Elfenfrost - Tanja Rast - E-Book

Elfenfrost E-Book

Tanja Rast

0,0
4,49 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Zwei Helden, vom Schicksal zusammengeführt! Zwei Herzen, eine Bestimmung! Das Autorenkollektiv "Die Uferlosen" präsentiert: "Seelengefährten". In jedem Buch wird das Thema neu interpretiert, aber eins haben alle Bände gemeinsam: Sie gehen direkt ins Herz. Die Hochköniginnen rufen zu den Waffen: Zwerge stürmen das Elfenland! Auch die Hüter der Elemente – jeweils zwei Seelengefährten, die gemeinsam mächtige Magie wirken können – folgen dem Ruf. Elfen pflegen ihre Stammesfehden gründlich, und so kommt es im Heerlager immer wieder zu Reibereien. Auch zwischen dem verschlossenen Krieger Tevou und dem scharfzüngigen Rasgar. Doch als Rasgar im Kampf fällt, steht Tevous Leben mit einem Mal Kopf. Angeblich hat das Element Eis ihn und den anderen Krieger erwählt – doch wie soll das gehen, da Rasgar tot ist? Pragmatisch suchen die Elfen nach einer Lösung: Am einfachsten wäre es, wenn Tevou ebenfalls stirbt, dann kann das Eis sich neue Träger wählen! Während sich die Mordanschläge auf ihn häufen, sieht Tevou nur einen möglichen Ausweg …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Für meine Uferlosen

 

 

Elfenfrost

 

 

 

 

Tanja Rast

 

 

 

 

 

 

Roman

 

 

 

 

 

Impressum: Tanja Rast, Haßmoorer Weg 1, 24796 Bredenbek

www.tanja-rast.de

Cover: Sylvia Ludwig, www.cover-fuer-dich.de und Regina Mars

Motive für Cover und Innenillustrationen:

108122891, Attraktiver junger Mann mit langem Haar: 

William Moss / Shutterstock.com

365831369, Asian man with long hair outdoors: Ranta Images / Shutterstock.com

Beautiful handmade necklace: GrashAlex/shutterstock.com

Bright blue frost pattern on a window glass: Kirill Kurashov/shutterstock.com

attractive young boho style woman: Zolotarevs/shutterstock.com

Abstract winter Christmas dividers with snowflakes vector set: More Images/shutterstock.com 

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Menschen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

Kann Spuren von Erdnüssen enthalten!

Es gibt Inhalte, die Betroffene triggern können, das heißt, dass womöglich alte Traumata wieder an die Oberfläche geholt werden. Deswegen habe ich für diese Personen eine Liste mit möglichen Inhaltswarnungen für alle meine Romane zusammengestellt:

www.tanja-rast.de/inhaltswarnungen

Inhaltsverzeichnis
1 Die Schlange von Bevek
2 Grabenkämpfe
3 Eisflockentanz
4 Ein verlorenes Element
5 Attentate unter Verbündeten
6 Kriegsrat
7 Eisige Untestützung
8 Schattenreich
9 Vereint
10 Regenbogeneis
11 Zwergenstollen
12 Rückkehr
13 Hochkönigin und Krieger
14 Elementezauber
15 Drei Tage später

 

uferlos: Seelengefährten
Die Autorin
Eine kleine Bitte
Danksagung

1.

Die Schlange von Bevek

 

Das Lager erstreckte sich über die gesamte Mulde zwischen zwei Hügelreihen, wirkte von der Höhe, von der aus Tevou es betrachtete, wie die ferne Hochstadt mit ihren unterschiedlichen Vierteln. Doch wo in Alkan Händlerviertel, das der Weber oder jenes der Schreiner und Tischler fein säuberlich getrennt und an Farbgebung und Gerüchen zu unterscheiden waren, lag es hier an den Farben und Formen der Zelte.

Jeder Stamm hatte im großen Heerlager der Elfen sein eigenes kleines Revier abgesteckt, eigene Grenzbefestigungen aufgeworfen innerhalb der alten Umwallung, die noch aus Zeiten stammte, als hier einmal eine Stadt oder Festung gestanden haben musste.

Nun folgte auch Tevous Stamm dem Ruf zu den Waffen. Alle Elfen vereint im Kampf gegen einen gemeinsamen Feind. Als könnte das lange gut gehen, als würden sie sich nicht aneinander reiben wie Mühlsteine, aufeinanderprallen wie Flint und Stahl, bis Funken stoben und alles in Brand setzten.

Aber die Hochköniginnen hatten gerufen, und jede Stammesobere sandte so viele Kriegerinnen und Krieger, wie sie selbst entbehren konnte, falls der Feind hinter die Schlachtenlinien gelangen und Siedlungen angreifen konnte.

Tevou wandte sich zu seinen Stammesgeschwistern um und grinste schief. »Wir sollten versuchen, unsere Kampfeslust für den Feind aufzusparen.«

»Hängt davon ab, wen du als Feind bezeichnest«, knurrte Evell, die, das wusste Tevou, noch mit einigen Leuten vom Salia-Stamm zahlreiche Rechnungen offen hatte.

»Im Augenblick alles, was keine spitzen Ohren hat«, schlug Tevou vor.

»Ach, verdammt, immer diese Feinheiten«, gab Evell zurück, und ein freches Grinsen vertrieb die Grimmigkeit aus ihrer Miene. »Na gut. Für den Augenblick. Wetten, dass die Schwachköpfe von Salia ihre alten Moorhexen mitgebracht haben?«

Was die Schwachköpfe von Salia, von Bevek und anderen Stämmen wohl gerade angesichts von uns Schwachköpfen von Verde denken? Ich sehe es schon kommen: Wir raufen uns gerade lange genug zusammen, um die Zwerge aus unseren Landen zu vertreiben, und danach tobt hier eine zweite Schlacht. Großartig.

