Information und Kosmos II - Günter Hiller - E-Book

Information und Kosmos II E-Book

Günter Hiller

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Beschreibung

Das Bild der Welt in unserem Kopf ist nicht eindeutig, weil wir zwei Begriffe für ihre Beschreibung verwenden, die zweideutig sind, ein duales Wesen besitzen, Information und Masse. Eine Information beschreibt einerseits einen Zustand, ein statisches Sein, andererseits aber auch eine Zustandsänderung, ein dynamisches Werden. Beide Begrifflichkeiten sind komplementär, da sie nicht gleichzeitig am selben Ort existent sein können, aber beide sind für eine Beschreibung der Welt notwendig. Masse weist zwei unterschiedliche Eigenschaften auf, eine lineare Trägheit und eine nicht-lineare gegenseitige Anziehung oder Affinität. Während sich die Trägheit durch eine Gerade darstellen lässt, benötigt man für die Darstellung der Affinität eine Parabel. Obwohl es sich bei der Masse um eine Entität handelt (Monismus), weist sie dennoch zwei unterschiedliche Eigenschaften auf (Dualismus). Dieser Dualismus beschränkt die Exaktheit jeder physikalischen Theorie.

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Vorwort

Bei der Entwicklung meiner Vorstellungen, egal ob es sich dabei um Komplementarität, Symbiose, Dualismus oder Monismus handelt, um Physik oder Evolution, um Emergenz, Raum und Zeit oder Zufall und Notwendigkeit oder um ein allgemeines Evolutionsprinzip geht, dreht sich letztlich alles um Informationen, denen wir eine Ordnung, einen Sinn zuordnen wollen.

Der aus dem griechischen entlehnte Begriff Kosmos bedeutet so viel wie Ordnung oder Weltordnung und dem stehen eigentlich chaotische Informationen entgegen. Das Universum, das Ganze, ist voll von Informationen, die Tag für Tag auf unzählige andere Informationen, auf Entitäten und Ereignisse einprasseln. Es wäre daher nur verständlich, wenn zufällige Strukturen versuchen würden, etwas Ordnung in dieses Chaos von Informationen hineinzubringen.

Es wäre doch phantastisch, wenn irgendwelche Entitäten oder Strukturen diese zunächst chaotischen Informationen irgendwelchen Ereignissen oder eine Herkunft zuordnen könnten, es wäre folglich grandios, wenn sich Informationen quasi von selbst irgendeiner Ordnung unterwerfen würden. Das ließe sich aber nur erklären, wenn Ordnung irgendwelche Vorteile mit sich bringen würde.

Schon als Kinder lieben wir es, Holzbauklötze zu Strukturen zusammenzusetzen oder ein Puzzle zu einem fertigen Bild zusammenzufügen. Aber nicht nur das, wir lieben es auch, die fertigen Strukturen wieder in Unordnung zu bringen, gewissermaßen zu recyceln, um das Spiel wieder von vorne beginnen zu können. Wir wiederholen dieses Spiel immer wieder, bis wir meinen, dass wir es gut genug können.

Wenn wir als Kinder mit Lego-Steinen Häuser, Autos oder ganze Städte bauen, folgen wir eigentlich einem System von Information und Kosmos, wobei die einzelnen Steine die Informationen repräsentieren und die gebauten Strukturen den Kosmos. Anscheinend ist der Aufbau von Strukturen (Evolution, Emergenz) und die Zerlegung dieser Strukturen (Erosion, Recycling) bereits tief in unserem Wesen verankert.

Inzwischen wissen wir auch, dass wir selbst Geschöpfe der Evolution sind, die letztlich aus Asche entstanden sind und wieder zu Asche zersetzt werden. Wir weisen uns zwar selbst eine gewisse Lebenszeit zu, wissen aber im Grunde unseres Herzens, dass diese Lebenszeit eine recht willkürliche Verabredung ist.

Den Titel Information und Kosmos habe ich bereits 2014 für eine Veröffentlichung verwendet, aber einige meiner Vorstellungen haben sich inzwischen weiterentwickelt. Allein um diese Evolution dokumentieren zu können, empfinde ich es als angebracht, meine damaligen Vorstellungen als Anhang oder Teil II in dieses Buch zu integrieren.

