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Er kommt aus Gran Canaria und ist der Sohn von Dr. Daniel Nordens Cousin Michael und dessen spanischer Frau Sofia. Alexander kennt nur ein Ziel: Er will Arzt werden und in die riesigen Fußstapfen seines berühmten Onkels, des Chefarztes Dr. Daniel Norden, treten. Er will beweisen, welche Talente in ihm schlummern. Dr. Norden ist gern bereit, Alexanders Mentor zu sein, ihm zu helfen, ihn zu fördern. Alexander Norden ist ein charismatischer, unglaublich attraktiver junger Mann. Die Frauenherzen erobert er, manchmal auch unfreiwillig, im Sturm. Seine spannende Studentenzeit wird jede Leserin, jeden Leser begeistern! »Sie sind an der Reihe Herr … Herr Konschak!« Schwester Inga lächelte dem Patienten aufmunternd zu und forderte ihn mit einer Handbewegung auf, sie in den Schockraum zu begleiten. Marvin Konschak blickte sich im Wartezimmer der Notaufnahme um. »Bei mir hat es keine Eile«, meinte er. »Nur ein verstauchter Knöchel. Ich lasse gerne einem der anderen Patienten den Vortritt. Vielleicht dem Herrn dort? Oder der Dame mit dem kleinen Mädchen?« »Die Dame mit der Kleinen kommt nach Ihnen, Herr Konschak. Und dann sind einer nach dem anderen die restlichen Patienten dran. Es besteht kein Grund, die Reihenfolge zu ändern.« Erneut winkte Schwester Inga Marvin Konschak zu sich, diesmal mit einem Anflug von Ungeduld. Mit einem leisen Seufzer erhob sich Marvin und folgte Schwester Inga, wobei er sich vergeblich bemühte, sein Hinken zu unterdrücken. »Ich kann Ihnen gerne einen Rollstuhl holen, Herr Konschak«, bot Schwester Inga an, doch Marvin schüttelte entrüstet den Kopf. »Danke, aber das ist absolut unnötig«, wehrte er ab. »Ich bin weder behindert noch ein Pflegefall. Offen gestanden komme ich mir mit meinem verstauchten Knöchel hier in der Notaufnahme der Behnisch-Klinik ziemlich fehl am Platz und lächerlich vor, aber Pip, unser Trainer, wollte unbedingt, dass ich die Verletzung abklären lasse, und hat mich deshalb …«
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Seitenzahl: 135
Veröffentlichungsjahr: 2025
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»Sie sind an der Reihe Herr … Herr Konschak!« Schwester Inga lächelte dem Patienten aufmunternd zu und forderte ihn mit einer Handbewegung auf, sie in den Schockraum zu begleiten.
Marvin Konschak blickte sich im Wartezimmer der Notaufnahme um. »Bei mir hat es keine Eile«, meinte er. »Nur ein verstauchter Knöchel. Ich lasse gerne einem der anderen Patienten den Vortritt. Vielleicht dem Herrn dort? Oder der Dame mit dem kleinen Mädchen?«
»Die Dame mit der Kleinen kommt nach Ihnen, Herr Konschak. Und dann sind einer nach dem anderen die restlichen Patienten dran. Es besteht kein Grund, die Reihenfolge zu ändern.« Erneut winkte Schwester Inga Marvin Konschak zu sich, diesmal mit einem Anflug von Ungeduld.
Mit einem leisen Seufzer erhob sich Marvin und folgte Schwester Inga, wobei er sich vergeblich bemühte, sein Hinken zu unterdrücken.
»Ich kann Ihnen gerne einen Rollstuhl holen, Herr Konschak«, bot Schwester Inga an, doch Marvin schüttelte entrüstet den Kopf.
