Jonas gibt sich auf - Carolin Grahl - E-Book

Jonas gibt sich auf E-Book

Carolin Grahl

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Beschreibung

Er kommt aus Gran Canaria und ist der Sohn von Dr. Daniel Nordens Cousin Michael und dessen spanischer Frau Sofia. Alexander kennt nur ein Ziel: Er will Arzt werden und in die riesigen Fußstapfen seines berühmten Onkels, des Chefarztes Dr. Daniel Norden, treten. Er will beweisen, welche Talente in ihm schlummern. Dr. Norden ist gern bereit, Alexanders Mentor zu sein, ihm zu helfen, ihn zu fördern. Alexander Norden ist ein charismatischer, unglaublich attraktiver junger Mann. Die Frauenherzen erobert er, manchmal auch unfreiwillig, im Sturm. Seine spannende Studentenzeit wird jede Leserin, jeden Leser begeistern! »Wir müssen zum Englischen Garten? Ist da nicht heute dieses große Sommerfest?« Alex stieß prustend die Luft aus. »Das wird nicht ganz einfach werden, fürchte ich. Weil die Zufahrtsmöglichkeiten relativ begrenzt sind.« Lars Rudolf zuckte die Schultern. »Da stimme ich dir durchaus zu, Alex. Aber was sollen wir machen? Direkt vor der großen Bühne, auf der vom Nachmittag an die Sänger mit ihren Bands auftreten, also ganz in der Nähe des Hesseloher Sees, ist ein junger Mann bewusstlos zusammengebrochen. Einfach so. Ohne Vorwarnung. Seine Freundin, die offenbar mit ihm zusammen das Sommerfest besucht hat, hat den Notruf abgesetzt! Die junge Frau war völlig durch den Wind. Sie konnte vor Aufregung kaum sprechen.« »Na schön, versuchen wir unser Glück«, seufzte Alex und lenkte den Rettungswagen in Richtung Englischer Garten. Als sie die Schwabinger Altstadt passiert hatten und näherkamen, hörten sie bereits von Weitem Musik, Stimmengewirr und Gelächter. »Die sind alle total in Feierlaune. Und zum Teil wahrscheinlich auch schon sturzbetrunken. Da ist bestimmt kaum ein Durchkommen«

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Seitenzahl: 138

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Der junge Norden – 63 –Jonas gibt sich auf

Kann die Liebe ihn retten?

Carolin Grahl

»Wir müssen zum Englischen Garten? Ist da nicht heute dieses große Sommerfest?« Alex stieß prustend die Luft aus. »Das wird nicht ganz einfach werden, fürchte ich. Weil die Zufahrtsmöglichkeiten relativ begrenzt sind.«

Lars Rudolf zuckte die Schultern. »Da stimme ich dir durchaus zu, Alex. Aber was sollen wir machen? Direkt vor der großen Bühne, auf der vom Nachmittag an die Sänger mit ihren Bands auftreten, also ganz in der Nähe des Hesseloher Sees, ist ein junger Mann bewusstlos zusammengebrochen. Einfach so. Ohne Vorwarnung. Seine Freundin, die offenbar mit ihm zusammen das Sommerfest besucht hat, hat den Notruf abgesetzt! Die junge Frau war völlig durch den Wind. Sie konnte vor Aufregung kaum sprechen.«

»Na schön, versuchen wir unser Glück«, seufzte Alex und lenkte den Rettungswagen in Richtung Englischer Garten.

Als sie die Schwabinger Altstadt passiert hatten und näherkamen, hörten sie bereits von Weitem Musik, Stimmengewirr und Gelächter.

»Die sind alle total in Feierlaune. Und zum Teil wahrscheinlich auch schon sturzbetrunken. Da ist bestimmt kaum ein Durchkommen«, maulte Phil, ein junger Sanitätsassistent auf seinem ersten Rettungseinsatz, und kratzte sich am Kopf. »Das kann ja heiter werden.«

Dr. Rudolf bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. »Ich kann einen Lachanfall gerade noch zurückhalten«, knurrte er, während Alex den Rettungswagen direkt hinter der Brücke über den Schwabinger Bach abstellte, die Tür aufstieß und heraussprang. »Los, hilf mir mit der Trage«, forderte er Phil auf.

