1,99 €
Natascha und Dorothea haben sich in einen Gutshof in der Toscana verliebt. Das bedeutet, dass sie die alte Wassermühle in Klaxdonnersbüll verkaufen müssen. Natürlich haben sie das Anwesen zuerst Nico und Hagen angeboten.
Leider sehen die beiden keine Chance, sich das irgendwie leisten zu können. Sie planen eine Grillparty mit ihren ganzen Freunden. Ein wenig eine Abschiedsparty.
Doch es kommt anders, als Jarl ausgerechnet Nico – sonst ja der Inbegriff norddeutscher Wortkargheit – zum Reden bringt ...
Grillparty ohne Geist spielt zwischen der Geschichte rund um Ingeborg und dem achten Roman aus Klaxdonnersbüll mit Vincent und Philipp.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
Kann Spuren von Erdnüssen enthalten!
Es gibt Inhalte, die Betroffene triggern können, das heißt, dass womöglich alte Traumata wieder an die Oberfläche geholt werden. Deswegen habe ich für diese Personen eine Liste mit möglichen Inhaltswarnungen für alle meine Romane zusammengestellt:
www.tanja-rast.de/inhaltswarnungen
Zu viele Probleme türmten sich vor Hagen auf. Das Erste lautete, dass er die Wassermühle liebte. Malerisch so ziemlich am Ende des Mühlenwegs gelegen breitete das Anwesen sich wie ein sonnig lächelnder Buddha am Hang zum Mühlteich aus. Das Geräusch des Wasserrades, das den Strom erzeugte, konnte Hagen nur als wundervoll bezeichnen, ebenso das leise, beständige Plätschern des Überlaufs. Die gemeinsam mit Nico bewohnte Wohnung war ein Traum und bot genug Platz für zwei verliebte Männer und zwei Kater. Problem Nummer Zwei besagte, dass sie nicht einfach irgendwohin ziehen konnten, weil Nico der Gemeindegärtner von Klaxdonnersbüll war und als solcher auch mal auf einen Anruf hin flott zu einer dringenden Arbeit fahren musste. Ein umgefallener Baum, ein Schlagloch des Todes oder ein verstopfter Graben zum Beispiel. Die ganzen Gerätschaften, der Trecker und der Anhänger benötigten auch Platz. Noch ein Problem: Alle ihre Freunde wohnten hier! Und Hagen wollte nicht weg, nicht in irgendeine Stadtwohnung ziehen. Aus einer solchen war er doch erst hierhergekommen, nachdem ein Wasserrohrbruch alles geflutet hatte.
Aber das größte Problem hieß Banken, Finanzierung und Geld.
Er brütete über Listen, Zinsen und Möglichkeiten. Vor allem leider Unmöglichkeiten, denn sie hatten beide nicht viel Geld. Sie kamen über die Runden, solange sie nicht auf die Idee kamen, ein Haus kaufen zu wollen. Zumal die Wassermühle ein riesiges Grundstück, Ferienwohnungen, das Haupthaus und diverse Schuppen mit sich brachte, die sich natürlich auch alle auf den Kaufpreis auswirkten, obwohl Dorothea und Natascha sich wirklich Mühe gegeben hatten, ihnen entgegenzukommen. Doch sie brauchten ja selbst Geld für ihr neues Haus. Wirklich viel Zeit hatten die beiden auch nicht, wollten sie nicht riskieren, dass ihnen jemand das Anwesen vor der Nase wegschnappte.
Aber Bankiers guckten immer ganz komisch, wenn ein Maler, der ein höchst unregelmäßiges Einkommen hatte, wenn er mal ein Bild verkaufte oder Werbegrafiken und so schuf, und ein Gemeindegärtner einen Batzen Geld von ihnen haben wollten. Verheiratet waren sie auch nicht, und da waren sie sich auch absolut einig gewesen: Wenn sie heirateten, dann aber ganz bestimmt nicht, weil sie mussten!
