6,49 €
Als Prinz Tamino im Wald vor einer tödlichen Schlange flieht, ahnt er nicht, dass dies der Beginn einer Reise ist, die sein Leben für immer verändern wird. Gerettet von drei geheimnisvollen Damen im Dienst der Sternenkönigin, erhält er ein Medaillon – und verliebt sich auf den ersten Blick in das Bildnis der schönen Prinzessin Pamina. Die Königin der Nacht fleht ihn an: Ihre Tochter wurde vom Tyrannen Sarastro entführt und muss befreit werden. Ausgestattet mit einer magischen Flöte und begleitet vom ängstlichen, aber loyalen Vogelfänger Papageno, macht sich Tamino auf den Weg zu Sarastros Reich. Doch an den drei Tempeln der Weisheit erfährt Tamino eine erschütternde Wahrheit: Nichts ist, wie es scheint. Sarastro ist kein Tyrann, und die Königin nicht die liebende Mutter, für die sie sich ausgibt. Um Pamina wirklich zu gewinnen – nicht als Retter, sondern als Gleichgestellter – muss Tamino sich drei gefährlichen Prüfungen stellen: Schweigen, Dunkelheit und schließlich dem Durchschreiten von Feuer und Wasser. Eine zeitlose Geschichte über wahre Liebe, die Suche nach Weisheit und den Mut, die eigene Wahrheit zu finden – frei nacherzählt nach Mozarts unsterblicher Oper.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 186
Veröffentlichungsjahr: 2025
Anno Stock
Die Zauberflöte - Kein Drama nach Wolfgang Amadeus Mozart
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Table of Contents
Kapitel 1: Die Schlange
Kapitel 2: Der Vogelfänger
Kapitel 3: Das Bildnis
Kapitel 4: Der Weg zu den Tempeln
Kapitel 5: Die Tempel der Wahrheit
Kapitel 6: Sarastros Urteil
Kapitel 7: Das Schweigen
Kapitel 8: Paminas Nacht
Kapitel 9: Die zweite Versuchung
Kapitel 10: In der Dunkelheit
Kapitel 11: Feuer und Wasser
Kapitel 12: Der letzte Angriff
Kapitel 13: Der neue Morgen
Nachwort
Impressum neobooks
Die Zauberflöte
Dieser Roman basiert auf der Oper "Die Zauberflöte"
Musik: Wolfgang Amadeus Mozart Libretto: Emanuel Schikaneder
Uraufführung: 30. September 1791 Theater auf der Wieden, Wien
In Dankbarkeit an beide Schöpfer, die uns diese zeitlose Geschichte von Prüfung, Weisheit und Liebe schenkten.
Der Wald hatte keine Gnade.
Tamino rannte, als hinge sein Leben daran – und das tat es. Dornen rissen an seinem zerrissenen Gewand, Äste peitschten ihm ins Gesicht, und seine Lungen brannten wie Feuer. Hinter ihm, viel zu nah, hörte er das Zischen. Dieses furchtbare, niemals endende Zischen, das ihm durch Mark und Bein fuhr.
Er wagte nicht zurückzublicken. Nicht noch einmal.
Das erste Mal, als er sich umgedreht hatte, war fast sein letztes gewesen. Die Schlange – nein, dieses Ding war keine gewöhnliche Schlange – hatte sich über den Waldboden gewunden, mächtig wie ein gefällter Baumstamm, ihre Schuppen schimmernd in einem giftigen Grün, das selbst im Halbdunkel des dichten Waldes leuchtete. Ihre Augen, diese gelben, gespaltenen Augen, hatten ihn angestarrt mit einer Intelligenz, die weit über tierische Instinkte hinausging. Und ihr Maul, aufgerissen zu einem Abgrund aus Reißzähnen und dunkler Leere...