Sie machten sich an den Abstieg. Hunderte Elfenfüße hatten schon einen brauchbaren Trampelpfad die Hügelflanke hinab getreten. Nicht nur Neuankömmlinge im Lager, sondern auch Jäger und Kundschafter, vermutete Tevou. Eine Wachpostenreihe lag ja schon hinter ihnen. Verdammt, er hätte fragen sollen, ob auch eine der Hochköniginnen im Lager war. Das würde der Dringlichkeit des Rufs zu den Waffen mehr Nachdruck verleihen.

Prüfend ließ er den Blick über die Zelte schweifen, während er weiter dem Pfad folgte. Banner wehten, verkündeten die Anwesenheit der unterschiedlichen Stämme. Kriegerinnen wanderten auf den Wegen zwischen den unterschiedlichen Lagern, Krieger standen in Gruppen herum, über allem lag eine gewisse Anspannung.

Dann entdeckte er die purpurfarbenen Zelte. Der Stamm von Keris war da. Die Hüter der Elemente. Einerseits gut, andererseits zeigte es, wie ernst die Bedrohung durch die Zwerge genommen wurde. So mächtig die Elementeträger auch waren, galten sie doch als Kostbarkeit, die niemand in ein bloßes Scharmützel werfen würde. Wenn sie, die ihre Nasen gerne hoch trugen, sich denn zu einem kleinen Handgemenge überhaupt herablassen würden.

Der Geruch nach Mist wehte Tevou entgegen. Die Pferde mussten zu den berittenen Bogenschützen von Luvak gehören. Elfen mit krummen Beinen und kleine, struppige Reittiere, die furchtlos auf feindliche Reihen zuhielten, während Pfeile genau diese Linien ausdünnten.

Evell übernahm nun die Führung und wies zwei andere des Stammes an, die Packtiere zu übernehmen und nach einem geeigneten Lagerplatz zu suchen. »Möglichst weit weg vom Stamm von Salia. Sonst klauen die uns in der Nacht die Zeltplanen, wie ich die Mistkerle kenne.«

Langsam schlenderte Tevou hinterher und sah sich dabei neugierig um. Einige Banner kannte er von Markttreffen, wenn drei oder vier Stämme einen anderen in dessen Stadt besuchten oder man sich auf neutralem Boden zum Handeln traf. Andere Stammeszeichen kannte er von unschöneren Zusammentreffen in Wäldern oder auf Ebenen in Grenzgebieten. Fast meinte er, die Luft zwischen den Zelten knistern zu hören und zu spüren. Elfen waren nun wirklich nicht für Friedfertigkeit berüchtigt, und er hoffte mittlerweile sehr, dass zumindest eine der Hochköniginnen anwesend war, um die Kriegerhorden noch deutlicher zu einen, als das ein gemeinsamer Feind vermochte. Immerhin die Hochköniginnen erkannte jeder Elf ohne Vorbehalte an.

Dann führte der Weg unglückseligerweise am Lager von Bevek vorbei. Fröhlich wehte das Sonnenbanner im Wind, der den würzigen Geruch von gefüllten Fladenbroten mit sich trug. Drei junge Frauen standen vor einem Zelt und beäugten wachsam und neugierig zugleich alle, die vorbeimarschierten. Sie steckten die blonden Köpfe zusammen und tuschelten – bestimmt nichts Nettes, wie Tevou die Küstenbewohner kannte.

Damit konnte er gerade noch leben. Was das Fass allerdings zum Überlaufen brachte, war eine unangenehm vertraute Stimme, die klar und deutlich über Stimmengewirr, das Flattern von Zeltleinwand, Wiehern aus den Pferdeausläufen und das ferne Hämmern eines Schmiedehammers schallte: »Ach, verdammt! Ich hätte gedacht, Hühnerdiebe haben keinen Zutritt zum Lager!«

Tevou blieb stehen und wandte demonstrativ langsam den Kopf, um den Sprecher anzusehen.

Rasgar, die Giftschlange von Bevek. Gerüchten zufolge konnte sein Stamm ihn auch nicht ausstehen und hoffte vereint, dass eine Krankheit ihn endlich hinwegraffen würde. Bösartig, verschlagen, immer für eine blöde Bemerkung zur Stelle – und was alles schlimmer machte: Er war der schönste Mann, den Tevou jemals gesehen hatte. Nicht dass es an zahllosen Männern mangelte, die Tevou zum Vergleich bemühen konnte.

Jetzt trat dieser Ausbund an schlechten Manieren unter einem Sonnensegel hervor ins strahlende Licht, das natürlich sein honigblondes Haar wie Gold schimmern ließ, das parteiisch über die makellose Bräune streichelte, als wäre Aynis, die Himmelsgöttin, vollkommen vergafft in diesen … diesen widerlichen Kerl! Würde zu ihr passen, bewunderte sie sich doch ständig in jeder spiegelnden Wasserfläche.

Tevou zog in übertrieben zur Schau gestelltem Abscheu die Brauen hoch. »Du hier und nicht kopfüber in den Latrinen, Rasgar?«

Jemand kicherte. Vielleicht jemand vom Stamm Bevek, aber mit einem Mal standen verblüffend viele andere Elfen ringsum und schienen gespannt, wie dieses Geplänkel enden würde.

»Ich wollte dir doch nicht dein liebstes Plätzchen streitig machen«, gab Rasgar mit gespielter Liebenswürdigkeit zurück.