Berlin, im Herbst 2022

Günter Hiller

Inhalt

Teil I: Information und Kosmos II

Einleitung

Evolution vs. Physik

Energie und Wirkung

Information, Energie, Masse und Gravitation

Intelligenz- und Auflösungsvermögen

Statik und Dynamik

Teil II: Information und Kosmos

Prolog

I Grundlegende Gedanken

1. Rationalität und Logik

2. Wirkung

3. Wirkung und Information

4. Quantenverschränkung

II Weiterführende Überlegungen

5. Drei Dogmen

6. Offene Systeme und Qualität

7. Kommunikationsmodell

8. Informationsmuster

9. Psychologische Aspekte

10. Systemtheoretische Aspekte

11. Rationalität und Emotion

12. Unbestimmtheit

13. Zeit

III Grenzen der Rationalität

IV

Credo

Epilog

Eine kleine Geschichte der Welt

Literatur

In Memoriam Prof. Boersch

(1. Physikalisches Institut der TU Berlin)

Einleitung

Wenn man sich vor Augen führt, wie verschwenderisch die Evolution mit Ressourcen umgeht, wie viele neue Ideen geboren werden müssen, damit eine erfolgreiche Strategie möglich wird, wie viele Eier eine Schildkröte am Strand vergraben muss, damit eine kleine Schildkröte das Meer erreichen kann, wie oft wir eine Information aufnehmen müssen, damit uns diese beeindruckt, dann sollte uns deutlich werden, dass Eindeutigkeit nicht die oberste Priorität der Evolution zu sein scheint.

Wenn wir zudem berücksichtigen, wieviel Strahlung unterschiedlichster Herkunft tagtäglich auf uns niederprasselt, ohne dass wir auch nur im entferntesten erahnen können, welchen Sinn und welche Wirkung diese Strahlung hat, dann können wir vielleicht erahnen, dass unsere Welt um vieles komplexer sein muss, als wir es uns in unseren kühnsten Träumen vorstellen können.

Unsere Wahrnehmung der Umwelt verdanken wir unseren Sinnesorganen und insbesondere den äußeren Sinnesorganen, mit denen wir sehen, hören, riechen, schmecken und tasten können, die aber alle für einen sehr begrenzten Bereich konzipiert sind. Beim Sehen und Hören nehmen wir Licht- bzw. Schallwellen wahr, die gar nicht ursprünglich und ausschließlich für uns bestimmt sind. Zudem nehmen wir nur den Teil der Signale, den Teil der Informationen wahr, für den unser persönliches, individuelles Auflösungsvermögen befähigt ist.

Empfangsqualitäten entwickeln sich individuell und es ist die Aufgabe von Gemeinschaften für eine Normierung zu sorgen. Damit Informationen zu einem sinnvollen Informationsaustausch, zu einer sinnvollen Kommunikation fähig werden, müssen Voraussetzungen entweder bereits vorhanden sein oder sich entwickeln können, über die es sich lohnt, genauer nachzudenken.

Bei einem Menschen würde man von Neugier sprechen, aber was könnte eine Information dazu veranlassen, mit einer anderen Information zu kooperieren, eine andere Information zu integrieren oder von einer anderen Information integriert zu werden? Wenn sich zwei Informationen verbinden oder verknüpfen, dann vergrößern sie dadurch ihren Informationsspeicher, aber nur dann, wenn sie gemeinsam als eine neue Einheit, als eine neue Entität auftreten.

Aber was genau ist eine Information bzw. ein Informationsspeicher? Diese Frage erscheint auf den ersten Blick ziemlich lapidar. Wir wissen doch, was Informationen sind, schließlich leben wir nach eigenem Befinden in einer Informationsgesellschaft. Aus demselben Grund glauben wir auch zu wissen, was Raum und Zeit sind, wir leben in einem Kosmos aus Raum und Zeit.

Ein einfaches Gedankenexperiment zeigt jedoch. dass eine Informationsgeschwindigkeit endlich sein muss, damit Raum und Zeit überhaupt definiert sind. Bei einer unendlichen Informationsgeschwindigkeit wären alle Informationen gleichzeitig überall, sie wären gleichzeitig hier und dort, den Merkmalen des Raums und jetzt und später, den Merkmalen der Zeit.