Tamino stolperte über eine Wurzel, fing sich im letzten Moment. Sein Bogen war längst verloren, irgendwo zwischen den Bäumen zurückgeblieben, als die Verfolgungsjagd begonnen hatte. Sein Köcher war leer – die letzten drei Pfeile hatte er auf das Ungetüm verschossen, und alle drei waren wirkungslos von den Schuppen abgeprallt, als wären sie aus Stein gemeißelt.
Wie war er nur in diese Situation geraten?
Der Morgen hatte so verheißungsvoll begonnen. Er, Prinz Tamino von... nun, das spielte jetzt keine Rolle mehr. Sein Königreich lag weit hinter ihm, verloren in einer Verkettung von Umständen, die ihn zum Wanderer gemacht hatten, zum Suchenden ohne klares Ziel. Er hatte gehofft, in diesem fremden Land Frieden zu finden, vielleicht einen Sinn, eine Bestimmung.
Stattdessen fand er den Tod auf seinen Fersen.
Das Zischen wurde lauter. Näher.
Panik flammte in Taminos Brust auf, heiß und erstickend. Seine Beine wurden schwerer, seine Schritte unsicherer. Wie lange rannte er schon? Eine Stunde? Zwei? Die Zeit hatte ihre Bedeutung verloren in diesem endlosen Alptraum aus grünen Schatten und todbringender Verfolgung.
Eine Lichtung! Vor ihm öffnete sich der Wald zu einer kleinen Lichtung, durchflutet von Sonnenstrahlen, die wie goldene Speere durch das Blätterdach stachen. Hoffnung keimte auf – vielleicht konnte er dort...
Nein. Was für ein törichter Gedanke. Auf freiem Feld würde er noch schneller fallen.
Aber seine Beine gehorchten ihm nicht mehr. Sie trugen ihn auf die Lichtung hinaus, ins gleißende Licht, und dort, inmitten eines Kreises aus Wildblumen, gaben sie endlich nach.
Tamino stürzte.
Er fiel auf die Knie, dann nach vorn, die Hände auf das weiche Moos gestützt. Sein Atem ging in rasenden, verzweifelten Zügen. Schweiß rann ihm von der Stirn, tropfte auf die Erde. Jeder Muskel in seinem Körper schrie vor Erschöpfung.
Und das Zischen verstummte.
In der plötzlichen Stille hörte Tamino nur noch sein eigenes keuchendes Atmen und das wilde Hämmern seines Herzens. Langsam, so langsam, hob er den Kopf.
Die Schlange hatte die Lichtung erreicht.
Sie erhob sich vor ihm wie ein lebendiger Turm, ihr Körper dick wie ein Jahrhundertalter Baumstamm, ihre Länge unmöglich abzuschätzen – das Ende ihres gewundenen Leibes verlor sich noch immer zwischen den Bäumen. Das Sonnenlicht brach sich in ihren Schuppen, verwandelte sie in ein schillerndes Kaleidoskop aus Smaragd und Gift.
Ihr Kopf, groß wie ein Mühlstein, senkte sich herab. Die gespaltene Zunge zischte hervor, kostete die Luft, kostete seine Angst.
Tamino wollte schreien, aber seine Kehle war wie zugeschnürt. Er wollte aufspringen, fliehen, kämpfen – irgendetwas. Aber sein Körper reagierte nicht mehr. Die Erschöpfung hatte ihn fest im Griff, und die Furcht lähmte den letzten Rest seines Willens.
So endet es also, dachte er mit seltsamer Klarheit. Namenlos in einem fremden Wald, verschlungen von einem Ungeheuer aus einem Alptraum.
Die Schlange öffnete ihr Maul. Reihen über Reihen von Zähnen, jeder so lang wie ein Dolch, glitzerten im Sonnenlicht. Ein Gestank nach Verwesung und uralter Wildnis wehte Tamino entgegen.
Er schloss die Augen.
Dann hörte er Stimmen.
„Dort! Bei den Göttern, seht nur!"
„Die Schlange – sie wird ihn töten!"
