Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Er kommt aus Gran Canaria und ist der Sohn von Dr. Daniel Nordens Cousin Michael und dessen spanischer Frau Sofia. Alexander kennt nur ein Ziel: Er will Arzt werden und in die riesigen Fußstapfen seines berühmten Onkels, des Chefarztes Dr. Daniel Norden, treten. Er will beweisen, welche Talente in ihm schlummern. Dr. Norden ist gern bereit, Alexanders Mentor zu sein, ihm zu helfen, ihn zu fördern. Alexander Norden ist ein charismatischer, unglaublich attraktiver junger Mann. Die Frauenherzen erobert er, manchmal auch unfreiwillig, im Sturm. Seine spannende Studentenzeit wird jede Leserin, jeden Leser begeistern! »Wir sind da, Silvia. Wir haben es endlich geschafft. Gleich wird dir geholfen.« Der junge Mann im schwarzen Hochzeitsanzug parkte den mit roten Rosen und weißen Lilien geschmückten hellbeigen Oldtimer-Mercedes neben der Notaufnahme der Behnisch-Klinik. »Geht es dir schon wieder besser, oder hast du immer noch so starke Schmerzen?« »Danke, Ron, es geht schon wieder. Die Schmerzen sind zwar nicht weg, haben aber wenigstens ein bisschen nachgelassen. Und ich bekomme auch wieder leichter Luft. Aber was mit mir plötzlich los war, verstehe ich immer noch nicht.« »Das brauchst du auch nicht zu verstehen. Die Ärzte hier in der Behnisch-Klinik werden es herausfinden und dir ein geeignetes Medikament verschreiben. Dann wird so etwas nie wieder vorkommen, und du bist bis morgen oder spätestens in ein paar Tagen wieder fit.« Ronald Dorn lächelte Silvia zu und drückte ihr liebevoll die Hand. Dann stieg er aus, umrundete die Kühlerhaube des Oldtimers und öffnete Silvia galant die Beifahrertür. Geduldig wartete er, bis sie ihr knöchellanges Kleid geordnet und ihre Füße, die in hochhackigen Pumps steckten, auf den Asphalt gesetzt hatte. »Mir ist immer noch ein bisschen flau im Magen«, klagte Silvia und griff haltsuchend nach Ronalds Arm. »Und meine Knie fühlen sich an, als wären sie aus Pudding.« »Lehn dich einfach an mich«, sagte Ronald sanft und stützte Silvia, indem er seinen linken Arm um ihre Schultern legte und seinen rechten Arm unter ihren Arm schob.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
»Wir sind da, Silvia. Wir haben es endlich geschafft. Gleich wird dir geholfen.« Der junge Mann im schwarzen Hochzeitsanzug parkte den mit roten Rosen und weißen Lilien geschmückten hellbeigen Oldtimer-Mercedes neben der Notaufnahme der Behnisch-Klinik. »Geht es dir schon wieder besser, oder hast du immer noch so starke Schmerzen?«
»Danke, Ron, es geht schon wieder. Die Schmerzen sind zwar nicht weg, haben aber wenigstens ein bisschen nachgelassen. Und ich bekomme auch wieder leichter Luft. Aber was mit mir plötzlich los war, verstehe ich immer noch nicht.«
»Das brauchst du auch nicht zu verstehen. Die Ärzte hier in der Behnisch-Klinik werden es herausfinden und dir ein geeignetes Medikament verschreiben. Dann wird so etwas nie wieder vorkommen, und du bist bis morgen oder spätestens in ein paar Tagen wieder fit.« Ronald Dorn lächelte Silvia zu und drückte ihr liebevoll die Hand.
Dann stieg er aus, umrundete die Kühlerhaube des Oldtimers und öffnete Silvia galant die Beifahrertür. Geduldig wartete er, bis sie ihr knöchellanges Kleid geordnet und ihre Füße, die in hochhackigen Pumps steckten, auf den Asphalt gesetzt hatte.
