Einsatz im Rettungswagen - Carolin Grahl - E-Book

Einsatz im Rettungswagen E-Book

Carolin Grahl

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Beschreibung

Er kommt aus Gran Canaria und ist der Sohn von Dr. Daniel Nordens Cousin Michael und dessen spanischer Frau Sofia. Alexander kennt nur ein Ziel: Er will Arzt werden und in die riesigen Fußstapfen seines berühmten Onkels, des Chefarztes Dr. Daniel Norden, treten. Er will beweisen, welche Talente in ihm schlummern. Dr. Norden ist gern bereit, Alexanders Mentor zu sein, ihm zu helfen, ihn zu fördern. Alexander Norden ist ein charismatischer, unglaublich attraktiver junger Mann. Die Frauenherzen erobert er, manchmal auch unfreiwillig, im Sturm. Seine spannende Studentenzeit wird jede Leserin, jeden Leser begeistern! »Schau mal, Alex, an diesem Stand gibt es Sommerkleider aus herrlichen handgemachten Stoffen. Sind sie nicht wunderschön?« Ohne Alex' Hand loszulassen, eilte Sina auf die Holzbude mit den Kleidern zu und zog Alex hinter sich her. »Das grüne Kleid mit den gelben und orangefarbenen Fantasieblumen gefällt mir richtig gut. Findest du nicht auch, dass es mir ausgezeichnet stehen würde?« »Doch«, meinte Alex, »es würde bestimmt gut zu dir passen.« Er warf einen raschen Blick auf das Preisschild und wollte weitergehen, doch Sina hielt ihn zurück. »Der Rock des Kleides ist bis zu den Oberschenkeln geschlitzt und läuft in Zipfeln aus. Das sieht garantiert sexy aus. So ein Kleid wollte ich schon lange haben. Wenn ich an einem lauen Sommerabend neben dir auf dem Balkon sitze und meine Beine übereinander schlage …« Alex grinste und musterte Sina vom Kopf bis zu den Füßen. »Du brauchst kein geschlitztes Kleid, um sexy zu sein«, versicherte er ihr. »Deine wohlgeformten langen Beine kommen auch in deinen ausgefransten Jeans hervorragend zur Geltung, glaub mir.« Sina verdrehte die Augen. »Manchmal kannst du eine richtige Spaßbremse sein«, bemerkte sie. »Spaßbremse?

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Seitenzahl: 138

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Der junge Norden – 38 –Einsatz im Rettungswagen

Unveröffentlichter Roman

Carolin Grahl

»Schau mal, Alex, an diesem Stand gibt es Sommerkleider aus herrlichen handgemachten Stoffen. Sind sie nicht wunderschön?« Ohne Alex‘ Hand loszulassen, eilte Sina auf die Holzbude mit den Kleidern zu und zog Alex hinter sich her. »Das grüne Kleid mit den gelben und orangefarbenen Fantasieblumen gefällt mir richtig gut. Findest du nicht auch, dass es mir ausgezeichnet stehen würde?«

»Doch«, meinte Alex, »es würde bestimmt gut zu dir passen.« Er warf einen raschen Blick auf das Preisschild und wollte weitergehen, doch Sina hielt ihn zurück. »Der Rock des Kleides ist bis zu den Oberschenkeln geschlitzt und läuft in Zipfeln aus. Das sieht garantiert sexy aus. So ein Kleid wollte ich schon lange haben. Wenn ich an einem lauen Sommerabend neben dir auf dem Balkon sitze und meine Beine übereinander schlage …«

Alex grinste und musterte Sina vom Kopf bis zu den Füßen. »Du brauchst kein geschlitztes Kleid, um sexy zu sein«, versicherte er ihr. »Deine wohlgeformten langen Beine kommen auch in deinen ausgefransten Jeans hervorragend zur Geltung, glaub mir.«

Sina verdrehte die Augen. »Manchmal kannst du eine richtige Spaßbremse sein«, bemerkte sie.

»Spaßbremse? Wenn ich dir ein Kompliment mache?«, beschwerte sich Alex.

