Die Lammwirtin von Tannreut - Paul Friedl - E-Book

Die Lammwirtin von Tannreut E-Book

Paul Friedl

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Beschreibung

Paul Friedl erzählt nach einer wahren Begebenheit das einfache Leben einer Dorfwirtin im Bayerischen Wald. Es ist keine Liebesgeschichte, und doch bestimmen Lieben und Leiden den Weg dieser Frau. Die Lammwirtin droht an ihrem Geschick zu verzweifeln, es verstrickt sie in schier ausweglose Not und bringt ihr die bittere Erkenntnis, dass sie ihr Lebensglück beinahe einem Jugendtraum und einer Jugendsünde geopfert hätte. Die spannende Geschichte einer Waldlerin.

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LESEPROBE ZU

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2003

© 2017 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheim

www.rosenheimer.com

Titelfoto: Michael Wolf, München

eISBN 978-3-475-54698-3 (epub)

Worum geht es im Buch?

Paul Friedl

Die Lammwirtin von Tannreut

Paul Friedl erzählt nach einer wahren Begebenheit das einfache Leben einer Dorfwirtin im Bayerischen Wald. Es ist keine Liebesgeschichte, und doch bestimmen Lieben und Leiden den Weg dieser Frau. Die Lammwirtin droht an ihrem Geschick zu verzweifeln, es verstrickt sie in schier ausweglose Not und bringt ihr die bittere Erkenntnis, dass sie ihr Lebensglück beinahe einem Jugendtraum und einer Jugendsünde geopfert hätte.

Die spannende Geschichte einer Waldlerin.

Auf der langen Dorfstraße von Tannreut ließ der scharfe Spätherbstwind die dürren Blätter tanzen. Er trieb sie auf und jagte sie in Wirbeln vor sich her, vorbei an der Zeile von Häusern und Gehöften, die sich zwischen Bach und Wald an den Hang duckten. Huschend und fauchend kam vom Berg der anschwellende Sturm, schob mit schwarzen Wolken die Nacht heran, fegte durch das Tal, sang und heulte um die Giebel und rauschte in dem Geäst der Bäume. Der letzte Streifen Taglicht wurde schmaler, und die Dämmerung färbte die hohe Giebelwand des Gasthofes „zum Lamm“ in ein düsteres Grau.

Eine mächtige Steintreppe führte von der Straße hinauf zur Haustür. Die kleinen Fenster zeugten vom hohen Alter des Wirtshauses. Unter dem Giebel und hinter den Fenstern der Gaststube zu ebener Erde kündete ein schwacher Lichtschein von den Bewohnern. Hinter dem Haus, etwas höher am Hang, standen Scheune und Schafstall. Der Herbststurm nackelte dort mit einem losen Brett und klopfte eintönig in die wachsende Finsternis.

Das Dorf lag wie ausgestorben, die umliegenden Höfe auf den Höhen versanken in der Nacht.

An diesem Abend war kein Gast mehr beim Lammwirt. Er saß allein in der Gaststube am erkaltenden Ofen und horchte sinnierend auf das Brausen und Aufjaulen des Windes. Unbewegt starrte er nach den kleinen Fenstern, hinter denen die Dunkelheit zunahm. Der Schein der Lampe über dem Ofentisch leuchtete nur die kleine Ecke der Gaststube aus.

Als die ersten Regentropfen prasselnd gegen die Fenster schauerten, rissen die trüben Gedanken des Wirtes ab, und aufseufzend fuhr er sich über den Kopf. Die ersten Silberstreifen schimmerten in seinem Haar. Bedächtig klopfte er dann die Pfeife aus und wandte sich an den Schäferhund zu seinen Füßen:

„Heut kommt niemand mehr, Dux, wir gehen schlafen.“

Gähnend erhob sich der Wirt und nahm den Hut vom Holzrechen an der Wand.

Mit einem Satz war der Hund auf den Beinen und folgte seinem Herrn, der die Gaststube verließ, die Haustür absperrte und dann, sich durch den finsteren Hausgang tastend, zur hinteren Tür ging. Prüfend sah er über den kleinen Hofraum zur Scheune und zum Schafstall hinüber. Der Regen rauschte gegen die Holzwände, und der Sturm klopfte mit dem losen Brett. In der Dunkelheit waren die Gebäude kaum mehr zu erkennen.

Der Hund knurrte und bellte dann gegen die Ecke zwischen Stall und Scheune.

„Dux, kusch! Was ist denn?“

Mit einem Satz sprang der Hund über den kleinen Hof und stand knurrend da. Nun konnte auch der Lammwirt eine Gestalt ausmachen, die sich dort an die Wand drückte.

Heiß schoß ihm die Wut in den Kopf. Wollten sie wieder einmal an seine Schafe? Wie vor zwei Jahren! Gerade die richtige Nacht dazu! Zum Stadel sprang er, wo das Brennholz lagerte, tastete nach einem Prügel und hetzte den Hund:

„Dux, faß!“

Ein Windstoß fegte heulend über den Hof, und darüber bettelte eine weibliche Stimme voller Ängsten:

„Wirt, bittschön, tu den Hund weg!“

„Höh! Dux, komm!“ entfuhr es dem Lammwirt. Er erkannte die Stimme, trat näher, warf den Prügel weg und fragte verwundert: „Die Tini? Was suchst denn du da herum?“

„Ich wollt gar nix, Wirt, nur unterstehen wollt ich“, versicherte die Angerufene und trat aus der Ecke zwischen Schafstall und Scheune. Ihre Stimme zitterte, und nun stand sie vor ihm, leichenblaß und schlotternd vor Kälte, und der Regen klatschte gegen ihr dünnes Kleid.