Für die Welt, die wir wahrnehmen, müssen Informationsgeschwindigkeiten endlich sein und diese Endlichkeit muss dem Inhalt der Information geschuldet sein, dem Informationsgehalt. Ohne Inhalt wäre eine Information sinnlos oder leer und weder wahrnehmbar noch aussagekräftig. das heißt aber nicht, dass jede Information für alle wahrnehmbar sein muss, das hängt vom jeweiligen Auflösungsvermögen ab.

Da dieser Essay keine Abhandlung über Informationstheorie ist, sein soll und sein kann, sondern nur der Frage nachgehen soll, in wie weit Aussagen oder Ansprüche von Theorien überhaupt gerechtfertigt sind, ist selbst der Begriff Erkenntnistheorie wenig zielführend, genau genommen ein Widerspruch in sich selbst, ein Oxymoron, ein contradictio in adiecto.

Ein Merkmal von Theorien sollte ihre Eindeutigkeit sein und diese Eindeutigkeit befähigt uns Menschen zu Vorhersagen und daraus resultierenden Erkenntnissen. Grundlage von Theorien sind Beobachtungen, ist die Auswertung von Informationen, die uns zugänglich sind. Das Originelle an dieser Betrachtungsweise ist jedoch die Tatsache, dass es das Wesen von Informationen ist, nicht eindeutig zu sein!

Das einfachste System, das wir uns vorstellen können, ist ein Schalter oder ein Bit mit den zwei Möglichkeiten An/Aus oder 0/1. Aber was ist bei einem Bit die Information, die Zustände 0 und 1 oder der Zustandswechsel von 0 zu 1 oder von 1 zu 0? Von einem Schalter oder Bit kann man nur sprechen, wenn beide Zustände möglich sind und in diesem Fall repräsentieren sowohl der Zustand selbst als auch der Zustandswechsel eine Information. Der Begriff der Information selbst ist folglich nicht eindeutig, aber Informationen sind der Kern einer jeden Beobachtung oder Wahrnehmung!

Solche Schalter oder Bits sind uns aus diversen Ratespielen geläufig, bei denen etwas durch Fragen erraten werden muss, auf die nur mit Ja oder Nein geantwortet werden darf. Die Binäralgebra und Boolesche Algebra beschäftigen sich mit den Möglichkeiten, Vorgänge und Abläufe in Binärform darzustellen, aber es handelt sich dabei wohlgemerkt um eine Darstellung, die unserer Logik und Vernunft entspringt.

Alle diese mathematischen Formulierungen und Rechenvorschriften können aber nicht über das Grundproblem der Informationen hinwegtäuschen, dass das Wesen der Informationen selbst nicht eindeutig ist. Eine ganz ähnliche Problematik habe ich in meinem Essay Dualismus und Monismus, Zwei Seiten einer Medaille in Bezug auf Masse, Raum und Zeit aufgegriffen. In diesem Fall ist die Information die Medaille und die zwei Seiten werden durch den Zustand und die Zustandsänderung symbolisiert.

Anscheinend können wir uns einer dualen Betrachtungsweise nicht entziehen und sind daher prinzipiell nicht in der Lage, eine eindeutige Beschreibung der Welt vorzunehmen! Eine sehr interessante Konstellation ergibt sich, wenn die Zustandsänderung mit extrem hoher Frequenz stattfindet, so schnell, dass der Wechsel gar nicht mehr wahrnehmbar oder auflösbar ist. Dann erscheinen beide Zustände gleichzeitig existent zu sein und unsere binäre Logik nicht mehr anwendbar zu sein.

Aus der Algebra kennen wir die Problematik mit dem Begriff unendlich (¥). Egal, ob man etwas addiert oder subtrahiert, unendlich bleibt unendlich. Eine allgemeinere mathematische Betrachtung führte Kurt Gödel zu seinem Unvollständigkeitstheorem (1931), das mathematisch sehr anspruchsvoll ist, aber in letzter Konsequenz besagt, dass in unvollständigen Systemen unsere Logik, die wir aus vollständigen Systemen kennen, nicht anwendbar ist.