»Du verdammter, kleiner Fischfresser«, sagte Tevou mit Inbrunst. Es war dieses aalglatte Hohnlächeln auf dem schönen Gesicht, das ihn reizte, es mit einer Faust fortzuwischen.

»Fisch fördert das Denkvermögen«, gab Rasgar prompt zurück. Er verlagerte leicht das Gewicht, wirkte immer noch entspannt, doch hatte seine Haltung nun etwas Lauerndes.

»Du hast es nötig«, erwiderte Tevou und erhielt die Genugtuung, dass die scheinheilig lächelnde Maske für einen Wimpernschlag ins Wanken geriet. Seltenes Vergnügen, das zu erleben. Der Kerl war einfach schlagfertiger, und Tevou fühlte sich allgemein unzulänglich, diesen Attacken zu begegnen. Rasgar hatte schon einige Tage Zeit gehabt, sich mit dem halben Lager zu zanken. Der war wahrscheinlich gerade erst warm geworden und hatte sich auf jeden Fall einen Vorsprung erarbeitet.

Es war nicht nur dieser Austausch von Beleidigungen, der Wärme in Tevous Muskeln sandte, als sie sich für eine handfeste Auseinandersetzung vorbereiteten. Nicht nur das widerliche Hohnlächeln auf Rasgars Gesicht. Es ging tiefer und reichte Jahrzehnte zurück, und sie wussten das ebenso gut wie die Umstehenden, die – das sah Tevou mit einer gewissen Befriedigung – nun einen lockeren Kreis um ihn und Rasgar bildeten. Auch die anderen von Bevek waren zurückgetreten und zu einem Teil des Walls aus Zuschauern geworden. Jetzt gab es nur noch Tevou und Rasgar, die sich wie im Auge eines Sturms gegenüberstanden. Ein blödes Wort noch, Giftschlange, ein falsches Zucken, und du bekommst die Abreibung, nach der du seit Jahren schreist.

Rasgar blickte sich mit einem mokanten Grinsen um und hob leicht die Hände, um sich anfeuern zu lassen. Etliche von Bevek und viele andere jubelten ihm prompt zu.

Tevou lockerte seine Schultermuskeln und stand einfach nur abwartend still. Komm schon, Mistkerl. Ein Wort nur. Obwohl dieses Grinsen eigentlich Grund genug ist.

»Mein Großvater hätte deinen einfach im Abort ersäufen sollen, als er ihn beim Hühnerstehlen erwischte. Dann wäre der Welt deine dämliche Fresse erspart geblieben«, sagte Rasgar mit einem Lächeln, das unter anderen Umständen Tevous Herzschlag wohlig beschleunigt hätte.

Dumpfes Grölen aus dem Ring, und Tevou wartete nur noch den winzigen Augenblick ab, bis Rasgar siegessicher lächelte und die Huldigung seiner Bewunderer deutlich entgegennahm.

Er sprang vorwärts, überwand damit die drei Schritte, die ihn von Rasgar trennten. Blut rauschte in seinen Ohren, hitzige Wut brodelte in seiner Magengrube.

Als wäre die Zeit selbst in Honig gefangen, sah er, wie Rasgar den Angriff bemerkte, den Blick von seinen Leuten nahm. Wie die Augen sich weiteten, leuchtender Bernstein. Das Lächeln fiel in sich zusammen, eine steile Falte grub sich zwischen den Augenbrauen ein.

Dem ersten Schlag entging die Giftschlange, weil sie sich agil zur Seite duckte, doch hatte Tevou genau damit gerechnet. Rasgar war nur einen Hauch kleiner als er selbst, schlank und drahtig, seine Bewegungen wirkten mühelos. Aber dem Tritt, der seinen Oberschenkel traf, entkam er nicht.

Ein Keuchen beantwortete Tevous Attacke, ein wenig fauchend wie eine in die Enge getriebene Katze. Tevou setzte nach, verpasste dem Sonnenelfen einen Hieb vor die Brust und einen zweiten in die Magengrube, ehe der verdammte Kerl Zeit hatte, sich irgendwie zu erholen und seine Verteidigung aufzustellen.

Doch wie eine Schlange wand Rasgar sich zur Seite, ein Stiefelabsatz hämmerte auf Tevous Zehen, eine allzu starke Hand packte ihn am Ohr, und dann sprang Rasgar ihm entgegen, Schädel prallte auf Schädel, und Tevou sah für einen Augenblick tatsächlich Sterne, wollte zurückweichen und geriet vollends aus dem Gleichgewicht, da die verdammte Schlange immer noch auf seinem Fuß stand. Und viel zu nahe war, sodass der Geruch nach frischem Schweiß und eine dunkle Ahnung vom Körperduft des Mannes Tevou streifte – und außerdem viel zu wenig Platz zwischen ihnen war, um noch einmal einen kräftigen Fausthieb anzubringen.

Aber er riss den Arm hoch, packte Rasgar am Hemd und stieß ihn mit aller Kraft von sich. Der andere Elf stürzte rückwärts und prallte in die erste Reihe der Zuschauer, die ihn auffingen und sofort wieder in den Ring stießen. In den hellen Augen blitzten Zorn und Rachsucht.

»Was haben wir denn hier?«, donnerte eine weibliche Stimme über die Schaulustigen, Rasgar und Tevou hinweg.

Augenblicklich kehrte Totenstille ein. Rasgar ließ die zur Faust geballte Hand sinken. Sein Brustkorb bewegte sich in raschen Atemzügen, eine Brise zauste das helle Haar, spielte mit einer Strähne.