Wenig später bahnten Dr. Rudolf, Alex und Phil sich ihren Weg durch die zahlreichen Gäste des Sommerfests, die ihnen nur widerstrebend und zögernd Platz machten. Schon nach den ersten Metern wischte Phil sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. »Puh, so eine Hitze! Das ist ja kaum auszuhalten«, stöhnte er. »Meiner Schätzung nach hat es hier mindestens fünfunddreißig Grad. Kein Wunder, dass der junge Mann umgekippt ist. Wahrscheinlich hat ihn der Hitzschlag getroffen!«

»Das ist nicht auszuschließen«, meinte Dr. Rudolf, dem ebenfalls bereits Schweißperlen auf der Stirn standen. »Wie man auf die Idee kommt, sich bei einer solchen Affenhitze mit Döner, Pizza und Bratwürsten vollzustopfen und das Ganze auch noch mit Bier hinunterzuspülen, verstehe, wer mag. Ich jedenfalls begreife es nicht. Außerdem ist die Musik viel zu laut. Und die vielen Kinder, die an den für sie aufgestellten Hüpfburgen und Schaukeln herumwuseln und krakeelen wie kleine Monster, sind schlicht und ergreifend nervig.«

»Wir waren auch einmal Kids und hatten unsere Freude an solchen Spielen«, gab Alex zu bedenken. »Und was die Musik angeht, finde ich sie keineswegs zu laut. Im Gegenteil: Der Sound ist richtig cool.«

Diesmal war es Alex, den ein verächtlicher Blick aus Dr. Rudolfs Augen traf. »Wenn du mit Sina erst einmal eigene Kinder hast, wirst du schnell merken, welche Nervensägen du dir in dein Leben geholt hast. Dann wirst du an mich und meine Worte denken. Aber dann ist es bereits zu spät. Und was deinen Musikgeschmack angeht – der ist ganz einfach unterirdisch.«

»Ist er immer so schlecht gelaunt? Und so schrecklich negativ?«, raunte Phil Alex zu.

»Nur hin und wieder. Vor allem, wenn es in der Liebe nicht klappt«, grinste Alex.

»Was hast du gesagt, Alex?«, wandte sich Dr. Rudolf abrupt um. »Von wegen Liebe und so weiter?«

»Ich? Äh … nichts Besonderes. Ich meinte nur, dass es wahre Liebe sein muss, wenn der junge Mann bei dieser Hitze auf das ach so schreckliche Sommerfest gegangen ist, vielleicht nur um seiner Partnerin eine Freude zu machen.«

Dr. Rudolf zog missmutig die Augenbrauen hoch, fand aber keine Zeit, Alex‘ Äußerung zu kommentieren, weil sie es endlich geschafft hatten, bis zu dem Bewusstlosen vorzudringen.

Seine Freundin, eine zierliche, dunkelhaarige junge Frau, stand auf Zehenspitzen und winkte ihnen mit beiden Armen aufgeregt zu. »Hier! Hier sind wir«, rief sie. »Jonas ist immer noch bewusstlos! Er …«

Sie verstummte mitten im Satz, als Dr. Rudolf, ein paar Neugierige, die große Eistüten in den Händen hielten, brüsk beiseiteschiebend, neben Jonas trat, sich zu ihm hinunterbückte und seinen Puls fühlte. »Hat er vor seinem Zusammenbruch schon über irgendwelche Beschwerden geklagt?«, erkundigte er sich bei der jungen Frau.

