Gespenster-Krimi 109 - Camilla Brandner - E-Book

Gespenster-Krimi 109 E-Book

Camilla Brandner

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Beschreibung

Der reiche Kunsthändler Howard Crowfield war dem Tod nahe, aber seine Augen funkelten in ungebrochener Bosheit. Sein aufgedunsenes Gesicht, gelblich bleich und schweißbedeckt, lag auf dem Kissen wie ungebackener Teig, in den jemand Löcher hineingedrückt hatte.
"Elende Köter!", krächzte er. "Ich hab euch ertragen, weil ich nicht anders konnte, aber mich ändert kein Gott und kein Geist - einen Howard Crowfield zwingt ihr nicht in die Knie ..."


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Inhalt

Cover

Die dreizehn Sarkophage

Vorschau

Impressum

Die dreizehn Sarkophage

von Camilla Brandner

Der reiche Kunsthändler Howard Crowfield war dem Tod nahe, aber seine Augen funkelten in ungebrochener Bosheit. Sein aufgedunsenes Gesicht, gelblich bleich und schweißbedeckt, lag auf dem Kissen wie ungebackener Teig, in den jemand Löcher hineingedrückt hatte.

»Elende Köter!«, krächzte er. »Ich hab euch ertragen, weil ich nicht anders konnte, aber mich ändert kein Gott und kein Geist – einen Howard Crowfield zwingt ihr nicht in die Knie ...«

Die beiden großen, seltsam aussehenden Hunde, die an seinem Bett saßen, warfen einander bekümmerte Blicke zu und ließen die Köpfe hängen, als verstünden sie genau, was vor sich ging.

Crowfield lachte bei dem Anblick. »Habt gedacht, ihr kriegt mich rum mit eurem Pfaffengewinsel, was?«, höhnte er mit pfeifendem Atem. »Falsch gedacht! Wer strauchelt, den soll man noch stoßen, hat ein kluger Philosoph gesagt. Selber schuld an ihrem Unglück, diese schwachsinnigen Kümmerlinge, die keinen Funken Geschäftsverstand hatten! Und wenn ihr glaubt, ihr wärt jetzt die Herren im Haus ... Hehehe, ich hab euch ausgetrickst! Ich hab nämlich vorgesorgt – hab den richtigen Mann für euch gefunden ... Ein harter Brocken ... ein durchgeknallter Psycho, ein echt gemeines Schwein! Den kriegt ihr nicht klein, und meinen Neffen auch nicht! Noch ein paar Wochen, und die dreizehn Sarkophage sind voll, dann könnt ihr euch packen mitsamt eurem göttlichen Kurpfuscher ...«

Draußen heulte der Frühlingssturm durch das Severn-Tal, blies Schaumkronen in den breiten Fluss und zerrte an den gewaltigen, grotesk gewundenen Ästen der Eichen des Forest-of-Dean. Sie nahmen sein Wüten so gleichmütig hin wie ein Rudel Kühe einen Platzregen. Mochten die Wetterhähne auf den vier Türmchen von Northmans Home wie im Wahnsinn herumwirbeln, mochten die Fensterscheiben zittern und die Dachbalken stöhnen – die Eichen, deren Jahrhunderte alte Wurzeln hinabreichten bis in die dunkle Anderwelt Annwfyn, beugten kaum ihre Kronen.

Keinen Augenblick lang hielten sie in ihrem rhythmischen Rauschen inne, als sich aus den Tiefen des urtümlichen Waldes das Klappern von Pferdehufen näherte. Ein gewaltiger Schimmel galoppierte den Pfad entlang. Er trug weder Zaumzeug noch Reiter, seine Augen rollten weiß und blind in den Höhlen, und er rannte auf nur drei Beinen. Schon war er wieder verschwunden.

Die Eichen kümmerten sich nicht um das Geisterpferd, das jedes Mal in der Todesstunde eines Teufelsbündners erschien, um dessen Seele abzuholen. Hunderte Male hatten sie es vorüberstürmen gesehen in all den Jahrhunderten, seit sie zarte Schösslinge gewesen waren. Auf seinem bloßen Rücken, von dem niemand mehr abspringen konnte, der einmal aufgestiegen war, hatte es schöne, lasterhafte Damen und bucklige alte Hexen getragen, walisische Kriegsherren und englische Ritter, mittelalterliche Handelsherren und moderne Geschäftsleute.