Auch Tevou wandte sich um, als er die Bewegung am Rande des Ringes sah, wo eben noch anfeuernde Rufe erklungen waren und jetzt Elfen mit allen Anzeichen von Beschämung beiseitetraten, um eine Frau mit dem Abzeichen der Hochköniginnen, dem Wappen von Alkan durchzulassen. Das taten die Feiglinge so gründlich, dass sie eine ausreichend breite Gasse bildeten, um vier Elfen passieren zu lassen. An den Rändern verschwanden etliche Zuschauer möglichst unauffällig und dachten sich bestimmt schon Lügen aus, wo sie den Nachmittag verbracht hätten, sollte jemand aus der Heerleitung bohrende Fragen stellen.

Rasgar salutierte, wobei er schon wieder lächelte, als könnte er wirkliche jede und jeden um den kleinen Finger wickeln, als würde alleine sein strahlendes Äußeres genügen, um eine Kommandantin zu beschwichtigen. Zu gerne hätte Tevou ihn noch einmal geschlagen, aber er biss die Zähne zusammen, nahm Haltung an und grüßte die Kommandantin ebenfalls höflich.

»Warum nur wundere ich mich nicht, dich hier anzutreffen, Rasgar von Bevek? Und wen haben wir hier?« Ihr Blick fiel kühl auf Tevou.

»Tevou von Verde. Meine Stammesobere entsendet Grüße. Wir sind soeben im Lager eingetroffen, und meine Stammesschwester Evell sollte unsere Ankunft bereits gemeldet haben.«

»Und schon eine Schlägerei angefangen? Beachtlich. Solche tatkräftigen und streitlustigen Elfen können wir hier immer gebrauchen. Die Zahl unserer Feinde übertrifft die unsere, aber niemand ist so gut darin, Schädel einzuschlagen wie ein Elf, sage ich immer.« Sie musterte Rasgar und Tevou gründlich und ganz so, als hätte sie es mit irgendwelchem Getier zu tun, das in nassen Höhlen lebte. »Wäre nur ganz reizend, wenn ihr die Güte besäßet, Zwergenschädel einzuschlagen. Nun, dazu bekommt ihr nun endlich Gelegenheit. Ihr habt jetzt nämlich das Vergnügen, eure Mütchen zu kühlen. Ich war auf der Suche nach Freiwilligen, die auf Patrouille hinter die feindlichen Linien gehen. Ihr seht mich begeistert, wie einfach es für mich war, dazu die richtigen Elfen sofort anzutreffen.«

»Du meinst, wir sollen … zusammen …«, entfuhr es Rasgar.

Tevou war ausnahmsweise einmal dankbar, dass der Kerl das schnellere Mundwerk hatte, denn die gleiche unermesslich dämliche Frage lag auch ihm auf der Zungenspitze, nur hatte er deren Blödheit genau in dem Augenblick erkannt, da Rasgar sie aussprach.

»Ja, genau das meine ich. Schön, dass du Befehle hinterfragst. Ich liebe Männer, die das tun. Ihr macht euch jetzt sofort auf die Socken. Gemeinsam. Von mir aus Hand in Hand oder mit zehn Fuß Abstand. Vielleicht lernt ihr unterwegs ja etwas. Möglicherweise bringt ihr ein paar Zwerge um und mir wichtige Auskünfte zurück. Doch wenn wir alle ganz viel Glück haben, geht ihr dabei drauf, die Zwerge fressen euch, und wir haben hier unsere Ruhe. Los, Abmarsch!«

»Ich bin bereit«, sagte Tevou spöttisch in Rasgars Richtung. Denn sein Gepäck befand sich bei seinen Stammesgeschwistern, er war gerüstet und bewaffnet. Zwar verspürte er nicht die geringste Lust, ausgerechnet mit der Giftschlange loszuziehen – oder überhaupt hinter den Reihen der Zwerge herumzuschleichen, da ihm ein offener Kampf gemeinsam mit Evell und den anderen an seiner Seite lieber war –, doch stand Rasgar nur in Hemd, Hose und Stiefeln da und musste sich jetzt beeilen, in seine Rüstung zu gelangen.

Der giftige Blick, mit dem der Sonnenelf diese Äußerung und Tatsache quittierte, sprach Bände. Aber die Kommandantin verschränkte die Arme vor der Brust und machte deutlich, dass ihr Geduldsfaden für seine Kürze berüchtigt war.

Rasgar wirbelte herum und rannte an seinen Stammesgeschwistern vorbei in eines der Zelte. Tevou musste eine Anwandlung von Neid unterdrücken, weil dieser widerliche Kerl sich so leichtfüßig bewegte. Es war doch wirklich zu scheußlich von jener Gottheit, die bei der Geburt auf Rasgar niedergeblickt und huldvoll gelächelt hatte, sodass sie auf die Idee verfallen konnte, einem solchen Mistkerl alle Attribute zu verleihen, die dem Auge schmeichelten.

Im Kampfgemenge mochten seine Schnelligkeit und Agilität Rasgar retten, während Tevou sich deutlich brachialer Aufmerksamkeit verschaffen musste.

Zwei Mann auf eine Patrouille, ganz großartig. Noch dazu zwei, die sich liebend gerne wegen irgendwelcher eingebildeter Hühner die Schädel einschlagen wollten. Vielleicht konnten sie den Zwergen ja Belustigung verschaffen. Wehe, die Schlange hielt ihre Giftzunge nicht im Zaum!

Nach verblüffend kurzer Zeit kehrte Rasgar zurück, sah missmutig zu Tevou und salutierte dann vor der Kommandantin.

Die nickte nur gelangweilt und übernahm die Führung, um die Freiwilligen zum Rand des Lagers zu bringen und ihnen auf dem Weg dorthin letzte Anweisungen zu geben.