»Mir ist immer noch ein bisschen flau im Magen«, klagte Silvia und griff haltsuchend nach Ronalds Arm. »Und meine Knie fühlen sich an, als wären sie aus Pudding.«
»Lehn dich einfach an mich«, sagte Ronald sanft und stützte Silvia, indem er seinen linken Arm um ihre Schultern legte und seinen rechten Arm unter ihren Arm schob. »Und nur keine Hektik. Immer langsam und Schritt für Schritt.« Liebevoll besorgt führte Ronald Silvia ins Wartezimmer der Notaufnahme.
Dort ließ Silvia sich schwer atmend neben einer älteren Dame auf einen Stuhl sinken. Kurz darauf fühlte sie, wie sich auf ihrer Haut ein Schweißfilm bildete, der sie frösteln ließ. Als Ronald ihr Schaudern bemerkte, zog er die Jacke seines Hochzeitsanzugs aus und hängte sie Silvia fürsorglich über die Schultern.
»Ausgerechnet am Hochzeitstag«, meinte die ältere Dame mit einem mitleidigen Blick auf die beiden. »So ein Pech aber auch! Sie dürfen im Übrigen gerne vor mir in den Schockraum.«
»Wir lassen Ihnen selbstverständlich ebenfalls den Vortritt«, meinte eine Mutter, auf deren Schoß ein Kind mit einem übel aufgeschlagenen Knie und tränenverschmiertem Gesichtchen saß. »Damit Sie hoffentlich bald wieder zu Ihren Gästen zurückkehren können, um mit ihnen weiterzufeiern.«
»Danke, das ist wirklich sehr lieb von Ihnen«, erwiderte Ronald, und Silvia nickte zustimmend.
Als Schwester Inga wenig später ins Wartezimmer kam, um den nächsten Patienten zu Dr. Ganschow zu bitten, wiesen sowohl die ältere Dame als auch die Mutter sofort auf Ronald und Silvia, die sich mit einem dankbaren Lächeln erhoben und Schwester Inga folgten.
Dr. Ganschow und Alex, der an diesem Tag in der Notaufnahme eingeteilt war, tauschten beim Erscheinen des festlich gekleideten Paars überraschte Blicke.
»Wir kommen direkt von der Hochzeit«, erklärte Ronald, dem der Blickwechsel nicht entgangen war. Er führte Silvia zur Untersuchungsliege und half ihr, sich hinzulegen. »Silvia ist, während wir uns das Jawort gegeben und uns gegenseitig die Ringe an den Finger gesteckt haben, plötzlich mit starken Schmerzen in der Herzgegend und mit akuter Atemnot zusammengebrochen. Mir ist fast das Herz stehen geblieben, als ich mich wegen des entsetzten Aufschreis in der Hochzeitsgesellschaft umgedreht habe und sehen musste, dass …« Ronald brach mitten im Satz ab, da er den ausgestandenen Schrecken immer noch nicht völlig überwunden hatte. »Ich bin übrigens Ronald Dorn«, fügte er, als er sich wieder ein wenig gefasst hatte, hinzu. »Und das ist Silvia. Wir sind von der Kirche sofort hierher in die Behnisch-Klinik gefahren.«
»Da haben Sie auf jeden Fall das Richtige getan«, meinte Dr. Ganschow. Mit einem freundlichen Lächeln näherte er sich Silvia. »Und wie fühlen Sie sich jetzt?«
»Ehrlich gesagt, ziemlich schwach«, räumte Silvia ein. »Es war alles so, wie Ron es geschildert hat. Ich bekam während der Trauungszeremonie plötzlich schreckliche Schmerzen in der Herzgegend. Und mir ist entsetzlich übel geworden. Und ich konnte kaum noch atmen. Ich glaubte wirklich, mein letztes Stündlein hätte geschlagen.« Mit großen, ängstlichen Augen schaute sie Dr. Ganschow an. »Fühlt sich so ein Herzinfarkt an? Hatte ich … einen Herzinfarkt?«
»Das ist gut möglich«, antwortete Dr. Ganschow. »Noch vor ein paar Jahren war ein Herzinfarkt in Ihrem Alter kaum ein Thema, aber in letzter Zeit häufen sich Herzinfarkte und Herzmuskelentzündungen gerade bei noch sehr jungen Menschen in bedenklichem Maße.«
»Dann könnte es also wirklich sein, dass ich … dass ich, vielleicht aufgrund der Aufregung durch die Hochzeit …«
»Wir werden es herausfinden«, nickte Dr. Ganschow. Er griff zu dem Stethoskop, das er um den Hals hängen hatte. »Ich höre jetzt erst einmal Ihre Herztöne ab. Und dann Ihre Lunge. Wenn Sie bitte den Oberkörper frei machen …«
Alex wollte der Patientin behilflich sein, aber noch ehe er sich Silvia nähern konnte, trat Ronald Dorn neben die Untersuchungsliege. Er half Silvia, sich aufzurichten und öffnete dann den Reißverschluss ihres hell roséfarbenen Seidenkleides.