Die einfache Antwort ist, dass man als Experimentalphysiker beispielsweise eine Fläche nicht genauer berechnen muss als man den Radius messen kann. Für einen Experimentator sind perfekte Resultate ein Wunschtraum, realistisch ist einzig ein gut genug. Was tatsächlich gut genug ist, muss von Fall zu Fall entschieden werden und ist nicht eindeutig!

Wie bereits bemerkt, ist der Begriff der Information selbst nicht eindeutig. Sowohl ein Zustand als auch eine Zustandsänderung kann als Information bewertet werden, der Informationsbegriff ist also eindeutig zweideutig (Dualismus). Diese Zweideutigkeit zieht sich anscheinend durch die ganze Welt. Masse ist sowohl träge als auch anziehend und auch wir Menschen sind sowohl egoistisch als auch altruistisch. Diese inhärente Zweideutigkeit verhindert folglich eindeutige Theorien.

Eine fortgesetzte Zweideutigkeit erzeugt Vielfalt und genau die ist das Markenzeichen der Evolution. Vielfalt ist ein Kennzeichen unserer Welt und dabei kann es sich um kulturelle Vielfalt handeln, um biologische Vielfalt, aber auch um chemische, physikalische oder kosmische Vielfalt. Die Ursache aller dieser Vielfalt ist die fehlende Eindeutigkeit und genau das macht unser Leben, die Forschung und Wissenschaft so spannend.

Zielsetzung der Physik ist es oder war es zumindest, eindeutige Aussagen über die Welt zu treffen. Heute sind wir zu der Erkenntnis gelangt, dass diese Eindeutigkeit niemals gegeben sein kann, sie kann nur in einigen Fällen gut genug sein, was auch immer das bedeuten mag. Evolution und Perfektion schließen sich gegenseitig aus. Eine eindeutige oder perfekte Physik ist folglich nur in Ausnahmefällen anwendbar, nämlich dann, wenn unsere Messtechnik oder Messmethodik eine genauere Auswertung nicht zulässt.

An dieser Stelle kommt wieder das Auflösungsvermögen ins Spiel. Wir betrachten zwei Messwerte als gleich oder identisch, wenn das Auflösungsvermögen kleinere Unterschiede verbirgt. Perfektion wird damit zu einem relativen Begriff und man sollte folglich der Annahme von universellen Naturkonstanten mit allergrößter Vorsicht begegnen. Nur weil für uns Menschen mit unserer sehr begrenzten Aufenthaltsdauer im Universum Veränderungen nicht erkennbar sind, bedeutet das für das Universum selbst gar nichts!

Die Kosmologie hat sich in eine Sackgasse hineinmanövriert, sie selbst verursacht. Die Fakultäten stehen unter dem törichten Druck, möglichst viele Peer Review-Publikationen zu produzieren, und dieser Druck schadet allen echten Innovationen. Diese Aussage habe ich von einem Honorarprofessor übernommen, dessen Meinung ich vollends teile. Wenn sich die Physik nicht einer evolutionären Betrachtungsweise öffnet, werden sich die Paradoxien nicht auflösen lassen.

Wenn man nicht in einem Sumpf von unbelegten Multiversen, von Wurmlöchern, dunkler Energie und dunkler Materie ersticken möchte, muss man eine physikalische und kosmische Evolution mit einbeziehen. Wenn wir das Universum aus Sicht des Menschen als unvollständiges System akzeptieren, dann ist es einfach sinnlos über einen Anfang des Universums nachzudenken. Unsere Logik ist für vollständige Systeme entwickelt worden, weil man nur für diese Erhaltungsgrößen und Erhaltungssätze formulieren kann!

Evolution vs. Physik

Wenn man sich als Physiker dieser Frage nähert, ist man zunächst einseitig belastet. Wie kann man als gelernter Physiker die Physik in Frage stellen? Wahrscheinlich wäre ich nie auf diese Idee gekommen, wenn ich weiterhin im Dunstkreis der Physik geblieben wäre, mit all den Peer Reviews und dem unbändigen Drang, Publikationen zu produzieren, die den Peers genehm sind.