„Schnell, Schwestern, schnell!"
Taminos Augen flogen auf. Drei Gestalten – nein, drei Frauen – kamen aus dem Wald getreten, ihre Bewegungen fließend und schnell wie Rehe. Sie trugen Gewänder aus schimmerndem Silber, das bei jedem Schritt das Licht einfing und zurückwarf. Ihre Gesichter waren von einer Schönheit, die nicht von dieser Welt zu sein schien, umrahmt von Haar so schwarz wie Mitternacht.
Und in ihren Händen trugen sie Speere.
Die Schlange wandte ihren massiven Kopf den Neuankömmlingen zu. Ein Fauchen, tiefer und bedrohlicher als zuvor, rollte über die Lichtung wie Donner.
„Zurück, Ausgeburt der Finsternis!", rief die erste der Frauen mit einer Stimme, die wie Silberglocken klang und doch Stahl in sich trug.
„Du hast hier nichts zu suchen!", setzte die zweite hinzu.
„Im Namen der Sternenkönigin – weiche!", befahl die dritte.
Sternenkönigin? Taminos Verstand, benebelt von Angst und Erschöpfung, konnte mit diesem Begriff nichts anfangen. Doch die Wirkung auf die Schlange war unmittelbar.
Das Ungetüm zögerte. Sein Kopf schwankte zwischen Tamino und den drei Frauen hin und her, als würde es abwägen, welche Beute es sich nehmen sollte.
„Jetzt!", rief die erste Frau.
Als eine Einheit hoben alle drei ihre Speere und schleuderten sie.
Die Waffen flogen durch die Luft wie silberne Blitze, so schnell, dass Taminos Augen ihnen kaum folgen konnten. Und sie trafen. Alle drei, in perfekter Synchronität, bohrten sich in den Leib der Schlange – dort, wo Taminos Pfeile wirkungslos abgeprallt waren.
Das Gebrüll der Kreatur zerriss die Luft.
Sie wand sich, schlug um sich, ihr gewaltiger Schwanz peitschte gegen Bäume und ließ Äste wie Strohhalme zerbrechen. Aber die Speere blieben, wo sie waren, und aus den Wunden quoll eine Flüssigkeit, die nicht Blut zu sein schien, sondern etwas Dunkleres, Dickeres, das die Erde, wo es auftraf, zischen und dampfen ließ.
„Es stirbt!", rief eine der Frauen triumphierend.
Und wirklich – die Bewegungen der Schlange wurden schwächer, ihre Schreie leiser. Noch ein letztes Mal richtete sie sich auf, ihr Maul weit aufgerissen zu einem lautlosen Schrei, dann stürzte sie.
Die Erde bebte, als der massive Körper aufschlug. Staub wirbelte auf, Vögel flohen schreiend aus den umliegenden Bäumen. Und dann war Stille.
Tamino starrte auf den leblosen Leib des Ungeheuers. Sein Verstand weigerte sich zu begreifen, was gerade geschehen war. Eben noch war er dem sicheren Tod geweiht gewesen, und nun...
„Der junge Mann!"
Die drei Frauen eilten zu ihm. Tamino versuchte aufzustehen, seine Beine zu zwingen, ihn zu tragen, aber sie knickten unter ihm weg. Starke Hände fingen ihn auf, bevor er erneut stürzen konnte.
„Vorsichtig, er ist am Ende seiner Kräfte."
„Seht nur, wie bleich er ist!"
„Und verletzt – diese Kratzer..."
Ihre Stimmen umwirbelten ihn wie Musik, sanft und besorgt. Tamino blickte in drei Gesichterpaare, und jedes war schöner als das vorherige. Die erste Frau hatte Augen so grün wie Frühlingsblätter, die zweite Augen so blau wie der Sommerhimmel, und die dritte Augen so dunkel wie die Nacht selbst.
„Wer... wer seid ihr?", brachte Tamino mühsam hervor, seine Stimme kaum mehr als ein Krächzen.