 

Welche Gottheit konnte nur auf die Idee verfallen sein, den Enkel des Hühnerdiebs zu Rasgars Stammeslager zu führen? Und eine Kommandantin auf die kleine Meinungsverschiedenheit aufmerksam zu machen? Rasgar stapfte neben dem Deppen von Verde durch ein kränkliches Wäldchen und verfluchte inbrünstig und phantasievoll sein Los.

Er schoss unauffällig einen Blick zur Seite, während er sich gleichzeitig bemühte, trockenen Zweigen auf dem Boden auszuweichen und auf alles zu lauschen, was die Nähe des zwergischen Feindes signalisieren konnte.

Waldelf! Tumb wie ein Ochse, stand meistens nur dumm herum und sah Bäumen beim Wachsen zu. Doch der Eindruck täuschte, und Rasgar ärgerte sich, dass er auf den Anschein von Behäbigkeit hereingefallen war und Dresche bezogen hatte. Er hatte Tevou unterschätzt. Ganz sicher: Falls sie diese sogenannte Patrouille überlebten, würde Tevou sich damit bis an sein Lebensende rühmen, während die Schmach mindestens ebenso lange an Rasgar nagen würde.

Der Kerl war doch ein Wilder! Verwildert sah er aus, die dunklen Haare mit allerlei Federn verziert, wie zur Tarnung, um Beutetiere im Wald zu verwirren. Die Rüstung war mattbraun, als hätte ihr Leder seit dem Gerben nicht eine Unze Fett gesehen.

Als hätte Tevou den Seitenblick bemerkt, wandte er nun leicht den Kopf, das markante Gesicht mit den hohen Wangenknochen grimmig, doch leuchteten da nicht Hohn und Stolz in seinen schmalen Augen?

Rasgar biss sich auf die Zunge, um eine neuerliche Attacke im Keim zu ersticken. Zu gerne hätte er Tevous Abstammung, die in direkter Linie von Wildschweinen und ähnlich erbaulichen Waldviechern kommen musste, genüsslich erkundet. Doch vielleicht waren Zwerge in Hörweite. Der Feind ging jetzt vor.

Pfiffig von der Kommandantin, sie gemeinsam loszuschicken, wenn Rasgar es genauer betrachtete. Zwei Freunde würden sich womöglich ein sicheres Plätzchen gesucht haben, um ein paar Stunden verstreichen zu lassen und dann mit erdachten Berichten oder ganz betrübt ohne jegliche Neuigkeit ins Heerlager zurückzukehren. Doch wenn eines sicher war, dann, dass der Abkömmling eines Wildschweines sich auf keinen solchen vernünftigen Handel einlassen und die Gelegenheit umgehend beim Schopf packen würde, Rasgar anzuschwärzen. Und umgekehrt galt das natürlich ebenso! Pflichtvergessenheit zusätzlich zu allem anderen Übel konnte und durfte Rasgar dem Wilden aus dem Wald keinesfalls durchgehen lassen.

Also war er – nun, gut, sie beide – dazu verdammt, tatsächlich die zwergischen Wachposten zu umgehen und sich einen Überblick über die feindliche Streitmacht zu verschaffen.

Mit vertrauten Stammesgeschwistern, auf die er sich im Ernstfall verlassen konnte, wie sie ebenso blind auf ihn vertrauten, wäre das etwas ganz Anderes geworden.

Rasgar sandte stumm ein Gebet um Geduld mit dem Hühnerdieb an seiner Seite in göttliche Gefilde.

Tevou blieb unvermittelt stehen und hob den Kopf. Rasgar ging kein Risiko ein, sondern duckte sich nahe einem dicken Baumstamm in grüne Schatten und sah den anderen Elfen ungeduldig an. Was gäbe er jetzt dafür, drei seiner Freunde und deren Bögen bei sich zu haben.

Andererseits waren er und seine Stammesgeschwister Kinder der Küstengestade, der sandigen Inseln im türkisfarbenen Wasser des Sonnenmeeres. Die zwischen Hügelketten liegenden Wälder waren Rasgar fremd, und vielleicht sollte er es doch als einen gewissen Glücksfall ansehen, dass der Hühnerdieb ein Waldbewohner war. Kein zu großer Glücksfall natürlich, denn dieser Wilde war ja an allem schuld.

Jetzt lauschte er wie ein Kaninchen. Fehlte nur noch, dass er mit den Ohren oder der Nase wackelte.

Tevou nickte schließlich und kam lautlos an Rasgars Seite. Jegliche Häme fehlte in seiner Miene, er wirkte angespannt und wachsam. Kein Wunder, den Zwergen war es ja egal, ob sie Wald- oder Sonnenelf häuteten, solange ihr Opfer nur spitze Ohren hatte und ihnen im Weg war. Die Schauergeschichten kursierten reichhaltig im Heerlager der Hochköniginnen.

Rasgar vermutete zwar, dass die Kommandantinnen diese Gerüchte gezielt gestreut hatten, um die Krieger besonders anzufeuern, aber man konnte ja nie wissen.

Jetzt hob der Waldläufer zwei Finger, runzelte die Stirn, streckte einen dritten Finger in die Höhe, verzog den Mund und hielt doch nur zwei hoch.

Zwei bis drei Gegner. Gut. Sie sollten ja nur ausspähen, und Rasgar war obendrein neugierig, mal einen Zwerg aus der Nähe zu sehen. Er nickte also, und Seite an Seite krochen sie durch das Unterholz, um einen Blick auf den Feind zu werfen. Vollkommen auftragsgemäß.

Dickes Moos dämpfte die Geräusche ihrer Annäherung, und endlich hörte Rasgar auch, was Tevou wahrgenommen haben musste. Stampfen, das leise Klirren von Kettenhemden oder anderer metallener Rüstung.

