Chefarzt Dr. Holl 1864 - Katrin Kastell - E-Book

Chefarzt Dr. Holl 1864 E-Book

Katrin Kastell

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein unheimlicher Verdacht
Was die Ärzte herausfanden, war unglaublich
Von Katrin Kastell

Als die Lehrerin Jennifer Bernauer eine achtzehnjährige schwangere Schülerin zu ihrer Untersuchung in die Berling-Klinik begleitet, erfährt Dr. Holl zufällig, dass Jennifer selbst keine Kinder bekommen kann. Er erkennt bei ihr diesen typischen traurigen Blick jener Frauen, die ihren größten Lebenstraum begraben mussten. Sie leide unter dem PCO-Syndrom, und in ihrem Fall sei da nichts zu machen, habe ihr ein Arzt erklärt.
Über diese Diagnose bei der schlanken, sportlichen Frau wundert Dr. Holl sich sehr. Zudem weiß er, dass diese Störung des hormonalen Gleichgewichts oft gut behandelbar ist. Eine erneute Untersuchung in seiner Klinik lehnt die junge Frau jedoch kategorisch ab.
Da keimt ein unheimlicher Verdacht in dem Chefarzt auf ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 129

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Ein unheimlicher Verdacht

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: alvarez / iStockphoto

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-8129-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Ein unheimlicher Verdacht

Was die Ärzte herausfanden, war unglaublich

Von Katrin Kastell

Als die Lehrerin Jennifer Bernauer eine achtzehnjährige schwangere Schülerin zur Untersuchung in die Berling-Klinik begleitet, erfährt Dr. Holl zufällig, dass Jennifer selbst keine Kinder bekommen kann. Er erkennt bei ihr diesen typischen traurigen Blick jener Frauen, die ihren größten Lebenstraum begraben mussten. Sie leide unter dem PCO-Syndrom, und in ihrem Fall sei da nichts zu machen, habe ihr ein Arzt erklärt.

Über diese Diagnose bei der schlanken, sportlichen Frau wundert Dr. Holl sich sehr. Zudem weiß er, dass diese Störung des hormonellen Gleichgewichts oft gut behandelbar ist. Eine erneute Untersuchung in seiner Klinik lehnt die junge Frau jedoch kategorisch ab. Da keimt ein unheimlicher Verdacht in dem Chefarzt auf …

„Und nun alle noch einmal hergeschaut. Hier seht ihr das vielleicht liebste Motiv der Künstlerin.“

Mit einem Mausklick ließ Jennifer eine Zeichnung der Malerin Käthe Kollwitz auf dem Whiteboard über dem Lehrerpult aufleuchten.

Das Bild bestand nur aus wenigen, scheinbar flüchtig hingeworfenen Strichen mit dem Kohlestift, und doch lag so viel Gefühl darin, dass Jennifer sich niemals daran sattsehen konnte.

Käthe Kollwitz hatte in ihrem Bild eine Frau verewigt, die ihr Kind in den Armen hielt. Die Liebe zwischen den beiden sprang dem Betrachter regelrecht entgegen. Sie war überwältigend, stärker als alles um sie herum.

Wie eine Welle fiel der nur zu vertraute Schmerz über Jennifer her. Sie riss sich zusammen. Vor ihren Schülern durfte sie sich ihrem Kummer nicht hingeben. Er gehörte nach Hause, in ihre vier Wände, und ihr Mann Marcus war der einzige Mensch, mit dem sie ihn teilen konnte.

Seit fünf Jahren waren sie verheiratet, und fast genauso lange wünschten sie sich ebenso sehnlichst wie vergeblich ein Kind.

Ihre Ehe war glücklich, so glücklich wie eine Ehe nur sein konnte. Und sie waren in der Lage, ihrem Kind ein schönes Leben zu bieten. Jennifer hatte als Lehrerin am örtlichen Gymnasium ein sicheres Einkommen, und ihr Erspartes würde ausreichen, um die ersten Jahre mit dem kleinen Menschen zu Hause zu bleiben.

Marcus seinerseits war derzeit noch als Physiotherapeut beschäftigt, arbeitete aber darauf hin, sich zusammen mit einem Freund seinen Traum vom eigenen Fitnessstudio zu erfüllen.