„Wir sind die Dienerinnen der Sternenkönigin", antwortete die Grünäugige. „Und du bist in Sicherheit."
„Die Schlange...", begann Tamino, doch die Blauäugige schüttelte den Kopf.
„Sie wird dir nichts mehr tun. Ruhe dich aus, junger Prinz."
Prinz? Woher wussten sie...?
Aber die Frage verlor sich, bevor sie seine Lippen erreichen konnte. Eine Welle von Schwindel erfasste Tamino, schwarz und überwältigend. Die Welt begann sich zu drehen, die Gesichter der Frauen verschwammen vor seinen Augen.
„Er verliert das Bewusstsein!"
„Fangt ihn auf!"
„Schnell, wir müssen ihn zu..."
Mehr hörte Tamino nicht. Die Dunkelheit verschlang ihn, samtweich und vollständig, und er sank in ihre Umarmung wie ein Stein ins tiefe Wasser.
Das Letzte, was er wahrnahm, war das Gefühl sanfter Hände, die ihn stützten, und ein Duft nach Jasmin und Sternenstaub, der nicht von dieser Welt zu sein schien.
Dann war alles still.
Die drei Damen standen um den regungslosen Körper des jungen Mannes herum und betrachteten ihn mit einer Mischung aus Sorge und... etwas anderem.
„Seht nur, wie friedlich er aussieht", flüsterte die Grünäugige und strich eine schweißnasse Strähne aus Taminos Stirn. „Wie ein Prinz aus einem alten Märchen."
„Er ist ein Prinz", bemerkte die Blauäugige. „Seht die Feinheit seiner Züge, die edle Haltung selbst im Schlaf."
„Und tapfer dazu", fügte die Dunkeläugige hinzu. „Er ist dieser Bestie allein entgegengetreten, ohne zu fliehen, bis seine Kräfte ihn verließen."
Die Grünäugige seufzte leise. „So jung und schön... Ich könnte hier bleiben und ihn bewachen, bis er erwacht."
„Du?", die Blauäugige lachte silbern. „Nein, Schwester, wenn jemand hier bleiben sollte, dann ich. Seht nur, wie sein Atem geht – so regelmäßig, so..."
„Schwestern!", unterbrach die Dunkeläugige scharf, obwohl auch in ihren Augen ein seltsames Leuchten lag, als sie auf Tamino hinabblickte. „Wir haben einen Auftrag. Unsere Königin muss von diesem jungen Mann erfahren."
„Du hast recht", stimmte die Grünäugige widerwillig zu. Sie bückte sich ein letztes Mal, ließ ihre Finger über Taminos Wange gleiten. „Aber es schmerzt mich, ihn hier allein zu lassen."
„Er ist in Sicherheit", sagte die Dunkeläugige bestimmt. „Die Schlange ist tot, und dieser Teil des Waldes wird von unserer Königin beschützt. Kein Unheil wird ihm hier zustoßen."
„Dennoch..." Die Blauäugige zögerte. „Wenn er erwacht und sich fürchtet..."
„Er ist ein Prinz und ein Krieger", entgegnete die Dunkeläugige. „Er wird verstehen."
Aber auch sie konnte ihren Blick kaum von dem jungen Mann lösen. Seine Gesichtszüge im Schlaf hatten etwas Verwundbares, das einen Beschützerinstinkt in ihnen allen weckte. Und mehr als das – eine Ahnung, dass dieser fremde Prinz, der so unverhofft in ihr Leben gestürzt war, eine größere Rolle spielen würde, als sie sich vorstellen konnten.
„Wir müssen gehen", sagte die Grünäugige schließlich, mit sichtbarer Überwindung. „Jede Minute, die wir zögern, ist eine Minute, die unsere Königin in Unwissenheit verbringt."