Drinnen in seinem Bett in Northmans Home sank der Sterbende in sich zusammen. Alles Blut wich aus seinem Gesicht. Ein letzter Satz keuchte zwischen den Lippen heraus. »Mein Geld ... hier im Haus versteckt ... sie werden einer den anderen umbringen, wenn sie darum kämpfen, mein Herr Neffe und mein Bastard ... und beide in den dreizehn Sarkophagen enden ...Ihr habt hier nichts zu melden, ihr verfluchten Schattenhunde!«

Das Wort ging in ein haarsträubendes Krächzen über und im Augenblick darauf in ein Todesröcheln. Die schlaffen Backen blähten sich in einem verzweifelten Atemzug und fielen dann in sich zusammen wie geplatzte Luftballons. Der Unterkiefer sackte herab, die wässrigen Augen erloschen. Der Mann, den man allseits nur »das alte Biest« genannt hatte, war tot.

Die Hunde winselten kläglich, wandten sich ab und verließen auf lautlosen Pfoten das Sterbezimmer. Kaum waren sie verschwunden, als drei andere Gestalten sich aus den Schatten rund um das Bett formten. Auf dem geschnitzten Betthaupt hockte plötzlich ein schwarzbrauner Affe mit den glutroten Augen der Lemuren, aber einem Ausdruck von Bosheit darin, wie ihn kein irdisches Tier annehmen konnte. Auf dem Fußende ließ sich mit flatternden, metallisch blauschwarzen Schwingen ein Rabe nieder, dessen Knopfaugen in einem eisigen inneren Licht glühten.

Als Letztes wand sich etwas Meterlanges, Geschmeidiges unter dem Bett hervor, kroch auf die Decke und näherte sich züngelnd dem Toten: Eine armdicke Schlange war es, schwarz, mit feurig roten Flecken auf dem Rücken. Sie stieß ein lautes, höhnisches Zischen aus, und die beiden anderen Höllengeschöpfe nahmen ihren Triumphgesang auf, jeder auf seine Weise.

Der Rabe krächzte, und der Affe ließ ein grässliches Schnattern hören, bei dem er die Zähne von einem Ohr bis zum anderen fletschte. Alle drei waren überaus gut gelaunt, und sie hatten auch allen Grund dazu. Bis zum letzten Moment hatten sie Angst gehabt, diese verfluchten Schattenhunde könnten doch noch den Sieg davontragen ... aber nein, der Kunsthändler Crowfield war gestorben, wie er gelebt hatte, boshaft, eigensüchtig und heimtückisch. Jetzt gehörte er ihnen. Für immer.

Die Pflegerin, die sich in seinen letzten Lebenswochen um ihn gekümmert hatte, sah keine Affen, Raben oder Schlangen, nur einen widerwärtigen Leichnam. Sie war froh, dass ihre Hände in Latexhandschuhen steckten, als sie die Kanüle aus der Armvene und den Katheter aus seiner Blase zog.

Jetzt, wo alle seine Muskeln erschlafft waren, wirkte der kolossale Körper noch formloser als zu Lebzeiten. Die Hängebacken gingen ohne Zwischenraum in das Doppelkinn über. Der Bauch hing in schlappen Falten zu beiden Seiten über das Bett. Scheinbar willkürlich aufgehäuft, hatte das Ganze etwas von einer riesigen Menge erstarrten Füllschaums an sich. Ein massiger Schädel mit silberweißem Haar lag, halb zur Seite gedreht, auf dem Kissen.

Der Mund stand unnatürlich weit offen, als japste er noch immer nach Luft. Die angeschwollenen Lider waren erstarrt und gaben glanzlose blaue Augen frei, deren Blick sich im Leeren verlor. Intensiver als die üblichen Gerüche des Todes – Kot, Urin, von kaltem Schweiß getränktes Bettzeug – schwebte noch ein anderer ekelhafter Geruch im Zimmer, ein Gestank wie der eines seit langem nicht mehr geöffneten und gereinigten Eisschranks.

Schwester Birgitta gestattete sich die Grimasse des Abscheus, die sie zu seinen Lebzeiten niemals gewagt hätte. Himmel, was für ein widerlicher Kerl!, dachte sie. Lange hätte ich den nicht mehr ausgehalten. Mehr tot als lebendig und glaubte immer noch, er kann hier herumkommandieren wie ein Pascha.

Routinemäßig zückte sie ihr Handy und machte Fotos von dem Toten und dem gesamten Sterbezimmer. Sie war allein im Haus, und wenn jemand Fragen stellte, war es gut, die Fotos mit dem Zeitstempel dabei zu haben.

Sie überprüfte die Fotos und stellte fest, dass die kleine Handy-Kamera Schwierigkeiten mit dem von Zwielicht erhellten Raum hatte. Auf allen Bildern zeigten sich nämlich merkwürdige, in die Länge gezogene Schatten, die aus den Wänden herauszukriechen schienen.