»Ich … ich war nie eine Zimperliese«, verteidigte sich Silvia. »In meinem ganzen bisherigen Leben bin ich noch nie vor Aufregung ohnmächtig geworden. Wirklich kein einziges Mal. Ich verstehe das alles nicht.«
»Sie waren ohnmächtig?«, hakte Dr. Ganschow nach, während er den Kopf des Stethoskops einen Moment lang zwischen seinen Händen wärmte, ehe er ihn auf Silvias Haut setzte.
»Ja, Silvia war ohnmächtig. Aber zum Glück nicht sehr lange. Höchstens ein paar Minuten, dann ist sie von alleine wieder zu sich gekommen«, antwortete Ronald Dorn an Silvias Stelle. »Und im Übrigen hat sie vollkommen Recht. Sie ist normalerweise eine starke Frau, die so schnell nichts aus der Bahn wirft. Nicht wahr, Silvia?«
Silvia griff dankbar nach Ronalds Hand.
»Aber eine Hochzeit ist natürlich auch etwas ganz Besonderes«, lächelte Dr. Ganschow. »Ein absoluter Ausnahmezustand sozusagen.«
»Ja, wahrscheinlich«, stimmte Silvia zaghaft zu.
»Könnte es sein, dass Sie … dass Sie schwanger sind, Frau Dorn?«, meldete sich plötzlich Alex zu Wort.
Einen Moment lang war es in dem Schockraum so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören. Schwester Inga wurde rot, und Silvia und Ronald starrten sich ein paar Sekunden lang völlig entgeistert an.
»Nein, ich bin definitiv nicht schwanger«, erwiderte Silvia schließlich, diesmal mit deutlich festerer Stimme. »Das kann nicht sein. Das ist … praktisch ausgeschlossen.«
»Ja, eine Schwangerschaft ist absolut ausgeschlossen«, stimmte, als die erste Schrecksekunde überstanden war, auch Ronald zu. »Silvia ist mit Sicherheit nicht in anderen Umständen.«
Dr. Ganschow bedachte Alex mit einem vernichtenden Blick, der nun auch Alex die Röte in die Wangen trieb.
»Und … und was fehlt Silvia nun wirklich?«, fragte Ronald, als Dr. Ganschow sich das Stethoskop wieder umhängte.
»Fürs Erste sehe ich keinen Anhaltspunkt für einen Herzinfarkt«, antwortete Dr. Ganschow. »Das Ganze macht mir im Moment eher den Eindruck einer sehr heftigen Panikattacke. Aber um eine endgültige Diagnose zu stellen, reicht die Untersuchung mit dem Stethoskop natürlich nicht aus.«
»Verstehe«, nickte Ronald Dorn mit besorgter Miene.
Auch Silvias Stirn legte sich fast augenblicklich in Falten. »Heißt das, dass noch weitere Untersuchungen nötig sind?«, fragte sie.
»Ich fürchte, ja«, erwiderte Dr. Ganschow.
