Dualismus und Monismus - Günter Hiller - E-Book

Dualismus und Monismus E-Book

Günter Hiller

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Beschreibung

Von Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus stammt die Aussage: Alle Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist. Diese wird heutzutage meist in der verkürzten Form 'Die Dosis macht das Gift' zitiert. Paracelsus vermutete aber auch, dass die Welt ein lebendiges Wesen sei. Diese These ist insofern bedeutsam, als man in der Physik der Masse sowohl Trägheit als auch Affinität oder Anziehung zuweist, zwei zunächst konträre Eigenschaften, von denen sich zumindest die Affinität nicht so ohne weiteres mit toter Materie erklären lässt. Während Trägheit additiv erscheint, ist die Massenanziehung gemäß Newtons Gravitationsgesetz multiplikativ. Die beiden Eigenschaften der Masse folgen anscheinend unterschiedlichen mathematischen Regeln und es hat den Anschein, dass die Affinität für Raum verantwortlich sein könnte und die Trägheit für Zeit. Für eine Anziehung müssen Massen räumlich getrennt sein und die Trägheit bewirkt die Verzögerung einer Bewegung. Demnach hätten Raum und Zeit einen gemeinsamen Verursacher: Masse.

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Vorwort

Der Untertitel dieses Essays deutet bereits an, wie ich die Welt verstehen möchte. Der Dualismus steht dabei für die zwei Seiten und der Monismus für die eine Medaille. Bei der Vorbereitung eines Vortrags zu diesem Thema habe ich bewusst eine Dreiteilung gewählt, wie wir sie auch bei einer Einteilung der Zeiten in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verwenden.

Der Begriff der Unvollständigkeit steht symbolisch für die Zukunft, die allein deshalb unvollständig ist, weil wir ihren Ausgang nicht kennen. Wissenschaft findet jetzt statt, in der Gegenwart, die eigentlich immer eine Zeitenwende symbolisiert, den Übergang von der Vergangenheit in die Zukunft. Bleibt noch die Vergangenheit, die zwiespältig erscheint. Einerseits glauben wir, dass es nur eine Vergangenheit gab, eine eindeutige Vergangenheit, aber wir wissen tatsächlich nicht, welche!

Aus diesem Grund muss man die Vergangenheit, die Eindeutigkeit mit sehr vielen Fragezeichen versehen. Diese Unbestimmtheit hat die Menschheit schon immer verunsichert und diese Verunsicherung hat die Menschen seit Anbeginn dazu verleitet, nach Eindeutigkeit zu suchen, egal ob in den Religionen oder Wissenschaften. Insofern spiegelt unser Verständnis der Vergangenheit auch unser Verständnis der Welt wider!

Ziel dieses Essays ist es daher, dieses Verständnis der Vergangenheit zu hinterfragen und daraus neue Denkmodelle für die Zukunft zu entwickeln.

Berlin, im Sommer 2022

Günter Hiller

Für Gesine und Gerald

Inhalt

Grenzen der Erkenntnis Konzept eines Vortrags

Komplementarität

Information und Quanten

Energie und Wirkung

Intelligenz

Unvollständigkeit

Gravitation

Monismus und Dualismus

Physik, Evolution und Leben

Epilog

Literatur

Die Welt ist ein lebendiges Wesen

Die Dosis macht das Gift

Paracelsus

Grenzen der Erkenntnis - Konzept eines Vortrags

Der Vortrag ist in drei Teile gegliedert, die auch die Dreiteilung der Zeit in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft symbolisieren sollen.