Er kannte die Tochter des Kleinbauern Steininger von der Einöd Fleckl, da sie im vergangenen Sommer im Lammwirtshaus oft ausgeholfen hatte. Unterstellen wollte sie sich nur? Warum war sie überhaupt hier und nicht daheim?

„Was ist denn los, Mädel? Komm herein“, meinte er gutmütig und zog sie ins Haus. Er riegelte die Tür ab und schob die völlig Durchnäßte im finsteren Hausflur zur Gaststube. Im schwachen Licht des Lämpchens über dem Ofentisch sah er, daß sie eine Tasche bei sich hatte, und er kannte sich aus.

„Da setz dich her!“

Während er die letzte Glut im Ofen aufstocherte und Holz nachlegte, betrachtete er die Tini mit einem Seitenblick. Über ihre rechte Wange und den Hals zog sich ein blutiger Striemen. Das fast schwarze Haar war naß und strähnig, und aus der Blässe des Gesichtes leuchteten die vollen roten Lippen und die großen dunklen Augen. Sie saß mit dem Rücken gegen die warmen Kacheln, und er nahm ihr gegenüber Platz und legte die muskulösen Arme mit den aufgekrempelten Hemdsärmeln auf den Tisch. Forschend sah er sie an und schüttelte den Kopf:

„Also, was hat es daheim gegeben? Hat dein Vater dich so zusammengerichtet?“

Sie nickte und wischte sich die Tränen ab.

„Und dann bist du ausgerissen? Und jetzt? Wo willst du hin?“

Verstört und vom Frost geschüttelt, kauerte sie auf der Ofenbank und zog die Schultern hoch.

„Wenn du mich wieder gehen lassen tätest ...“

Ruhig und verstehend forschte er: „Wo willst denn hin?“

„Zur Bahn. Nach München möcht ich, da finde ich schon eine Arbeit — ich muß weit fort —“

„Und du meinst, daß das so einfach ist?“

Die Farbe kehrte in ihr Gesicht zurück, und unsicher gab sie zu: „Das weiß ich — hab auch net das ganze Fahrgeld, aber heim geh ich nimmer! Wenn du mir fünf Mark leihen könntest, Wirt —“ Unter seinem Lächeln senkte sie die Augen. „Ich schicke sie dir bestimmt, sobald ich kann.“

„O Dirndl!“ schmunzelte der Lammwirt mitleidig. „So geht das net. Freilich geb ich dir das Geld, aber warum mußt du denn unbedingt von daheim fort?“

Ihre Mienen wurden kalt und verschlossen, und fast feindlich sah sie ihn an: „Das kann ich dir net sagen, niemandem kann ich das sagen!“

Begütigend redete er nun auf sie ein: „Muß es auch net wissen, Tini, wirst schon einen Grund haben, aber in der Nacht anderthalb Stunden durch den Wald, und erst in der Frühe geht wieder ein Zug?“

„Das macht nix!“ trotzte sie.

„Das hat keinen Sinn, Dirndl. Jetzt bist du naß bis auf die Haut, und so, wie du beinand bist, kannst du net fort! Brauchst einen Mantel und einen Schirm. Wird von meiner Frau schon noch was da sein.“

Nun sah sie ihn wieder voll an und sagte leise und bedauernd: „Gell, die Wirtin hat so früh sterben müssen. Hat halt jedes sein Kreuz zu tragen. Wär besser, ich wär gestorben und die Wirtin wär noch da.“

Der Hund, der wieder auf seinem Platz beim Ofen lag, spitzte die Ohren und sprang auf. Im gleichen Augenblick trommelten derbe Fäuste an die Haustür, und erschreckt fuhr die Tini hoch.

„Das ist der Vater, der sucht mich!“

Gehetzt sah sie sich um und bat ängstlich und verwirrt: „Laß mich zur Hintertür hinaus, der erschlägt mich!“

Umständlich erhob sich der Wirt und befahl kurz und zwingend: „Du bleibst! Geh in die Kuchl und verhalt dich still.“

Da sie zögerte, packte er sie bei den Schultern und schob sie in die Küche, schloß die Tür und sah nach, wer so spät und so ungestüm ins Haus wollte. Nur einen Spalt öffnete er die Haustür, erkannte den Steininger und fragte unwirsch:

„Was willst denn du noch? Grad wollt ich ins Bett!“

Er roch den Schnaps aus dem Mund des späten Besuchers, der nun rauh forderte:

„Ist die Tini bei dir? Laß mich rein, mich bringt der Durst und der Zorn um!“

Eine Weile überlegte der Lammwirt, dann ließ er den Mann eintreten.