In einem grünen, ruhigen Teil des Bezirks hatten sie sich ein verwunschenes kleines Häuschen gekauft, das von einem großen, romantisch verwilderten Garten umgeben war. Ringsum gab es Spielplätze, Parks und Eisdielen, einen ausgezeichneten Kindergarten und verschiedene Schulen zur Auswahl.

Das Kinderzimmer im Dachgeschoss hatte Jennifer in Gedanken schon hundertmal eingerichtet, damit es ihrem Kind an nichts fehlte. Aber so intensiv sie es auch versuchten, der ersehnte Nachwuchs wollte sich nicht einstellen.

Das alles gehörte jedoch nicht hierher! Jennifer war Lehrerin. Ihre Aufgabe war es, jungen Menschen auf dem Weg ins Erwachsenenleben Halt zu bieten, nicht sich in privaten Gefühlen zu verlieren. Und in diesem Augenblick hatte sie genug damit zu tun, die Aufmerksamkeit der siebzehn Jungen und Mädchen im Klassenraum noch einmal auf das Whiteboard zu lenken.

Es war der letzte Schultag vor den lang ersehnten Osterferien.

Die meisten Schülerinnen und Schüler in Jennifers Kunst-Leistungskurs waren jetzt, so kurz vor dem Klingeln, längst mit den Dingen beschäftigt, die sie für die freien Tage geplant hatten.

Jennifer aber wollte, dass sie einen Eindruck von Käthe Kollwitz’ Bild in ihre Ferien mitnahmen. Nicht nur weil die Beschäftigung damit eine gute Übung für das bevorstehende Abitur darstellte, sondern weil die Künstlerin es wie kaum eine Zweite verstand, Menschen zu berühren und zu bereichern.

„Ich möchte zu diesem Bild gar nicht viel sagen“, erklärte Jennifer. „Mich interessieren eure eigenen Gedanken. Ich habe euch Käthe Kollwitz’ Zeichnung auf einem Arbeitsbogen ausgedruckt. Über die Ferien schreibt bitte jeder von euch in ein paar Zeilen auf, was das Bild in ihm auslöst. Dabei erwarte ich kein Fachwissen über die verwendete Technik, sondern das, was ihr beim Betrachten empfindet.“

Sie ging durch die Bankreihen und teilte die Blätter aus. Ein paar Jungen murrten, weil sie in den Ferien natürlich keine Lust auf Hausaufgaben hatten, und die meisten anderen stopften die Blätter unbeachtet in ihre Schultaschen. Eine aber, die zierliche dunkelhaarige Pia Wiechmann, die allein in der letzten Reihe saß, starrte wie gebannt auf das Whiteboard mit Käthe Kollwitz’ Bild.

„Gefällt es dir?“ Mit einem Lächeln legte Jennifer den Arbeitsbogen vor sie hin. Sie mochte Pia gern.

Das Mädchen hatte Talent und träumte davon, nach dem Abitur ein Kunststudium zu beginnen, während ihr Stiefvater sie lieber als Buchhalterin in seinem Lampengeschäft sehen wollte. Ein wenig fühlte sich Jennifer dadurch an ihre eigene Kindheit und Jugend erinnert. Für ihre Wünsche und Träume war in ihrem Elternhaus nie Platz gewesen.

Zudem verfügte Pia über ein außergewöhnliches Feingefühl.

„Es ist … es ist unglaublich schön“, stammelte sie. „Die Frau, die Käthe Kollwitz gezeichnet hat, muss ihr Kind wirklich über alles lieben.“

Jennifer liebte ihren Beruf und hatte zu ihren Schülern ein kameradschaftliches Verhältnis, doch noch nie hatte sie sich einer Schülerin so nah gefühlt wie Pia in diesem Augenblick. In einem Nebensatz hatte das Mädchen einmal erwähnt, dass sie ihrer Mutter gleichgültig war. Genauso hatte Jennifer empfunden.

Ihre Mutter hatte eine Kneipe betrieben und allein für ihr Geschäft und die Geselligkeit mit den Gästen gelebt. Häufig war sie erst im Morgengrauen nach Hause gekommen und hatte sich schlafen gelegt, ehe ihre kleine Tochter sich auf den Schulweg hatte machen müssen.