Birgitta rieb das Display blank und versuchte es noch einmal. Umsonst. Ihr Atem ging pfeifend, als sie die Fotos betrachtete. Die schattenhaften Fratzen waren eher noch schlimmer geworden. Sie erinnerten an die Gesichter und Gestalten, die aus Schimmelflecken und feuchten Tapeten hervorglotzen und ihre langfingrigen Hände ausstrecken, aber der Raum hier war trocken und sauber, die kostbaren Seidentapeten an den Wänden verblasst, aber unbeschädigt. Die Krankenschwester fühlte, wie ein Schauder sie überlief.

Sie versuchte es noch einmal. Jetzt musste es doch klappen, oder? Himmel! Unwillkürlich fuhr sie herum und starrte die Leiche im Bett an, ob die wirklich so grässlich aussah wie auf den Bildern. Ihr Blick haftete ängstlich an dem bläulich angelaufenen Gesicht. Es sah scheußlich genug aus, aber kein Vergleich zu der geradezu dämonischen Fratze auf ihren Fotos.

Der weißhaarige Kopf war auf den Fotos zu einem Oval verzerrt, die Augen zwei leuchtende weiße Schlitze, der Mund ein gewellter Spalt von einem Ohr bis zum anderen, als hätte jemand ein Gesicht aus Knetmasse zwischen den Hände zerquetscht.

Und woher stammte der pechschwarze Schatten, der sich auf allen Fotos hinter dem Betthaupt erhob, so scharf abgezirkelt wie ein Scherenschnitt? Was konnte das überhaupt für ein Ding sein, das einen solchen Schatten warf, grotesk wie die Figur in einem javanischen Puppenspiel? Sie knipste das Deckenlicht an. Nein, da war kein Schatten im Hintergrund, da waren keine aus der Wand greifenden Hände, da waren keine scheeläugigen Fratzen. Nur ein widerwärtiger, toter alter Mann.

Sie fotografierte noch ein paar Mal. Klick. Klick. Klick. Und dann hätte sie um ein Haar das Handy fallen lassen wie eine heiße Kartoffel, denn jetzt zeigte es überhaupt keine Fotos mehr, weder vernünftige noch bizarre, sondern ein Video, auf dem der zu einem grauen Kloß angeschwollene Kopf des Verstorbenen grinste und blinzelte und wabbelte, während die langen Schattenfinger über ihm hin und her tanzten wie die eines monströsen Pianisten über seinem Klavier!

Und dieser tintenschwarze Schatten an der Wand, der ruckte und wackelte wie eine Marionette – der fiel nach vorne, hing tief über dem Leichnam, als wollte er ihm das Gesicht küssen, und fuhr mit grotesken Bewegungen wieder zurück in die Seidentapete der Wand!

Schwester Birgitta hatte genug. Sie löschte die gesamten Fotos. Was sie in Northmans Home erlebt hatte, bevor Direktor Crowfield gestorben war, hatte ihr schon gereicht. Jetzt, nach seinem Tod, wollte sie keine Sekunde länger mit ihm zu tun haben. Sollte doch die Wirtschafterin sich um den Leichnam kümmern.

Sein Kammerdiener war ja schon spurlos verschwunden! War er aus Angst geflohen, oder – hatte er am Ende gewusst, wo der Schatz des alten Gauners verborgen war, und mit ein paar Millionen englischer Pfund in einem Koffer das Weite gesucht?

Sie atmete auf, als sie unten den Wagen des Arztes vorfahren hörte. Den erkannte man meilenweit an seinem spuckenden Auspuff. Doktor Henry Hopkins, der einzige Mediziner in einem großen Revier, war immer viel zu sehr mit seinen zahlreichen Patienten beschäftigt, als dass er sich auch noch um seine Rostlaube von einem Auto gekümmert hätte.