»Danke, aber das ist absolut unnötig«, wehrte er ab. »Ich bin weder behindert noch ein Pflegefall. Offen gestanden komme ich mir mit meinem verstauchten Knöchel hier in der Notaufnahme der Behnisch-Klinik ziemlich fehl am Platz und lächerlich vor, aber Pip, unser Trainer, wollte unbedingt, dass ich die Verletzung abklären lasse, und hat mich deshalb …«
»Da wären wir«, wurde Marvin von Schwester Inga unterbrochen. »Schockraum eins. Herr Dr. Ganschow wird Ihren Knöchel untersuchen. Der junge Mann, der ihm dabei zur Seite steht, ist Alex Norden, einer unserer Praktikanten.«
»Guten Tag, Herr Dr. Ganschow. Guten Tag, Alex … also Herr … Herr Norden«, sagte Marvin. Er bemühte sich um ein Lächeln, das ihm jedoch aufgrund der Schmerzen in seinem Knöchel reichlich schief geriet. »Ich bin Marvin Konschak. Es tut mir leid, dass ich Ihnen Ihre kostbare Zeit stehle, aber unser Trainer hat nach meinem neuerlichen Sturz darauf bestanden, die Verletzung meines Knöchels nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.«
»Ihr Trainer? Sind Sie Sportler, Herr Konschak?«, erkundigte sich Dr. Ganschow.
Marvin nickte. »Ich … ich bin Eiskunstläufer, ich …« Er unterbrach sich, als er sah, dass Alex sich an die Stirn griff.
»Marvin Konschak«, sagte Alex. »Klar doch. Aber ohne Glitzerkostüm und Schlittschuhe hätte ich Sie nie und nimmer erkannt, Herr Konschak. Sie sind Deutscher Meister im Paarlauf. Zusammen mit Lisa de Groot, wenn ich mich nicht irre.«
Marvin nickte ein weiteres Mal, diesmal sehr eifrig und erfreut. »Das stimmt«, erklärte er. »Dass Sie so etwas wissen … Interessieren Sie sich für Eistanz?«
Schwester Inga verdrehte die Augen. »Alex weiß so ziemlich über alles Bescheid. Nicht nur in seinem Medizinstudium.«
Alex wurde rot. »Meine Freundin interessiert sich für Eiskunstlauf, besonders für den Paartanz. Sie schaut sich die Kür der Paare regelmäßig im Fernsehen an. Und da es ihr mit mir gemeinsam noch mehr Spaß macht, sitzen wir eben hin und wieder zusammen mit einer Tüte Popcorn vor dem Bildschirm.«
»Und was unser Alex auch nur ein einziges Mal gesehen oder gehört hat, prägt sich seinem Elefantengedächtnis für Zeit und Ewigkeit ein«, bemerkte Schwester Inga.
Dr. Ganschow konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.
Marvins Blicke wanderten für einen Moment unsicher zwischen Alex, Schwester Inga und Dr. Ganschow hin und her, dann setzte er sich auf die Untersuchungsliege, weil im Stehen die Schmerzen in seinem Knöchel kaum noch zu ertragen waren.
»Ihr Knöchel ist also verletzt?«, erkundigte sich Dr. Ganschow. »Ihrem Hinken nach zu urteilen, ist es der rechte Knöchel.«
Marvin seufzte. »Ja, genau«, bestätigte er. »Der doppelte Rittberger vor zwei Tagen beim Training … den habe ich total versiebt. Ich bin mit dem rechten Fuß falsch aufgekommen, umgeknickt und gestürzt. Keine Ahnung, wieso mir das passiert ist. Ausgerechnet mir. Doppelte Sprünge sind für mich eigentlich Peanuts. Normalerweise habe ich sowohl den Rittberger als auch den Axel vierfach drauf. Aber irgendwie … Ich bin natürlich sofort wieder aufgestanden, habe die Zähne zusammengebissen und weitertrainiert.