„Eine Maß Bier will ich dir noch geben, aber mehr net. Heut hast du sowieso schon wieder deinen Rausch.“

Hinter dem Wirt stolperte der hagere Kleinbauer mit dem verkniffenen Gesicht und dem ungepflegten Bart in die Gaststube, sah sich mißtrauisch um und fragte noch einmal:

„Ist meine Tini hergekommen?“

„Was sollt die denn hier!“ fertigte der Wirt ihn schroff ab, während er hinter der Schenke Bier in ein Glas laufen ließ.

„Hab mir gedacht, sie wär zu euch“, bröselte der Steininger. „Wo sollt sie denn sonst hin?“

Während er trank, setzte sich der Lammwirt auf die Ofenbank und beobachtete ihn verdrossen.

„Ist sie dir davongelaufen? Hab mich oft schon gewundert, daß sie es solange bei dir aushält und dir die Kuhdirn macht! Laß sie nur laufen, so ein Mädel gehört in die Welt hinaus. Daheim wird nix aus ihr.“

Der Steininger lachte häßlich und kam dann wieder in Wut: „Sie muß her, und wenn sie sich in der Hölle versteckt! Ich schlag sie solange, bis sie es sagt, wer sie angeführt hat!“

Der Wirt horchte auf. „Was sagst du? Ist was?“

„Und ob was ist! Und sie sagt net, wer der Lump ist, lieber will sie sich umbringen lassen, sagt sie!“ Mit einem Zug leerte er das Glas, und schnell nahm es der Wirt und ging damit zur Schenke, um den anderen seine Bestürzung nicht merken zu lassen. Als er zurückkam, hatte er sich gefaßt.

„Warum regst du dich da so auf? Unglück ist das keines! Wie alt ist sie denn?“

„Achtzehn ist das Luder erst — und den Kerl muß ich wissen, dem dreh ich den Kragen um!“

Gleichgültig meinte der Wirt: „Da verstehe ich dich net. Soviel ich weiß, hast du auch ein lediges Kind.“

Der Steininger stierte ihn verdutzt an und brauste dann auf: „Aber warum sagt sie net, wer der Kindsvater ist? Warum will sie sich eher erschlagen lassen, als daß sie den Kerl nennt? Weil da mehr dahinter ist, weil sie uns wahrscheinlich die Schande aufgetan hat und sich mit einem Verheirateten eingelassen hat!“

Der Lammwirt runzelte die Stirn und sah den anderen so zornig an, daß dieser dem Blick auswich.

„Was man net bestimmt weiß, soll man net sagen! Und ich rate dir: Laß das Dirndl in Ruhe. Die Tini hat an der Geschichte schwerer zu tragen als du.“

„Her muß sie! Und wenn ich sie aus der Hölle holen müßt!“ wütete der Kleinbauer. „Wer soll denn bei uns die Arbeit tun?“

Der Wirt maß ihn mit einem verächtlichen Lächeln.

„Das ist schon was anderes. Dir ist gar net darum, daß sie in andere Umständ gekommen ist! Die ganze Stallarbeit hast du sie machen lassen, und oft genug hast du sie auch auf dem Feld und bei der Heuarbeit allein gelassen. Wegen der billigen Arbeitskraft ist dir leid. Jetzt verstehe ich dich schon besser. Fürchtest, daß du selber besser anpacken mußt, wenn sie nimmer da ist?“

Wütend taumelte der Steininger hoch.

„Das hat mir noch keiner gesagt!“

Und ungerührt meinte der Wirt: „Dann war es höchste Zeit! Und jetzt möcht ich ins Bett!“

Der Steininger kramte das Geld aus seinem Hosensack und entfernte sich wortlos. Hinter ihm sperrte der Lammwirt die Haustür ab. Als er in die Gaststube zurückkam, saß die Tini wieder auf der Ofenbank und sah ihm bange entgegen.

„Nun weißt du“, flüsterte sie, „warum ich fort muß.“

Vor ihr stehen bleibend, schien er nachzudenken, und scheu wartete sie, daß er etwas sagte. Unsicher tastete sie nach den blutigen Striemen im Gesicht und am Hals und klagte:

„Mit der Peitsche hat er mich geschlagen und mit dem Besenstiel, den Arm kann ich nimmer rühren ...“

„Du brauchst net wieder heimgehen, Tini, aber fort kannst du in deinem Zustand auch net! Du bleibst da!“

Ratlos und verzweifelt wehrte sie sich. „Nein!“

„Was willst du anderswo anfangen? Wie lange kannst du noch arbeiten, und wer soll sich dann um dich kümmern? Untergehen wirst du!“

„Nein! Nein!“

Er hatte fuchtelnd vor ihr gestanden, und sie zuckte zurück und hob abwehrend die Hände. Erstaunt und erschrocken ließ er die Fäuste sinken und sah sie bekümmert an. Wie oft mochte sie schon geprügelt worden sein, daß sie sich so fürchtete?

