Information und Kosmos - Günter Hiller - E-Book

Information und Kosmos E-Book

Günter Hiller

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Beschreibung

Wenn man Reproduzierbarkeit als oberste wissenschaftliche Tugend voraussetzt, dann ist Energieerhaltung normativ. Reproduzierbarkeit schließt den Zufall aus. Da dieser aber ein integraler Bestandteil der Evolution ist, kann man Evolution nicht als exakte Wissenschaft einstufen. Wenn man, wie es schon Paracelsus gefordert hat, die Welt als lebendiges Wesen betrachtet, dann sind für eine Erklärung des Kosmos evolutionäre Ideen angemessen. Akzeptieren wir Informationen als Grundlage jeder Erkenntnis, ist es naheliegend, Informationen als den Urstoff des Kosmos zu betrachten, und Informationen folgen eindeutig den Regeln der Evolution. Wenn man unseren Kosmos (für uns Menschen) als nicht reproduzierbar erachtet, da seine Entstehung auch den zufälligen Fehlern der Evolution unterliegt, dann ist eine Urknalltheorie (Big Bang) schlichtweg absurd. Die Urknalltheorie basiert auf der Verallgemeinerung (Vereinfachung), dass die für ein geschlossenes System gültige Energieerhaltung auch für offene Systeme gilt. Wenn unsere Logik ein offenes System darstellt (Gödel), ist es sinnvoll, die Offenheit unseres Universums nicht auszuschließen!

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Vorwort zur dritten Auflage

Die ersten beiden Auflagen trugen noch den Titel

‚Das Handwerk der Rationalität – Vom Charme des Zufalls und den fragwürdigen Dogmen der Physik’.

Das ursprüngliche Ziel dieser Abhandlung war es, die fundamentalen Grenzen unserer Rationalität aufzuzeigen. Das sind zum einen unvorhersehbare und daher unerklärliche Zufälle und zum anderen ist es das Beharren auf zunächst nützlichen und notwendigen Dogmen, die aber im Verlauf weiterer Erkenntnisse unhaltbar werden.

Die Tatsache, dass alle unsere Vorstellungen von Raum, Zeit und Materie ursprünglich auf Informationen, die wir aufnehmen und verarbeiten, zurückzuführen sind, führte zu meinem grundsätzlichen Paradigmenwechsel, mein Hauptaugenmerk den Informationen zuzuwenden, was sich auch im Titel dieses Buches niederschlagen sollte. Die Informationen, die wir wahrnehmen können, bestimmen, welche Vorstellungen des Kosmos uns möglich sind.

Aussagen über Bewusstsein habe ich nur angedeutet, da es einem Zirkelschluss entspringt. Bewusstsein ist einerseits die Grundlage jeder Philosophie, gleichzeitig aber auch deren Ergebnis. Diese Art Zirkelschluss wird uns in den Ausführungen mehrmals begegnen und beruht letztlich auf Hegelscher Dialektik.

Antigua, im März 2014

Günter Hiller

Vorwort zur vierten Auflage

Die Ähnlichkeit von Heisenbergs Unschärferelation und Gödels Unbestimmtheitssatz hat mich seit Jahren beschäftigt, obwohl sie in ganz unterschiedlichen Disziplinen zu Hause sind. Beiden gemeinsam ist die Tatsache, dass sie aus der Betrachtung von ‚Informationsquanten’ resultieren. Es war daher naheliegend, sich mit dem Problem der Unbestimmtheit näher zu befassen, was mich dazu veranlasste, ein zusätzliches Kapitel (12) über Unbestimmtheit in der vierten Auflage einzufügen.

Meinen Gedankengängen folgend, lag es durchaus auf der Hand, diese Unbestimmtheit mit der Existenz von unvorhersehbaren, also völlig zufälligen Fehlern zu begründen. Insofern rundet diese Unbestimmtheit meine zuvor dargelegten Ausführungen ab und untermauert zudem meine These, dass Energieerhaltung zwar für den begrenzten Bereich der Physik durchaus seine Berechtigung hat, aber nicht für ein offenes Universum.

