Tatsachen fristlos entlassen musste.«

»Fristlos entlassen?« Prof. Weidners Augen weiteten sich. »Davon hat der Kollege Kersten gar nichts gesagt.«

»Nicht jetzt schon aufregen, Chef. Sparen Sie sich Ihre Munition für später auf. Es kommt ja noch viel dicker«, empfahl Marianne ihm.

»Als ob das nicht schon schlimm genug wäre. Was denn, um Himmels willen, noch?«

»Na, hören Sie zu. Ihr Berliner Kollege Prof. Herbert Übeleis schreibt weiter: Dem Kollegen Demeter werden drei unerklärliche Todesfälle zur Last gelegt, die sich allesamt innerhalb des letzten halben Jahres ereignet haben. In den erfolgten Kunstfehlerprozessen konnte ihm zwar keine konkrete Schuld nachgewiesen werden, ein Restzweifel bleibt jedoch bestehen.«

Frau Hoppe warf dem Chefarzt einen flüchtigen Blick über den Rand des Dokuments hinweg zu. Sie nickte vielsagend, als sie seinen entsetzten Gesichtsausdruck sah.

»Außerdem hat der Kollege Demeter innerhalb eines halben Jahres unser gesamtes für Rechtsstreitigkeiten und Entschädigungszahlungen vorgesehenes Budget aufgebraucht und die jährliche Prämie für unsere Kunstfehlerversicherung auf das Doppelte ansteigen lassen.«

Marianne hob den Kopf, als sie ein verhaltenes Stöhnen hörte. Prof. Weidner hatte sich eine Hand vor den Mund geschlagen. Seine buschigen silbergrauen Augenbrauen sträubten sich wie das Nackenfell einer erschrockenen Katze.

»Wir sind noch lange nicht beim Höhepunkt der Tragödie angelangt, Chef. Da kommt noch was.«

»Grundgütiger! Was denn noch? Drei Kunstfehlerprozesse in nur einem halben Jahr! Schlimmer kann es ja nun wirklich nicht mehr kommen.«

»Schlimmer geht es immer, hat meine Oma immer gesagt. Und in diesem Fall hat sie recht.«

»Grundgütiger!«

»Ja, der kann da jetzt aber auch nichts mehr machen. Warten Sie, jetzt kommt's noch ganz dicke.«

»Grund...« Prof. Weidner brach ab, als er merkte, dass er sich wiederholte. »Lesen Sie! Nach dem, was ich bereits gehört habe, kann mich nichts mehr erschüttern.«

»Das glauben aber auch nur Sie«, entgegnete Marianne und holte tief Luft. »Außerdem fühle ich mich dazu verpflichtet, sehr geehrter Herr Prof. Weidner, Sie zu Ihrem Schutz und zum Schutz Ihrer Mitarbeiterinnen dahingehend zu informieren, dass vier unserer Angestellten, zwei Pflegerinnen, eine Assistenzärztin sowie eine blutjunge ...« Marianne legte eine dramaturgische Pause ein. Das folgende Wort sprach sie überdeutlich aus. »Se-kre-tä-rin!«

»Ja? Weiter! Was ist mit diesen vier Mitarbeiterinnen?«, hakte Lutz Weidner ungeduldig nach. Seine Schuhspitzen trommelten hektisch auf den Boden, als ob er in Gedanken vor dem Ungemach davonlaufen wollte.

»Also, dass vier unserer weiblichen bla, bla, sowie eine blutjunge Sekretärin den Kollegen Demeter der brutalen Vergewaltigung bezichtigt haben.«

»Grundgütiger!« Lutz Weidner stützte sich mit beiden Ellbogen auf Mariannes Schreibtisch und legte stöhnend den Kopf in seine Hände.

»Auch hier«, fuhr Marianne gnadenlos fort, »konnte es wegen Mangel an Beweisen wiederum zu keiner Verurteilung kommen. Für mich und meine Mitarbeiter gibt es jedoch nicht den geringsten Zweifel an seiner Schuld.«

Frau Hoppe fuhr mit ihrem Rollsessel ein Stück zurück, schlug die Beine übereinander und blätterte bis zur letzten Seite weiter.