»Du weißt sehr gut, warum ich dich eine Spaßbremse genannt habe«, erwiderte Sina. Im nächsten Moment streifte auch ihr Blick das Preisschild, was sie veranlasste, geräuschvoll die Luft einzuziehen. »Der Preis ist absolut der Hammer. Das ist für Leute, die einen Goldesel oder etwas Ähnliches besitzen.«

Alex nickte. »Du sagst es.«

Er wandte sich erleichtert ab, doch Sina konnte trotz allem nicht widerstehen, den grünen Stoff mit den Fantasieblüten prüfend durch ihre Finger gleiten zu lassen. »Der Stoff fühlt sich traumhaft an. Weich und glatt wie Seide«, stellte sie fest.

»Würde man rein vom Anschauen her überhaupt nicht vermuten«, wiegelte Alex ab. »Wir können, wenn du möchtest, später noch einmal zu diesem Stand zurückkehren, Sina. Doch jetzt lass uns erst einmal schauen, ob wir nicht noch andere schöne Dinge finden.«

»Ja, schauen wir uns erst noch ein bisschen um«, seufzte Sina und warf im Weggehen einen letzten wehmütigen Blick zurück auf das Kleid.

»Probieren Sie mein Posho. Sie müssen mein Posho probieren«, tönte es im selben Augenblick von einem der Stände auf der gegenüberliegenden Seite. »Es ist nicht nur lecker, es ist bestes Essen von ganz Schwabinger Künstlermarkt.« Unwillkürlich blickte Sina in die Richtung, aus der die Stimme kam, und entdeckte einen stämmigen dunkelhäutigen Mann, der afrikanisches Essen feilbot. »Posho mit Buntbarsch und Soße aus Erdnuss. Bestes Essen. Sie werden begeistert sein.«

Neugierig geworden bewegten Alex und Sina sich auf den Essensstand zu, der mit kunstvollen afrikanischen Schnitzereien verziert war. Sina schnupperte in die Luft. »Riecht wirklich lecker«, meinte sie. »Nur habe ich leider keine blasse Ahnung, was Posho ist. Wenn das Zeug irgendwelche gegrillten Heuschrecken oder womöglich gar Schlangenfleisch enthält …« Sina schüttelte sich, doch Alex lachte. »Wie kommst du denn auf Heuschrecken und Schlangenfleisch?«, wunderte er sich. »Posho ist ein Getreidebrei aus Maismehl. Er wird zu einer Art von Knödeln geformt, die man mit den Fingern essen kann.«

Sina runzelte immer noch ein wenig skeptisch die Stirn. »Das klingt ziemlich interessant. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das mag.«

»Ich spendiere dir ein Posho mit Buntbarsch und Erdnusssoße. Oder magst du lieber Ziegenfleisch?«, wollte Alex wissen.

»Ich mag weder noch«, beschied Sina. »Für Fleisch oder Fisch ist es heute viel zu heiß. Wenn du mir schon etwas spendieren willst, dann kauf mir lieber ein Eis.«

»Dein Wunsch ist mir Befehl. Da drüben in der Nähe des Springbrunnens habe ich vorhin, als wir die Rolltreppe von der U-Bahn hochgefahren sind, einen Eiswagen gesehen.« Alex befreite seine Hand aus Sinas Hand, legte stattdessen seinen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. »Also nichts wie los«, grinste er und hielt auf den altmodisch gestalteten Eiswagen zu.

»So einen Eiswagen hatten Papa und Mama, als sie damals nach Deutschland gekommen sind«, sagte Sina beim Anblick des Eiswagens verträumt. »Es gibt sogar noch Fotos davon. Zwei Sommer lang waren meine Eltern mit dem Eiswagen unterwegs, ehe sie sich endlich die Pacht für eine Eisdiele leisten konnten. Aber Papa und Mama sagen immer wieder, dass diese erste Zeit in Deutschland, auch wenn sie damals noch ziemlich arm waren, einer der schönsten Abschnitte in ihrem Leben gewesen ist. Weil ihre junge Liebe sie alles in einem zauberhaften Licht hat sehen lassen.«

»Das klingt unglaublich romantisch. Aber wenn wir beide in zehn oder fünfzehn Jahren als fertige Ärzte eine erfolgreiche Gemeinschaftspraxis betreiben, sehen wir unsere Studentenzeit vielleicht genauso«, meinte Alex.

