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Influencerin Isabel ist auf dem Höhepunkt ihrer Karriere angekommen. Über fünfhunderttausend Menschen folgen ihr auf den Social-Media-Kanälen. Doch dann unterläuft ihr ein folgenschwerer Fehler. Sie präsentiert Mode und ahnt nicht, dass sie echten Pelz trägt. Ihre Assistentin hat schlecht recherchiert und den Auftrag einer Firma angenommen, die im Ausland eine eigene Pelzfarm betreibt. Der Shitstorm lässt nicht lange auf sich warten. Über Nacht bricht die Zahl der Follower ein, Kooperationspartner springen ab. Obwohl sich die Influencerin sofort öffentlich entschuldigt, wird sie weiter beschimpft. Derart unter Druck lässt eine Magen-Darm-Attacke nicht auf sich warten. Diesmal ist es so schlimm, dass Isa zu ihrem Hausarzt geht. Sie verschweigt den beruflichen Stress und auch, dass sie schon häufiger unter solch massiven Beschwerden gelitten hat. Die Existenzangst und der Druck, diesen Fauxpas wieder auszubügeln und ständig neuen guten Content zu produzieren, ist enorm. Isabels Darm beruhigt sich kaum. Erneut sucht sie verzweifelt Dr. Frank auf. Er veranlasst umgehend eine Darmspiegelung in der Waldner-Klinik. Isabel leidet unter einer beginnenden Colitis ulcerosa, einer chronisch fortschreitenden, entzündlichen Darmerkrankung. Stefan Frank ermahnt seine Patientin, Stress zu reduzieren und die Ernährung grundlegend umzustellen. Doch Isabel schlägt seinen Rat in den Wind. Sie darf ihre Karriere nicht noch mal gefährden ...
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Seitenzahl: 122
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Prominent und todkrank?
Vorschau
Impressum
Prominent und todkrank?
Kann Dr. Frank das Leben der Influencerin retten?
Influencerin Isabel ist auf dem Höhepunkt ihrer Karriere angekommen. Über fünfhunderttausend Menschen folgen ihr auf den Social-Media-Kanälen. Doch dann unterläuft ihr ein folgenschwerer Fehler. Sie präsentiert Mode und ahnt nicht, dass sie echten Pelz trägt. Ihre Assistentin hat schlecht recherchiert und den Auftrag einer Firma angenommen, die im Ausland eine eigene Pelzfarm betreibt. Der Shitstorm lässt nicht lange auf sich warten. Über Nacht bricht die Zahl der Follower ein, Kooperationspartner springen ab. Obwohl sich die Influencerin sofort öffentlich entschuldigt, wird sie weiter beschimpft. Derart unter Druck lässt eine Magen-Darm-Attacke nicht auf sich warten. Diesmal ist es so schlimm, dass Isa zu ihrem Hausarzt geht. Sie verschweigt den beruflichen Stress und auch, dass sie schon häufiger unter solch massiven Beschwerden gelitten hat. Die Existenzangst und der Druck, diesen Fauxpas wieder auszubügeln und ständig neuen guten Content zu produzieren, ist enorm. Isabels Darm beruhigt sich kaum. Erneut sucht sie verzweifelt Dr. Frank auf. Er veranlasst umgehend eine Darmspiegelung in der Waldner-Klinik. Isabel leidet unter einer beginnenden Colitis ulcerosa, einer chronisch fortschreitenden, entzündlichen Darmerkrankung. Stefan Frank ermahnt seine Patientin, Stress zu reduzieren und die Ernährung grundlegend umzustellen. Doch Isabel schlägt seinen Rat in den Wind. Sie darf ihre Karriere nicht noch mal gefährden ...
»Sie sieht einfach so unfassbar gut aus!« Mit halbgeschlossenen Augen saß Vicky auf dem Badetuch und blinzelte hinüber zum Seeufer. »Sieh dir nur Isas Körper an!«
»Ich sehe einen Menschen mit einem Kopf, zwei Armen und zwei Beinen«, erwiderte Isabels beste Freundin Marisa, die eine Fernbedienung in der Hand hielt.
Langsam stieg Isa aus dem Wasser. Für jeden einzelnen Schritt aus dem Wasser hinauf an den Kiesstrand ließ sie sich genügend Zeit. Wassertropfen rannen an ihrem makellosen Körper hinab, zart gebräunt vom Selbstbräuner der Firma »Miss Ibiza«, einem der vielen Vertragspartner, für deren Produkte die Influencerin Isabel Ruoff auf ihren Kanälen Werbung machte.