„Ihr habt beide recht", seufzte die Blauäugige. Sie beugte sich herab und hauchte einen Kuss auf Taminos Stirn – so leicht, dass er es im Schlaf nicht spüren konnte. „Leb wohl, schöner Prinz. Wir kehren zurück, so schnell wir können."
Die anderen beiden Frauen tauschten einen Blick aus, dann taten sie es ihr gleich. Drei Küsse, federleicht wie Schmetterlingsflügel, berührten Taminos Stirn, seine Wange, seine Lippen.
„Kommt", sagte die Dunkeläugige schließlich, und ihre Stimme klang rauer als gewöhnlich. „Je schneller wir gehen, desto schneller kehren wir zurück."
Mit einem letzten, sehnsüchtigen Blick auf den schlafenden Prinzen wandten sich die drei Damen ab. Ihre silbernen Gewänder rauschten, als sie über die Lichtung schritten, zurück in den Wald, aus dem sie gekommen waren.
Und Tamino lag allein da, bewusstlos und unbeweglich, umgeben vom Duft der Wildblumen und dem leisen Summen der Bienen, die von Blüte zu Blüte flogen, als wäre nichts geschehen.
Die Sonne stand bereits höher am Himmel, als ein neues Geräusch die Stille der Lichtung durchbrach.
Pfeifen.
Jemand pfiff eine fröhliche, unbekümmerte Melodie, hell und beschwingt, und kam näher. Dazu gesellte sich das Rascheln von Laub und das Klappern von... irgendetwas Hölzernem.
„Der Vogelfänger bin ich ja, stets lustig, heißa hopsasa!", sang eine Stimme, kräftig und selbstbewusst, wenn auch nicht besonders melodisch. „Ich Vogelfänger bin bekannt bei Alt und Jung im ganzen Land!"
Durch das Unterholz brach eine Gestalt, so seltsam und farbenfroh, dass sie selbst auf dieser magischen Lichtung fehl am Platz wirkte.
Es war ein Mann – nein, nicht ganz ein Mann. Er war von mittlerer Größe, stämmig gebaut, und sein Körper war von Kopf bis Fuß in ein Federkleid gehüllt, das in allen erdenklichen Braun-, Grün- und Goldtönen schimmerte. Auf seinem Kopf trug er eine Art Haube, die mit bunten Federn geschmückt war und ihm das Aussehen eines exotischen Vogels verlieh. Auf seinem Rücken schaukelte ein großer Käfig aus Weidenruten, in dem sich ein Dutzend Vögel drängten und zwitscherten.
In einer Hand hielt er eine Panflöte, mit der er seine Melodie untermalte, in der anderen eine Fangstange mit einem Netz.
„Weiß mit dem Locken umzugehn, und mich aufs Pfeifen zu verstehn!", fuhr er fort zu singen, während er mit federnden Schritten die Lichtung betrat. „Drum kann ich froh und lustig sein, denn alle Vögel sind ja mein!"
Er war so sehr in sein Lied vertieft, dass er zunächst weder die tote Schlange noch den bewusstlosen Mann auf dem Boden bemerkte. Erst als er mitten auf der Lichtung stand und seinen Blick schweifen ließ auf der Suche nach neuen gefiederten Opfern, erstarrte er.
„Bei allen Federn meines Rocks!", entfuhr es ihm, und die Panflöte entglitt fast seinen Händen. „Was... was in aller Welt..."
Sein Blick sprang zwischen der gigantischen Schlange und dem regungslosen Tamino hin und her. Eine ganze Weile stand er einfach nur da, den Mund offen, die Augen weit aufgerissen.
Dann, ganz langsam, breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Ein breites, selbstgefälliges Lächeln.
„Nun, nun, nun", murmelte er und trat näher. „Wie das aussieht! Ein junger Herr, ganz vornehm anzusehen, und eine Riesenschlange, tot wie ein Türnagel." Er beugte sich über Tamino, lauschte seinem Atem. „Lebt noch. Gute Sache, sehr gute Sache."