Mich hat es aber nach dem Diplom in ferne Länder, zu anderen Kulturen gezogen und so bin ich in der Erdölindustrie gelandet, um geophysikalische Messungen in Erdölbohrungen durchzuführen. Das Erdöl war nur Mittel zum Zweck, um mehr über die Beschaffenheit und Geschichte unserer Erdkruste zu erfahren. Meine Kollegen waren zumeist Ingenieure und insofern unterschied sich mein Blick auf die Messungen schon ein wenig von dem der anderen.

Ähnlich wie bei der Kosmologie, bei der man in die Vergangenheit des Universums schaut, bohrt man auch bei Tiefbohrungen in die Vergangenheit der Erde, aber mit einem entscheidenden Unterschied. Bei Tiefbohrungen kann man Gesteinskerne aus großen Tiefen an die Oberfläche holen, analysieren und mit den Messergebnissen vergleichen. Damit lässt sich dann die Interpretation der Messergebnisse dem tatsächlichen Befund anpassen.

Das ist aber nur der halbe Wahrheit. Durch Sedimentierung werden an der Erdoberfläche immer neue Schichten aufgebaut, die die vorhergehenden Schichten immer weiter in die Tiefe drücken. Schichten, die sich heute in einigen tausend Metern Tiefe befinden, haben vor etlichen Millionen Jahren die Erdoberfläche gebildet. Durch die Sedimentierung erhöht sich natürlich der Druck auf diese Schichten und so wird beispielsweise im Laufe der Jahrmillionen aus Torf Braunkohle und daraus im weiteren Verlauf Steinkohle.

Aufgabe der Geophysik ist es nun, aus dem kompakten Gestein in einigen tausend Metern Tiefe Rückschlüsse auf die Beschaffenheit der Erdoberfläche vor etlichen Millionen Jahren zu ziehen. Und nicht nur das, man möchte auch erklären wollen, welche klimatischen Bedingungen zu der Zeit auf der Erde vorherrschend waren. Die Herausforderungen sind gewaltig und größtenteils spekulativ. Immerhin kann man sich an der Beschaffenheit der jeweiligen Bohrkerne orientieren.

Eine wesentliche Erkenntnis war allerdings, dass die Sedimentierung ganz unterschiedliche Phasen aufweist und nicht einheitlich vonstatten ging. Es gibt keine quantitative Beziehung zwischen Tiefe und Alter. Wenn man einmal von Verwerfungen absieht, kann man zwar qualitativ in der Regel davon ausgehen, dass tiefere Schichten älter sind als die höheren, aber daraus lässt sich keine theoretische Vorhersage ableiten.

Im Gegenteil, praktisch alle Spekulationen mussten immer wieder korrigiert werden und die Altersbestimmung wird mit zunehmender Tiefe immer ungenauer. Schon bei einem Alter von hundert Millionen Jahren ist eine Genauigkeit von 1% sehr ambitioniert. Trotzdem ist es der Geophysik gemeinsam mit der Geologie und Paläontologie gelungen, einen Eindruck von der Flora und Fauna vor einigen hundert Millionen Jahren zu gewinnen, wobei die Altersangabe immer mit einem großen Fragezeichen versehen ist.

In dieser Welt unsicherer Spekulationen fand mein wissenschaftlicher Lernprozess statt, immer in der Hoffnung, dass diese Spekulationen gut genug sind. Allein die Tatsache, dass das Erdklima enormen Veränderungen unterworfen war, legt aber die Vermutung nahe, dass diese Veränderungen nicht ausschließlich einer sich wandelnden Erde zugeschrieben werden können, sondern dass auch kosmische Veränderungen dazu beigetragen haben.

Insbesondere die Symbiose von Geologie und Paläontologie bei Altersbestimmungen hat mich von Anfang an fasziniert und dazu bewogen den Begriff des Lebens über das biologische Leben hinaus zu erweitern. Wenn man erkennt, wie sich die Erde über Millionen von Jahren verändert und entwickelt hat, wird die Gaia-Hypothese von James Lovelock immer verständlicher.