« Er grinste schief. »Nicht nur Indianer kennen keinen Schmerz. Für uns Eiskunstläufer gilt das ganz genauso. Nach dem Training habe ich den rechten Knöchel dann zu Hause hochgelagert, und die gute Lisa hat mir kalte Umschläge gemacht. Ein Hausmittel gegen Verstauchungen, das sehr gut gewirkt hat. Am anderen Tag war jedenfalls wieder alles paletti. Bis mir bei der Spirale wie ein Blitz aus heiterem Himmel ein derart verrückter Schmerz in den rechten Knöchel gefahren ist, dass ich für einen Moment ins Taumeln gekommen bin. Ein unverzeihlicher Patzer. Gottlob ist er mir nur im Training passiert, denn im Ernstfall, zum Beispiel bei der Europameisterschaft, gäbe es für einen derartigen Fauxpas natürlich einen massiven Punkteabzug, der Lisa und mich den ersten Platz kosten würde, vielleicht sogar einen Platz auf dem Siegertreppchen überhaupt.«
»Verstehe«, meinte Dr. Ganschow wie mechanisch, der nur mit halbem Ohr zugehört hatte. »Dann werde ich mir jetzt Ihren Knöchel mal ansehen.«
»Ja, ja natürlich. Deshalb hat Pip mich schließlich hergeschickt«, erwiderte Marvin. »Heute Vormittag ist mir nämlich ein weiteres unverzeihliches Missgeschick unterlaufen. Ich bin bei einer Hebefigur regelrecht in die Knie gegangen vor Schmerzen in dem verdammten rechten Knöchel, was für die arme Lisa natürlich Horror pur war. Sie hat einen Heidenschrecken bekommen. Zum Glück ist es mir irgendwie gelungen, sie festzuhalten, bis ich sie auf dem Eis absetzen konnte. Aber ich … ich gebe zu, wir beide hatten wirklich Glück, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Pip Hallberg, unser Trainer, war nach diesem Beinahe-Unfall verständlicherweise völlig aus dem Häuschen, hat mich sofort in ein Taxi gesetzt und nun … Ja, nun bin ich eben hier.«
»Ihr Trainer scheint ein vernünftiger Mann zu sein«, meinte Dr. Ganschow. »Dann ziehen Sie bitte mal Schuh und Socke aus und machen es sich auf der Untersuchungsliege bequem, Herr Konschak.«
Marvin tat folgsam, was Dr. Ganschow ihn geheißen hatte, aber es war ihm deutlich anzumerken, wie unbehaglich er sich fühlte. »Es ist mir wirklich peinlich, nur wegen einer Verstauchung …«, begann er, verstummte aber abrupt, als Dr. Ganschow seinen Knöchel berührte. Zischend stieß er die Luft aus. »Pip befürchtet, der Knöchel könnte angebrochen sein«, sagte er, als er sich wieder gefasst hatte.
»Das ist nicht auszuschließen«, bestätigte Dr. Ganschow. »Auch ein Bänderriss oder eine starke Sehnenzerrung liegen im Bereich des Möglichen.«
Marvin warf zuerst Dr. Ganschow und dann Alex einen verzweifelten Blick zu. Erstaunt und auch ein bisschen verwirrt registrierte er, dass Alex seinem Blick auswich und sich bei den Kompressen und Mullbinden zu schaffen machte.
»Und wie geht es jetzt weiter?«, wandte er sich wieder an Dr. Ganschow. »Wie lange werde ich mit dem Training pausieren müssen?«
»Das kann ich leider im Moment noch nicht sagen«, erwiderte Dr. Ganschow. »Ihr Knöchel muss auf alle Fälle geröntgt werden, Herr Konschak. Erst wenn wir eine durch das bildgebende Verfahren abgesicherte Diagnose haben, können wir uns über die weitere Behandlung unterhalten, zu der mit Sicherheit auch eine Zeit absoluter Schonung gehören wird.«
»Und wie lange wird das Röntgen dauern?«, erkundigte sich Marvin.