Oben angekommen legte sie den Kopf in den Nacken und strich mit beiden Händen das nasse, blonde Haar zurück. Dabei lächelte sie in die Kamera der Drohne, die ein paar Meter über ihrem Kopf schwebte.
»Es ist einfach herrlich hier!« Mit grazilen Schritten ging sie auf die beiden Frauen zu, die im Schatten einer Birke auf der Wiese saßen. »Wollt ihr nicht auch ins Wasser?«
Geschickt fing sie das Handtuch auf, das ihre Assistentin Vicky ihr zuwarf.
»Ich fürchte, dazu haben wir keine Zeit mehr.« Vicky scrollte in ihrem Handy hin und her. »In zwei Stunden wartet die Stylistin von ›Löwenfrau‹ auf dich. Der Spot wird heute Abend gefilmt und morgen im Laufe des Tages online gestellt.«
»Wie aufregend! Habt ihr das gehört, Leute?« Isabel hob den Kopf und winkte in die Drohne. »Morgen Abend könnt ihr euch auf ein brandneues Video mit mir und der fabelhaften Mode von ›Löwenfrau‹ freuen. Für alle Frauen mit dem Herz einer Löwin!«
Während sich Isa anzog, ließ Marisa die Drohne über dem Fluss schweben. In ihren Kameras spiegelte sich das tiefblaue, gurgelnde Wasser. Hinter üppig grünem Schilfgras am Ufer standen Bäume.
»Ich bin fertig. Von mir aus können wir los!«, zwitscherte Isa, und die drei jungen Frauen machten sich auf den Weg.
Die Drohne folgte ihnen mit leisem Summen. Marisa ließ sie etwas höher steigen, um einen anderen Blickwinkel einzufangen. Zwischen den Wipfeln der Bäume flatterten Vögel von Ast zu Ast, sogar ein Eichhörnchen war zu sehen.
»Wie wunderschön und friedlich es hier ist«, sagte Isabel laut und deutlich, damit die Drohne nicht nur das Bild, sondern auch den Ton aufzeichnen konnte. »Schwer vorstellbar, dass wir uns im herrlichen Grünwalder Forst befinden, nur ein paar Meter entfernt vom quirligen Zentrum des exklusiven Münchner Stadtteils.«
Um ein Haar wäre sie gestolpert. Gerade noch rechtzeitig hob sie das Bein und sprang über die Baumwurzel vor ihren Füßen. Sie lachte in die Kamera.
»Puh, das war knapp! Aber eine echte Löwenfrau scheut kein Abenteuer. Und jetzt haben wir es gleich geschafft. Da vorne sind schon die ersten Häuser zu sehen. In ein paar Minuten erreichen wir mein absolutes Lieblingscafé«, fuhr sie gut gelaunt fort. »Im Café ›Caesars‹ schmecken mir nicht nur die Brezen besonders gut. Auch die Kuchen und Torten sind unfassbar lecker. Kommt doch einfach mal vorbei und probiert Bienenstich, Käse-Schmand-Kuchen oder Mohntorte. Mit etwas Glück sehen wir uns dort. Ich freue mich! Bis später!«
Sie hatten die Hauptstraße erreicht. Isa strahlte und winkte in die Kamera, ehe sie ihrer Freundin ein Zeichen gab. Marisa drückte auf ein paar Hebel, lautlos sank die Drohne vom Himmel und landete vor ihren Füßen auf dem Gehweg.
»Das war eine super Idee von dir!«, schwärmte Isabel auf dem Nachhauseweg durch die Stadt, der sie an historischen Sehenswürdigkeiten wie dem Schloss Grünwald und der Kirche St. Peter und Paul vorbei in eines der Wohnviertel führte.
Hier waren die gepflegten Straßen von Bäumen gesäumt, die angenehmen Schatten spendeten. Hinter Hecken, Zäunen und Mauern versteckten sich exklusive Einfamilienhäuser, minimalistische Bauwerke und klassische Villen im Stil des neunzehnten Jahrhunderts.
In so einer Villa lebte Isabel Ruoffs Hausarzt Dr. Frank. Nach einer Joggingrunde erholte er sich bei einem Glas Schorle mit seiner Freundin Alexandra unter dem Apfelbaum in seinem Garten.