»Gut möglich«, pflichtete ihm Sina, die ihre Eifersüchtelei schon wieder vergessen hatte, lächelnd bei.

Sie betrachtete prüfend die Behälter mit den verschiedenen Eissorten, und es war ihr anzusehen, dass es ihr angesichts des reichhaltigen Angebots schwerfiel, die richtige Wahl zu treffen. »Ich möchte eine Riesen-Waffeltüte mit … je einer Kugel Vanille, Erdbeere, Himbeere und … und Heidelbeere«, entschied sie schließlich. »Und obendrauf möchte ich einen großen Klecks Sahne.«

»Und ich möchte Eis mit Schokolade. Mit ganz viel Schokolade«, meldete sich, während Alex bereitwillig seine Geldbörse öffnete, eine piepsige Kinderstimme zu Wort.

Verblüfft blickten sich Alex und Sina um und entdeckten einen etwa achtjährigen Jungen, der plötzlich wie aus dem Boden gewachsen neben ihnen stand.

»Immer schön hinten anstellen und schön der Reihe nach, Kleiner«, lachte der Eisverkäufer. »Jeder bekommt, was er möchte.« Er reichte Sina ihre hoch aufgetürmte Waffeltüte und nahm aus Alex Hand die Bezahlung entgegen. »Wie viele Kugeln Eis mit Schokolade dürfen es denn sein, Kleiner?«, wandte er sich dann an den Jungen.

»Drei«, erklärte der Bub wie aus der Pistole geschossen, nahm wenige Sekunden später glückstrahlend sein Eis in Empfang und begann eifrig zu schlecken.

»Macht vier Euro zwanzig«, sagte der Eisverkäufer und streckte dem Jungen fordernd seine Handfläche hin.

Der Junge zuckte die Schultern. »Ich hab kein Geld dabei«, antwortete er, als handle es sich um die selbstverständlichste Sache der Welt.

»Kein Geld? Was soll das heißen?« Die Augenbrauen des Eisverkäufers zogen sich drohend zusammen.

»Meine Mama zahlt das Eis«, erklärte der Junge. »Du kannst dir das Geld von ihr holen. Oder sie bringt es dir abends, wenn der Künstlermarkt zumacht, vorbei. Meiner Mama gehört der Töpferstand da drüben. Sie kann jetzt nicht weg, weil sie zusehen muss, dass sie möglichst viele Sachen verkauft.«

Die Augen des Eisverkäufers blitzten misstrauisch. »Und woher soll ich wissen, dass du die Wahrheit sagst, Kleiner?«, fragte er. »Da könnte schließlich jeder kommen und behaupten …«

»Ich zahle das Eis für den Jungen«, beendete Sina den Wortwechsel, zückte ihr Portemonnaie und reichte dem Eisverkäufer einen Fünfeuroschein.

»Danke. Du bist eine ganz besonders liebe Frau«, sagte der Junge, schleckte weiter an seinem Eis und schenkte Sina einen treuherzigen Blick aus seinen braunen Augen. »Aber das mit meiner Mama war nicht gelogen. Es stimmt wirklich. Großes Ehrenwort. Der Töpferstand an der Ecke - also da, wo die Straße vorbeiführt – gehört ihr. Meine Mama kann richtig gut töpfern. Und genauso gut malen. Sie bemalt alle ihre Sachen selber. Alle Teller und Schüsseln und Tassen. Und sie töpfert sogar Tiere und malt sie an. Vor allem Hunde und Katzen. Die sind richtig schön. Und obwohl sie natürlich viel kleiner sind als wirkliche Hunde und Katzen, sehen sie fast aus wie echt.«

»Das hört sich ja toll an«, lobte Sina. »Die Sachen deiner Mama werden Alex und ich uns später auf alle Fälle ansehen, nicht wahr, Alex?«

»Aber klar«, stimmt Alex sofort zu.