Mutterliebe, wie Käthe Kollwitz sie in ihrer Zeichnung dargestellt hatte, hatten weder Jennifer noch Pia erlebt. Umso inniger wünschte sich Jennifer, diese Liebe einmal einem Kind schenken zu dürfen.

Eine Sekunde lang berührte sie Pia an der Schulter.

„Käthe Kollwitz selbst hat ihre Kinder über alles geliebt“, sagte sie. „Die meisten Mütter tun das. In Gedanken halten sie ihre Kinder fest und schützend im Arm, solange sie leben.“

„Ich würde das auch tun, glaube ich“, murmelte Pia gedankenverloren und strich über das Bild auf dem Arbeitsbogen. „Falls ich später einmal ein Kind haben sollte, könnte ich mir nicht vorstellen, es je im Stich zu lassen. Haben Sie Kinder, Frau Bernauer?“

„Nein, aber es gibt nichts, das ich mir mehr wünsche“, entfuhr es Jennifer, ehe sie sich zur Vernunft rufen konnte. Glücklicherweise kam ihr die Klingel zur Hilfe, die das Ende des Unterrichts ankündigte. „Na, jetzt aber schnell“, rief sie mit einem erzwungenen Lachen und verteilte eilig die verbliebenen Blätter. „Ich sehe euch doch an, dass ihr es gar nicht erwarten könnt, hier rauszukommen.“

Das ließen sich die jungen Leute nicht zweimal sagen. Lachend und schwatzend, paarweise oder in Gruppen, strömten sie aus dem Klassenzimmer, um alles, was mit der Schule zu tun hatte, zwei Wochen lang zu vergessen. Jennifer ging nach vorn ans Lehrerpult, um ihre Materialien zusammenzupacken.

Auch Pia Wiechmann stand noch an ihrem Tisch und packte ihre Tasche. Sie schien die Einzige zu sein, auf die niemand wartete. Sie war ein nettes Mädchen und im Kurs nicht unbeliebt, aber viel zu schüchtern, um sich einer der Cliquen anzuschließen.

„Schöne Ferien“, wünschte ihr Jennifer, als sie fast lautlos den Raum verließ.

„Ihnen auch. Und vielen Dank für das Bild“, erwiderte Pia kaum hörbar und lief davon.

***

Jennifer war in Pias Alter genauso gewesen. Scheu und meist allein. Von ihren Klassenkameraden hatte sie sich ferngehalten, weil sie sich einfach nicht hatte vorstellen können, dass die anderen sie dabeihaben wollten. Erst später an der Universität hatte sie in Maren eine echte Freundin gefunden, wie sie sie Pia und jeder Frau wünschte.

Sie und Maren waren durch dick und dünn gegangen, hatten gleichzeitig ihren Abschluss gemacht und dann beide zusammen am Sophie-Scholl-Gymnasium ihre erste Stellung angetreten. Kurz darauf war ihr Marcus begegnet und hatte sie buchstäblich von den Füßen gefegt. Ein halbes Jahr später hatten sie Hochzeit gefeiert, mit Maren als Brautjungfer.

„Und Patentante werde ich auch!“, hatte Maren beim anschließenden Sektempfang fröhlich verkündet und Jennifer auf den flachen Bauch geklopft. „Ist mein Patenkind vielleicht sogar schon unterwegs?“

„Wer weiß?“, hatte Jennifer geheimnisvoll erwidert und tief im Innersten darauf gehofft. Zwar hatten Marcus und sie sich geeinigt, noch ein wenig zu warten, doch wäre es nach ihr gegangen, so hätte sie lieber heute als morgen einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen gehalten.

Von ihrem Wunsch nach einem Kind und einer eigenen Familie hatte sie ihrem Liebsten bereits nach wenigen Wochen Bekanntschaft erzählt. Sie fand es wichtig. So verliebt sie auch in ihn war, so hatten sie doch kaum eine Chance, auf Dauer miteinander glücklich zu werden, wenn ihre Vorstellungen von der Zukunft allzu weit voneinander abwichen.

Zu ihrer Freude hatte Marcus jedoch dieselben Ziele für sein Leben wie sie.