»Hallo, Herr Doktor!« Isabel winkte zu den beiden hinüber.
Stefan Frank blickte auf.
»Frau Ruoff!« Ein Lächeln erhellte sein gerötetes Gesicht. Er erhob sich und kam an den Zaun. »Lange nicht gesehen. Ich hoffe, das ist ein gutes Zeichen!«
»In letzter Zeit zwickt mein Magen ab und zu wieder. Aber das liegt bestimmt an den unregelmäßigen Mahlzeiten und meinem Kaffeekonsum«, gab sie gut gelaunt Auskunft. »Bei der vielen Arbeit komme ich oft nicht zum Essen und vertreibe den Hunger mit Milchkaffee.«
»Das ist keine gute Idee«, mahnte der Allgemeinarzt sanft. »Aber ich freue mich, dass Sie inzwischen so großen Erfolg haben.«
Manchmal konnte Isabel es selbst noch nicht glauben.
»Das ist wirklich verrückt, wie bekannt ich inzwischen geworden bin. Allerdings steckt auch jede Menge Arbeit darin, die man nicht sieht.«
»Das glaube ich gerne. Aber ist das nicht in jedem erfolgreichen Unternehmen so?«
»Da haben Sie natürlich recht.« Ein kurzer Blick hinüber zu ihrer Assistentin erinnerte Isa daran, dass die Zeit drängte. »Leider muss ich deshalb auch schon wieder los. Heute Abend wartet ein Videodreh auf mich. Es war schön, Sie mal wieder getroffen zu haben.«
Isabel winkte hinüber zu Alexandra und verabschiedete sich von Dr. Frank.
Von hier aus war der Weg nicht mehr weit.
Isabels Wohnung lag im zweiten Stock eines Mietshauses aus der Jahrhundertwende. Das erste und zweite Stockwerk hatte jeweils einen Erker, zwei mit Kupferblech verkleidete Gauben zierten das Dach. Im Garten blühten Johanniskraut und Rosen. Am Schmetterlingsflieder neben der mächtigen Eingangstür aus Holz herrschte reges Flattern.
Vor dem Haus wurde es auch Zeit für den Abschied von ihrer besten Freundin und ihrer Assistentin.
»Wir sehen uns Montagfrüh im Büro«, sagte sie zu Vicky.
Zu Beginn von Isabels Influencer-Karriere hatte sie ihre Fotos und Videos ausschließlich in der Altbauwohnung aufgenommen, die sie mit viel Geschmack eingerichtet hatte. Doch seit mehr als fünfhunderttausend Menschen ihre täglichen Posts in den sozialen Netzwerken verfolgten, hatte sie das nicht mehr nötig. Isabel war prominent! Durch Werbeeinnahmen und Kooperationen mit Firmen verdiente sie genug Geld, dass sie sich inzwischen diesen Rückzugsort gönnen konnte. Nur hin und wieder gab es eine Ausnahme.
»Bist du sicher, dass ich dich nicht zu den Filmaufnahmen begleiten soll?«, hakte Vicky vorsichtshalber nach. »Oder zu der Party morgen Nachmittag?«
Isabel schüttelte das lange, blonde Haar, das die Sonne in der Zwischenzeit getrocknet hatte.
»Gönn dir eine kleine Verschnaufpause. Übermorgen geht es wieder hoch her!«
Mit einem Küsschen links und rechts auf die Wangen verabschiedete sie sich von ihren Begleiterinnen und schlüpfte durch die schwere Haustür. Höchste Zeit, sich auf den Dreh vorzubereiten.
***
Am Sonntagnachmittag stand das nächste Event an. Von einem ihrer Sponsoren war Isabel zu einer Werbeparty eingeladen worden. Diesmal ging es um Schönheitsprodukte. Schon am Freitagnachmittag hatte sie gemeinsam mit Vicky das Outfit ausgesucht. Sie hatte sich selbst dabei gefilmt, wie sie vor dem Spiegel ihr Haar und das Make-up für dieses Ereignis perfektionierte und nebenbei die Produkte vorgestellt. Besonders ihre jungen Followerinnen liebten diese Schritt-für-Schritt-Anleitungen und belohnten Isi mit zahlreichen Aufrufen, die bares Geld bedeuteten.