Die biologische Evolution wurde wegen ihrer relativen Langsamkeit erst im 19. Jahrhundert als Evolution erkannt und Friedrich Cramer war der Erste, der eine Korrelation zwischen biologischer und kultureller Evolution in Erwägung zog. Ende des 20. Jahrhunderts postulierte er, dass die kulturelle Evolution um ca. eine Million Mal schneller sein könnte als die biologische Evolution. Bei dieser Abschätzung geht es nicht um Exaktheit, sondern um eine Größenordnung.

Wenn man diese Abschätzung übernimmt und beispielsweise eine geophysikalische Evolution in Betracht zöge, die auch etwa eine Million Mal langsamer wäre als die biologische Evolution, dann käme man bereits in Bereiche, die für uns Menschen praktisch nicht wahrnehmbar wären. Immerhin wäre aber die Unsicherheit bei geophysikalischen Altersangaben ein guter Grund für eine geophysikalische Evolution. Auf jeden Fall ist sie ein guter Hinweis dafür, dass die Vergangenheit nicht eindeutig ist.

Immerhin gibt es in der Geophysik eine Korrelation zwischen einer Tiefe oder Entfernung in Metern und einem Alter in Jahren. Diese Korrelation existiert in der Kosmologie jedoch nicht. Entfernungen werden in der Kosmologie in Lichtjahren angegeben, mit der Annahme, dass die Lichtgeschwindigkeit eine universelle Konstante ist. Physiker sind sich dessen durchaus bewusst und betrachten diese Annahme als das kleinere Übel.

Nur sollte jedem Wissenschaftler klar sein, dass man unter diesen Voraussetzungen nicht von einer Expansionsgeschwindigkeit des Universums in Metern oder Kilometern pro Sekunde sprechen kann. In der Kosmologie sind Entfernungen in Metern oder Kilometern keine messbaren Größen. Unter Kosmologen gilt allerdings das expandierende Universum als gesicherte Erkenntnis, völlig ungeachtet der Tatsache, dass wir gar nicht wissen und wissen können, was unser Universum überhaupt ist!

Sind wir inzwischen soweit gekommen, dass man nicht mehr zugeben darf, dass man etwas nicht weiß oder nicht wissen kann? Auf der Annahme einer konstanten Lichtgeschwindigkeit basieren inzwischen so viele sogenannte gesicherte Erkenntnisse, dass man überhaupt nicht mehr zwischen Empirie und Spekulation unterscheiden kann. Eins ist aber absolut sicher, wir können niemals die Lichtgeschwindigkeit in entfernten Galaxien empirisch ermitteln!

Dafür ist die endliche Informationsgeschwindigkeit selbst verantwortlich. Diese Endlichkeit ist aber auch dafür verantwortlich, dass wir überhaupt von Raum und Zeit sprechen können, ohne dass eine Beziehung zwischen Raum und Zeit erkennbar wäre. Raum und Zeit sind Merkmale eines Dualismus, wie er bereits bei Informationen und Masse anzutreffen ist.

Eine Information beschreibt sowohl einen Zustand als auch eine Zustandsänderung. Masse ist sowohl für Trägheit als auch für Massenanziehung verantwortlich, ersteres ist additiv, letzteres multiplikativ und somit sind beide deutlich unterschiedlich. Deshalb sind auch Raum und Zeit unterschiedlich und daher eine Raum-Zeit nur eine Wunschvorstellung.

Ich halte es für fatal, die Welt nur deshalb zu vereinfachen, um Theorien formulieren zu können, obwohl man ganz genau wissen sollte, dass diese Vereinfachungen unzulässig sind. Wenn es nur darum geht, eine schlechte Theorie zu veröffentlichen statt gar keine, dann sollte man wenigstens darauf verzichten, aus diesen schlechten Theorien weitere Schlüsse zu postulieren. Fehler multiplizieren sich und irgendwann ist jede Glaubwürdigkeit dahin.

Konkrete Annahmen, für die ein empirischer Beleg unmöglich ist, sind schlimmer als eine verwaschene Gottesvorstellung. Ein virtuelles Gottesbild kann zumindest so gewählt werden, dass Widersprüche oder Paradoxien vermieden werden. Erst wenn man Gott ganz spezifische Eigenschaften zuweist, die überprüfbar sind, wird es kritisch. Die meisten Religionen sind daher auch nicht in diese Falle getappt.