Missmutig kaute Hagen auf dem Ende seines Bleistifts. Irgendwann wollte er Nico gründlich, schwer verliebt und wundervoll heiraten. Jarls und Raphaels Traumhochzeit auf Gut Rothenbüll vor drei Monaten hatte ihm da echt einen Floh ins Ohr gesetzt. Und Nico hatte im Anzug absolut zum Anbeißen und frisch Verlieben ausgesehen, das nur mal zu Protokoll!
Hagen schob die Unterlagen zurück in die von Nico ordentlich angelegte und beschriftete Pappmappe und dann weit von sich.
Er sah keinen Ausweg. Ja, sie könnten vielleicht irgendwo bei Tizian auf Gut Rothenbüll zur Untermiete unterkommen. Das Anwesen war riesig genug. Oder die Gästewohnung bei Horatio beziehen. Oder einfach abwarten, ob der Käufer der Wassermühle sie zu den bisherigen Konditionen hier wohnen ließ. Wobei es wahrscheinlicher war, dass der auch diese Wohnung für Feriengäste haben wollte.
Alternativen? Sowohl Nicos als auch Hagens Eltern hatten finanzielle Hilfe angeboten. Aber der Wert der Wassermühle überstieg natürlich auch deren Ersparnisse bei Weitem. Selbst das reichte nicht, und Nico und Hagen hätten das Angebot auch nur mit extremen Magenschmerzen angenommen.
»Das ist doch alles doof. Toscana, ich hasse dich«, murrte er leise.
Oh, es gab auch noch andere Möglichkeiten, wie er genau wusste. Aber das kam ja mal gar nicht in die Tüte! Das waren ihre Freunde, nope, no way, never ever! Da waren Nico und er sich einig, und Hagen war so dankbar dafür! Sie kamen schon klar. Irgendwie. Und wenn ihm auch das Herz dreimal blutete!
Wenigstens hatte er heute etwas um die Ohren und sollte also keine Chance haben, in verzweifeltem Dauergrübeln zu versinken. Sicherheitshalber schob er die Mappe unter einen Berg Malutensilien, ehe er aufstand und zuerst ins Katzenzimmer ging, um Futterstand und Trinkbrunnen zu überprüfen.
Calino und Borean lagen zusammen in der Hängematte und putzten sich abwechselnd gegenseitig. Als Hagen ins Zimmer trat, hoben sie nur kurz die Köpfe, um seine Ankunft hoheitsvoll zur Kenntnis zu nehmen. Calino maunzte ohrenbetäubend, ehe er sich wieder Boreans Fellkragen vornahm.
Futter und Wasser waren vorhanden und nicht zu beanstanden.
Hagen ging ins Wohnzimmer und blickte durch die großen Fenster auf den Rosengarten. Da standen ihre niedlichen rot-weißen Rosen in voller Blüte. Sie hatten sie sich gegenseitig geschenkt, wobei Nico dank übel verstauchtem Knöchel Jarl gebeten hatte, eine Rose für Hagen auszusuchen, ohne zu wissen, dass Hagen gerade mit dem gleichen Vorhaben in die gleiche Gärtnerei nach Rothenbüll gefahren war. Dort hatte er Jarl gesehen, der die von ihm erworbene Rose gerade nach draußen trug, sich prompt in die Pflanze verliebt und die gleiche ebenfalls gekauft. Er erinnerte sich gerne, wie sie gemeinsam über diesen Zufall – zwei Verliebte, eine Idee, eine Rose – gelacht hatten.
»Du bläst schon wieder Trübsal«, ermahnte er sich streng.
Also machte er sich jetzt an die Arbeit. Nicht Malen oder Zeichnen – dabei könnte er nämlich grübeln, und die Mappe mit den blöden Finanzierungsproblemen lag allzu verlockend in Reichweite.
Aber sie wollten heute, was schon länger geplant war, mit ihren Freunden am Ufer des Mühlteichs grillen. Die Seerosen standen in voller Blüte, die Schwalben sausten kreuz und quer durch die Gegend und würden hoffentlich die Mücken von der gar nicht so kleinen Gesellschaft fernhalten.