Aber Geld alleine war nicht der einzige Grund, um dieses Geschäft zu betreiben. Isabel erinnerte sich gut an die schlimmste Zeit ihres Lebens, die sie eher zufällig auf diesen Weg geführt hatten, der nun ihr Leben bestimmte.
Daran dachte sie wieder einmal, als die Häuser der Stadt an ihr vorbeizogen. Schließlich hielt das Taxi vor dem Hotel, in dem die Party stattfand.
Isabel hatte kaum Gelegenheit, den Fahrer zu bezahlen und auszusteigen. Im Handumdrehen war sie von ihren meist weiblichen Fans umringt.
»Oh Isa, wie machst du es nur, dass du immer so toll aussiehst?«
»Kann ich ein Foto mit dir machen, Isa?«
»Bekomme ich ein Autogramm?«
Die Stimmen tönten durcheinander und auch diesmal war Isabel wieder überwältigt von der Aufmerksamkeit und Begeisterung, die ihr entgegenschlugen. Sie lächelte in Handykameras und plauderte mit ihren Fans. Das war nicht leicht, denn jedes Gespräch wurde durch neue Bitten unterbrochen. Zum Glück drängelte sich eine Assistentin des Veranstalters durch die Menge und brachte sie zur abgeriegelten Sitzgruppe in der Lobby, wo sie bereits erwartet wurde.
Nach ein paar Begrüßungsfloskeln wurde es plötzlich mucksmäuschenstill. Sämtliche Scheinwerfer richteten sich auf Isabel. Geblendet versuchte sie, nicht zu blinzeln.
»Hallo miteinander!« Ob sie sich je daran gewöhnen würde, wie seltsam ihre Stimme durch das Mikrofon klang? »Ich bin so aufgeregt, meine neueste Beauty-Kampagne mit meinem neuen Partner zu teilen. Ihr müsst wissen, wenn es um meine Haut geht, bin ich sehr wählerisch. Aber diese Produkte haben mein Herz im Sturm erobert!« Isabel griff nach einer der Tuben, die vor ihr auf dem Tisch stand, und hielt sie in die Kameras. »In den vergangenen Wochen hatte ich viel Gelegenheit, diese Produkte auf Herz und Nieren zu testen. Und was soll ich sagen? Ich bin schockverliebt! Seht selbst, wie strahlend und glatt meine Haut in den vergangenen Wochen geworden ist!« Die Kameras zoomten nah an ihr Gesicht und zeigten es in Großaufnahme. »Diesen wunderbaren Effekt könnt ihr auch genießen und heute sogar zum Vorzugspreis. Nebenan hat Frau Badener einen kleinen Beauty-Shop eingerichtet, in dem ihr die Produkte supergünstig direkt erwerben könnt. Wem das nicht genügt, der kann mit dem Rabattcode auf meinen Seiten nach Herzenslust online shoppen gehen. Und vergesst nicht, mir unbedingt einen Kommentar zu hinterlassen und meine Kanäle zu abonnieren. Dann verpasst ihr keinen Beitrag mehr, der euer Leben verändern kann! Küsschen, ihr Süßen! Ihr seid die Besten!«
Isabel hob die Hände und hauchte Luftküsse in ihr Publikum. Die Mädchen und Frauen jubelten und auch den wenigen männlichen Besuchern stand die Begeisterung ins Gesicht geschrieben.
Es folgte ein Fotoshooting und ein paar Interviews, die Isabel dazu nutzte, sich als Expertin in der Beauty-, Mode- und Lifestylebranche zu positionieren. Sie bat ihre Fans, Filme und Fotos von der Veranstaltung hochzuladen und fleißig zu teilen.
Erst beim Sektempfang gelang es ihr, sich heimlich davonzustehlen. Wieder einmal grummelte es in ihrem Magen, ihr Darm zog sich schmerzhaft zusammen.
Seit ein paar Jahren begleiteten sie diese Schmerzen und waren mal mehr, mal weniger präsent. Isa spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht und betrachtete sich im großen Spiegel. Inzwischen wusste sie, dass die Schmerzen mit Stress zu tun hatten.