Der Arzt nahm sich kaum die Zeit, sie zu begrüßen. Die schlechte Laune strahlte von ihm aus wie eine übel riechende Aura. »Na, hat er´s hinter sich gebracht?«, fragte er, während er alle Lampen anknipste und in ihrem Licht auf das Totenbett zutrat. »War nicht anders zu erwarten, aber musste er ausgerechnet bei dem Scheißwetter sterben? Da draußen bläst der reinste Hurrikan. Ich hab jeden Moment erwartet, dass der Sturm die Bäume rund um mich ausreißt und mich darunter begräbt.«

»Eichen sind ziemlich zäh«, erwiderte Schwester Birgitta, die bereits dabei war, ihren Koffer zu packen. »Die im Forest-of-Dean stehen schon seit Jahrhunderten und werden noch ein paar Jahrhunderte stehen.« Und als er statt einer Antwort nur missmutig grunzte, wurde sie geschäftlich. »Wenn Sie mir bitte bestätigen, dass sein Schmuck und der ganze Krempel da« – sie wies mit einer verächtlichen Handbewegung auf eine Vitrine voll bronzener Figurinen, von denen jede mindestens ein Monatsgehalt einer Krankenschwester wert war – »unangetastet sind, und würden Sie mich dann nach Wormwood mitnehmen? Ich will so rasch wie möglich hier weg. Ich bin ganz allein im Haus, die Wirtschafterin ist nicht aufzufinden, und sein Kammerdiener ist schon abgehauen. Wahrscheinlich mitsamt dem versteckten Schatz.«

»Versteckter Schatz, hat sich was!«, kommentierte der Doktor, während er eine flüchtige Untersuchung des Leichnams vornahm und den Totenschein ausstellte. »Alles nur dummes Gerede. Reiche Gauner verstecken ihr Geld in einem Bankschließfach auf den Cayman-Inseln, nicht im Keller.« Er warf die Decke mit einer groben Bewegung über den Kopf des Leichnams. »So, erledigt. Sie können mit mir zurückfahren – obwohl Sie sich so abfällig über den Zustand meines Autos geäußert haben!«

Die Pflegerin schnitt ein Gesicht. »Hören Sie, Doktor, lieber riskiere ich, dass Ihre Rostschüssel mir unter dem Hintern zerfällt, als nur eine Stunden länger als nötig hierzubleiben. In meinem Beruf ist man an unausstehliche Patienten gewöhnt, aber Crowfield war etwas Schlimmeres – und nein, lachen Sie jetzt nicht!« Sein spöttischer Gesichtsausdruck empörte sie dermaßen, dass sie mit Kenntnissen herausplatzte, die sie eigentlich lieber hatte verschweigen wollen. »Wissen Sie, wie oft ich ihn, wenn ich Nachtdienst hatte, reden gehört habe?«

»Selbstgespräche im Delirium!«, brummte der Arzt. »Sauerstoffmangel. Seine Lunge erstickte im Schleim, und ein mit Sauerstoff unterversorgtes Gehirn spinnt.«

»Ach ja? Er redete aber nicht etwa mit sich selber, sondern mit einer anderen Person! Jemand, der keckerte und schnatterte und lachte, wie ich noch keinen Menschen lachen gehört habe, und der sich nie blicken ließ, egal, wie schnell ich die Tür aufmachte!«

Der Doktor zuckte gleichgültig mit den Schultern. In seinem nüchternen und arbeitsreichen Leben gab es keinen Platz für Gespenster.

»Sehen Sie zu, dass Sie fertig werden!«, schnauzte er die Pflegerin an, die bereits ihren Mantel anzog. »Ich hab noch anderes zu tun, und wenn Sie rumtrödeln, dann fahre ich allein.«

Schwester Birgitta machte sich ein letztes Mal auf den Weg durch das Haus, das den Namen »Northmans Home« trug. Schöner Idiot, der einen Haufen Geld ausgegeben hatte, um sich hier in der Wildnis von Gloucestershire einen solchen Palazzo Protzo hinstellen zu lassen! Aber vielleicht ganz praktisch, wenn man mit seinen Geschäftsfreunden diskrete Orgien feiern wollte – Doktor Hopkins hatte einmal etwas über eine ziemlich unsaubere Vergangenheit des Hauses angedeutet.

Ihr Blick glitt über das prunkvolle, aber kalt und ungemütlich wirkende Domizil, in das der Kunsthändler Howard Crowfield sich nach dem großen Skandal in seinem Leben zurückgezogen hatte. Ein kränkelnder Einsiedler und Menschenfeind, hatte er den größten Teil des Personals entlassen, alle Beziehungen zu seinen früheren Freunden abgebrochen und nur ein paar zwielichtige Gestalten in seiner Nähe geduldet.

Die Villa Northmans Home, früher beinahe ein Bordell, war längst ein Museum. Teile waren sogar tatsächlich mit dicken roten Kordeln abgesperrt. Alles in schneeweiß, cremefarben und korallenrot, mit jeder Menge unnötiger Schnörkel. Etwas verblasst, aber ausgezeichnet erhalten.