Unter einem Busch verharrten sie, und Rasgar tastete nach einem der Wurfsterne in seinem Gürtel. Tevou verschwamm dank seiner abgenutzten Rüstung schlichtweg mit seiner Umgebung, seine sandfarbene Haut und das dunkelbraune Haar halfen ihm obendrein dabei. Rasgar knirschte mit den Zähnen. Vielleicht hätte er sich Dreck in die Haare schmieren sollen. So konnte er sich nur ducken und hoffen, dass er nicht wie ein Warnlicht im Unterholz leuchtete.

Das Stampfen kam näher. Er vernahm geknurrte Worte, so ganz anders als Elfenstimmen, wirklich ein Grollen wie von hungrigen Hunden. Dann kamen die Zwerge in Sicht, und Rasgar schnappte nach Luft, hörte neben sich auch Tevou tief Atem schöpfen.

Weniger wegen der drei gedrungenen Gestalten, die nicht nur in verdammt viel Metall gehüllt waren, sondern auch fremdartig und böse wirkten. Das Erschrecken galt der vierten Gestalt, die schlaff über einer Zwergenschulter baumelte wie ein Mehlsack. Lange Beine, ein schmaler Hintern, alles in Wildleder verpackt, auf das kleine Hornplatten genäht waren. Eine Elfenrüstung, leicht, die Bewegungsfreiheit nicht einschränkend. Zoron-Arbeit, dessen war Rasgar sich sicher.

Aber gleichgültig, welchem Stamm die leblose Gestalt da angehörte, sie war ein Elf! Und es war obendrein scheißegal, ob noch Leben in diesem Körper war, denn Rasgar hatte nicht vor herauszufinden, ob die Gerüchte stimmten, dass die Zwerge einem leckeren Elfenbraten nicht widerstehen konnten. Das kam ja überhaupt nicht in Frage! Niemand verspeiste einen Elfen, solange Rasgar von Bevek in der Nähe war, um das zu verhindern!

Er schoss einen Blick zu Tevou, und natürlich zeigte dessen Gesicht überhaupt kein Gefühl, das über Fassungslosigkeit hinausging. Von allen Elfen musste ausgerechnet der an Rasgars Seite sein! Doch dann wandte Tevou den Kopf, und die dunklen Mandelaugen funkelten kriegerisch.

Rasgar zog einen Wurfstern hervor, und Tevou nickte, tastete nach seinem Schwertheft.

Es galt. Rasgar atmete noch einmal tief durch, dann schleuderte er das silberne Geschoss mit aller Kraft, gab ihm aus dem Handgelenk den letzten Schwung mit und sprang schon auf, ehe sein anvisiertes Ziel zu Boden gehen oder auch nur schreien konnte.

Neben ihm brach Tevou aus dem Unterholz. Immer noch verblüffend leise, während Rasgar die Zähne zusammenbeißen musste, damit ihm nicht der Kampfschrei seines Stammes über die Lippen kam.

Wunschgemäß ging krachend der Zwerg zu Boden, dem sich der Wurfstern in die Kehle gebohrt hatte. Rasgar überließ Tevou gerne den zweiten Kerl, der sich nicht am Elfenschleppen beteiligt hatte, musste aber erkennen, dass sein auserwählter Gegner den getragenen Elfen kurzerhand von der Schulter abkippte und eine riesige Keule schwang, um wohl auch Rasgar in die Planung für das Abendessen einzubeziehen.

Er tauchte unter dem Hieb weg, der ihm Knochen gebrochen oder den Schädel zu Mus geschlagen hätte.

Auf einem Knie schlitterte er über den Waldboden und riss den Dolch hoch, kaum dass er hinter die Keule gelangt war, stemmte sich empor und versenkte die Klinge im weichen Dreieck des zwergischen Unterkiefers. Hart schlug die Keule gegen seinen Rücken, ehe der Zwerg endlich seinen Geist aufgab und in sich zusammensackte.

Nur ein klein wenig außer Atem stemmte Rasgar sich hoch, als es hinter ihm klirrte, als wäre eine Wagenladung voller metallener Kochtöpfe umgestürzt. Gleich darauf – er hatte sich noch nicht einmal umgewandt – schepperte es, ehe Tevous Gegner rücklings auf dem Waldboden aufschlug, noch ein wenig zuckte und dann endlich still lag.

Und der verdammte Waldelf atmete noch nicht einmal rascher, sondern stand nur ruhig da und blickte auf den toten Zwerg nieder, das Gesicht ausdruckslos wie immer. Dann hob er den Kopf und nickte knapp. »Das ging leise und schnell.«

»Natürlich«, schnappte Rasgar. Wie anmaßend konnte dieser Kerl noch sein? Gönnerhaft, das war es! Als wäre Rasgar ein Anfänger an den Waffen. Er beugte sich nieder und zog seinen Dolch aus dem Zwerg, wischte die Klinge an dessen Hose ab und schob die Waffe wieder ins Gehenk. Dann eilte er zum am Boden liegenden Elfen, der sich immer noch nicht regte.

Alles andere konnte warten.

Rasgar griff nach einer Schulter und drehte die stille Gestalt auf den Rücken, verzog kurz das Gesicht, weil das Gewicht so schlaff und weich war, dass er fürchten musste, es wirklich nur noch mit einem Leichnam zu tun zu haben.

Eine Elfe und ganz eindeutig von Zoron. Das sagte nicht nur die Rüstung, sondern auch die rötliche Hautfarbe, das schwarze Haar und die gebogene Adlernase. Auf der Brust der Rüstung prangte das Wappen Alkans. Verdammt, nicht nur einfach eine von Zoron, sondern jemand aus den höheren Rängen, jemand, die einer Kommandantin immerhin so wohltuend aufgefallen war, dass es das Wappen als Auszeichnung gegeben hatte.