Sie überlegte eine Weile und schüttelte dann den Kopf. »Nicht dass ich wüsste«, antwortete sie. »Bis … bis auf gestern Abend. Da hat Jonas auf einmal sehr starke Kopfschmerzen bekommen. Aber dann hat er eine Aspirin geschluckt, und eine halbe Stunde später war der Spuk vorbei. Ich war mir unter diesen Umständen allerdings trotzdem nicht sicher, ob wir bei dieser Hitze wirklich auf das Sommerfest hier gehen sollten, und habe ihm heute Morgen vorgeschlagen, lieber zu Hause zu bleiben. Aber davon wollte Jonas nichts wissen. Er hatte sich schon so sehr auf seinen freien Tag und auf das Sommerfest gefreut. Und natürlich wusste er, dass auch ich mir eigens für das Fest freigenommen hatte.« Die junge Frau seufzte und schaute Dr. Rudolf an. »Glauben Sie, dass … dass die Hitze die Ohnmacht ausgelöst haben kann? Jonas ist plötzlich geschwankt. Er hat sich mir zugewandt und wollte etwas sagen, aber stattdessen hat er sich plötzlich an mir festgehalten. Und dann ist er von einer Sekunde auf die andere weggekippt. Er hätte mich fast umgerissen.«

»Hatte Jonas schon des Öfteren Kopfschmerzen?«, wollte Alex wissen.

»Ich … ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht wirklich«, gestand die junge Frau. »Denn selbst wenn er Schmerzen gehabt hätte, hätte ich davon wahrscheinlich nichts mitbekommen. Jonas ist kein Mensch, der jammert oder über irgendwelche Wehwehchen klagt. Auch wenn er mal erkältet oder sonst nicht besonders gut drauf ist, macht er das mit sich ab. Er steckt so etwas normalerweise einfach weg. Er ist stark, wissen Sie. Er ist wie ein Fels in der Brandung. Dass er jetzt so hilflos daliegt …«

»Bestimmt hat er nur einen Hitzschlag erlitten, von dem er sich rasch wieder erholt. Oder er ist dehydriert. Oder beides«, versuchte Phil, die unglückliche junge Frau zu trösten, doch Dr. Rudolf machte ein skeptisches Gesicht. Er verabreichte Jonas ein herzstärkendes Mittel und gab Alex und Phil Anweisung, ihn auf die Trage zu heben.

»Wohin bringen Sie Jonas?«, fragte die junge Frau.

»Wir bringen ihn in die Behnisch-Klinik«, antwortete Dr. Rudolf. »Machen Sie sich keine Sorgen, dort ist er in den besten Händen.«

Unsicher kaute die junge Frau auf ihrer Unterlippe herum. »Kann ich … kann ich vielleicht im Krankenwagen mitfahren?«, rang sie sich schließlich zu der Frage durch, die ihr auf der Zunge brannte. »Ich … ich heiße übrigens Bianca. Bianca Seethaler.«

»Selbstverständlich können Sie im Krankenwagen …«, begann Alex spontan, besann sich aber gerade noch rechtzeitig und warf Dr. Rudolf einen fragenden Blick zu. »Ich denke, es wäre kein Problem, wenn Frau Seethaler mit uns mitfährt, oder?«

»Geht in Ordnung«, beschied Dr. Rudolf. »Natürlich kann Frau Seethaler mit uns zur Behnisch-Klinik kommen.«

Bianca atmete erleichtert auf. Als sie neben der Trage herlief, auf der Jonas lag, strich sie ihm sachte über die Stirn und nahm dann seine Hand in die ihre. »Er wird doch wieder gesund?«, wandte sie sich an Alex. »So ein Hitzschlag ist doch nicht tödlich, oder? Und er verursacht hoffentlich auch keine bleibenden Schäden?«

»Nein, ich denke nicht«, erwiderte Alex mit gesenktem Blick. Dass Phil Bianca Seethaler den Floh mit dem Hitzschlag ins Ohr gesetzt hatte, mochte für die junge Frau fürs Erste tröstlich sein, doch Alex glaubte nicht an die »Diagnose« des jungen Rettungsassistenten.

Vorsichtig hob er, als sie beim Rettungswagen angelangt waren, mit Phils Hilfe die Trage in das Fahrzeug. Bianca kletterte zu Jonas in den hinteren Teil des Sanitätswagens, und auch Dr. Rudolf, dem während der Fahrt zur Behnisch-Klinik die medizinische Versorgung des Patienten oblag, näherte sich dem Rettungswagen.