Energieerhaltung ist ein Erfahrungssatz, der bisher nicht widerlegt werden konnte, weil die Messgenauigkeiten in physikalischen Experimenten dazu gar nicht ausreichten und Energieänderungen weitaus geringer sind als Ergebnisse, die mit experimentellen Fehlerquellen behaftet sind. Ich bin selbst Experimentalphysiker und weiß aus eigener Erfahrung, dass man oft nur das sieht, was man sehen möchte. Zudem ist Energieerhaltung ein heiliger Gral, der von den (selbst) ernannten Gralshütern natürlich nicht in Frage gestellt werden darf.

Heiterwang, im Oktober 2014

Günter Hiller

Inhalt

Prolog

I Grundlegende Gedanken

1. Rationalität und Logik

2. Wirkung

3. Wirkung und Information

4. Quantenverschränkung

II Weiterführende Überlegungen

5. Drei Dogmen

6. Offene Systeme und Qualität

7. Kommunikationsmodell

8. Informationsmuster

9. Psychologische Aspekte

10. Systemtheoretische Aspekte

11. Rationalität und Emotion

12. Unbestimmtheit

13. Zeit

III Grenzen der Rationalität

IV

Credo

Epilog

Eine kleine Geschichte der Welt

Literatur

Great minds discuss ideas. Average minds discuss events. Small minds discuss people.

Eleanor Roosevelt

Prolog

Probleme der Spezialisierung

Als ich 1968 als Tutor in der Experimentalphysikvorlesung von Prof. Boersch gearbeitet habe, kamen während der Studentenunruhen einige „68er“ in seine Vorlesung und warfen lebende Hühner auf die justierten Versuchsapparaturen. Unsere ganze Arbeit war umsonst und in mir reifte die Einsicht, dass die Physik das Leben, in dem Fall lebende Hühner, gar nicht vorsieht oder berücksichtigt, obwohl Physik die Erfindung von uns, von uns Lebenden, ist. Für ein Verständnis der Welt lassen sich demnach Physik, Biologie und all die anderen Wissenschaften gar nicht trennen. Eine weitere Vertiefung in die Physik ohne Berücksichtigung von Psychologie, Soziologie und der Religion erschien mir daher unangemessen.

ALPHA-Prinzip

In der Philosophie beruft man sich zur Erklärung des Lebens gerne auf das anthropische Prinzip. In Verallgemeinerung des starken anthropischen Prinzips wurde dann ein ALPHA-Prinzip formuliert:

„Die ALPHA-Bedingungen – das sind die Gesetze der Natur sowie die Eigenschaften von Materie und Raum-Zeit – führen zwangsläufig zur Entstehung und zum Wachstum von Komplexität und Information (Wirkungspotenz)“.

Dieses ALPHA-Prinzip war und ist für mich keine Erklärung. Es entspricht etwa dem Nachrationalisieren eines Physikers, der aber nur den Endzustand kennt, dafür jedoch ‚eherne’, also unveränderliche Naturgesetze postuliert. Deshalb sollte man es eigentlich nach dem letzten Buchstaben des altgriechischen Alphabets benennen, also als OMEGA-Prinzip bezeichnen. Um so ein Prinzip zu formulieren, muss man nicht einmal nachdenken, genau genommen darf man nicht einmal nachdenken.

Schöpfung

In der Physik werden zwei Fragen fast immer kunstvoll ausgeklammert oder zumindest weiträumig umgangen:

1. Was ist Schöpfung – Eine Schöpfung widerspricht dem Energieerhaltungssatz der Physik.

Die Photosynthese in Blättern ist eine geniale Erfindung der Natur. Das Wachstum von Bäumen ist eine einfache Erklärung für die Erzeugung von Masse aus Energie, ist aber ein vergleichsweise sehr, sehr langsamer Prozess. Evolution erklärt zudem die Entstehung der Artenvielfalt, eine Verbindung der beiden erklärt dann nicht nur die Entstehung von Masse aus Energie, sondern gleichzeitig auch die Schöpfung.