Er tastete an der Seite des Halses nach dem Herzschlag, fühlte immerhin Wärme, auch wenn das vielleicht bedeutete, dass die Elfe gerade eben erst getötet worden war. Doch dann spürte er das Pochen, auf das er gehofft hatte. »Sie lebt«, teilte er Tevou mit. Schließlich hatte der geholfen, die Elfe zu retten, wenngleich Rasgar zwei Gegner niedergemacht hatte und der Waldelf nur einen. Es war wichtig, das nicht zu vergessen.

»Verletzt?«, fragte Tevou und schepperte mit dem Zwerg herum, den er niedergemacht hatte.

Rasgar drehte sich gereizt um. »Soweit ich sehe, ist sie in einem Stück. Und sie trägt das Wappen der Hochköniginnen. Kein Wunder, dass die Kommandantin nach Freiwilligen für eine Patrouille suchte, wenn mindestens eine schon verloren ging. Was machst du da?«

»Nach nützlichen Dingen suchen. Mehr über unsere Feinde erfahren, denn unsere kleine Erkundung endet hier. Wir müssen die Frau ins Lager bringen.«

»Ach! Das wäre mir ja nie aufgefallen!«, schnappte Rasgar.

»Ja, fand mich auch sehr nett, dich darauf hinzuweisen. Fischfresser übersehen ja oft das Wesentliche.« Und dabei grinste er kalt.

Rasgar fand die übliche ochsendumme Ausdruckslosigkeit des dunklen Gesichts ja schon nervtötend, aber das Grinsen war nun wirklich dreist. »Wir werden sie abwechselnd tragen müssen. Hast du denn etwas Nützliches gefunden?«

»Bin mir nicht sicher.« Seine Kiefermuskeln spannten sich an. »Hast du schon einmal einen Zwerg aus der Nähe gesehen?«

Bevor Vorsicht ihn daran hindern konnte, schüttelte Rasgar den Kopf.

»Ich auch nicht.«

Na, das war doch wenigstens etwas!

Tevou kam näher und hielt die Hand ausgestreckt. Auf ihr lagen kleine Kristalle, die in allen Farben des Regenbogens leuchteten. »Hatte er in einer Gürteltasche bei sich. Ich habe keine Ahnung, was das ist, aber es erscheint mir wertvoll. Vielleicht Zwergengeld, vielleicht etwas ganz anderes. Sonst trug der Kerl nur Rüstung, die Keule und zwei Dolche bei sich.«

Wider Willen fasziniert streckte Rasgar die eigene Hand aus, und Tevou ließ die Kristalle darein fallen, ehe er sich den Zwergenkadaver vornahm, der vor seinem Ableben die Elfe getragen hatte.

Glitzernd wie Kleinodien, einer Hochkönigin würdig. Schmuckstücke, die regelrecht danach schrien, in Gold und Silber gefasst, liebevoll zwischen Perlen gesetzt und ins beste Licht gerückt zu werden. Jeder der kleinen Edelsteine schimmerte in einer anderen Farbe. Orange wie die Glut im Herdfeuer, ein helles Blau wie von Schnee im Morgengrauen, gelb wie die Sonne selbst, ein zartes Grün wie von erstem Frühlingsgrün.

Mit einem Mal fühlte Rasgar Unruhe, weil er Mühe hatte, den Blick von den Kristallen zu wenden, obwohl gerade vieles dringlicher war, als bunten Zwergentand zu bestaunen. Er sah zu Tevou, der aus einer weiteren Gürteltasche mehr der Kristalle geborgen hatte und sie nun auch eingehend betrachtete. Ein ganz kleines Lächeln spielte dabei um seine Mundwinkel.

Rasgar ballte rasch die Hand zur Faust um den Glitzerkram, stand auf und trat zu Tevou. »Ich … habe das Gefühl, dass das irgendwie magisch ist.«

Fast schien es, als würde Tevou wie aus einem Tagtraum auftauchen. Er spannte sich an und stopfte die Kristalle zurück in den kleinen Lederbeutel, ehe er diesen Rasgar hinhielt, damit auch dieser die Kleinodien los wurde. Dann nickte er. »Zu schön, nicht wahr?«

Rasgar nickte stumm. Eine Gänsehaut überrieselte ihn, dann erfasste er, dass er die merkwürdige Trance alleine abgeschüttelt hatte, während Tevou seine Hilfe gebraucht hatte. Gut! »Lass uns hier verschwinden.«

»Der dritte Zwerg noch.«

»Beeil dich! Ich schnappe mir die Frau, und falls du wieder in den Anblick von Funkelkram versinken willst …«

»Ich will nur nichts übersehen.« Und damit ging er auch schon zum dritten Toten und durchsuchte diesen.

Rasgar schnitt ihm eine Grimasse, ballte die Hände kurz zu Fäusten und kämpfte den Drang nieder, dem Waldwilden einen herzhaften Tritt zu verpassen. Jetzt zu streiten, wäre dämlich. Vielleicht waren noch mehr Zwerge in der Nähe. Außerdem – und es schmerzte, sich das einzugestehen – brauchte er Tevou. Den Weg zurück zum Lager sollte Rasgar finden, aber er hatte vorhin nichts wahrgenommen, was ihn vor dem Nahen der Feinde gewarnt hätte.