„Ich schlag dich net, ich meine es gut mir dir, und ich möchte nur, daß du nix Verkehrtes tust.“ Er konnte die großen, dunklen und tränenden Augen nicht mehr ansehen, ließ sich neben ihr auf die Ofenbank fallen und sprach leise und eindringlich weiter: „Tini, deswegen geht doch die Welt net unter — das ist doch kein so großes Unglück — wirst doch so viel Mut haben und das tragen, was halt nimmer zu ändern ist.“

„Wenn ich den Mut dazu gehabt hätte, dann hätte ich mir was angetan“, schluchzte sie.

„Jetzt hör aber auf!“ zürnte er. „Wird noch allerhand über dich kommen, bis du so alt bist wie ich. Du bist noch jung und gesund, bist fleißig, und bildsauber bist du auch! Die Zeit heilt alles.“ Überlegend kratzte er sich am Hinterkopf, und dann erklärte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete: „Das Gejammer hilft jetzt gar nix! Du bleibst da! Hätte mich sowieso um jemanden umsehen müssen, die alte Tante kann es allein nimmer schaffen, und auf die Kuchldirn ist kein Verlaß. Die Tante ist heut schon wieder den ganzen Tag krank gewesen, und sie wird froh sein, wenn sie eine Hilfe hat. Du kennst dich bei uns schon aus, hast oft genug ausgeholfen. Und fürchten brauchst du gar nix! Wer dir ein unrechtes Wort gibt oder dich gar anrührt, hat es mit mir zu tun. Ich geb dir keine Schuld, bist halt auch einmal schwach geworden, und deswegen soll dich niemand verdammen. Und — hm — dieser Bursche wird sich schon net wegleugnen. Weiß er es schon?“

Schamrot senkte sie den Kopf und stöhnte: „Nein — das ist es ja, er darf es net erfahren, weil sonst — ach, Wirt ...“

„Ist er verheiratet?“

„Nein“, rief sie gequält, „gewiß net! Frag mich net, frag mich nie — weil ich gern bei euch bleiben tät, aber wenn du mich noch einmal fragst, renne ich weg!“

„Gut, ich will nimmer fragen, vielleicht sagst du mir es später einmal von selber. Jetzt mußt du ins Bett, sonst erkältest du dich. Das Fremdenzimmer weißt du ja, und dann gehörst du zum Haus. Leg dich hin.“

Sie erhob sich.

„Ja — und ich sag dir ein Vergelt’s Gott. Ich glaube, es ist mein Glück gewesen, daß du mich in der Nacht gefunden hast. Wenn mir jemand helfen und raten kann, dann bist es du, Lammwirt. Und wenn ich es dir einmal vergelten kann, dann tu ich es.“

Dabei klang noch die Angst mit, daß es ihn vielleicht noch reuen könnte, und zögernd stand sie und sah ihn an.

„Ist schon gut, Tini. Bin froh, daß du doch ein so gescheites Dirndl bist und mit dir hast reden lassen. Geh jetzt, gute Nacht!“

Mit einem leisen „Gute Nacht“ ging sie durch die Küche davon.

Lange blieb der Lammwirt noch auf der Ofenbank sitzen und sann vor sich hin. Durch das Tal raste der Herbststurm, die Windstöße ploderten um das Haus und klapperten mit den Fensterläden.

Hatte er recht getan? Hatte er sich da etwas an den Hals gehängt, was die anderen ihm ankreiden würden? Bald mußte es ja aufmaulig werden, und dann würde das Lästern anheben. Dann werden sie die eigenen Fehler und die eigene Vergangenheit zudecken mit dem Geschrei über das Mädchen, und die Frage nach dem Kindsvater wird die Neugierigen und Schadenfreudigen bewegen.

Er kraulte den Hund zu seinen Füßen.

„Gell, Dux, sollen sich nur net mit dem Lammwirt anlegen! Wenn ich mit der Faust auf den Tisch haue, dann erschrecken sie alle, und sie könnten mich kennenlernen! Haben wir halt eins mehr im Haus, und die Tante wird froh sein. Aber jammerschade um das Dirndl, weil da doch was net stimmt.“

Warum aber war sie so eigen? Wollte den Kindsvater nicht nennen! Wollte sich lieber totschlagen lassen. Die Tini war keine, die sich wegwarf. Alle Burschen und jungen Männer im Dorf waren hinter ihr hergewesen, er hatte es ja oft beobachtet, wenn sie im Lammwirtshaus ausgeholfen hatte. Aber sie hatte keinem den Vorzug gegeben, und man hatte auch nie gehört, daß sie sich heimlich mit einem Mann treffe. Und nun fürchtete sie sich den Mann zu nennen, dessen Kind sie unter dem Herzen trug.

Angst hatte sie, warum?

„Wenn ich sie net fragen darf, dann suche ich mir den Kerl selber, gell, Dux? Das Kind braucht einen Vater, und der soll zahlen und für das Kind sorgen, und wenn ich ihm die Alimente und sonst noch was vom Buckel herunter schlagen muß! Komm, Dux!“

Er schaltete das Licht aus, verließ die Gaststube und suchte das Schlafzimmer auf. Es war kalt und trotz der gediegenen Einrichtung unfreundlich. Einem der Ehebetten merkte man an, daß es seit langem unbenützt war. Daneben stand auf dem Nachtkästchen das Hochzeitsbild der jungen Lammwirtseheleute, der Wirt Peter Trumm und seine junge Frau Anna, ein glückliches und zufriedenes Brautpaar.