»Weiter schreibt er noch, dass er Ihnen gerne die diversen Gerichtsakten zukommen lässt, falls Sie sich selbst ein Bild von den Vorkommnissen machen wollen, und dass er nicht ganz verstehen kann, dass Sie es auch nur in Erwägung ziehen, Dr. Demeter in Ihr Krankenhaus aufzunehmen und damit das Leben Ihrer Patienten und auch Ihrer Mitarbeiterinnen zu gefährden.« Marianne warf dem stöhnenden Chefarzt einen mitleidigen Blick zu. »Grundgütiger?«

»Ja. Aber wie Sie schon sagten, kann der in diesem Fall wohl auch nichts machen.«

»Er kann zumindest schon mal ein warmes Plätzchen in der Hölle für dieses Monster reservieren. Sollten Sie diesen Irren tatsächlich anstellen, verlange ich einen Leibwächter zu meinem persönlichen Schutz.«

»Wozu das denn?«, stöhnte der Chefarzt.

»Sekretärin! Hallo? Der hat eine Sekretärin vergewaltigt.«

»Ich habe es gehört!«, zischte der Professor. »Es war aber eine blutjunge Sekretärin. Sie kann man jedoch beim besten Willen nicht mehr wirklich als ...«

»Obacht!«, fiel sie ihm empört ins Wort. »Sagen Sie nichts, was Ihnen hinterher leidtun könnte! Und blutjung ist relativ!«

»So relativ nun wieder auch nicht.« Der Klinikchef musste sich beim Aufstehen fest auf den Schreibtisch stützen. Seine Knie fühlten sich nicht mehr ganz so stabil an wie zuvor. »Kommt da noch was, oder war es das jetzt?«

»Na, das reicht doch fürs Erste, oder? Marianne heftete die fünf Seiten des Arbeitszeugnisses mit einer Büroklammer zusammen und wedelte damit vor Lutz Weidners Gesicht herum. »Soll ich das gleich ins Personalbüro bringen? Oder lieber in unsere Rechtsabteilung?«

»Nein! Um Himmels willen, nein!« Der Klinikchef nahm seiner Sekretärin das Dokument mit spitzen Fingern aus der Hand. Er hielt es zwischen Daumen und Zeigefinger an einer Ecke und ließ es nach unten baumeln, als ob es schmutzig, verseucht oder brandgefährlich wäre. »Warum?« Er schaute Marianne fragend an.

»Was warum?«

»Warum tut der Kollege Kersten mir so etwas an?«

Marianne legte nachdenklich den Kopf schief.

»Haben Sie ihn in letzter Zeit mal beleidigt oder sonst irgendwie mies behandelt?«

»Ich behandle niemals jemanden mies«, protestierte Prof. Weidner. »Zumindest nicht wissentlich. Was soll diese Frage?«

»Na ja, es könnte sich um einen Racheakt handeln. Vielleicht hat er diesen Typen wie einen Auftragskiller angeheuert, um uns weiß Gott was heimzuzahlen. Oder hauptsächlich mir! Wie es scheint, hat dieser Kriminelle es ja speziell auf junge Sekretärinnen abgesehen.«

»Blödsinn!« Mit hängenden Schultern, als ob ein zentnerschweres Gewicht auf ihm lastete, ging der Chefarzt zur Tür. Auf der Schwelle drehte er sich noch einmal um. »Und die andere?«

»Hä?« Marianne schüttelte ahnungslos den Kopf.

»Dr. Silvana Mendel. Ebenfalls aus Berlin. Sie soll ja auch heute ankommen und schon morgen in der Unfallstation anfangen.«

»Ach so, ja, richtig!« Marianne kramte in einem Stapel Unterlagen, der sich auf ihrem Schreibtisch hoch auftürmte, und zog schließlich ein weiteres Arbeitszeugnis daraus hervor.

»Sagen Sie mir bitte nicht, dass mit ihr auch etwas nicht stimmt!«, flehte Lutz Weidner. Er lehnte sichtlich nervös im Türrahmen, hatte die Augen geschlossen und machte sich auf eine weitere Hiobsbotschaft gefasst.

»Nein, nein, alles vom Feinsten«, beschwichtigte ihn die Sekretärin. »Die Uniklinik Berlin schreibt, dass sie Frau Mendel, die dort ihre Ausbildung zur Fachärztin für Allgemeinmedizin, Unfallchirurgie und Kinderchirurgie absolviert hat, nur sehr ungern hergeben. Und auch nur deshalb, weil sie gerade keine freie Facharztstelle haben.«

Marianne überflog die vier Seiten flüchtig. Ein boshaftes Glitzern blitzte plötzlich in ihren Augen auf.