Sie hatten diesen Termin gewählt, weil Natascha und Dorothea in der Toscana weilen würden. Tja, bei der Planung hatten Nico und Hagen noch nicht gewusst, warum die beiden schon wieder weltenbummeln wollten. Die Info war erst später gekommen.
Also hatten sie beschlossen, dass die Grillparty auch so eine Art Abschiedsparty sein würde. Von der Wassermühle, die sich bei sommerlichem Wetter von ihrer allerbesten Seite zeigte. Nicht von ihren Freunden! Um nichts in der Welt würde Hagen diese wundervolle Gemeinschaft aufgeben wollen! Und vielleicht konnten sie ja schon einmal vorsichtig bei Horatio und Thor aus dem Moorhof und Tizian und Oliver von Gut Rothenbüll nachfragen, ob sie hier oder da möglicherweise zumindest für den Übergang unterkommen konnten. Ehe sie etwas Eigenes fanden, das sie sich leisten konnten. Mietwohnungen auf dem platten Land waren leider nicht so häufig zu finden. Die meisten Häuser befanden sich seit Generationen in der Hand einer Familie und wurden von diesen selbst bewohnt. Schwierig, da an etwas zu kommen, aber in der Nähe der Dreifaltigkeit der Dörfer Klaxdonnersbüll, Rothenbüll und Prillsande mussten sie einfach bleiben.
Hagen riss sich los. Er ging jetzt und schleppte Gartenmöbel und Co den Sandweg rechts vom Hauptgebäude hinauf ans Ufer des Mühlteichs. Sie durften nämlich die Sachen von den Ferienwohnungen benutzen, hatten Dorothea und Natascha gesagt. Gut so, denn Nico und Hagen selbst hatten im Leben nicht genug Sitzgelegenheiten für alle!
Der Club der Geisterfreunde von Klaxdonnersbüll und Umgebung, wie Kevin ihre Gemeinschaft passend getauft hatte, umfasste mittlerweile fünfzehn Männer! Dazu kam natürlich noch ihrer aller beste Freundin Edith. Tizians Mama Beate hatte sich angeboten, Rosemarie, Geros und Dominiks Uroma – Ticktackoma, wie die beiden sie nannten - zu Hause Gesellschaft zu leisten. Hinfällig war die alte Dame noch nicht, aber Gero und Dominik würden entspannter sein, wenn sie ihre Ticktackoma nicht allein wussten. Auch Kamala, die Pastorin von Klaxdonnersbüll, wollte sich Rosemarie und Beate anschließen. Also wurden am Ufer des Mühlteichs sechzehn Stühle gebraucht!
Dazu ausreichend Tische, auch mindestens zwei für das Büfett, weil alle etwas mitbringen wollten! Und Hagen hatte vor, alle vier Grills der Ferienwohnungen in den malerischen Garten am Wasser zu asten. Nico hatte natürlich angeboten, dass sie das gemeinsam machten, was bestimmt schlauer wäre, da Nico ein Kraftpaket war. Aber Hagen brauchte jetzt etwas um die Ohren, sonst ging er bald die Wände hoch, bis die Kater sich auf ihn stürzten, um ihn durch vereinte Masse zu Boden zu drücken, bis er sich beruhigt hatte. Nun, Boreans Masse als Norwegischer Waldkater, denn Calino war ein zarter Hänfling, eben typisch Siamese. Deswegen auch die Stimme wie ein Nebelhorn.
Hagen steckte seinen Schlüssel ein, nahm den für den Schuppen unten in der Remise mit, in dem die Gartenmöbel der Ferienwohnungen standen, und eilte die Holztreppe hinab, nachdem er an der Haustür gerüttelt hatte, ob diese auch sicher verschlossen wäre.
Tief atmete er die frische Luft ein, die nach frisch gemähtem Gras, Rosen und vielen Bäumen ringsum duftete, nach Lindenblüten und Sommer.