Der Wirt nahm das Bild und betrachtete es, wie er es seit dem Tod seiner Frau im vergangenen Frühjahr fast jeden Abend tat, stellte es wieder hin, zog sich aus und suchte sein Bett auf.

In den Schlaf hinein hörte er das Singen des Windes und das Klopfen des losen Brettes an der Stadelwand.

Der Lammwirt Peter Trumm hatte eine unruhige Nacht und wurde wach, als der Hund knurrte.

Es war sechs Uhr morgens.

Der Hund konnte kaum erwarten, bis sein Herr sich angezogen hatte und das Schlafzimmer verließ. Von der Küche her kam ihm schon der Duft des Morgenkaffees entgegen.

War die Tante schon aufgestanden? Oder war es die Resl, die Kuchlmagd, die sonst gar nicht so flink mit dem Aufstehen war? Die werden sich wundern, wenn sie erfahren, daß über Nacht eine neue Hilfe eingezogen ist, dachte er. Wie das gekommen war, ging nur die Tante etwas an, und mit ihr mußte er reden, ehe sich die Tini im Haus sehen ließ.

Überrascht stand er, als er in die Küche trat.

„Oho, schon wieder aus dem Bett?“

Am Tisch saß der alte Hiasl, der schon seit Jahrzehnten als Schafhirte und Stallknecht zum Lammwirt gehörte und nun seine alten Tage im Hause verbrachte, und am Herd war die Tini beschäftigt.

Grinsend und sich den grauen Stoppelbart reibend, freute sich der Hiasl über die Wärme und den duftenden Kaffee, und ein wenig verlegen wünschte die Tini einen guten Morgen.

„Hab ja gewußt, wann beim Lammwirt der Tag angeht“, meinte sie mit einem schwachen Lächeln, „und meine Arbeit kenne ich auch.“

„Wo ist denn die Resl?“ wollte der Wirt wissen. „Das Kaffeekochen ist ihre Angelegenheit.“

Und der Hiasl fistelte mit der zittrigen Stimme des hohen Alters: „Die schläft noch.“

Verärgert runzelte der Wirt die Stirn, doch die Tini meinte rasch:

„Das macht nix, ich möcht lieber selber am Herd sein, und soviel Arbeit ist ja jetzt auch net.“

In diesem Augenblick kam die Resl, stand verschlafen in der Tür, rieb sich verwundert die Augen.

„Um sechs wird bei uns aufgestanden“, mahnte der Wirt, und die Resl maulte:

„Jetzt so was! Wo kommt denn die her?“

Ungeduldig wies der Wirt sie zurecht: „Die Tini führt von heut an den Haushalt, damit du dich auskennst, wer künftig anschafft!“

Die kleine Kuchldirn wurde aber mit ihrer Überraschung so schnell nicht fertig. Ratlosigkeit stand in ihrem pausbäckigen Gesicht, und so sah sie mit ihren hellen Augen, den farblosen Brauen und dem ungeordneten flachsgelben Haar drein, als wäre sie ein wenig beschränkt. Wieder versuchte die Tini, das Peinliche des Augenblicks zu übergehen.

„Setz dich nur, Resl.“

Schmollend suchte die Resl das Kaffeegeschirr aus dem Schrank und stellte es auf den Tisch, und die Tini schenkte ein.

Um das gespannte Schweigen zu beenden, meinte sie entschuldigend:

„Muß mich halt erst eingewöhnen, vielleicht wollt ihr den Kaffee stärker haben. Und mit dem Kochen wird es auch so sein.“

Der Wirt wandte sich an die Resl: „Schaust nachher zur Tante hinauf, ob sie was braucht. Sie soll nur liegen bleiben, und du, Tini, kannst auch einmal nachschauen und mit ihr reden.“

„Ja, Herr“, bestätigte die Resl die Anweisung, und die Tini nickte.

„Heut holt der Schleinkofermetzger zehn Schafe, such sie ihm aus, wenn ich net da sein sollte“, befahl der Wirt dem Hiasl. „Sonst kennt ihr ja eure Arbeit.“

Er zündete sich eine Zigarre an und wartete, bis die beiden Hausleute die Kuchl verlassen hatten. Dann schlüpfte er in den warmen Janker und setzte den breitrandigen Hut auf.

„Bin zum Mittag wieder da. Halt nur die Resl an, sie ist net unrecht, nur ein bisserl vorlaut. Aber anschaffen tust du!“

Er sah ihr an, daß sie ihn gern etwas fragen wollte.

„Was geregelt werden muß, das muß gleich getan werden, ich kenne das net anders. Brauchst dich net zu sorgen, der Lammwirt macht das schon richtig.“

„Ob ich net doch —“ wollte sie beklommen einwenden, aber er unterbrach sie so brüsk, daß sie schwieg.

„Was ausgemacht ist, das gilt. Reiß dich zusammen, Dirndl, sieht doch heute schon ganz anders aus als gestern in der Nacht. Laß dich von der neugierigen Resl net plagen, sondern fahr ihr gleich richtig übers Maul.“

Draußen dämmerte der neue Tag, als er nach dem eichenen Hakelstecken griff und ging.