»Aha! Kunstfehler mit Todesfolge ...«

»W-a-s?«

»Keine.«

»Marianne!« Der Chefarzt drückte beide Hände auf sein heftig wummerndes Herz. »Wollen Sie mich umbringen?«

»Tut mir leid, ich konnte es mir nicht verkneifen«, erwiderte die Sekretärin grinsend. »Das war eine kleine Retourkutsche für Ihre spitze Bemerkung über die Relativität von blutjung.«

»Ach so. Also keine negativen Vorkommnisse?«

»Nichts! Über Frau Mendel gibt es scheinbar nur das Beste vom Besten zu sagen. Kompetent, tüchtig, zuverlässig, belastbar, nervenstark, kollegial ... Scheint eine Heilige zu sein.«

»Gut!« Der Klinikchef seufzte erleichtert auf. »Noch so einen Fall hätte ich vermutlich nicht überlebt.« Seufzend verschwand er um die Ecke.

»Wohin?«, rief ihm Frau Hoppe nach. »Was sage ich, wo Sie sind, falls jemand etwas von Ihnen will?«

»Notaufnahme«, tönte es aus der Ferne zurück.

***

»Entschuldigung! Tut mir leid! Pardon! Entschuldigung! Das wollte ich nicht! Sorry!«

Vor Anstrengung keuchend und sich mit den Ellbogen einen Weg durch die Menschenmenge auf dem Berliner Hauptbahnhof kämpfend, rannte die neunundzwanzigjährige Silvana Mendel mit letzter Kraft die Rolltreppe nach oben.

Dabei rammte sie die Ecken ihres großen, scheinbar zentnerschweren Koffers in Dutzende Kniekehlen und kickte mit ihrem riesigen, prall gefüllten Trekkingrucksack etliche Passanten so unsanft zur Seite, dass manche von ihnen beinahe gestürzt wären.

»Tut mir leid! Es tut mir leid! War keine Absicht! Sorry! Verzeihen Sie! Oh, verdammt!«

Die Anzeige über dem Eingang zu dem Bahnsteig, von dem ihr Zug nach Frankfurt abfuhr, blinkte. Das hieß, dass der Zug sich zur Abfahrt bereit machte.

Sie holte tief Luft, biss die Zähne fest zusammen, ignorierte die Schmerzen an ihren Schultern, wo die Riemen des viel zu überladenen Rucksacks sich tief in ihr Fleisch eingruben, und stürmte vorwärts.

Die Türen des Zugs waren längst alle zu. Sie hämmerte verzweifelt gegen den Öffnungsknopf der letzten Tür des letzten Waggons.

»Bitte! Mach auf! Bitte, bitte, bitte, ich muss unbedingt mit! Nun mach schon, du ...«

Der Lokführer, der die Türen bereits verriegelt hatte, schien ihre Not zu bemerken. Der Türknopf blinkte, und die Tür glitt zur Seite.

»Danke!« Silvana – Silvie, wie ihre Freunde sie nannten – stolperte keuchend in das Abteil und schaute sich suchend um. Sie brauchte jetzt unbedingt einen Sitzplatz, denn sie spürte, dass ihre Beine sie nicht mehr lange tragen würden. Sie drohten unter ihr und dem Gewicht, das sie schleppte, einzuknicken.

Das Abteil war natürlich voll besetzt. Aber am anderen Ende schien noch ein freier Platz zu sein. Zumindest lag dort nichts auf der Gepäckablage über den Sitzen.

Schwankend – der Zug fuhr jetzt in Schlangenlinie aus dem Bahnhof – drängte sie sich durch den viel zu engen Mittelgang. Abermals stieß ihr Koffer gegen zu weit in den Gang ragende Knie oder etwas zu füllige Hüften. Sie spürte, dass sie auf etwas Weiches trat – auf einen Fuß vermutlich –, und ihr Rucksack streifte Schultern und Köpfe.

»Entschuldigung! Tut mir leid! Pardon! War keine Absicht! Sorry! Verzeihen Sie! Hoppla!«

Um ein Haar wäre sie auf dem Schoß einer älteren Dame gelandet, die missbilligend den Kopf schüttelte.

»Tut mir leid!«

Innerhalb so kurzer Zeit hatte Silvie sich noch nie zuvor so oft entschuldigt. Sie kam sich wie ein tollpatschiger Trampel vor.