Er richtete sich auf, stemmte die Hände in die Hüften und betrachtete die Szene mit wachsender Begeisterung. Die Räder in seinem Kopf begannen sich zu drehen.
„Eine Geschichte", sagte er zu sich selbst. „Oh ja, das ist eine Geschichte! Der tapfere Papageno – das bin ich natürlich – begegnet auf seinem täglichen Rundgang durch den Wald einer fürchterlichen Bestie. Ein Monster, wie es die Welt noch nie gesehen hat! Und dieser arme junge Herr, ein Prinz vielleicht, liegt hilflos zu ihren Füßen..."
Er begann, um die Lichtung zu stolzieren, seine Geschichte mit ausladenden Gesten untermalend.
„Aber Papageno, der furchtlose Vogelfänger, weicht nicht zurück! Oh nein! Mit bloßen Händen – na gut, vielleicht mit dieser Stange hier – stürzt er sich auf die Kreatur. Ein gewaltiger Kampf entbrennt! Die Schlange windet sich, schnappt zu, aber Papageno ist zu schnell, zu stark, zu..."
Er unterbrach sich, als ein leises Stöhnen von Tamino herüberdrang.
„Ah! Er erwacht!", rief Papageno und eilte zu dem jungen Mann. „Schnell, schnell, ich muss zur Stelle sein, wenn er die Augen öffnet. Dann wird er selbst Zeuge meiner Heldentat!"
Er kniete sich neben Tamino, setzte sein besorgtestes Gesicht auf und wartete.
Taminos Augenlider flatterten. Die Welt kehrte langsam zurück – zuerst als verschwommene Formen und Farben, dann immer schärfer werdend. Über ihm wölbte sich der blaue Himmel, durchsetzt mit den Zweigen der Bäume. Sein ganzer Körper schmerzte, ein dumpfes Pochen, das von seinen Füßen bis in seinen Schädel reichte.
Die Schlange.
Die Erinnerung schoss zurück wie ein Pfeil, und Tamino fuhr mit einem Keuchen hoch. Sofort protestierte jeder Muskel in seinem Körper, und er sank mit einem Schmerzenslaut zurück.
„Sachte, sachte, junger Herr!", ertönte eine fröhliche Stimme neben ihm. „Ihr seid in Sicherheit. Die Bestie ist besiegt!"
Tamino drehte mühsam den Kopf. Neben ihm kauerte die sonderbarste Gestalt, die er je gesehen hatte – ein Mann in Federn, mit einem Gesicht, das gutmütig und ein wenig verschlagen zugleich wirkte.
„Wer... wer seid Ihr?", brachte Tamino hervor. Seine Kehle fühlte sich an wie Sandpapier.
„Papageno ist mein Name!", verkündete der Gefiederte stolz und schlug sich auf die Brust, was ein leises Rascheln seiner Federn verursachte. „Der Vogelfänger, bekannt in allen Landen! Und Ihr, junger Herr, habt großes Glück gehabt, dass ich vorbeikam, als Ihr in Not wart."
Tamino versuchte, sich aufzusetzen, und diesmal gelang es mit Papagenos Hilfe. Sein Blick fiel auf die Schlange – den gewaltigen, leblosen Körper, der sich über die halbe Lichtung erstreckte.
„Die Schlange...", flüsterte er. „Sie ist tot."
„Tot wie ein Stein!", bestätigte Papageno fröhlich. „Und zwar durch meine Hand – na ja, meine Kraft, um genau zu sein!"
Tamino starrte ihn ungläubig an. „Ihr... Ihr habt sie getötet?"
„Aber gewiss doch!", log Papageno mit der Selbstverständlichkeit eines geübten Geschichtenerzählers. „Mit bloßen Händen habe ich sie erwürgt! Nun, nicht ganz mit bloßen Händen – ich hatte ja meine Stange hier. Aber es war ein gewaltiger Kampf, das könnt Ihr mir glauben! Sie wand sich und zischte, und ich dachte schon, meine letzte Stunde hätte geschlagen, aber dann..."