»Jetzt gleich?«, erkundigte sich Silvia wenig begeistert. Sie schaute hilfesuchend auf Ronald, ehe sie sich wieder Dr. Ganschow zuwandte. »Offen gestanden - ich habe gehofft, dass Sie mir vielleicht eine Spritze geben oder etwas in der Art. Und dass ich dann auf die Hochzeit zurück kann. Die Hochzeitsgesellschaft wollte mit der Fortsetzung der Feier auf meine Rückkehr warten, und deshalb möchte ich natürlich alles tun, damit die anderen Gäste trotz meiner Unpässlichkeit auf ihre Kosten kommen.«
Dr. Ganschow stieß geräuschvoll die Luft aus. »Das begreife ich durchaus«, meinte er. »Was ist schon eine Hochzeit, bei der die Braut fehlt. Aber wie Sie sicher einsehen, kann ich es nicht verantworten, Sie medikamentös zu behandeln, solange ich keine gesicherte Diagnose …«
Weiter kam Dr. Ganschow nicht, denn in diesem Moment flog die Tür des Schockraums auf, und eine junge Frau, die ein aufwendiges, mit üppigen Spitzen verziertes weißes Brautkleid und einen Schleier trug, stürzte herein.
Sofort wandten sich die Blicke sämtlicher Anwesenden ihr zu, doch die junge Frau achtete nicht darauf. Sie hatte nur Augen für Silvia. Sich den Schleier unter den Arm klemmend, hastete sie mit Riesenschritten, die sie ein paar Mal fast über den Saum ihres Brautkleids stolpern ließen, auf die Untersuchungsliege zu. »Silvia, Liebes, ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten. Und es ist mir völlig egal, was meine Hochzeitsgäste sagen. Ich musste einfach zu dir. Ich muss doch wissen, wie es dir geht und warum du zusammengebrochen bist. Immerhin bist du meine allerallerbeste Freundin. Ich kann dich doch nicht einfach deinem Schicksal überlassen.« Sie schloss Silvia, die immer noch - bis auf einen im selben Rosaton wie ihr Kleid gehaltenen BH - mit entblößtem Oberkörper dasaß, in ihre Arme und drückte sie an sich.
Schwester Inga, Dr. Ganschow und Alex blickten sich völlig konsterniert an.
»Das ist Monika, meine … meine frisch angetraute Gattin«, bemühte sich Ronald, wieder Herr der Lage zu werden.
Monika schaute Ronald einen Moment lang voller Liebe an, wandte sich dann aber sofort wieder Silvia zu. »Und was ist jetzt mit dir?«, erkundigte sie sich. Ihr Blick wanderte kurz von Dr. Ganschow zu Alex und dann wieder zurück zu Silvia. »Weiß man schon, warum du, als Ronald und ich uns das Jawort gegeben haben, zusammengebrochen bist? Ich habe den Schrecken meines Lebens bekommen, den ich garantiert bis ans Ende meiner Tage nicht mehr vergessen werde.«
Silvia schüttelte den Kopf. »Es gibt leider noch keine Diagnose«, sagte sie.
»Das stimmt. Ich habe zunächst an einen Herzinfarkt gedacht«, bemühte sich Dr. Ganschow um eine Erklärung. »Allerdings hat die erste Untersuchung meinen Verdacht nicht erhärtet.«
»Das heißt, es müssen noch weitere Untersuchungen folgen?«, vermutete Monika.
»Ja, so ist es. Im Moment gehe ich eher von einer Panikattacke aus als von einem Herzinfarkt, aber ein normales EKG, ein Belastungs-EKG und ein Langzeit-EKG sowie eine Röntgen- und eine Ultraschalluntersuchung des Herzens und der Lunge sind dennoch dringend erforderlich, um nicht irgendetwas von Bedeutung zu übersehen.«
»Natürlich«, stimmte Monika sofort zu. »Zumal ich mir eine Panikattacke bei Silvia wirklich überhaupt nicht vorstellen kann. Nicht wahr, Silvia? Du bist doch kein Mensch, der zu irgendwelchen psychischen Störungen neigt. Und außerdem – die Hochzeit der besten Freundin ist nun wahrlich kein Grund für eine Panikattacke.«
»Nie und nimmer«, lächelte Silvia, hob ihre Hand und berührte vorsichtig Monikas sorgfältig zurechtgemachtes blondes Haar, in dem zur Befestigung des Schleiers ein glitzerndes Diadem prangte, das einer Prinzessin alle Ehre gemacht hätte.