Dr. Ganschow zuckte die Schultern. »Eine halbe Stunde vielleicht. Dann wissen wir Bescheid.«
»Gut«, nickte Marvin. »Sie … Sie werden auf alle Fälle ein geeignetes Schmerzmittel verschreiben, nehme ich an.«
Dr. Ganschow zog skeptisch die Augenbrauen hoch. »Ja, natürlich«, antwortete er. »Aber auch wenn Sie dann schmerzfrei sind, heißt das nicht, dass Sie sich sofort wieder in Ihr Training stürzen können. Wir werden sehen. Alex wird jetzt auf alle Fälle einen Rollstuhl holen und Sie nach oben in den Röntgenraum bringen.«
Schweigend zog Marvin Socke und Schuh wieder an, wobei er vorsichtig jeden Druck auf seinen verschwollenen Knöchel zu vermeiden suchte. Zumal beim Anblick der Schwellung plötzlich ein ungutes Gefühl in ihm aufstieg, das er sich nicht erklären konnte.
Beinahe ärgerlich fragte er sich, wovor er eigentlich Angst hatte. Allzu viel konnte dem verdammten Knöchel schließlich nicht fehlen, sonst hätte er doch nicht weitertrainieren können. Und nur aus Patzern hatten die letzten Trainingseinheiten schließlich auch nicht bestanden. Manche Dinge waren ihm durchaus gut gelungen. Zum Beispiel hatte er sich mit der von Lisa ausgesuchten Musik, dem berühmten Bolero von Ravel, heute Vormittag zum ersten Mal richtig wohlgefühlt.
Bestimmt war alles nur ein Sturm im Wasserglas, weiter nichts.
Als Alex mit dem Rollstuhl kam, nahm Marvin ohne Widerrede darin Platz.
»Lisa und ich, wir trainieren im Moment für die Europameisterschaft«, berichtete er, als die Tür des Schockraums sich hinter Alex und ihm geschlossen hatte. »Pip war von Anfang an der Überzeugung, Lisa und ich hätten gute Chancen, den Titel zu ergattern. Aber der dumme Knöchel … Glauben Sie, dass Dr. Ganschow mich zu einer ziemlich langen Zwangspause verdonnern wird, Herr Norden?«
»Alex.«
»Wie bitte?«
»Nennen Sie mich ganz einfach Alex, nicht Herr Norden.«
»Okay, Alex.«
»Und was Ihre Frage nach der Zwangspause betrifft … Ich kann Sie Ihnen leider nicht beantworten. Wie Dr. Ganschow Ihnen schon erklärt hat, hängt alles von dem Ergebnis der Röntgenuntersuchung ab. Ich drücke Ihnen jedenfalls ganz fest die Daumen.«
»Nett von Ihnen«, lächelte Marvin. »Wissen Sie, mein und Lisas ganz großes Ziel ist die Europameisterschaft. Und wenn wir Europameister sind, wollen wir Weltmeister werden. Das mag in Ihren Ohren jetzt vielleicht vermessen klingen, aber …«
»Es ist nicht vermessen, sich große Ziele zu setzen«, sagte Alex. »Wer nicht wagt, groß zu träumen, kann auch nichts Großes erreichen.«
»Genauso ist es«, gab Marvin zurück. »Und Sie … Sie studieren also Medizin. Mit Sicherheit träumen Sie davon, wenn Sie erst Arzt sind, sämtliche Krankheiten heilen zu können.«
Alex musste lachen. »Das wäre nun wirklich vermessen«, meinte er. »Wir leben nun einmal in einer Welt, zu der Krankheit und Tod leider genauso unabänderlich gehören wie Freude, Glück und das Entstehen neuen Lebens. An dieser Tatsache kann auch der beste Arzt nichts ändern. Aber Leid und Krankheit so klein wie möglich zu halten und so vielen Menschen wie möglich zu helfen, ein langes, lebenswertes Leben zu führen, ist eine wunderschöne und erfüllende Aufgabe.«