Information, Wirkung und Kommunikation

Sollten Wirkung und Information dasselbe oder äquivalent sein, dann lässt sich Information als ein Produkt aus Energie und Zeit auffassen und könnte somit für die Entstehung von Masse verantwortlich sein. Ich versuche die Gleichsetzung von Information und Wirkung im Verlauf zu erklären oder herzuleiten, bin mir aber bewusst, dass es sich dabei um keinen lupenreinen Beweis handelt oder handeln kann. Wirkung hat eine eindeutige physikalische Definition, ist also völlig rational. Dagegen ist unsere Vorstellung von Information sehr viel weitläufiger und hat emotionale Komponenten. Insofern muss ich die Gleichheit von Information und Wirkung als These bezeichnen.

Diese These dreht dann aber das oben erwähnte, von mir nun OMEGA-Prinzip genannt, um, in ein wirkliches ALPHA-Prinzip:

„Informationen bewirken ein Universum, in dem Informationsaustausch, Informationsverarbeitung und Informationsspeicherung möglich sind. Der Wettbewerb der Informationen führt zu mehr Komplexität und daher zu sich ständig wandelnden Organisationsformen.“

Demnach ist es Aufgabe der Physik, die derzeitige Organisationsform unseres Universums zu erklären. Das Alter eines solchen Universums lässt sich nicht bestimmen, da Raum, Zeit und Energie von den jeweils verfügbaren und vorhandenen Informationen abhängig sind.

Diese Idee ist mindestens 2000 Jahre alt, denn sie sagt eigentlich nichts anderes aus, als das im Neuen Testament bei Johannes 1.1 zu lesen ist: „Im Anfang war das Wort.“

Zum Austausch von Informationen muss dieses Universum Kommunikationsformen bereitstellen, die dem Abstand der Kommunikationspartner angemessen sind. Stellen sie sich vor, sie wohnen in Berlin und wollen sich mit ihrem Freund im 1000 km entfernten Paris unterhalten (nur angenommen Schallwellen könnten diese Distanz überbrücken), dann würde es bei einer Schallgeschwindigkeit von 333 m/s also fast eine Stunde dauern bis ihre Nachricht ihren Freund erreicht und anderthalb Stunden bis zu einer Antwort. Selbst wenn es möglich wäre, würden sie diese Kommunikationsform als wenig praktikabel betrachten. Nach Einstein sollen aber Milliarden von Lichtjahren voneinander entfernte Galaxien nur mit Lichtgeschwindigkeit miteinander kommunizieren dürfen? Mein gesunder Menschenverstand ist damit völlig überfordert. Das veranlasste mich zu der Vermutung, dass es in unserem Universum andere Kommunikationsformen geben muss, die uns nicht oder noch nicht zugänglich sind, die man aber auf keinen Fall kategorisch ausschließen darf. Nur, weil wir keine Antennen oder Sinne für eine Kommunikationsform haben, heißt das nicht, dass diese nicht existiert.

Nach meinem Informationsmodell müsste der Anfang unseres Universums energielos, oder jedenfalls extrem energiearm gewesen sein und es musste eine erste Information (Im Anfang war das Wort) gegeben haben, die die Fähigkeit hatte, sich zu vermehren. Ob man diese erste Information nun dem Zufall oder Gott zuschreibt, bleibt jedem selbst überlassen. Entscheidend für meine Überlegungen ist aber, dass sich am Anfang die Informationen langsam vermehren und somit die Energie des Universums auch nur langsam zunimmt. Die ersten, ursprünglichen Kommunikationsformen sind somit bei niedrigsten Energien angesiedelt und somit unseren heutigen Messempfindlichkeiten unzugänglich. Erst im Laufe der Zeit, mit der Zunahme der Energie im Universum, können sich Kommunikationsformen herausbilden, die unseren heutigen Alltag bestimmen und von uns Menschen mit unseren Sinnen wahrgenommen werden können.

Wasserstoff und Hintergrundstrahlung

Die nächste ungelöste Frage, die sich daraus ergibt, ist, wie aus Informationsbündeln Wasserstoff entstehen kann. Wasserstoff ist die Grundbedingung für ein ‚sichtbares’ Universum. Der Rest lässt sich mit den heutigen Erkenntnissen erklären. Riesige Wasserstoffmengen kooperieren zu Fusionsreaktoren wie beispielsweise unsere Sonne, die der Erzeugung von Helium und höherwertigen Elemente dienen. Mit der Entstehung von Wasserstoff geht eine neue Kommunikationsform einher, der Elektromagnetismus.