„Mit bloßen Händen?", wiederholte Tamino schwach. Er blickte auf die Schlange, auf die drei Speere, die noch immer in ihrem Leib steckten. „Und diese Speere...?"
Papageno folgte seinem Blick und verfluchte innerlich seine Unachtsamkeit. Aber sein Gesicht verriet nichts.
„Ach, die! Die waren schon vorher da. Jemand anderes muss versucht haben, die Kreatur zu erlegen, aber es hat nicht geklappt. Erst als ich kam..."
„Jemand anderes", murmelte Tamino. Bilder blitzten in seinem Gedächtnis auf – drei Frauen in Silber, Stimmen wie Glocken, ein Speerwurf, so präzise und tödlich... Oder hatte er das nur geträumt?
„Ihr seht verwirrt aus", sagte Papageno mitfühlend. „Verständlich, verständlich. So eine Begegnung mit dem Tod steckt man nicht einfach weg. Aber keine Sorge, Papageno ist jetzt hier, und solange ich da bin, wird Euch nichts passieren!"
Tamino versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Sein Kopf fühlte sich an wie mit Watte gefüllt. Drei Frauen... oder ein Traum... und dieser merkwürdige Vogelfänger, der behauptete...
„Ich bin Euch dankbar", sagte er schließlich, obwohl etwas in ihm an Papagenos Geschichte zweifelte. „Wie auch immer die Schlange starb – ich lebe, und dafür schulde ich jemandem Dank."
„Nun, Ihr schuldet mir Dank!", strahlte Papageno. „Aber ich bin ein bescheidener Mann. Ein paar Worte der Anerkennung, vielleicht eine kleine Belohnung, wenn Ihr zufällig..."
Er unterbrach sich abrupt. Über die Lichtung wehte eine Brise, und mit ihr kam ein Duft – Jasmin und etwas Unbeschreibliches, etwas Magisches.
Papageno sprang auf, seine Federn sträubten sich. „Oh nein", murmelte er. „Nicht sie. Nicht jetzt."
„Was ist?", fragte Tamino alarmiert.
Aber er brauchte keine Antwort. Aus dem Wald traten die drei Frauen – die drei Damen in ihren silbernen Gewändern, und ihre Gesichter waren alles andere als freundlich.
„Papageno!", rief die Grünäugige mit einer Stimme, die vor Zorn bebte. „Du elender Lügner!"
Der Vogelfänger wich zurück, seine vorherige Selbstsicherheit war wie weggeblasen. „Ich... ich kann alles erklären!", stammelte er.
„Du kannst erklären", sagte die Blauäugige eisig, „warum du die Lorbeeren für unsere Tat erntest?"
„Du kannst erklären", fügte die Dunkeläugige hinzu, und in ihrer Hand erschien wie aus dem Nichts ein goldenes Schloss, „warum du den Prinzen belügst?"
„Nein, wartet!", Papageno hob abwehrend die Hände. „Es war nur Spaß! Ein kleiner Scherz! Ich wollte nur..."
Aber die Damen hörten nicht auf ihn. Mit fließenden Bewegungen umkreisten sie ihn, und die Luft selbst schien zu knistern vor Macht.
Tamino, noch immer benommen und verwirrt, beobachtete die Szene wie ein Theaterstück.
„Für deine Lügen", verkündete die Grünäugige, „sollst du die passende Strafe erhalten."
„Ein Schloss", sagte die Blauäugige, „für deinen lügenden Mund."
„Und Schweigen", endete die Dunkeläugige, „bis du gelernt hast, die Wahrheit zu sagen."
„Nein! Bitte! Ich werde nie wieder...!"
Aber es war zu spät. Die Dunkeläugige trat vor, und das goldene Schloss in ihrer Hand begann zu leuchten. Sie hob es hoch, und wie von unsichtbaren Fäden gezogen flog es auf Papagenos Mund zu.