»Und wie geht es nun also weiter mit Silvia?«, wandte Monika sich schließlich erneut an Dr. Ganschow. »Müssen die noch ausstehenden Untersuchungen jetzt gleich gemacht werden? Oder hat das noch Zeit bis morgen? Also bis nach meiner Hochzeitsfeier?«
Dr. Ganschow biss sich auf die Unterlippe. »Ich fürchte, nein«, stieß er schließlich hervor. »Solange die Ursache für den Zusammenbruch ihrer Freundin nicht gefunden ist, wäre es meiner Ansicht nach verantwortungslos, sie wieder aus der Behnisch-Klinik zu entlassen.«
»Weil die Gefahr besteht, dass der Zusammenbruch sich wiederholen könnte?«, ergänzte Monika.
»Ganz genau«, bestätigte Dr. Ganschow.
»Gut. Wenn das so ist, sagen wir die Hochzeitsfeier selbstverständlich ab«, entschied Monika. »Das siehst du doch genauso, Ronald. Oder?«
»Ja, natürlich«, versicherte der Bräutigam sofort.
Silvia machte ein unglückliches Gesicht. »Aber ich will euch doch mit meiner Unpässlichkeit nicht den schönsten eures Lebens verderben«, wandte sie ein.
»Du verdirbst uns gar nichts«, stellte Roland sofort klar. »Es ist schließlich nicht deine Schuld, dass du ausgerechnet auf unserer Hochzeit krank geworden bist.«
»Nein, das wohl nicht. Aber …«
»Keine Widerrede«, unterbrach Monika die Freundin. »Wir werden die Feier in großem Stil nachholen, wenn du dich erholt hast. Wie könnte ich feiern, solange es dir nicht gut geht, Silvia!«
»Dann wäre das also geklärt«, sagte Dr. Ganschow und setzte, an Silvia gewandt, hinzu: »Schwester Inga und Alex bringen Sie jetzt also auf Station, Frau …«
»Arnold«, ergänzte Silvia.
»Gut. Und heute Nachmittag beginnen wir sofort mit den Untersuchungen. Ich werde Ihnen jetzt noch kurz Blut abnehmen, damit wir es baldmöglichst ins Labor schicken können. Und später brauche ich noch eine Urinprobe.«
Schicksalsergeben hielt Silvia Dr. Ganschow ihren Arm hin. Sie wandte ihren Blick nicht ab, als er den Arm abband und dann die Nadel in die Vene einführte.
Als die Blutabnahme beendet war, wollte Roland Silvia helfen, ihr Kleid wieder vollends anzuziehen, doch Monika schob ihn sanft, aber bestimmt zur Seite. »Das ist Frauensache«, bemerkte sie mit einem Augenzwinkern.
»Natürlich«, gab sich Roland mit einem Schmunzeln geschlagen. »Wenn du Silvia jetzt auf ihr Krankenzimmer begleitest, Moni, fahre ich zurück und erkläre unseren Gästen, dass der Rest unserer Hochzeitsfeier leider ausfallen muss.«
»Ja, mach das. Und danke. Es ist sehr lieb von dir, dass du mir diese unangenehme Pflicht abnimmst«, entgegnete Monika. Sie überlegte einen Moment. »Aber das Hochzeitsessen sollten wir vielleicht doch nicht absagen«, meinte sie dann. »Ich will schließlich niemanden hungrig nach Hause schicken.«
»Nein, du hast Recht. Das wollen wir auf keinen Fall«, stimmte Ronald zu. »Allerdings werde ich unseren Gästen nicht Gesellschaft leisten, sondern sofort hierher zurückkommen.«
»Danke. Du bist mir und Silvia wirklich eine große Hilfe«, erwiderte Monika und folgte Alex und Schwester Inga, die Silvia aus dem Schockraum schoben.
Ehe sich die Tür hinter ihnen schloss, nahm Dr. Ganschow Alex rasch für einen Moment beiseite. »Wie, um alles in der Welt, sind Sie denn auf die verrückte Idee mit der Schwangerschaft gekommen, Alex?«, wollte er wissen.