Wenn die Wissenschaften aber Spekulationen aufsitzen, die nicht empirisch belegt werden können, aber dennoch quantitative Aussagen machen, dann ist eine Grenze erreicht, die nicht tolerierbar ist, dann wird die rote Linie überschritten, die die Wissenschaften von Scharlatanerie trennt. Es ist ein Unterschied, ob die Informationsgeschwindigkeit endlich sein muss oder ob die maximale Informationsgeschwindigkeit gleich der Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ist und den Wert hat, den man in Erdnähe messen kann!

Wenn man sich mit der Frage Evolution oder Physik beschäftigt, kann man diese Frage auch als Vielfalt oder Eindeutigkeit formulieren. Zielsetzung der Physik war (ist) eine eindeutige Beschreibung der Welt, wie sie beispielsweise in der Urknalltheorie zum Ausdruck kommt. Wichtigstes Merkmal der Evolution ist Vielfalt, die ihren Ursprung nur in einer fundamentalen Zweideutigkeit haben kann! Wenn wir unsere Welt betrachten, sollte die Antwort offensichtlich sein.

Warum sich viele Wissenschaftler nicht auf eine Antwort festlegen wollen, hat eher psychologische Gründe. Zum einen basiert eine mathematisch-physikalische Ausbildung auf (eindeutigen) Formeln und deren Interpretation und Anwendung und zum anderen besteht immer noch der Anspruch der Öffentlichkeit an die Wissenschaft, eindeutige Vorhersagen zu liefern.

Erst in jüngster Zeit haben sich Politik und Wissenschaft dazu bekannt, dass auch sie lernen müssen. Der Klimawandel und die Corona-Pandemie haben uns deutlich vor Augen geführt, dass die Welt (und die Viren) im Wandel sind und wir uns an diesen Wandel anpassen müssen. Schuld daran sind aber Politik und Wissenschaft selbst, die jahrelang den Eindruck vermittelt haben, nahezu unantastbar zu sein.

Diese Arroganz hat sich fast zu einem Markenzeichen entwickelt und in einem arroganten Umfeld erscheint ein bescheidener Agnostiker wie ein dummer kleiner Junge, der sich anmaßt, den großen Einstein zu kritisieren. Nein, das ist keine Kritik an Einstein, sondern Kritik an der Kritiklosigkeit einiger selbsternannter Gurus, die damit die Öffentlichkeit manipulieren. Mein alter Professor pflegte zu sagen: Es gibt keine dummen Fragen, es gibt nur dumme Antworten! Bei einem mehrdeutigen Sachverhalt ist eine eindeutige Antwort jedenfalls nicht weitblickend.

Nur, was macht man, wenn die Öffentlichkeit oder die Medien eine eindeutige Antwort fordern und erwarten? Wenn man die Antwort verweigert, steht man vor der Öffentlichkeit dumm da und wenn man sie gibt, steht man vor sich selbst dumm da. Da die Karriere aber nicht von der eigenen Einschätzung abhängt, kann man sich schon ausmalen, welche Entscheidung größere Vorteile bietet.

Energie und Wirkung

Der Energiebegriff ist einer der spektakulärsten Begriffe in der Physik überhaupt, er ist einerseits äußerst hilfreich aber auch verwirrend zugleich. Aus öffentlichen Diskussionen ist der Begriff Energie gar nicht mehr wegzudenken und dabei fällt überhaupt nicht mehr auf, dass seine Benutzung von der ursprünglichen physikalischen Definition abweicht. Aber das begann schon mit dem legendären Energieerhaltungssatz, der zu meiner Studienzeit als unwiderlegbarer Erfahrungssatz galt und seine Kenntnis zum Erwerb eines Diploms unverzichtbar war.

Einstein postulierte für seine Theorie des photoelektrischen Effekts, für die ihm 1917 der Nobelpreis für Physik verliehen wurde, sogenannte Energiequanten, in Anlehnung an die von Max Planck um 1900 eingeführten Wirkungsquanten. Aber was ist eigentlich Energie? Wir reden ständig davon, dass die Energiepreise steigen, aber bezahlen wir tatsächlich für Energie? Nein!