Alex wollte sich gerade zum Fahrersitz begeben, um wie gewohnt das Steuer zu übernehmen, als Dr. Rudolf ihn plötzlich am Ärmel seines weißen Kittels packte und zurückhielt.

»Und? Glaubst du auch an einen Hitzschlag, Alex?«, fragte er unvermittelt.

Alex wirkte einen Moment lang unsicher, doch dann schüttelte er den Kopf. »Nein, eher nicht«, erwiderte er.

»Aha. Und worauf tippst du, wenn die Hitze deiner Meinung nach nicht schuld an der Ohnmacht des Patienten ist?«

Auch diesmal zögerte Alex kurz, ehe er antwortete. »Wenn Jonas älter wäre, also mindestens fünfzig plus oder so, würde ich … einen Schlaganfall vermuten«, sagte er dann. »Aber Jonas ist schätzungsweise in meinem Alter, höchstens sechsundzwanzig oder siebenundzwanzig Jahre vielleicht. Für einen Schlaganfall also eigentlich noch viel zu jung.«

»Das stimmt«, erwiderte Dr. Rudolf. »Trotzdem habe auch ich spontan an einen Schlaganfall gedacht. Natürlich sind Schlaganfälle bei jungen Menschen nicht alltäglich, aber ausgeschlossen sind sie nicht. Man sagt nicht umsonst, dass Ausnahmen die Regel bestätigen. Abgesehen davon wurde ich in letzter Zeit schon etliche Male zu relativ jungen Schlaganfallpatienten gerufen. Die Ausnahmen scheinen sich zu häufen.«

Alex wirkte mit einem Mal sehr betroffen. »Wenn es sich wirklich um einen Schlaganfall handelt, wäre das eine schreckliche Diagnose«, sagte er. »Ich hoffe, dass sie sich nicht bestätigt. Oder wenn doch, wünsche ich Jonas von ganzem Herzen, dass ihm zumindest Spätfolgen erspart bleiben.«

»Das wünsche ich ihm auch«, nickte Dr. Rudolf und stieg zu Jonas und Bianca in den hinteren Teil des Rettungswagens.

Während der ganzen Fahrt zur Behnisch-Klinik ging Alex die Diagnose Schlaganfall nicht mehr aus dem Kopf. Wie ein Damoklesschwert hing sie über dem hellen, sommerheißen Tag.

»Warum redest du auf einmal kein Wort mehr? Was ist dir denn über die Leber gelaufen? Was hast du?«, fragte Phil, der auf dem Beifahrersitz saß, nach einer Weile. Er war gerade im Begriff, sich die Wassermelonen-Schnitten einzuverleiben, die er sich in einer Proviantdose aus Plastik mitgebracht hatte.

»Nichts. Was soll ich schon haben«, sagte Alex und schaltete Martinshorn und Blaulicht ein.

»Was wollte denn Dr. Rudolf von dir, ehe wir losgefahren sind?«, bohrte Phil weiter. »Hat er dich wegen irgendetwas plattgemacht, oder was?«

Alex schüttelte den Kopf. »Dr. Rudolf vermutet, dass der junge Mann einen Schlaganfall erlitten hat«, sagte er schließlich.

»Einen was?« Phil fielen vor Schreck fast die Augen aus dem Kopf. »Nein, das … das kann nicht sein! Dieser Jonas ist kaum älter als wir. Wenn er siebzig oder achtzig oder hundert wäre, okay. Aber …«

»Möglich ist alles«, entgegnete Alex. »Auch junge Menschen bekommen mitunter Herzinfarkte, Krebsgeschwüre oder Schlaganfälle. Trotzdem muss Dr. Rudolf natürlich nicht unbedingt Recht haben.«

»Eben. Das finde ich auch«, stimmte Phil sofort zu. »Ich tippe nach wie vor auf Hitzschlag.«

»Ich wollte, du hättest Recht. Aber hoffen wir das Beste«, meinte Alex, während er in die Auffahrt zur Notaufnahme der Behnisch-Klinik einbog.