Dieses Wachstumsmodell des Universums widerspricht in allem, aber wirklich in allem, dem Urknallmodell, mit dramatischen Konsequenzen. Bei einem Wachstumsmodell liegen die Geheimnisse unseres Universums im Bereich kleinster Energien und nicht im Hochenergiebereich, wie es ein Urknallmodell vermuten lässt. Damit muss auch eine andere Erklärung für die kosmische Hintergrundstrahlung gefunden werden, die rein elektromagnetisch ist!

Denkbar ist, dass sie die Summe der Kommunikationen aller Atomkerne im Universum repräsentiert. Diese wird in fernen Teilen als Rauschen wahrgenommen. Dieses Rauschen müsste abhängig sein von der jeweiligen Atomkerndichte, also der Anzahl Atomkerne in einem Volumen. Da aber in einem offenen Universum diese Dichte gewissermaßen frei wählbar ist, kann dieses Rauschen eigentlich nur ein Hinweis auf die ‚Lieblingsdichte’ unseres Universums sein. Es ist also kein Hinweis auf ein Naturgesetz, sondern auf eine Präferenz. In einem organisch gewachsenen und wachsenden Universum gibt es keine Unwahrscheinlichkeiten, denn so ein Universum repräsentiert das, was seine Bewohner insgesamt erfordern und bereitstellen.

Regeln versus Gesetze

In einem wachsenden Universum kann es keine starren und festen Gesetze geben, denn es muss auf ständige Veränderungen reagieren können! Woher sollte ein wachsendes Universum wissen, wie es in 10 Milliarden Jahren aussehen wird? Wir können uns nicht einmal vorstellen, wie unsere Erde in wenigen Jahren aussehen wird, ob sich einzelne Prozesse verlangsamen oder beschleunigen werden.

Vielleicht hat mich meine Arbeit in der Erdölindustrie, wo man in Zeiträumen von mehreren hundert Millionen Jahren denken muss, darauf vorbereitet, ein ganz anderes Verständnis der Zeit zu erlangen. Meine ständige Zusammenarbeit mit Paläontologen und die Beschäftigung mit der Paläontologie haben ein tieferes Verständnis der Evolution bewirkt. Da ich mein Leben lang daran gewöhnt bin, Probleme immer aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln zu betrachten und zweifeln für die Grundlage jeder Erkenntnis halte, wundere ich mich, dass sich ‚Wissenschaftler’ darauf geeinigt haben, dass unser Universum 13,7 Milliarden Jahre alt ist – ohne dass ein Sturm der Entrüstung oder tosendes Gelächter zu hören ist.

Haben wir einfach nur Angst, die auf der Spitze stehende Pyramide unserer Anschauungen und ‚Erkenntnisse’ auch nur zu berühren, weil wir befürchten, dass sie umfallen könnte? Oder wollen wir nur die Kuh, die wir melken nicht schlachten? Als mir klar wurde, dass die Erdölindustrie der Menschheit mehr Schaden (Klimaerwärmung) zufügt als Nutzen (preiswerte Energie) bringt, habe ich ihr den Rücken zugekehrt. Ein schwieriger Schritt, aber als ich merkte, dass Profit wichtiger ist als gute Argumente, blieb eigentlich keine andere Wahl. Ist das in der Physik heute anders? Urknalltheorie und Hochenergiephysik (Milliardenzuschüsse vieler Länder für CERN), Stringtheorie (ohne sie bis vor kurzem keine Professur für Physik in den USA) sind nur die Spitze eines Eisbergs. Jeder Doktorand muss die Thesen seines Professors verteidigen - sonst wäre seine Promotion fragwürdig.

Im (Un)Ruhestand ist aber alles anders. Ich darf der allgemeinen Lehrmeinung widersprechen und muss nicht jedes Argument haarklein beweisen. Natürlich laufe ich Gefahr, mich zu verrennen, aber kann es denn noch schlimmer, oder besser unwahrscheinlicher werden als es die allgemeine Lehrmeinung vorsieht? Wenn man eins von 2 Billiarden (!) Ereignissen als Bestätigung für das Higgs-Teilchen akzeptiert oder unserem Universum eine Wahrscheinlichkeit von 10-59 zubilligt, muss man schon den gesunden Menschenverstand ausschalten. Ich kann mich damit nicht abfinden!