„Na klar“, hatte er auf ihre Frage, ob er sich auch Kinder wünsche, erwidert. „Aber es muss ja nicht sofort sein. Papa zu werden ist ja keine ganz leichte Aufgabe, und ganz reif fühle ich mich dafür noch nicht. Außerdem will ich erst einmal ein bisschen Zweisamkeit mit dir genießen.“

Obwohl es für Jennifer durchaus sofort hätte sein können, gefiel es ihr, dass er mit so viel Verantwortungsgefühl an die Elternschaft heranging. Und die Zweisamkeit mit ihm genoss auch sie von ganzem Herzen.

Marcus war durch und durch Sportler, er liebte nichts mehr, als draußen in der freien Natur seine Kräfte zu erproben. Ob Ski fahren, Segeln oder Bergsteigen, in alles stürzte er sich mit Leidenschaft, und er hatte Jennifer mit seiner Begeisterung angesteckt.

Zusammen mit seinem besten Freund Mike und dessen Freundin Alexandra hatten sie herrliche Wochenenden und Urlaube erlebt, im Winter auf Skiern hoch in den Bergen, im Sommer auf Mikes Segelboot an der italienischen Adria.

Dann aber hatte Jennifers Freundin Maren ihren Dennis kennengelernt, und kaum waren die beiden verheiratet, war auch schon ein Baby unterwegs gewesen. Die kleine Sophie wurde Jennifers Patenkind, und sie liebte sie innig.

„Es wird höchste Zeit, dass so ein kleines Wesen auch bei uns einzieht, meinst du nicht auch?“, hatte Jennifer zu Marcus gesagt, als sie am Abend nach der Taufe Arm in Arm mit ihm nach Hause geschlendert war.

Mit der Verhütung hatten sie es nie sehr genau genommen, da sie sich ja sowieso Kinder wünschten. Nun aber hatte Jennifer ganz damit aufhören und es gezielt auf eine Schwangerschaft anlegen wollen.

„Findest du wirklich?“, hatte Marcus unsicher erwidert. „Wir planen doch gerade diesen schönen Sommerurlaub mit Mike und Alex, segeln vor den griechischen Inseln. Wenn du aber schwanger bist, wirst du dazu kaum in der Lage sein.“

„Liebster.“ Jennifer war stehen geblieben und hatte zärtlich die Arme um ihn gelegt. „Mir macht es nicht das Geringste aus, auf einen Sommerurlaub oder sonst etwas verzichten zu müssen, wenn ich dafür unser Kind in mir tragen darf. Wir werden ja sowieso finanziell kürzertreten müssen, wenn das Kleine erst einmal da ist, und die griechischen Inseln laufen mir nicht weg. Eines Tages werden wir sie vielleicht zusammen mit unserem Sohn oder unserer Tochter erleben können.“

Sie hatte gespürt, dass er noch immer ein wenig besorgt gewesen war, ob er ein guter Vater werden würde, doch sie hatte ihm liebevoll diese Ängste genommen. Geradezu feierlich hatten sie die restlichen Verhütungsmittel auf den Abfall geworfen, und insgeheim war Jennifer überzeugt gewesen, genauso schnell schwanger zu werden wie Maren.

Statt des erhofften Kindersegens war jedoch ihre Periode Monat für Monat pünktlich eingetroffen. Im Sommer waren sie mit Mike und Alex, die keine Kinder wollten, nach Griechenland gefahren und mit Mikes Boot von Insel zu Insel gesegelt.

„Sieh es doch positiv“, hatte Marcus versucht, Jennifer zu trösten. „Ist es nicht schön, dass wir diese Reise noch zusammen machen können? Wer weiß, wann wir dazu noch einmal die Gelegenheit bekommen, schließlich haben wir kein eigenes Boot. Wenn wir zurück in München sind, klappt es bestimmt auch bald mit der Schwangerschaft.“

Aber auch im Herbst und in allen darauf folgenden Jahreszeiten war ihr größter Wunsch unerfüllt geblieben. Jennifer begann, nervös zu werden, Marcus hingegen war weiterhin von ungebrochenem Optimismus erfüllt.