Jonas war noch immer bewusstlos, als Alex und Phil seine fahrbare Trage wieder aus dem Rettungswagen hoben und in einen der Schockräume der Notaufnahme rollten. Auch diesmal lief Bianca Seethaler neben der Trage her. Sie war, wie Alex feststellte, noch blasser als zuvor, und ihre dunklen Augen wirkten übergroß in ihrem schmalen Gesicht.

»Jonas ist mein Freund, also eigentlich schon fast so etwas wie mein Verlobter«, sagte sie mit leiser Stimme zu Dr. Ganschow. »Jonas Rösler heißt er mit vollem Namen. Er ist siebenundzwanzig Jahre alt und arbeitet als Altenpfleger. Heute hat er seinen freien Tag. Und den wollten wir für einen Besuch auf dem Sommerfest im Englischen Garten nutzen. Sicherlich haben Sie von dem Sommerfest gehört oder in der Zeitung gelesen.«

Dr. Ganschow nickte lächelnd.

»Am Anfang lief alles wunderbar. Wir sind zwischen den Flohmarkt-Ständen herumgelaufen, haben Hotdogs gegessen und Cola getrunken. Als es Nachmittag wurde, haben wir uns dann einen Platz vor der Musikbühne gesucht«, redete Bianca weiter. »Wir mögen beide Musik, und das Musikprogramm läuft ja vom Nachmittag bis Mitternacht. Nur … dann ist Jonas einfach umgekippt.« Bianca, die bis zu diesem Zeitpunkt sehr beherrscht gewesen war, kämpfte nun plötzlich mit den Tränen. »Jonas hat das Bewusstsein seitdem nicht wieder erlangt, obwohl Dr. Rudolf im Krankenwagen alles für ihn getan hat. Kann es sein, dass Jonas wegen der Hitze ohnmächtig geworden ist?«

»Das werden wir bei der Untersuchung rasch herausfinden, Frau … Frau …«

»Seethaler«, ergänzte Bianca. »Bianca Seethaler.«

»Gut, Frau Seethaler. Gibt es sonst noch irgendetwas, das ich wissen müsste? Ich meine, nimmt Ihr Freund dauerhaft bestimmte Medikamente? Liegen Vorerkrankungen vor? Ist Herr Rösler in hausärztlicher Behandlung?«

Bianca wischte sich die Tränen aus den Augen, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein. Jonas war, zumindest soweit ich weiß, bis zum heutigen Tag gesund und fit.«

»Na, dann wird die Diagnose wohl nicht allzu schlimm ausfallen«, lächelte Dr. Ganschow. Er wandte sich an Dr. Rudolf. »Haben Sie irgendeine Verdachtsdiagnose?«

Dr. Rudolf warf einen verlegenen Blick auf Bianca und zuckte dann die Schultern. »Die Symptome haben mich spontan an einen Schlaganfall denken lassen«, sagte er. »Aber da Herr Rösler noch so jung ist …«

»Verstehe«, nickte Dr. Ganschow und machte sich daran, den Patienten zu untersuchen.

Als der Check-up beendet war, wusste Bianca nicht, ob sie angesichts der kurzen Dauer der Untersuchung erleichtert sein sollte. Oder ob sie sich noch mehr Sorgen machen musste als ohnehin schon. Fragend und bang hingen ihre Augen an Dr. Ganschow.

Der junge Arzt zögerte, ehe er sich einen Ruck gab, um Bianca die schmerzliche Wahrheit mitzuteilen. »Leider muss ich die Diagnose von Dr. Rudolf bestätigen, Frau Seethaler«, sagte er. »Zumindest soweit ich das im Moment beurteilen kann. Herr Rösler, Ihr Verlobter, hatte wohl in der Tat einen Schlaganfall. Trotz seines noch jugendlichen Alters.«

»Aber das … das …« Bianca schüttelte völlig entgeistert den Kopf. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Alles in ihr wehrte sich gegen Dr. Ganschows Diagnose. Sie konnte doch einfach nicht stimmen! Jonas und ein Schlaganfall – das war nicht möglich. Das musste ein Irrtum sein!