Gedächtnis

Der nächste Schritt für eine Akzeptanz eines Wachstumsmodells ist die Beantwortung der Frage, wie man ein Wasserstoffatom als Informationsspeicher beschreiben kann oder was ein Wasserstoffatom dazu prädestiniert als Informationsspeicher, als Gedächtnis zu fungieren. Ein Gedächtnis zeichnet sich dadurch aus, dass man ihm Information(en) zuführen kann, die sich dann bei Bedarf wieder abrufen lässt (lassen).

Reicht es schon aus, dass ein Wasserstoffatom Photonen absorbieren und emittieren kann? Vielleicht ist das schon das fehlende Puzzle-Teil, denn in der Evolution spricht man auch gerne von Koevolution, dass sich also beispielsweise eine Kommunikation und die zugehörigen Kommunikationspartner parallel entwickeln. Letztlich ist das eine ohne das andere sinnlos. Wie ich später darlegen werde, ist ein Gedächtnis eine Grundvoraussetzung für Wettbewerb, den Motor der Evolution.

Und wieder muss die Evolution, oder besser Koevolution etwas erklären, wozu die Physik nicht in der Lage ist. Im Grunde genommen kann die Physik nur die Entstehung von „Unordnung“ oder Gleichgewichten erklären aber nicht die Entstehung von Ordnung, von Ungleichgewichten. Natürlich ist diese Aussage überspitzt, unterlegt aber meinen Wunsch, nach den wissenschaftlichen Grundlagen einer generellen Evolutionstheorie zu suchen, der auch die physikalischen Gesetze unterliegen. Evolution bedeutet letztlich Veränderung und Anpassung. Den langen Weg dorthin habe ich in meinem Buch „Meine Zeit“ beschrieben.

Urknall

Ich habe in meinen Ausführungen bewusst den Begriff ‚Entropie’ vermieden, da seine Erklärung schon bei Wikipedia mehrere Seiten beansprucht, er inzwischen in vielen Bereichen verwendet wird und mir seine Bedeutung nicht eindeutig genug erscheint.

Wenn wir das Universum mit einer Tasse vergleichen, ergeben sich originelle Parallelen. Für die Zerstörung einer Tasse benötigt man höchstens Sekunden und die Physik kann das sehr gut erklären. Aber für die Entstehung einer Tasse muss man tief in die Vergangenheit schauen und findet einen fortwährenden Prozess, der irgendwann einmal bei der Idee für ein Trinkgefäß angefangen hat, sich dann über Materialsuche, Materialformung bis hin zum Brennen geeigneter Materialien fortsetzt. Im Gegensatz zur Zerstörung lässt sich dieser Prozess nicht in Sekunden beschreiben, sondern in Tausenden von Jahren. Es handelt sich um einen evolutionären Prozess, bei dem sich nicht einmal genau sagen lässt, welche Stufe wann erreicht war.

Wir wissen alle, dass man den Film der Zerstörung einer Tasse nicht rückwärts laufen lassen darf. Wir können ihn zwar theoretisch rückwärts laufen lassen, aber es macht keinen Sinn! Ich habe nun aber das Gefühl, dass beim Urknallmodell Physiker versucht haben, einen Film rückwärts laufen zu lassen, den sie nicht rückwärts laufen lassen dürfen! Wenn man es aber dennoch tut, dann erhält man für das Alter der Tasse einen Wert im Sekundenbereich und für das Universum eben 13,7 Milliarden Jahre.

Die Absurdität dieser Urknalltheorie und die zu ihrer Entstehung verwendeten Dogmen und unzulässigen Verallgemeinerungen haben mich letztlich veranlasst, darüber etwas intensiver nachzudenken.