Nico hatte am Vortag die Flächen gemäht, die sie heute nutzen wollten. Jetzt war er im Dorf in seiner Funktion als Gemeindegärtner unterwegs. Der Sportplatz bei der Schule war fällig für einen Haarschnitt. Hagen grinste. Nico auf dem kleinen Aufsitzrasenmäher, der ordentlich seine Bahnen zog, während Hagen wahrscheinlich im Zickzack herumsausen und Hui rufen würde. Was hieß hier wahrscheinlich? Aber unter Garantie!
Er ging an dem offenen Teil der Remise vorbei, wo Nicos kleiner blauer Trecker stand. Nicos Kombi war natürlich samt Anhänger und Rasenmäher unterwegs.
Neuerlich wollten Grübeln und Trübsal Hagen überfallen, aber dieses Mal packte er beide an der Gurgel und stopfte sie in einen stillen Winkel. Natascha und Dorothea würden jedem potenziellen Kaufinteressenten vorschwärmen, wie toll Nico alles in Schuss hielt. Rosengarten, Baumschnitt, Rasenmähen, Blumenbeete und alles! Einen so unermüdlichen Streiter für ein ansprechendes Ambiente wollten die neuen Eigentümer sich doch bestimmt erhalten! Und während Dorothea und Natascha auf Weltreise – und leider auch in der Toscana – gewesen waren, hatte Hagen die Ferienwohnungen gemanagt. Das war doch ebenfalls nützlich und wertvoll! Vielleicht würden sie als eine Art Hausmeisterteam hierbleiben können. Nichts musste sich ändern, nur die Leute, die im Haupthaus der Mühle wohnten. Konnte alles gut ausgehen. Und ansonsten kamen sie auch klar! So! Beschlossene Sache!
Er schleppte Stühle und deren Kissen bis zu dem kleinen Grasstück zwischen ihrem Haus und dem Hauptgebäude und stapelte dort alles irgendwie, sodass die Sitzkissen nicht einer Windböe zum Opfer fallen konnten.
Danach kam der lustige Teil, nämlich der Transport den Sandweg empor. Das Haupthaus war ja in den Hang gebaut, der wie ein Wall wirkte. Kam man oben an, breitete sich der Mühlteich malerisch aus, am Rand mit Trauerweiden und anderen Bäumen, Büschen und Schilf bestanden. Ein Steg und ein winziges Bootshaus mit einem Ruderboot waren ebenso vorhanden. Bei vollem Stand des Teichs ging der Garten quasi übergangslos von Gras zu Wasser mit Seerosen über. Und die Seerosen blühten so wundervoll! Letztes Jahr hatte Hagen drei Skizzenbücher mit Zeichnungen von ihnen gefüllt und danach eine Aquarellphase durchgemacht, die ganz besonders von Seerosen dominiert worden war. Einiges davon hatte er bei seiner kleinen Ausstellung in der Künstlerscheune von Gut Rothenbüll verkauft. Das sollte er öfter machen! Hätte öfter machen sollen, denn es hätte ihre Haushaltskasse aufgefüllt. Nur nicht genug, um die Wassermühle zu kaufen, verflixt! Er schubste den Gedanken beiseite. Arbeit. Grillparty!
Hagen hatte keine Ahnung, wie er sechzehn Leute an einen Tisch bringen sollte. Es wäre eine endlose Tafel, und an einem Ende würde man nicht hören können, was am anderen gesagt wurde. Ungünstig. Ihm schwebten kleinere Grüppchen vor, wobei er sich darauf verließ, dass niemand einen festen Platz einnehmen, sondern dass viel Bewegung herrschen würde. Das konnte er auch erreichen, indem er die Grills taktisch geschickt verteilte, statt sie alle auf einen Fleck zu stellen.
Er trug Stühle den Hang hinauf, bis seine Beine schmerzten. Das war ja kein billiger Plastikkram, den Dorothea und Natascha angeschafft hatten, sondern gute Holzmöbel, die dementsprechend schwer waren.