»Leider musste ich bei meiner Arbeit hier in der Notaufnahme feststellen, dass in letzter Zeit vermehrt auch junge Leute einen Schlaganfall erleiden«, erklärte Dr. Ganschow. »Womit das zusammenhängt, ist leider noch unklar. Es gibt zwar bereits verschiedene medizinische Studien, die sich mit dieser bedauerlichen neuen Entwicklung befassen, aber bis jetzt ist noch keine dieser Studien zu einem wirklich schlüssigen Ergebnis gekommen.«

Bianca schlug für einen Moment ihre Hände vor ihr Gesicht. »Und wie geht es jetzt weiter?«, wollte sie schließlich wissen. »Hat Jonas eine Chance, wieder gesund zu werden? Oder werden … Schäden zurückbleiben?«

»Natürlich kann ich nichts versprechen«, erwiderte Dr. Ganschow, »aber da zum Glück keine Zeit verloren wurde, ist die Wahrscheinlichkeit bleibender Schäden äußerst gering. Wir machen jetzt noch eine Magnetresonanztomografie, kurz MRT genannt, um die Diagnose völlig zu erhärten und die Behandlungsmethode zu klären. Nach dem Einsatz der entsprechenden Medikamente dürfte einer vollkommenen Genesung Ihres Verlobten dann eigentlich nichts mehr im Wege stehen.«

Ungeachtet Dr. Ganschows positiver Prognose kamen Bianca wieder die Tränen. Ihre Aufregung brach sich jetzt mit aller Macht Bahn. Trotzdem beherrschte sie sich, so gut es ging. »Und wie lange wird Ihrer Einschätzung nach Jonas‘ Genesung dauern?«, fragte sie.

Dr. Ganschow biss sich unsicher auf die Lippe. »Das ist im Moment leider noch ziemlich schwer abzuschätzen«, räumte er ein. »Erst nach dem MRT können wir sagen, welche Bereiche in Jonas‘ Hirn möglicherweise in Mitleidenschaft gezogen sind und wie die Rehabilitationsmaßnahmen aussehen werden. Es ist also vorerst noch alles offen. Von einem längeren Weg zur völligen Genesung bis zu der Möglichkeit, dass Ihr Freund den Schlaganfall vollkommen unbeschadet überstanden hat.«

»Danke. Hauptsache, Jonas erholt sich wieder«, sagte Bianca. Am liebsten wäre sie Dr. Ganschow für seine tröstenden Worte um den Hals gefallen. »Kann ich, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind, hier in der Behnisch-Klinik bleiben? Damit ich so bald wie möglich Bescheid weiß und die Unsicherheit hinter mir lassen kann?«

»Selbstverständlich«, versicherte Dr. Ganschow. »Und Sie können Ihren Freund während seines Aufenthalts in der Behnisch-Klinik auch gerne besuchen. Was die kommenden Tage betrifft, wird Jonas aber wohl auf der Intensivstation liegen, und dort können Sie ihn leider nur zeitlich beschränkt sehen.«

Bianca nickte stumm.

Sie würde auf alle Fälle hierbleiben, bis Jonas aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte. Und bis die Ärzte ihr die endgültige Diagnose sagen konnten. Auch wenn es Stunden dauern sollte. Und dann würde sie Jonas jeden Tag besuchen. Sie würde für ihn da sein und alles tun, um ihm zu helfen, damit er so schnell wie möglich wieder auf die Beine kam.

*

»Herr Rösler? Sind Sie wieder bei uns?«

Jonas Rösler blinzelte in das gedimmte Licht über seinem Bett und drehte seinen Kopf dann in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Er schaute in das Gesicht einer ihm völlig fremden Frau mit rötlichem, kurz geschnittenem Kraushaar und Sommersprossen. »Bei uns?«, wiederholte er. »Wo … wo bin ich hier überhaupt?«

»Sie sind in der Behnisch-Klinik. Auf der Intensivstation«, antwortete die rothaarige Frau.

Behnisch-Klinik. Intensivstation.

Jonas‘ Gehirn kam nur mühsam in Bewegung. »Ich bin also im Krankenhaus«, stellte er nach einer geraumen Weile fest.