Eine Halle wie eine Barockkirche, drei Stockwerke hoch, mit einer bemalten, kuppelförmigen Decke, auf der rosa Wölkchen in einem azurblauen Himmel schwebte und Schäferinnen mit hübschen Knaben tanzten. Fünf Meter hohe Räume mit Kachelöfen, die einen Appetit wie ein Krematorium haben mussten, aber natürlich seit ewigen Zeiten nicht mehr beheizt worden waren.

Von den Möbeln hatte Birgitta nicht viel gesehen, die waren alle mit Tüchern bedeckt, ebenso wie die staubdicht in Musselin-Säcke verpackten, riesigen Kristalllüster und die Gemälde, alle von enormer Größe, im Treppenhaus. Crowfield hatte sich um den architektonischen Luxus, der ihn umgab, seit Jahren nicht mehr gekümmert.

Er hatte die Abenddämmerung seines Lebens in einer Suite im obersten Stockwerk verbracht, nicht größer, als er sie in einem mittleren Hotel auch bekommen hätte. Die kunstvoll ausgestatteten Konferenz- und Gesellschaftsräume, in denen englische und walisische Geschäftsleute einst ihre Besprechungen abgehalten und ihre hemmungslosen Partys gefeiert hatten, waren ihm ebenso gleichgültig geworden wie der einstmals barocke Garten und das Jagdrecht in der unheimlichen Wildnis des Forest-of-Dean.

Nahe dem Ausgang lagen die beiden Hunde, Tom und Jerry (Himmel, was für Namen für solche Unholde!), denen der verstorbene Kunsthändler so viel Fürsorge hatte zukommen lassen, obwohl er sie ganz offensichtlich gehasst hatte. Sie waren von beachtlicher Größe und hatten eine gewisse Ähnlichkeit mit den zotteligen Owtscharki, den russischen Schäferhunden, die die Wölfe von den Herden fernhielten, waren aber gelb und braun gefleckt. Zu seltsam buckligen Rücken und klobigen Pfoten hatten sie stumpfe, bleigraue Schnauzen und ungewöhnlich große Ohren, die wie Lattichblätter geformt und dünnhäutig wie Fledermausflügel waren. Schön waren nur ihre klaren, bernsteinfarbenen Augen.

»Bah, werde ich froh sein, wenn mir diese Werwölfe nicht mehr über den Weg laufen!«, flüsterte Schwester Birgitta. »Der ganze Wald ist verhext, und das Haus mit ihm! Eigentlich sollte hier keine elegante Villa stehen, sondern ein schwarzer Turm oder ein Spukschloss mit grinsenden Gargylen!«

Doktor Hopkins, der eine boshafte Ader hatte, konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihr offensichtliches Unbehagen noch weiter anzufachen. Er beugte sich vertraulich vor und dämpfte die Stimme.

»Haben Sie sich nie gefragt, wieso die Villa Northmans Home genannt wurde?«

Die Pflegerin zuckte ratlos mit den Schultern. »Vielleicht hieß der ursprüngliche Erbauer so, oder es ist eine Anspielung auf die Wikinger, die Nordmänner – die haben doch irgendwann in grauer Vorzeit England erobert, oder?«

»Nein, mit Wikingern hat der Name nichts zu tun. Er ist ein absichtlicher oder unabsichtlicher Schreibfehler. Northmans Home heißt mit richtigem Namen NODENS HOME, Tempel des Gottes Nodens.

Ein solcher Tempel stand hier. In der vorrömischen, keltischen Mythologie ist Nodens der Gott der Heilkunst und der Hüter und Beherrscher der Hunde, also eigentlich ein guter Kerl, wie Apollo und späterhin Asklepius. In derselben Mythologie sind Hunde eng mit der Heilkunst und dem Seelenheil verbunden. Sie sind Psychopompen, Seelenführer, Seelenbegleiter von dieser Welt in die Anderwelt Annwfyn – wird A-no-un ausgesprochen.

Also, sehen Sie sich Tom und Jerry gut an, dann können Sie Ihren Kolleginnen erzählen, Sie hätten zwei Hunde gesehen, die direkt aus der Unterwelt zu uns heraufgestiegen sind. Die Fundamente von Nodens Tempel sollen sich nämlich genau dort befunden haben, wo heute die Grundmauern von Northmans Home stehen – der Keller und die Gruft. Und die beiden – Sie wissen doch, wie treu Hunde sind – bewachen jetzt das Haus, das seit mehr als zweihundert Jahren an der Stelle des ehemaligen Tempels ihres Herrn steht.«

Birgitta schüttelte heftig den Kopf und umklammerte mit kalten Händen ihre Reisetasche. »Hören Sie auf! Das erzählen Sie mir doch nur, um mich nervös zu machen.«