Teil 1: Eindeutigkeit (Vergangenheit)

von Begriffen

der Sprache

der Ursache-Wirkung-Kette

von Vereinfachungen

der Physik

Teil 2: Wissenschaft (Gegenwart)

Spekulation

Empirie

gesicherte Erkenntnis

Grenzen der Wissenschaft

Teil 3: Unvollständigkeit (Zukunft)

von Systemen

von Randbedingungen

von Logik

Teil 1

In meinem Vortrag möchte ich zunächst erläutern, warum ich Wissenschaft als naiv bewerte. Dazu ist es allerdings erforderlich, den Begriff naiv näher zu beleuchten. Der Begriff ist abgeleitet von französisch naïf und wird mit unterschiedlichen Bedeutungen assoziiert, wie beispielsweise ‚kindlich', ‚ursprünglich', ‚einfältig', ‚harmlos', ‚töricht'. Bei Google finden sich noch weitere Synonyme, die aber das Verständnis nicht verbessern. Die Bedeutungen der Synonyme sind zwar ähnlich, aber dennoch alle verschieden, von ursprünglich bis töricht. Da Naivität eine Lernfähigkeit nicht ausschließt, sollte man mit einer Bewertung sorgsam umgehen. Ein Deutschlehrer meines Sohnes bemerkte mal sehr richtig, dass im Wortschatz begrenzte Sprachen, im Deutschen etwa um die 200.000 Worte, es sich gar nicht leisten können, zwei Worte für ein und dieselbe Bedeutung zu haben, das wäre eine Wortverschwendung!

Im Gegenteil, sehr häufig verwenden wir das gleiche Wort für unterschiedliche Bedeutungen. Das führt dann zu fundamentalen Missverständnissen, besonders dann, wenn eine Sprache für Klarheit und Eindeutigkeit entwickelt wurde, wie beispielsweise die Mathematik oder Physik. Legt man eine Eindeutigkeit zu Grunde, die tatsächlich gar nicht gegeben ist, führt das zu einem Dilemma. Ein Blick in die Vergangenheit und deren Eindeutigkeit basiert auf der Annahme einer eindeutigen Ursache-Wirkung-Kette. Aber ist die tatsächlich gegeben?

Wie das Beispiel mit der nassen Straße zeigt, kann eine Wirkung durchaus unterschiedliche Ursachen haben, aber auch eine Ursache unterschiedliche Wirkungen hervorbringen. In beiden Fällen geht die Eindeutigkeit verloren und damit ist nicht nur die Zukunft, sondern auch die Vergangenheit unbestimmt. Wir vermuten, dass es nur eine Vergangenheit gegeben hat, wir wissen aber nicht welche! Die Physik mit ihren physikalischen Gesetzen gaukelt uns zwar eine Eindeutigkeit vor, aber ist diese Annahme nicht naiv?

Einstein bemerkte zurecht, dass man eine physikbasierte Kosmologie nur sinnvoll betreiben kann, wenn man annimmt, dass die physikalischen Gesetze immer und überall im Kosmos gültig sind. Das ist die einfache Umschreibung einer eindeutigen Physik. Dieser Aussage kann man nicht widersprechen, sie zeigt aber zwei Szenarien auf. Entweder spekuliert man auf eherne Naturgesetze und betreibt Kosmologie weiter wie bisher oder man muss Kosmologie neu denken, evolutionär betrachten. Einstein entschied sich für die erste Möglichkeit, für eine Eindeutigkeit der Physik, ich persönlich tendiere eher zur zweiten Möglichkeit, einer evolutionären Betrachtungsweise, gegen den derzeitigen Trend der Kosmologie.

Eindeutig ist das, was wir für eindeutig halten!

Verallgemeinern, Vereinfachen und Extrapolieren sind drei Vorgehensweisen, die nur mit äußerster Vorsicht verwendet werden sollten. Ein altes Paradox lautet: Epimedes, der Kreter sagt: Alle Kreter sind Lügner. Für dieses Paradox gibt es nur eine einzige Erklärung, das Wort Alle, eine ungerechtfertigte Verallgemeinerung. Das hat weitreichende Folgen! Achtung! Paradoxien sind keine Laune der Natur, sondern die Folge ungerechtfertigter Annahmen und wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, solche Annahmen zu erkennen. Einsteins Verallgemeinerung erzwingt eine Eindeutigkeit und ist eine Annahme, für die es keinen empirischen Nachweis gibt.