„Was ist, wenn mit einem von uns etwas nicht in Ordnung ist?“, hatte sie ihn gefragt. „Ich finde, wir sollten uns einmal gründlich untersuchen lassen.“

„Ach was“, hatte Marcus abgewinkt, den keine zehn Pferde zum Arzt brachten. „Was soll so eine Untersuchung bringen? Die Quacksalber schwatzen einem nur alles mögliche Zeug auf, das sowieso nicht hilft. Glaub mir, in meinem Beruf weiß man, wie die Ärzte gestrickt sind. Wir brauchen die nicht. Wir sind beide kerngesund, und kerngesunde Leute bekommen Kinder. Vielleicht solltest du besser wieder ein bisschen mehr für deine Fitness tun, damit erreichst du mehr als mit zehn Arztbesuchen.“

Jennifer hatte es versucht. Sie war häufiger joggen gegangen und hatte sich von Marcus überreden lassen, gemeinsam einem nahen Tennisklub beizutreten. Es war nicht so, dass ihr der neue Sport keinen Spaß machte. Zeit, die sie mit Marcus zusammen verbrachte, machte ihr immer Spaß, doch von ihrer Sehnsucht nach einem Kind lenkte sie das Tennisspiel höchstens für Augenblicke ab.

Sie hatte mit Maren darüber gesprochen.

„Ich wünschte, Marcus würde sich nicht so gegen eine Untersuchung sträuben“, hatte sie gesagt. „Vielleicht ist es ja nur eine Kleinigkeit, die man beheben kann, damit wir endlich unser Wunschkind bekommen.“

„Ich würde Marcus nicht so bedrängen“, hatte Maren ihr geraten. „So ein Mann fühlt sich in seinem Stolz verletzt, wenn auch nur der leiseste Verdacht aufkommt, mit seiner Zeugungsfähigkeit könne etwas nicht in Ordnung sein. Gib ihm noch Zeit. Vielleicht hat er ja recht, und mit ein bisschen Geduld und Gelassenheit stellt sich mein Patenkind bald ein.“

Jennifer hatte sich um Geduld und Gelassenheit bemüht. Um nichts in der Welt wollte sie Marcus’ Stolz verletzen, doch ein weiteres Jahr war verstrichen, ohne dass etwas geschehen war. Sie hatte versucht, sich an ihrem Leben zu zweit zu erfreuen und sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, doch alles brachte sie immer wieder auf das eine Thema zurück.

So auch heute. Vielleicht war die Käthe-Kollwitz-Zeichnung doch keine so gute Wahl für ihren Kunst-Leistungskurs gewesen. Entschlossen stopfte Jennifer die letzte Mappe mit Papieren in die Tasche und verließ das Schulgebäude. Unten im Hof wäre sie fast gegen Pia Wiechmann geprallt, die an einem Pfeiler des Portals lehnte.

„Pia!“, rief Jennifer, „was treibst du denn noch hier? Hast du deinen Bus verpasst? Soll ich dich ein Stück mitnehmen?“

„Das ist sehr nett von Ihnen, Frau Bernauer“, bedankte sich das Mädchen, dessen Wangen Jennifer gerötet vorkamen. „Aber es ist nicht nötig. Ich warte hier auf jemanden. Auf meinen Freund. Er muss wohl bei der Arbeit aufgehalten worden sein.“

Die schüchterne Pia hatte also einen Freund! Sie stand gar nicht allein in der Welt, und um ein Haar hätte Jennifer ihr gesagt, wie sehr sie sich für sie freute.

„Dann wünsche ich euch beiden viel Spaß in den Ferien“, sagte sie stattdessen, nickte Pia noch einmal zu und beeilte sich, um selbst so schnell wie möglich bei ihrem Liebsten zu sein.

***

Pia warf einen Blick auf ihre Uhr. Sie hatte gehofft, sie hätte es sich nur eingebildet, doch tatsächlich wartete sie hier seit einer geschlagenen Dreiviertelstunde. Das war doch nicht möglich! Gunnar fuhr Motorrad, in einen Stau konnte er also kaum geraten sein. Und er selbst hatte doch vorgeschlagen, dass er das Geschäft den Nachmittag über seinem Angestellten überlassen würde, um Pia am letzten Tag vor den Ferien von der Schule abzuholen.