Man erkennt das sofort, wenn man seine Stromrechnung betrachtet. Energie wird in kW (kiloWatt) angegeben, wir bezahlen aber einen Verbrauch oder eine Wirkung in kWh (kilo-Watt-Stunden). Auf dem Typenschild des Kühlschranks oder Fernsehers findet man zwar den Verbrauch pro Zeiteinheit (Energie) in kW, aber der Kühlschrank oder Fernseher verbraucht nichts (0 kWh), solange er nicht eingeschaltet ist.

Natürlich ist die Energieangabe in kW äußerst sinnvoll, da sich aus ihr zusammen mit der Einschaltdauer der entstehende Verbrauch berechnen lässt. Energie ist tatsächlich ein reiner Rechenwert, der aber nur Sinn macht, wenn das Gerät eingeschaltet ist und der Versorger den benötigten Verbrauch bereitstellen kann. Dieser zweite Aspekt ist nicht ganz unwesentlich, denn er macht bereits die Asymmetrie von Versorger und Verbraucher deutlich, die ganz wesentlich für das Verständnis der Energie ist.

Damit das System aus Versorger und Verbrauchern reibungslos funktioniert, muss der Versorger immer etwas mehr Energie zur Verfügung stellen als alle Verbraucher zusammen benötigen. Für eine möglichst große Effizienz muss nur dafür gesorgt werden, dass die Überversorgung nicht verloren geht, sondern irgendwie recycelt wird.

Dieses Prinzip der Überversorgung findet sich überall in der Natur, weil eine exakte oder perfekte Versorgung praktisch unmöglich ist. Eine Schildkröte legt tausende von Eiern, damit wenigstens eine den Bestand erhält, aber die anderen sind für die Natur als Gesamtheit nicht verloren.

Menschliche Kommunikation ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie ein Informationsaustausch vonstatten geht und im Grunde genommen der physikalischen Vorstellung von sogenannten Austauschteilchen, zu denen sich auch Energiequanten rechnen ließen, in keiner Weise gerecht wird. Betrachten wir einmal einen kurzen Vortrag in kleiner Runde.

Als erstes wird deutlich, dass es für den Vortrag und den Vortragenden keinen großen Unterschied macht, ob es sich um 10 oder 12 Zuhörer handelt, der Vortrag selbst und die Lautstärke des Redners sind davon nicht beeinflusst. Entscheidend ist allerdings, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass alle Zuhörer das Gleiche verstehen und es sehr wahrscheinlich ist, dass keiner der Zuhörer genau das versteht, was der Vortragende vermitteln möchte.

Die physikalische Vorstellung von Energiequanten, die vom Vortragenden zu den einzelnen Zuhörern übertragen werden, scheint mir an diesem Beispiel nicht gerechtfertigt. Ganz anders sieht es dagegen bei der Betrachtung von Wirkungsquanten aus. Wirkungsquanten beziehen sich einzig und allein auf den Empfänger, in dem Fall auf den Zuhörer. Damit in dem Zuhörer etwas bewirkt werden kann, muss es natürlich einen Sender, einen Vortragenden und einen Vortrag geben, aber was in jedem einzelnen Zuhörer bewirkt wird, hängt auch maßgeblich von dessen Aufnahmefähigkeit, Vorbildung und vielem mehr ab.

Wenn man ein Gebäude mit Stockwerken im 10 Meter Abstand betrachtet und einen Ball in eine Höhe von beispielsweise 38 oder 32 Metern schießt, wird er auf dem Stockwerk in 30 Meter Höhe landen. Entscheidend ist also nicht der Schuss, die Sendung oder der Sender, sondern der Empfänger, das Gebäude mit seinen Stockwerken! Um sicher zu sein, dass der Ball auf dem 30 m Podest zu liegen kommt, muss er mehr als 30 m und weniger als 40 m hochgeschossen werden. Es kommt also tatsächlich gar nicht auf die Exaktheit oder Perfektion des Schusses an, der Schuss muss nur gut genug sein, um die 30 m zu erreichen.