»Cool«, freute sich der Junge. »Du heißt also Alex. Ich heiße Nikki. Und wer bist du?«, wandte er sich an Sina.

»Ich bin Sina«, lachte Sina und wuschelte Nikki durch seine struppigen braunen Haare.

»Cooler Name«, grinste Nikki. »Der Name meiner Mama fängt auch mit ›S‹ an. Meine Mama heißt Serena. Sie sagt, dass das ›die Fröhliche‹ bedeutet, und meistens ist sie auch ziemlich gut drauf.«

»Wie schön für dich«, lachte Alex. »Dann sehen wir uns also später am Stand deiner Mama.«

»Super«, freute sich der Junge und verschwand in der Menschenmenge, die sich in den schmalen Gassen zwischen den Ständen drängte.

»Ein richtig netter, aufgeweckter Junge«, sagte Sina, während sie und Alex eng aneinandergeschmiegt weiterschlenderten und neugierig die Buden und die Angebote der nächsten Aussteller begutachteten.

An jedem Stand gab es etwas anderes zu bewundern.

Sina und Alex betrachteten Aquarelle und Ölbilder, handgefertigte Feuerschalen mit am Rand kunstvoll eingestanzten Ornamenten, aus Holz geschnitzte Kerzenständer und bunt bemalte Rosenkugeln. Als sie schließlich an einen Stand kamen, an dem es aus Naturmaterialien gebastelten Schmuck gab, kaufte Alex Sina eine Halskette aus filigranen Holzperlen mit einem aus einer exotischen Samenkapsel hergestellten Herzanhänger. Er legte ihr die Kette zärtlich und liebevoll um den Nacken, und Sina berührte mit leuchtenden Augen immer wieder den Herzanhänger. »Die Kette wird mir Glück bringen. Das spüre ich ganz deutlich. Es geht eine gute und lichtvolle Energie von ihr aus«, freute sie sich.

»Sie wird uns beiden Glück bringen. Sie wird uns noch enger miteinander verbinden«, versprach Alex, »wenn das überhaupt möglich ist.« Er zückte sein Handy, um ein Foto von sich und Sina zu machen, und beide strahlten, den Schmuckstand im Hintergrund, um die Wette in den Bildschirm.

»Das Foto ist richtig gut geworden«, lobte Sina, als sie es betrachtete. »Es fängt perfekt einen glücklichen Moment ein. Du wirkst richtig attraktiv, Alex. Und ich sehe, obwohl ich normalerweise nicht besonders fotogen bin, um Längen besser aus als auf den meisten anderen Fotos.«

»Du und nicht fotogen«, tadelte Alex kopfschüttelnd. »Aber dieses Foto ist wirklich etwas ganz Besonderes. Weißt du was? Das werden wir jetzt an Bernd und Mona schicken. Als Gruß vom Schwabinger Künstlermarkt.«

»Und an Sonia schicken wir es auch«, ergänzte Sina. »Und an meine Eltern.«

»Genau«, stimmte Alex zu. »Und an Daniel und Fee.«

»An Daniel und Fee? Meinst du wirklich?«, zweifelte Sina. »Ich … ich weiß nicht so recht. Am Ende denkt dein Onkel noch, dass du dir zu viel Freizeit gönnst und in deinem Studium nicht fleißig genug bist, weil ich einen schlechten Einfluss auf dich ausübe, indem ich dich davon abhalte, ernsthaft zu lernen.«

»Nie und nimmer denkt Daniel so etwas«, widersprach Alex mit Entschiedenheit. »Daniel und Fee freuen sich bestimmt riesig über das Foto. Glaubst du im Ernst, dass mein Onkel während seines Studiums 24/7 gebüffelt hat?«