Der Vogelfänger versuchte zu fliehen, aber seine Füße schienen am Boden festgewachsen. Er versuchte zu schreien, aber das Schloss erreichte seine Lippen und – klick – schnappte zu.
Papageno griff sich an den Mund, seine Augen weit aufgerissen vor Entsetzen. Er versuchte zu sprechen, aber nur gedämpfte, unverständliche Laute drangen hervor. Seine Finger zerrten an dem Schloss, aber es rührte sich nicht.
„So", sagte die Grünäugige mit Genugtuung. „Vielleicht lernst du daraus."
Dann wandten sich alle drei Tamino zu, und ihre Gesichter verwandelten sich, wurden weich und warm.
„Vergebt uns, edler Prinz", sagte die Grünäugige und neigte das Haupt. „Dass Ihr Zeuge dieser... Unannehmlichkeit werden musstet."
„Wir sind es, die die Schlange erschlugen", erklärte die Blauäugige. „Nicht dieser Prahlhans."
„Und wir sind zurückgekehrt, um nach Eurem Wohlbefinden zu sehen", fügte die Dunkeläugige hinzu, und in ihren dunklen Augen lag ein Schimmern, das Tamino erröten ließ.
Er versuchte aufzustehen, seine Beine zitterten, aber er schaffte es. „Dann war es kein Traum", sagte er leise. „Ihr... Ihr habt mir das Leben gerettet."
„Es war uns eine Ehre", sagten alle drei wie aus einem Mund.
Papageno, noch immer verschlossen und verzweifelt, tanzte zwischen ihnen herum, gestikulierte wild und stieß gedämpfte Protestrufe aus.
„Ruhe, Papageno!", befahl die Grünäugige, ohne ihn anzusehen. „Deine Strafe endet, wenn du wahre Reue zeigst."
Sie wandte sich wieder Tamino zu, und ihr Lächeln ließ sein Herz schneller schlagen.
„Aber nun, edler Prinz", sagte sie, und ihre Stimme wurde weich wie Samt, „haben wir etwas für Euch. Etwas, das Euer ganzes Leben verändern wird."
Aus den Falten ihres Gewandes zog sie ein Medaillon hervor, oval und golden, das an einer feinen Kette hing.
„Von unserer Königin", sagte sie, „der Herrin der Sterne und Beschützerin aller Verzweifelten."
„Öffnet es", forderte die Blauäugige leise.
Mit zitternden Fingern nahm Tamino das Medaillon entgegen. Es war warm in seiner Hand, pulsierte fast, als hätte es ein eigenes Leben. Er fand den winzigen Verschluss und öffnete es.
Im Inneren war ein Miniaturportrait.
Und Tamino vergaß zu atmen.
Es war eine junge Frau.
Nein – nicht nur eine junge Frau. Es war... Schönheit selbst, festgehalten in Miniatur, gemalt mit einer Kunstfertigkeit, die jedes noch so kleine Detail zum Leben erweckte. Ihr Haar fiel in dunklen Wellen über ihre Schultern, ihr Gesicht hatte die Anmut einer Göttin – hohe Wangenknochen, volle Lippen, eine Nase von klassischer Ebenmäßigkeit. Aber es waren die Augen, die Tamino festhielten. Große, ausdrucksvolle Augen, in denen er gleichzeitig Stärke und Verletzlichkeit, Würde und stille Verzweiflung las.
Sie schien ihn anzublicken, direkt aus dem Gemälde heraus, und in diesem Blick lag eine Frage, ein Flehen, das sein Herz mit einer Gewalt traf, die ihn selbst erschreckte.
„Dies Bildnis ist bezaubernd schön", flüsterte Tamino, und seine Stimme zitterte. „Wie noch kein Auge je geseh'n!"
Die drei Damen tauschten bedeutungsvolle Blicke aus. Die Grünäugige lächelte wissend.