Der Schäferhund winselte, und die Tini beruhigte ihn. Er ließ sich nun schon von ihr das Fell kraulen.

Der Sturm hatte in der Nacht den Himmel sauber gefegt und der Regen die herbstmüden braunen Wiesenhänge gewaschen. Unter dem Morgenhimmel schien es dem Lammwirt, als stünde nicht der Winter bevor, der den Waldbergen bereits weiße Hauben aufgesetzt hatte, sondern das Frühjahr. Bergauf wandernd, strebte er dem Waldstück zu, hinter dem oberhalb Tannreut das Einödhöfl zum Fleckl lag. Auf den Baumwipfeln schimmerte schon der Schein der aufgehenden Sonne, und er säumte auch schon die Waldhänge um das Tannreuter Tal. Kräftig stieß er den Hakelstecken in den steinigen Weg.

So lebfrisch wie heute hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt. Mutlos und unlustig war er gewesen, hatte den Viehhandel vernachlässigt und war sogar seinen Gästen gegenüber oft und ohne Grund unfreundlich gewesen. Heute aber war er wieder der Lammwirt, seiner Kraft und seines Besitzes bewußt, und es trieb ihn vorwärts wie einen Jungen, der einem kleinen Abenteuer entgegengeht, voll grimmiger Freude auf eine Auseinandersetzung, bei der nur das gelten würde, was er, der Lammwirt von Tannreut, wollte.

Hinter dem Waldstück lag in einer Wiesenmulde das Anwesen des Bartholomäus Steininger, und verächtlich sah der Lammwirt auf das alte Wohnhaus mit den bröckelnden Mauern, dem man die Verwahrlosung von weitem ansah.

„Wer nix tun mag, kommt halt auf keinen grünen Zweig“, zischte er abfällig. „Sieht aus, als schliefen sie noch.“

Eine Hühnerschar stob auseinander, als er sich, knapp an einem Misthaufen vorbei, der Haustür näherte, und eine Katze schnurrte davon und kletterte auf einen alten, halbdürren Kirschbaum.

Die Haustür war nicht abgesperrt, und ohne anzuklopfen machte er die Stubentür auf und steckte den Kopf hinein. Es kam wenig Morgenlicht durch die kleinen Fenster, da er aber die Steiningerin am Herd sah, trat er ein. Es roch und dunstete aufdringlich nach Milchsuppe und frischgesottenen Kartoffeln.

Eine kleine schlohweiße Frau mit kummerfaltigem Gesicht und großen Augen stand am gemauerten Herd.

„Der Lammwirt? Und so früh?“

„Ja, wo ist denn er?“

Resigniert deutete sie nach der Kammer. „Der liegt noch. Hat heut nacht wieder seinen Rausch heimgebracht. Hat einen großen Verdruß gegeben bei uns, gestern, und da ist er fort.“

Ungeduldig forderte der Wirt: „Weck ihn auf!“

„Einen solchen Verdruß —“ wollte die Steiningerin weitererzählen, aber er schnitt ihr das Wort ab:

„Ich weiß es schon, brauchst mir gar nix mehr zu sagen.“ Dann ging er selber zur Kammertür und trommelte mit dem Stock dagegen. „Aufstehen!“

Ein aufgebrachtes Grunzen folgte, und nach einer Weile kam der Steininger, die Hose mit den Händen haltend, heraus, stutzte, als er den frühen Gast sah, und brummte:

„Der Wirt? Was willst du so früh schon?“

„So früh? Habe gedacht, du hättest schon lange die Stallarbeit hinter dir, wie es sich gehört!“

Unverständliches brummte der Steininger, setzte sich auf die Wandbank und sah den breitbeinig vor ihm stehenden Lammwirt unsicher an. Dieser kaute am kaltgewordenen Zigarrenstummel, bohrte die Spitze des Hakelsteckens in eine Bretterfuge des Stubenbodens und fragte unwirsch:

„Hast du deine Schafe schon verkauft?“

„Wer soll sie denn kaufen? Bis jetzt hast du sie alle Jahre gekauft.“

„Wieviel hast du?“

„Zehn, sind gut im Fleisch und haben die Wolle noch“, greinte der Steininger und wurde hellwach, als der Lammwirt ihm einen Preis bot, den er nie erwartet hätte.

Der Wirt zählte das Geld auf den Tisch und bemerkte so nebenbei: „An deiner Stell tät ich übergeben. So geht die ganze Sach vor die Hunde, während dein Jakob sich in der Welt herumschlagen muß. Gib ihm den Hof, ehe du ihn versoffen hast. Also, die Schafe laß ich heut noch holen.“ Er tat, als ob damit sein früher Besuch beendet sei, und ging zur Tür, hatte die Klinke schon in der Hand, wandte sich aber noch einmal um:

„Und was ich sagen wollte: Die Tini ist bei mir.“

Wie von einer Wespe gestochen, rumpelte der Steininger auf.