Marvin schwieg, während Alex den Rollstuhl in den Lift manövrierte. »Mein Vater wollte immer, dass ich nach dem Abitur Medizin studiere«, brach es nach einer Weile aus ihm heraus. »Das war sein Traum für mich. Was Sie soeben über den Arztberuf gesagt haben, Alex, hätte genauso gut aus seinem Mund stammen können. Aber für mich war ein Studium – Medizin oder was auch immer – keine Option. Für mich gab es immer nur den Eiskunstlauf. Von dem Augenblick an, als ich zum ersten Mal auf Schlittschuhen gestanden bin. Eislaufen war und ist für mich Faszination pur. Eiserne Disziplin und sportliche Leistung einerseits, aber andererseits auch Hingabe und Ausdruck von Gefühlen. Und im Paarlauf das Einswerden mit meiner geliebten Lisa. Eislaufen ist meine Welt. Eislaufen ist mein Leben. Ohne den Eistanz wäre ich nicht Marvin Konschak. Ohne den Eistanz wäre ich … ich weiß nicht, wer. Ein Niemand. Ein Nichts. Ich würde überhaupt nicht existieren, ich …«
»Wir sind da«, sagte Alex unvermittelt, als der Aufzug hielt, und schob Marvin im Rollstuhl in das Wartezimmer der Röntgenabteilung, das bis auf einen älteren Herrn im Morgenmantel leer war. »Dr. Heinrich, der Chefarzt der Radiologie, wird sich gleich um Sie kümmern.«
»Okay«, nickte Marvin. »Bleibst du … bleiben Sie bei mir, bis das Ergebnis meiner Röntgenuntersuchung feststeht?«, fügte er unsicher hinzu, doch Alex schüttelte den Kopf.
»Tut mir leid«, erwiderte er, »ich muss auf dem schnellsten Weg zurück in die Notaufnahme. Die Pflicht ruft. Ich werde gebraucht. Dr. Ganschow wartet auf mich. Aber dir trotzdem toi, toi, toi und alles Gute.«
»Danke«, erwiderte Marvin. »Alles Gute auch für dich. Für dein Medizinstudium, falls wir uns nicht mehr sehen.«
»Ebenfalls danke. Und hol dir zusammen mit Lisa de Groot den Titel des Europameisters. Und des Weltmeisters«, lachte Alex, ballte beide Hände zu Fäusten und zeigte die Daumen nach oben, ehe er eilends verschwand.
»Alles erledigt?«, fragte Dr. Ganschow, als Alex wieder den Schockraum der Notaufnahme betrat.
Alex nickte.
»Und? Was wäre deine Diagnose für Marvin Konschak?«, wollte Dr. Ganschow wissen.
Alex wich Dr. Ganschows Blick aus. »Wie Sie schon sagten: möglicherweise eine Teilfraktur, oder eine starke Sehnenzerrung, oder ein …«
»Und sonst? Ist das, was ich Marvin Konschak bereits gesagt habe, alles, was dir dazu einfällt?«
Unsicher rieb Alex seine Handflächen an seinem blauen Kittel. »Sie meinen … die Schwellung?«, erkundigte er sich vorsichtig.
Dr. Ganschow schwieg, während er scheinbar seine volle Aufmerksamkeit auf das Desinfizieren seiner Hände richtete.
Alex zögerte. »Die Schwellung könnte natürlich auch auf einen Tumor hindeuten«, erwiderte er schließlich. »Sie … sie sieht zumindest danach aus. Aber da Marvin Konschak noch sehr jung ist, ist … Knochenkrebs wohl nicht sehr wahrscheinlich.«
»Nicht sehr wahrscheinlich, aber durchaus im Bereich des Möglichen«, widersprach Dr. Ganschow.
»Tumoren können auch gutartig sein«, gab Alex zu bedenken.
»Können. Müssen aber nicht.«
In Alex‘ Magengegend breitete sich ein flaues Gefühl aus. »Sie denken also allen Ernstes an Knochenkrebs?«, fragte er.
Dr. Ganschow zuckte die Schultern. »Es ist eine Option, die bis auf Weiteres im Auge zu behalten ist. An dieser Tatsache führt leider kein Weg vorbei.«
Alex schluckte trocken. Und atmete erleichtert auf, als Inga Lundmann den nächsten Patienten in den Schockraum führte und damit sein Gespräch mit Dr. Ganschow beendete.