Sina zuckte die Schultern. »Nein, wahrscheinlich nicht. Aber …«

»Kein aber. Wir verschicken jetzt das Foto. Und zwar auch an Daniel und Fee«, entschied Alex. »Und als Nächstes suchen wir uns einen Stand, an dem es etwas Essbares gibt. Ich habe mittlerweile einen Bärenhunger. Auch wenn es noch so heiß ist, brauche ich jetzt etwas Vernünftiges in den Magen.«

»Okay. Wenn du zu dem Afrikaner zurückgehen willst«, schlug Sina vor, »probieren wir eben dieses Posho oder wie es heißt. Und Ziegenfleisch. Und Buntbarsch.«

Alex ließ seinen Blick über die dicht gedrängte Menschenmenge schweifen, die von Minute zu Minute anzuwachsen schien, und schüttelte den Kopf. »Ehrlich gesagt, habe ich keine Lust, mich durch all die Leute zurück zu kämpfen«, sagte er. »Wie wäre es mit einem Crêpe zwei Stände weiter? Ein Crêpe mit Schinken-Käse-Füllung könnte mich durchaus reizen.«

Ihre Hand immer noch auf ihre neue Halskette gepresst, folgte Sina Alex zu dem Stand, an dem Crêpes in allen Varianten gebacken wurden.

Aufmerksam studierte sie die große schwarze Tafel, auf der in weißer Kreideschrift das Angebot aufgelistet war. »Ich nehme eine Crêpe mit Kräuter-Käse-Füllung«, entschied sie und gab ihre Bestellung auf. Während sie auf ihre Crêpe wartete, wanderten ihre Blicke in Richtung Straße. »Gehen wir nach dem Essen zuerst zu dem Stand mit den Töpferwaren von Nikkis Mama? Was meinst du, Alex?«

»Warum nicht?«, erwiderte Alex kauend und schaute ebenfalls auf die Stelle, an der der Künstlermarkt an die Straße grenzte.

Im nächsten Moment blieb ihm fast der Bissen im Hals stecken. »Ist der Typ in dem hochroten Auto übergeschnappt oder was?«, entfuhr es ihm. »Der fährt ja ungebremst direkt auf die Marktstände zu. Der kann doch nicht einfach …«

Noch ehe Alex seinen Satz vollenden konnte, war dann doch das Quietschen von Bremsen zu hören, gefolgt von schrillen Entsetzensschreien, vom Knirschen von Blech und Holz und vom Scheppern zu Boden stürzender Gegenstände.

*

»Ein Selbstmordattentäter! Er ist mit Sicherheit einer dieser Selbstmordattentäter!«, vernahm Alex eine panisch kreischende weibliche Stimme, während er sich durch die aufgewühlte und wild durcheinanderlaufende Menge einen Weg zu der Unfallstelle bahnte. »Er hat so fanatisch gerufen!«, ereiferte sich ein Mann. »Holt denn hier niemand die Polizei? Dieser Terrorist muss so schnell wie möglich unschädlich gemacht werden! Vielleicht zündet er als Nächstes noch einen Sprengstoffgürtel!« »Ruhig Blut! Die Polizei ist schon unterwegs«, rief ein anderer. »Dieser Verbrecher muss eingesperrt werden! Lebenslänglich! Wenn in unserem Land noch so viel Ordnung herrschen würde, dass es die Todesstrafe gäbe …«

Den Rest des Satzes vernahm Alex nicht mehr.

Was, wenn es sich wirklich um einen Attentäter handelte? War etwas Ähnliches vor ein paar Jahren nicht auch auf diesem Weihnachtsmarkt in Berlin passiert?

Alex durchfuhr ein eisiger Schrecken. Er fühlte sein Herz bis zum Hals schlagen, doch er hatte sich rasch wieder in der Gewalt.

Er war Notfallsanitäter und Medizinstudent. Und er wollte Arzt werden, um Menschen zu helfen und Leben zu retten. Das war seine Berufung. Das war der Sinn seines Lebens. Und deshalb durfte er in einer Ausnahmesituation wie dieser nie zuerst an sich selbst und an seine Sicherheit denken, sondern musste sich in erster Linie auf die Menschen konzentrieren, die ihn brauchten. Eine andere Option gab es nicht.