„Das Luder! Da kommt sie mir gerade recht! Ich werde sie gleich heimtreiben!“

„Gar nix wirst du, verstehst? Die Tini ist bei mir als Hausmagd eingestanden, und dabei bleibt es.“

„Jesus, Maria!“ jammerte nun die Steiningerin. „Wir brauchen sie daheim! Wer soll denn die Arbeit tun?“

„Der da, wer denn sonst?“ grinste der Wirt, und der Steininger wütete:

„Her muß sie! Und solange schlag ich sie, bis —“

Das Gesicht des Wirtes war hart geworden, und mit einem langen Schritt war er wieder vor dem Kleinbauern:

„Wer der Tini auch nur ein unrechtes Wort gibt oder sie gar anrührt, hat es mit mir zu tun, merk dir das! Wird gut sein, wenn du dir ab heute eine andere Einkehr suchst.“

„Über mein Kind bin ich noch Herr!“ tobte der Steininger. „Die ist noch net volljährig — und heim muß sie!“

Nun wurde auch der Wirt zornrot, und mit zusammengebissenen Zähnen knirschte er: „Steininger, ich meine, daß ich es deutlich genug gesagt habe: die Tini bleibt bei mir, und dich will ich in meinem Haus nimmer sehen, sonst werfe ich dich hinaus! Wenn ich dich net anzeige wegen Körperverletzung, dann kannst du froh sein, du Unmensch!“ Ohne den Mann noch weiter zu beachten, wandte er sich der Steiningerin zu: „Hat die Tini Arbeitspapiere oder sonstige Papiere?“

„Ist nix da, hat sie ja daheim net gebraucht“, lamentierte die Kleinbäuerin, ging aber zu einem Wandschränkchen. „Der Impfschein und das Schulzeugnis, sonst haben wir nix.“

„Gib nur her.“

Flüchtig sah er auf die abgegriffenen und verknitterten Papiere der Valentina Steininger.

„Ein bisserl Gewand hat sie auch noch da“, bemerkte die Steiningerin eingeschüchtert, aber der Wirt winkte ab.

„Das kannst wegwerfen!“

Ohne Gruß ging er, und der Steininger stierte ihm nach.

Draußen schmunzelte der Lammwirt und stapfte davon. War das heute ein besonderer Tag? Ihm war so, als wäre nun eine Zeit der Unlust und der Niedergeschlagenheit zu Ende gegangen. Er redete sich und spannte die Armmuskeln an, holte tief Atem und verspürte eine Lust, sich heute noch auf ganz andere Dinge einzulassen, wenn es sein müßte. Der blankgewaschene Himmel freute ihn. Die weißen Berggipfel des Bayerischen Waldes glänzten wie Silber, und ein zugiger Wind blies ihm um die Ohren.

Heute wird er sich wieder einmal beim Haseneder sehen lassen. Gerade heute! Das war wohl der größte Bauer im Ort und auch Bürgermeister, sie kannten sich von klein auf, wenn auch der Haseneder um gute zwanzig Jahre älter war. Zwischen dem eigenwilligen Lammwirt und dem Größten im Ort war immer eine Spannung gewesen, das war aber seit dem Sommer anders, und der Lammwirt wußte auch warum.

Dem Haseneder war eine Tochter im Haus verblieben, die er gern unter die Haube gebracht hätte, aber die Katharina hatte so wenig Anziehendes an sich, daß sogar die in Aussicht stehende große Mitgift keinen der jungen Leute im Dorf und in der Nachbarschaft reizte. So war sie dreißig geworden, und nun meinten sie wohl, daß die Kathl für den verwitweten Lammwirt gerade recht wäre. Also ruhte die Eifersucht zwischen den beiden Größten von Tannreut, und die Hasenederischen waren die Freundlichkeit selbst, wenn der Lammwirt ihnen in den Weg kam, oder wenn sie in seine Gaststube gingen.

Er warf den Zigarrenstumpen weg und lachte vor sich hin.

Von der Höhe sah er auf das Dorf nieder, das entlang der Talstraße sich hinzog, eine Reihe alter Häuser und Höfe, alle um ein Stockwerk niedriger als das aufragende Lammwirtshaus. Darüber, fast am Dorfende, am Hang die Kirche mit der spitzen Turmzwiebel, eingesäumt von der im Frühlicht leuchtenden weißen Friedhofmauer, daneben der schmucke Pfarrhof mit dem schiefergedeckten Walmdach.

War doch schön, dieses Heimatdorf, das war ihm schon lange nicht mehr so bewußt geworden wie an diesem Morgen. Einem Weg folgend, der auf der Höhe über dem Ort hinüber zur Kirche führte, ging er bedächtig dahin. Wiesen und Äcker waren leer und warteten auf den Winter, drunten auf der Straße rührte sich nichts, und die Sonne leuchtete eben die Kreuze im Friedhof an. Über eine kleine Steintreppe trat er in den Gottesacker ein und ging auf die Kirche zu, an deren Wand sich ein marmorner Grabstein lehnte, die letzte Ruhestätte der Familie Trumm. Verwittert waren schon die Schriften mit den Namen der Eltern, daneben aber stand in frischem Schwarz zu lesen, daß man hier die Gastwirtsehefrau Anna Trumm am 17. März dieses Jahres zur ewigen Ruhe gebettet hatte. Im Alter von achtunddreißig Jahren.