Bei dem großen Physiker Niels Bohr habe ich mal gelesen: Verstehen heißt Vereinfachen! Diese Aussage hat mich fasziniert, bis mir die Paradoxie dieser Aussage bewusstwurde. Wenn wir beispielsweise die Welt vereinfachen, verstehen wir tatsächlich nicht die Welt, sondern nur die Vereinfachung. Diese Vereinfachung ist keine Erkenntnis, sondern eine Spekulation. Es ist wichtig, das zu erkennen! Etwas verstanden zu haben und glauben, etwas verstanden zu haben sind zwei unterschiedliche Sachverhalte.

Auch unsere Sprachen sind Vereinfachungen und zu diesen Sprachen gehören auch die Mathematik und die Physik. Um eine Vereinfachung kann es sich auch handeln, wenn eine Größe als konstant erachtet wird, nur weil man sie nicht genauer messen oder auflösen kann. Elektromagnetische Wellen lassen sich beispielsweise als periodische Zustandsänderungen mit einer konstanten Frequenz verstehen, nur in welchem Rahmen ist diese Frequenz konstant? Warum sollten sich überhaupt Zustandsänderungen im Vakuum ausbreiten? Eine mögliche Antwort dafür ist Raum, aber was ist Raum? Raum muss etwas sein, was wir nicht auflösen können!

Wenn wir etwas nicht auflösen können, sind wir auf Spekulationen angewiesen und das macht die Sache spannend. Unsere Erfahrung lehrt uns, dass es Raum geben muss, aber wir wissen nicht, was es ist. Wir vermuten, dass das an unserem begrenzten Auflösungsvermögen liegt, aber was begrenzt unser Auflösungsvermögen? Das ist die eigentlich spannende Frage, auf die wir eine Antwort finden wollen! Wenn wir etwas nicht wahrnehmen können, ist es dann nicht existent oder ist es dann nur nicht auflösbar?

Die vielen Fragezeichen in diesem 1. Teil sind bereits ein Hinweis darauf, wie schwer sich Wissenschaft und Forschung mit diesen Fragen tun. Nicht umsonst bemerkte Einstein einmal: Wenn wir wüssten, was wir tun, würden wir es nicht Forschung nennen!

Eindeutig ist das, was wir für eindeutig halten!

Die spannende Frage ist nun, ob es Hinweise darauf gibt, wo sich die Grenzen unserer wissenschaftlichen Erkenntnis befinden, nicht die Grenzen von heute oder morgen, sondern prinzipielle Grenzen. Das ist die eigentliche Frage, die mich schon immer beschäftigt hat.

Teil 2

Ernst Haeckel spricht in seinem Buch Die Welträtsel von Spekulation und Empirie und davon, dass Spekulationen ohne Empirie wissenschaftlich sinnlos sind. Ich beschränke mich hier nur auf wissenschaftlich sinnvolle Annahmen und Spekulationen. Eherne Naturkonstanten, Gott oder ein Jenseits gehören nicht dazu, weil wir nicht einmal die Grenzen des Universums erahnen können. Das James Webb Teleskop wird vermutlich nicht den Anfang des Universums zeigen können, weil man so etwas gar nicht zeigen kann. Unsere Sinne sind dafür trainiert, Veränderungen in Raum und Zeit wahrzunehmen und nicht deren Nicht-Existenz. Unsere Sinne und unser Verstand haben sich entwickelt, um unsere Beobachtungen einzuordnen und zu bewerten, aber im Nichts gibt es nicht einmal Beobachtung!

Irgendwo zwischen Spekulation und empirischen Nachweis muss die in der Wissenschaft häufig zitierte gesicherte Erkenntnis liegen, denn von einer gesicherten Erkenntnis spricht man eigentlich nur, wenn Indizien vorliegen, aber kein experimenteller Beweis. Aber was kann einen experimentellen Beweis verhindern?