Abstract I

Um mit einem komplexen Gehirn eine sehr viel komplexere Welt zu verstehen, muss man Modelle der Welt erdenken, die sehr viel einfacher sind als die reale Welt, aber dennoch deren Funktion so gut als möglich darstellen. Um der enormen Datenflut, die auf uns einstürmt, gewachsen zu sein, müssen wir Filter benutzen, die das für uns Wesentliche vom Unwesentlichen trennen können. Typische Filter sind z.B. Vereinfachungen oder Verallgemeinerungen, die dazu dienen, komplizierte Sachverhalte verständlich darzustellen.

Mir geht es darum, dass wir Filter benutzen müssen, um komplizierte Sachverhalte zu verstehen und verständlich zu machen. Dabei müssen wir aber bedenken, dass jeder Filter, den wir anwenden, eine Verzerrung der Realität zur Folge hat. Filter sind nicht nur ein Mittel, sondern auch ein Produkt der Rationalität. Rationale Grundannahmen oder Dogmen sind also schon das Ergebnis eines rationalen Prozesses und wir sind somit gezwungen, auch unsere Dogmen von Zeit zu Zeit in Frage zu stellen oder zumindest zu überprüfen.

Rationalität kann also zu einer ungewollten Verzerrung der vorgestellten Realität führen. Ziel dieser Abhandlung ist es zu zeigen, dass man Rationalität als ein Handwerk betrachten muss, als eine kreative Kunst, deren Ergebnisse sowohl von den Vorgaben als auch den verfügbaren Mitteln abhängen.

I Grundlegende Gedanken

1. Rationalität und Logik

Wie vielschichtig der Begriff der Rationalität betrachtet und aufgefasst werden kann, belegt schon die Erklärung bei Wikipedia:

„Mit Rationalität (von lateinisch rationalitas ‚Denkvermögen’, abgeleitet von ratio ‚Vernunft‘) wird ein vernunftgeleitetes und an Zwecken ausgerichtetes Denken und Handeln bezeichnet. Der Begriff beinhaltet die absichtliche Auswahl von und die Entscheidung für Gründe, die als vernünftig gelten, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Er kann je nach Anwendungsbereich und je nachdem, was man als vernünftig betrachtet, unterschiedliche Bedeutungen haben. Man spricht in der Moderne deshalb auch von verschiedenen Rationalitäten der einen Vernunft.“

Rationalität ist demnach an Vernunft gebunden und auf einen Zweck ausgerichtet. Was mit verschiedenen Rationalitäten der einen Vernunft genau gemeint ist, ist leider nicht weiter ausgeführt. Da auch kaum zwei Menschen die gleiche Vorstellung von Vernunft haben, ist diese Definition für das Handwerk der Rationalität eher ungeeignet. Wenn man von ‚der einen Vernunft’ spricht, impliziert man ja wohl auch eine ‚unbedingte Vernunft’. Zuvor wird aber gesagt, dass sich Vernunft auf ein bestimmtes Ziel bezieht, also nur bedingt sein kann! Wenn nun aber Vernunft, wie das Leben an sich, an Bedingungen geknüpft ist, macht es überhaupt keinen Sinn von ‚der einen Vernunft’ zu reden.

Da es anscheinend nicht nur eine Vernunft gibt und zu jeder Vernunft auch noch verschiedene Rationalitäten, Rationalität also sehr vielschichtig zu sein scheint, möchte ich von einer Schicht, der Logik, ausgehen. Wenn Rationalität mehr als Logik ist, dann könnte dieses ‚mehr’ ein Schlüssel zum Verständnis der Rationalität sein.

Ich möchte daher zunächst meine eigene Definition der Logik voranstellen: Mit Logik bezeichne ich einen Denkprozess, der einen Sachverhalt auf eine Folge von Fragen reduziert, die entweder mit Ja oder Nein beantwortet werden können. Diese Definition der Logik bezieht sich direkt auf Informationen und letztlich auf ein Informationsbit, das nur zwei Werte 1/0 oder Ja/Nein annehmen kann. Diese Definition impliziert auch, dass Logik auf einer Kausalkette basiert, auf Dualismus und somit auch Komplementaritäten. Diese präzise Definition ist für das weitere Verständnis der Ausführungen äußerst wichtig, denn nur so lassen sich auch Grenzen der Logik klar erkennen.