Einen Augenblick verweilte der Lammwirt vor dem Grab, nahm den Hut ab, sprengte Weihwasser aus der Schale am Fußende auf die welkenden Blumen und setzte dann seinen Weg auf dem knirschenden Kies fort, vorbei am Pfarrhof und zum anderen Friedhofstor hinaus.

„Ist halt zu früh gegangen, die Anna“, seufzte er und drückte den Hut wieder auf den Kopf. Der Weg stieg an, und hinter einem Hügel tauchte aus einem Talwinkel ein stattliches Gehöft mit einem großen Wohnhaus auf. Die Mauern waren sauber getüncht, die grünen Fensterläden und ein großer Balkon schmückten die Wände, ein Dachreiter mit einer Glocke betonte den Charakter des Herrenbauernhofes. Ställe und Scheunen fügten sich harmonisch in den gesamten Hof ein. Über einen gemauerten Aufgang gelangte der Lammwirt ins Haus und durch den hellen, ziegelgepflasterten und aufgeräumten Hausgang zur großen Stube. Dort traf er die ganze Familie an, den massigen Bauern und Bürgermeister, der ihn mit einem knappen Morgengruß empfing, die Hasenederin, deren verbittertes Gesicht hoffnungsvoll aufleuchtete, die etwas überständige Kathl und den lang aufgeschossenen strammen Gregor, Hoferbe und selbstbewußter Jungbauer.

„Ist ja alles gesund bei euch“, tat der Lammwirt munter und warf einen raschen Seitenblick auf die Kathl. Sie stand bocksteif, während der Haseneder sich endlich bequemte, dem frühen Besucher einen Stuhl hinzuschieben und ihn zum Setzen aufzufordern. Der Lammwirt spürte, daß sie nun alle darauf warteten, daß er mit dem Grund seines Erscheinens herausrücke, und so begann er auch gleich forsch:

„Wollt nur einmal nachsehen, ob bei euch net ein überzähliges Stückl Vieh im Stall steht.“

Der Haseneder zog die Schultern hoch und meinte zögernd: „Hätte schon eine Kuh, die ich über den Winter net haben möcht. Hat schon das vierte Kalb und läßt mit der Milch nach, müßt aber dafür eine andere einstellen.“

„Die kann ich dir beschaffen, und die alte kauf ich dir ab. Kann ich sie sehen?“

Vater und Sohn gingen ihm bereitwilligst voran hinüber in den Stall. Währenddessen hatte die Hasenederin an ihrer Tochter etwas zu kritteln, und sie tat es heftig und bissig:

„Anstellen tust du dich, als wenn du kein Maul hättest! Steht da und schaut wie ein Schaf! Kannst du denn gar net ein bisserl freundlich sein?“

Die Kathl raunzte: „Was hätte ich denn sagen sollen?“

„Weißt sonst auch so viel, was du net sagen sollst, könntest da auch einmal reden! Hast du denn net gemerkt, daß der Wirt net allein wegen dem Viehhandel da ist?“

Und bockig wehrte sich die Kathl: „Hätt ich ihm sagen sollen, daß ich noch zu haben wär? Oder hätte ich ihm um den Hals fallen sollen?“

„Wenn du net so dumm wärst, dann wärst du net dreißig Jahr alt geworden und noch ledig. Deck ein sauberes Tischtuch auf und richte einen Most her, vielleicht kommt er noch einmal in die Stube.“

Der Lammwirt aber kam nicht mehr, schloß seinen Handel ab, verabschiedete sich vom Bauern und hielt den Gregor noch ein wenig zurück, indem er ihn zwinkernd fragte:

„Na, hab was gehört, als wenn du im Fasching heiraten tätest?“

Der Gregor schüttelte nur lachend den Kopf. „Hab mir noch keine gefunden, die den Eltern auch passen täte.“

„Hast dich im Sommer alleweil um die Tini vom Steininger umgetan, das ist freilich keine reiche Partie.“

Der Gregor lachte verlegen. „Die Tini? Gefallen hätte sie mir, aber da war nix zu machen, die mag keinen, und es stimmt auch, meinen Eltern hätte ich mit der Tini net kommen dürfen.“

„Hab aber gemeint, ich hätte sie einmal am späten Abend mit einem Burschen gesehen, und der Größe nach könntest du es gewesen sein“, lauerte der Lammwirt.

„Da hast du dich getäuscht, und ich wüßt auch net, wer das gewesen sein könnt.“

Schweigend stocherte der Wirt mit dem Hakelstecken in der Erde herum und meinte dann: „Bringst mir die Kuh hinunter, vielleicht heut noch.“

„Gehst net noch ein wenig in die Stube?“ fragte der Gregor.

„Nein, Gori, aber ich komme schon wieder einmal vorbei.“

Zögernd wandte er sich zum Gehen und drehte sich noch einmal zurück. „Dann muß das also ein anderer gewesen sein, den ich mit der Tini gesehen habe. Wer das gewesen sein könnt, kannst du dir net denken?“

„Könnt mir net denken, wer mit der Tini am Abend spazieren geht. Die will ja keinen, da hast du dich wahrscheinlich getäuscht.“

„So? Meinst?“ antwortete der Lammwirt geistesabwesend und ging.

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