Alex zuckte die Schultern. »Ich habe vor ein paar Tagen in einem Lehrbuch für Gynäkologie gelesen, dass sowohl die Reizschwelle als auch die Belastungsgrenze bei schwangeren Frauen niedriger ist als üblich«, erwiderte er. »Und im Übrigen bin ich der Ansicht, dass es heutzutage doch keine Schande mehr ist, wenn die Braut bei der Hochzeit bereits schwanger ist. Wir leben schließlich nicht mehr im finsteren Mittelalter, sondern in einer freien, aufgeklärten Gesellschaft. Dass Frau Arnold nicht die Braut ist, konnte ich zu diesem Zeitpunkt schließlich noch nicht wissen.«
»Ihre Bemerkung hat sowohl Frau Arnold als auch Herrn Dorn äußerst peinlich berührt«, tadelte Dr. Ganschow. »Aus Gründen, die wir natürlich erst jetzt im Nachhinein nachvollziehen können, was ich Ihnen auch durchaus zugutehalten will. Dennoch sollten Sie in Zukunft etwas vorsichtiger sein, Ihre angelesenen medizinischen Erkenntnisse derart unverblümt zu äußern.«
»Selbstverständlich«, nickte Alex, froh, den Schockraum fürs Erste verlassen zu können.
*
Silvia erwachte vom Geräusch von Schritten und plappernden Stimmen auf dem Flur vor ihrem Zimmer, richtete sich auf und rieb sich erstaunt die Augen. Wo, in aller Welt, war sie? War sie … in einem Hotel?
Stirnrunzelnd dachte Silvia nach.
Nein, das war kein Hotel. Sie war in einem Krankenhaus. Sie war in der Behnisch-Klinik.
Mit einem Seufzer ließ Silvia sich auf ihr Kissen zurücksinken, und plötzlich fiel ihr alles wieder ein.
Der ganze schreckliche gestrige Tag, der ihr wirklich alles abverlangt hatte. Vor allem in dem Moment, in dem Ronald und Monika in der Kirche vor dem Altar die Ringe getauscht und sich Treue geschworen hatten bis in den Tod. Der Pfarrer hatte ihre Hände mit seiner Stola umwickelt zum Zeichen ihrer innigen Verbundenheit, und um den göttlichen Segen zum Ausdruck zu bringen, der auf dieser Verbundenheit ruhte. Dabei hatte Monika Ronald mit einem Blick angesehen, der ihr, Silvia, die Tränen in die Augen getrieben hatte. Tränen der Rührung, Tränen der Trauer - und Tränen der Scham.
Wie hatte es nur so weit kommen können!
Und warum konnte es zwischen ihr, Ronald und Monika nicht einfach wieder so sein wie früher? So offen und ehrlich, so unbeschwert? Wenn sich die Zeit zurückdrehen ließe bis zu dem Tag, an dem sie und Ronald, der damals noch nicht Monikas Ehemann, sondern nur ihr Verlobter gewesen war …
Das Rumpeln eines Rollwagens gegen ihre Krankenzimmertür riss Silvia aus ihren Gedanken. Ein völlig unnötiges Klopfen folgte, dann ging die Tür auf, und im Türrahmen erschien ein dunkelhaariger junger Mann mit auffallend blauen Augen. Unwillkürlich zuckte Silvia zusammen. War das nicht derselbe junge Mann, der gestern im Schockraum allen Ernstes vermutet hatte, sie könnte schwanger sein? War dieser junge Mann denn allgegenwärtig hier in der Behnisch-Klinik? Einmal Notaufnahme, dann Essensausgabe …
»Guten Morgen, Frau Arnold«, grüßte er freundlich. »Ich bin Alex und arbeite hier als Praktikant. Wir … wir kennen uns ja eigentlich schon von … von gestern.«
›Und ob‹, hätte Silvia beinahe gesagt, konnte sich aber gerade noch rechtzeitig beherrschen. Stattdessen verzogen sich ihre Lippen zu einem süßsauren Lächeln. »Ich glaube, ja«, erwiderte sie. »Sie waren, wenn ich mich recht entsinne, gestern in der Notaufnahme. Als Assistent von Herrn Dr. Ganschow.«
Alex nickte, senkte aber, als ihm sein Fauxpas mit der Schwangerschaft wieder in aller Deutlichkeit vor Augen trat, unsicher den Kopf.