»Morgen frage ich Vicky nach den nächsten Terminen«, sagte sie zu ihrem Spiegelbild. »Vielleicht kann ich mir ein paar Tage Ruhe gönnen.«
Dabei wusste Isa selbst, dass das ein schöner Wunschtraum bleiben würde. Als Influencerin erwarteten ihre Follower, an ihrem Leben teilzuhaben, am liebsten in jeder Stunde jedes einzelnen Tages. Das hatte Isabel so sehr verinnerlicht, dass sie inzwischen fast jeden ihrer Schritte mit der Handykamera festhielt, um nur ja kein besonders gutes Motiv zu verpassen. Anschließend teilte sie die Beiträge im Internet. Doch der Erfolg hatte auch eine Kehrseite, die ihr mal mehr, mal weniger auf den Magen schlug.
An schlechten Tagen fühlte sich Isabel wie eine Ware, die von ihren Sponsoren und Fans ausgenutzt wurde. Manchmal, wenn sie nachts nicht schlafen konnte, hatte Isabel das Gefühl, aus den Augen verloren zu haben, wer sie wirklich war und warum sie ihre verschiedenen Accounts überhaupt ins Leben gerufen hatte.
»Vielleicht sollte ich ab und zu auch mal ein paar von den Dingen posten, die mich wirklich bewegen«, beschloss sie und lächelte sich zu. »Ich bin nicht machtlos und schon gar kein Opfer. Ich werde mir selbst treu bleiben und meine Plattformen in Zukunft auch dazu nutzen, um positive Botschaften zu verbreiten.«
Mit neuer Energie wollte sie sich auf den Rückweg zur Party machen. Als sie um die Ecke bog, konnte sie gerade noch einem ausgefahrenen Handystick ausweichen, der ihr förmlich entgegenflog. Um einen Zusammenstoß zu verhindern, ging Isabel in Deckung.
»Darf ich bitte vorbei?«, fragte sie leicht genervt und strich ihren sommerlichen Jumpsuit glatt.
»Eine Sekunde bitte«, erwiderte der Mann und zog einen Schmollmund für seine Handykamera.
Isabel verschränkte die Arme vor dem Oberkörper und beobachtete seine klassische Schönheit ein bisschen genauer. Er sah fast aus wie eines dieser Internetfotos, die bis zur Unkenntlichkeit bearbeitet worden waren. Seine Haut war glatt und rein, leidenschaftliche Augen und ein Kussmund wurden von einem kantigen Kinn vollendet. In seinem weißen Leinenhemd und hochgekrempelten Chinohosen zu offensichtlich teuren Lederschuhen wirkte er wie frisch aus dem Urlaub.
Er warf den Kopf zurück, doch seine Frisur bewegte sich keinen Millimeter. Ganz offensichtlich hatte er Isabel vergessen, denn er fuhr munter fort, ein Foto nach dem anderen zu schießen.
»Darf ich jetzt bitte endlich vorbei?« Inzwischen war Isa deutlich ungehalten.
»Natürlich, tut mir leid.« Der Mann ließ den Handystick sinken und schenkte ihr ein vermeintlich unwiderstehliches Lächeln. »Aber dieses Licht hier lässt meinen Teint schimmern wie es sonst nur ein Spezialfilter hinbekommt. Willst du mal sehen?«
Isas Magen zog sich zusammen. Ein denkbar schlechtes Zeichen.
»Nein, danke.«
Ein überraschter Blick folgte. Langsam dämmerte es dem Mann, mit wem er es zu tun hatte.
»Bist du nicht Isa von Isa-im-Wunderland? Die Influencerin, die zurzeit das ganze Netz verrückt macht?«
Selbstverliebtheit gehörte eindeutig nicht zu Isabels Eigenschaften. Doch dieser Kerl machte sie verrückt.
»Stimmt auffallend. Und wenn ich nicht sofort zu meiner Veranstaltung zurückkomme, habe ich ein großes Problem. Dürfte ich also jetzt bitte endlich vorbei?«
»Natürlich, schöne Frau.« Der Mann deutete eine Verbeugung an und machte endlich den Weg frei. »Mein Name im Netz ist übrigens Jannis.der.Eroberer. Vielleicht hast du ja mal Lust auf eine gemeinsame Aktion«, rief er ihr nach.
Auf gar keinen Fall, ging es Isa durch den Kopf.
»Ich fürchte, für solche Spielereien habe ich erst mal keine Zeit«, rief sie über die Schulter, ehe sie die Tür zur Lobby aufdrückte und mit großem Jubel begrüßt wurde.
***