»Noch mehr Glitzersteine. Und eine Karte«, meldete Tevou sich und erhob sich aus der Hocke. Seine ohnehin schmalen Augen verengten sich noch ein wenig mehr. »Ich dachte, wir wollen hier schnell weg? Sie liegt ja immer noch am Boden.«

»In meiner Herzensgüte hielt ich mich trotz meiner Worte bereit, dich nötigenfalls von den Kristallen zu trennen.«

»Ja, muss wirklich schlimm für dich sein, dass du mich brauchst.«

Nein, das war es nicht. Aber es war schlimm, dass er den Kerl nicht einfach erwürgen durfte.

2.

Grabenkämpfe

 

Evell lauerte hinter den Reihen der Wachposten auf seine Rückkehr. Das tat wirklich gut nach dem zermürbenden Marsch durch den Wald mit einem entweder schweigsamen oder Gift spritzenden Rasgar, der missmutig hinter ihm herstapfte und die immer noch besinnungslose Elfe schleppte. Erst als sie die letzten Bäume hinter sich ließen, hatte der Sonnenelf zugestimmt, dass Tevou die Frau eine Weile trug.

Blödheit konnte Tevou ihm wirklich nicht vorwerfen. Verblüffend aber, dass er von der Annäherung der Zwerge wirklich nichts bemerkt hatte. Vögel hatten Warnrufe ausgestoßen, zwei kleinere Wildtiere waren vor den Kerlen geflohen. Vielleicht hätte Rasgar die Warnungen begriffen, wenn ein Hai durch die Gegend geschwommen wäre. Oder was sich sonst so rund um die Hütten am Meer herumtrieb.

Tevou brachte die letzten Schritte hinter sich, ehe von allen Seiten Bewaffnete herbeiströmten. Auch eine der Moorhexen der Salia kam näher. Tevou sah es an der Art, wie Evell den Mund verzog, ehe er die Frau selbst sah. Erleichtert lud er seine Bürde ab, die umgehend von anderen entgegengenommen und zum Lager getragen wurde. Dann streckte er seinen schmerzenden Rücken, sah Rasgar davonstolzieren und wurde von Evell am Arm gepackt.

Sie hatte das Kommando über die Truppen aus Verde, und erst jetzt fiel Tevou auf, dass er dank des Befehls zur Patrouille und des sofortigen Aufbruchs keine Gelegenheit gehabt hatte, sie zu benachrichtigen. Rasgars Leute hatten Bescheid gewusst, aber es war unwahrscheinlich, dass einer der verdammten Sonnenelfen auf die Idee gekommen war, ihr Bescheid zu sagen.

»Du verdammter Streithammel!«

»Ich habe nicht angefangen. Aber du erwartest bitte nicht von mir, dass ich zahm nicke, wenn dieser … dieser Kerl mich als Hühnerdieb bezeichnet?«

»Wer hat zu mir gesagt, dass wir uns auf Gegner konzentrieren sollten, die keine spitzen Ohren haben? Außerdem hat die Kommandantin mich zusammengeschissen, ob ich meine Krieger nicht in der Hand habe, verdammt. Reiß dich zusammen, ignoriere den Mistkerl. Morgen kannst du deine Wut an den Zwergen auslassen. Und jetzt: Bewegung! Oder willst du Rasgar alleine die Bühne überlassen, wenn er die Ergebnisse eurer Patrouille präsentiert?«

Er sah noch einmal nach der Frau, die sie aus dem Wald mitgebracht hatten. Die regte sich schon wieder leicht, und die Moorhexe an ihrer Seite wirkte sehr zufrieden. Dann nickte er Evell zu und machte sich an die Verfolgung des übereifrigen Sonnenelfen. Wie gut, dass der weder Kristalle noch die Karte würde vorweisen können. Mit einem bösen Lächeln beschloss Tevou, vor dem Zelt der Kommandantinnen abzuwarten, bis Rasgars Bericht zu tröpfeln begann, zumal er die Karte nicht einmal gesehen hatte.

Die Zelte der Heerleitung waren leicht zu entdecken. Das Banner von Alkan wehte über ihnen. Dem Wächter am Zugang musste Tevou nur seinen Namen nennen und wurde nicht nur in das Areal eingelassen, sondern erhielt auch die Auskunft, wohin er sich hier genau zu wenden hatte. Eine Frage nach Rasgars Vorsprung unterdrückte Tevou und sah sich auf seinem Weg lieber ein wenig um. Staunender Waldelf, sagte er sich, eine wundervolle Tarnung, um sich nicht dem Vorwurf des Bummelns aussetzen zu müssen.

Er bezog Position neben dem Zelteingang, um nicht umgehend entdeckt zu werden, und lauschte dann Rasgars Bericht. Ein wenig Schönfärberei vernahm er da, mit der dieser verdammte Sonnenelf seine wundervolle Beteiligung und seine besonderen Fähigkeiten hervorhob.

Das böse Lächeln kehrte zurück, als Rasgar die bunten Kristalle erwähnte. Immerhin gestand er ein, dass auch er selbst Mühe gehabt hatte, den Blick vom Funkeln zu nehmen. So viel Ehrlichkeit hatte Tevou nicht erwartet.

Ebenso wenig hatte er damit gerechnet, wie angenehm die tiefe Stimme klang, wenn Rasgar gerade kein Gift spritzte. Sie passte zu dem Kerl. Tevou ertappte sich bei einem nahezu verträumten Lächeln und schüttelte es energisch ab, auch da er gerade die Frage der Kommandantin nach den Kristallen vernahm. Und jetzt war der Augenblick gekommen, da der strahlende Held da im Zelt ins Schwimmen kam und sich nicht im besten Licht präsentieren konnte. Wundervoll.

»Die … die Zwerge trugen sie in Lederbeuteln am Gürtel. Ich habe überlegt, dass es vielleicht eine Art Zwergengeld sein könnte.«

»Danach habe ich nicht gefragt.

---ENDE DER LESEPROBE---