Vor einigen Jahren habe ich ein Gedankenexperiment entwickelt, das wir gemeinsam überlegen können: Was wäre, wenn die Informationsgeschwindigkeit unendlich wäre, wenn alle Informationen gleichzeitig überall wären? Das bedeutet ja, dass es keinen Unterschied zwischen hier und dort und keinen Unterschied zwischen jetzt und später gibt! Das sind aber gerade die Merkmale von Raum (hier und dort) und Zeit (jetzt und später). Was hätte das für Folgen?

Bei einer unendlichen Informationsgeschwindigkeit wären tatsächlich Raum und Zeit gar nicht definiert! Das ist bereits eine wesentliche Erkenntnis. Raum und Zeit sind abhängig von endlichen Informationsgeschwindigkeiten. Wie kann man das verstehen? Was macht eine Informationsgeschwindigkeit endlich? Eine Antwort, die uns aus der Physik geläufig ist, ist Trägheit. Was macht eine Information träge? Meiner Meinung nach kann das nur der Inhalt der Information sein, der Informationsgehalt. Dieser Inhalt ist aber das Charakteristikum einer jeden Information, ohne Inhalt wäre eine Information keine Information.

Man kann daher annehmen, dass der Inhalt, die Trägheit für die endliche Geschwindigkeit der Information verantwortlich ist. In der Physik assoziieren wir Trägheit gewöhnlich mit Masse und somit müsste der Inhalt einer Information eine Masse repräsentieren. Das heißt aber auch, dass Masse für Raum und Zeit verantwortlich zu sein scheint. Raum und Zeit sind demnach nicht unabhängig voneinander, wie es ein Dualismus vermuten ließe, sondern irgendwie miteinander gekoppelt, wie es ein Monismus erwarten lässt.

Dieses Gedankenexperiment zeigt gleich zwei Probleme auf, die in der Physik gerne vernachlässigt werden, zum einen die Existenz einer endlichen Informationsgeschwindigkeit und zum anderen die Unklarheiten beim Begriff der Masse. Versuchen wir zunächst einmal die Folgen einer endlichen Informationsgeschwindigkeit zu verstehen.

Eine endliche Informationsgeschwindigkeit ist auch für eine endliche Kausalgeschwindigkeit verantwortlich und damit auch für verzögerte Wirkungen. Das hat neben einer Asymmetrie auch zur Folge, dass das manchmal zitierte Prinzip von Druck gleich Gegendruck seine Gültigkeit verliert. Wenn man jedoch Druck und Gegendruck als Merkmale einer Kommunikation betrachtet, dann sollte man sich mit der Frage beschäftigen, was eine Kommunikation ausmacht und wie diese vonstatten geht.

Mir fallen dazu zwei Möglichkeiten ein, entweder ich erzähle eine Geschichte, auch für mehrere Personen, oder ich küsse einen Menschen, zeitgleich nur einen Einzigen. Fällt ihnen dabei die Ähnlichkeit zum Welle-Teilchen-Dualismus auf? Der Kuss repräsentiert ein Teilchen, die Erzählung repräsentiert eine Welle. Der Kuss ist gewissermaßen ein Quant, die Erzählung nicht. Bleiben wir zunächst bei der Erzählung mit mehreren Zuhörern. Versteht eigentlich jeder das Gleiche und alle das, was der Erzähler sagen möchte? Nein! Um es physikalisch auszudrücken, wird bei jedem einzelnen Zuhörer eine Wirkung erzeugt, die von seinem persönlichen Auflösungsvermögen bestimmt wird.

Und was bestimmt dieses persönliche Auflösungsvermögen? Vieles! Z.B. der vorhandene Informationsspeicher, die Historie und die Erfahrungen und deren Umsetzung (Intelligenz), die Sozialisation, etc. Wenn ich selbst einen Vortrag höre, also als Empfänger, dann kann ich nur den Teil der Sendung (des Senders) empfangen, der mir persönlich zugänglich