*
»Marvin, was machst du denn für Sachen?« Lisa de Groot stellte die Reisetasche mit Marvins nötigsten Sachen, die sie ihm mitgebracht hatte, auf Marvins Krankenbett ab und musterte Marvin mit besorgten Blicken. »Du musst also allen Ernstes noch für weitere Untersuchungen hierbleiben?«
Marvin nickte. »Tut mir leid, aber so ist es nun einmal.«
»Mach dir nichts draus«, versuchte Lisa ihn zu trösten. »Den Trainingsrückstand holen wir locker auf, wenn dein Knöchel erst wieder in Ordnung ist. Dann bist du voll belastbar wie eh und je. Dann trainieren wir wie die Verrückten, dann …« Lisa verstummte mitten im Satz, als sie sah, dass Marvin mit den Tränen kämpfte. »Marvin, um Himmels willen, was … was ist denn los? Was hast du denn?«
»Es ist keine Verstauchung, wie wir vermutet haben«, stieß Marvin nach einer Weile hervor.
»Keine Verstauchung?« Lisa schüttelte irritiert den Kopf. »Aber der Umschlag hat doch so gut geholfen. Du konntest sogar wieder trainieren. Diese paar Patzer … ich meine …«
»Das Röntgenbild …«
»Ist doch etwas gebrochen?«, erkundigte sich Lisa sofort.
»Ein Tumor«, brach es aus Marvin heraus.
»Ein was? Aber das … das kann doch gar nicht sein. Du bist dreiundzwanzig. Mit dreiundzwanzig hat man doch nicht einfach irgendeine Geschwulst am Fußknöchel.«
»Anscheinend schon. Im Übrigen sitzt die Geschwulst nicht unmittelbar an meinem Knöchel«, erwiderte Marvin. »Sie sitzt an meinem Schienbein, knapp über dem Knöchel. Dr. Heinrich, der Radiologe, hat mir das Röntgenbild gezeigt und mir alles genau erklärt.«
Lisa schluckte. »Und was bedeutet das jetzt? Musst du … operiert werden?«, fragte sie. »Muss die Geschwulst entfernt werden?«
»Davon haben die Ärzte bis jetzt noch nichts gesagt«, entgegnete Marvin. »Sie haben mich vorerst nur deshalb hierbehalten, weil sie eine Biopsie machen wollen.«
»Eine Bi … Bio … Was ist das denn?«, erkundigte Lisa sich stirnrunzelnd.
»Eine Biopsie ist die Entnahme einer Gewebeprobe«, erklärte Marvin. »Also die Entnahme eines winzigen Teils der Geschwulst mittels einer Punktion.«
»Gewebeprobe? Punktion? Wozu in aller Welt soll das denn gut sein?«
Marvin presste die Lippen aufeinander, bis sie nur noch ein schmaler Strich waren. »Die Gewebeprobe wird im Labor untersucht, damit man herausfinden kann, ob der Tumor gutartig oder bösartig ist«, presste er schließlich hervor.
Lisa formte ihre langen blonden Haare zu einem Nackenknoten, wie sie ihn beim Eislaufen trug, ließ die Haare wieder locker über ihre Schultern fallen und fasste sie erneut zusammen. Sie musste erst einmal verarbeiten, was Marvin gesagt hatte. »Die Ärzte vermuten also, dass du Knochenkrebs hast?«, platzte sie nach einer Weile heraus. Ihre Stimme klang fast panisch, und in ihren Augen zeigte sich das blanke Entsetzen.
»Dr. Heinrich hat gemeint, es wäre zumindest möglich. Aber … aber wie gesagt, es ist vorerst nur eine Möglichkeit. Nur eine Option unter mehreren. Genauso kann es sich um einen gutartigen Tumor handeln. Oder auch um … um irgendeine seltsame Kalkablagerung.«
Lisas Herz begann plötzlich so heftig zu schlagen, dass sie das Gefühl hatte, es müsste jeden Moment zerspringen. Währenddessen schwirrten in ihrem Kopf die Gedanken durcheinander wie ein wild gewordener Bienenschwarm.
»Kalkablagerung? Das habe ich wirklich noch nie gehört«, zweifelte sie.