Mit noch größerer Zielstrebigkeit als zuvor kämpfte Alex sich zum Schauplatz des Geschehens durch.

Dort fiel sein erster Blick auf das hochrote Auto, das zerbeult inmitten zerstörter Holzbuden stand. Es war nicht nur von Gaffern, sondern auch bereits von Polizisten umringt, sodass Alex sich unwillkürlich fragte, woher die Einsatzkräfte so schnell gekommen waren. Zumal er kein Martinshorn gehört hatte.

Soeben stieg der Unfallfahrer mühsam aus seinem Wagen und klammerte sich dann an die Autotür, als fürchtete er, seine Beine könnten jeden Augenblick unter ihm einknicken.

Erleichtert stellte Alex fest, dass es sich wohl kaum um einen Attentäter aus einem muslimischen Land handeln konnte. Der Mann war hellhäutig und hatte blonde Haare. Und er schien sich gut mit den Polizisten verständigen zu können.

Alex wandte seine Aufmerksamkeit von dem Unfallfahrer ab und der am meisten beschädigten Holzbude zu. Ihm blieb fast die Luft weg, als er erkannte, dass es sich um den Stand von Nikkis Mutter handeln musste. Jedenfalls lag ringsumher auf dem Asphalt zerbrochene, bunt bemalte Töpferware verstreut. »Nikki?«, entfuhr es Alex. »Nikki, bist du hier?«

»Da bin ich«, kam prompt die Antwort.

Der Junge lag eingeklemmt zwischen Holzbrettern und hatte offenbar bereits vergebens versucht, sich zu befreien, während die wirr und panisch herumhastenden Menschen ihn nicht einmal bemerkt hatten.

Mit einem Satz war Alex bei Nikki und begann, so vorsichtig wie möglich die teilweise zersplitterten Holzbretter zu entfernen. »Ist hier irgendwo ein Arzt?«, fragte er in die durcheinanderredenden Menschen, aber niemand schien ihn zu hören. Zu seiner Erleichterung vernahm Alex im nächsten Moment jedoch bereits das Martinshorn des Rettungswagens. »Gleich kommt Hilfe, Nikki«, versicherte er dem Jungen, dessen Beine er endlich freigelegt hatte. Sie waren von tiefen Schnittwunden und von Holzsplittern übersät. »Hast du große Schmerzen?«, fragte Alex den Jungen mitleidig, doch Nikki schüttelte den Kopf. »Es blutet nur. Aber es tut überhaupt nicht weh«, behauptete er. »Hast du meine Mama schon gefunden? Sie hat gerade einen Kunden bedient, als plötzlich der Stand zusammengestürzt ist.« Alex schüttelte den Kopf und wies auf den Notarzt und die Sanitäter, die soeben aus dem Rettungswagen sprangen. »Sie suchen nach deiner Mama. Und helfen ihr, wenn sie Hilfe braucht. Du musst dir keine Sorgen machen. Du … du bist wirklich ein sehr tapferer Junge.«

Nikki strahlte stolz.

»Ich bringe dich jetzt zum Krankenwagen, Nikki«, sagte Alex und nahm den Kleinen auf den Arm. »Damit sich der Arzt um deine Beine kümmern kann.«

Nikki ließ sich bereitwillig von Alex wegtragen und legte dabei sogar vertrauensvoll seinen Arm um Alex‘ Nacken. »Wahrscheinlich darfst du im Rettungswagen mitfahren. Ist das nicht cool?«, fügte Alex vorsichtshalber hinzu.

Da Nikki auch weiterhin keinerlei Anzeichen von Schmerzen zeigte, vermutete Alex, dass der Junge einen Schock erlitten haben könnte.

»Schon okay«, meinte Nikki. »Muss ich ins Krankenhaus?«

»Ja, das ist gut möglich«, gab Alex zurück. »Aber du brauchst keine Angst zu haben.«