Gespenster-Krimi 129 - Camilla Brandner - E-Book

Gespenster-Krimi 129 E-Book

Camilla Brandner

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Beschreibung

Ihre seelenvollen blauen Augen waren angsterfüllt, als ihr der Keuschheitsgürtel um den Schambereich geschnallt wurde. Die hübsche Frau mit den blonden Locken war heute der Mittelpunkt einer spiritistischen Beschwörung im Kristalltempel am Stadtrand von London. Unter dem lieblichen Gesang der Anbetung wurde sie in einem Brautkleid zu einem Himmelbett geführt. So lange hatte sie auf diesen Moment gewartet, aber jetzt fühlte sie sich, als würde sie lebendig begraben. Ein durchsichtiger Dämon ließ sich auf ihr nieder, stach seinen Rüssel durch ihr Fleisch und hinterließ etwas Unheilvolles in ihrem Unterleib.


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Inhalt

Cover

Die Nachstellungen des Teufels

Vorschau

Impressum

Die Nachstellungen des Teufels

Von Camilla Brandner

Ihre seelenvollen blauen Augen waren angsterfüllt, als ihr der Keuschheitsgürtel um den Schambereich geschnallt wurde. Die hübsche Frau mit den blonden Locken war heute der Mittelpunkt einer spiritistischen Beschwörung im Kristalltempel am Stadtrand von London. Unter dem lieblichen Gesang der Anbetung wurde sie in einem Brautkleid zu einem Himmelbett geführt. So lange hatte sie auf diesen Moment gewartet, aber jetzt fühlte sie sich, als würde sie lebendig begraben. Ein durchsichtiger Dämon ließ sich auf ihr nieder, stach in ihr Fleisch und hinterließ etwas Unheilvolles in ihrem Leib ...

Lord Murgatroyd zog die Lampe näher heran und fuhr mit seinem gichtknotigen Zeigefinger die geschnörkelten Schriftzeichen auf dem Pergament entlang.

»Wie man einen Schattenleib erschafft:

Wenn einer, da er alt geworden ist, wieder jung sein möchte, so muss er Folgendes tun: Nimm ein männliches Kind, in den Raunächten zwischen Weihnachten und Dreikönigstag geboren und noch keinem Gott geweiht. Wenn dasselbe in die Welt kommt, fahre hinein und mache deine Seele an der seinigen fest; dazu hilft dir die Beschwörung des Dämons, welchen ich angegeben habe. Er wird mit einem Tropfen Blut deine Essenz in die seine mischen. Von da an kannst du zu jeder Zeit deinen Leib mit dem seinen tauschen. Aber sei klug und warte, bis er erwachsen ist und gelernt hat, was du ihn lehren willst. Denn welchen Nutzen willst du von einem kleinen Kind haben? Und achte darauf, dass du den bösen Geist in engen Ketten und allezeit unter Salomons Siegel hältst, denn er ist listig und wird alles tun, dich zu betrügen.«

Draußen jaulte der Frühlingssturm über London und prallte so wütend gegen das Gemäuer, dass die Lamellenläden an den hohen, gotischen Fenstern rasselten. Die Lampe flackerte, und für einen Augenblick erschienen die Schriftzeichen wie Gewürm, das auf dem staubigen Pergament herumwimmelte.

Dieser Raum im höchsten Turm von Murgatroyd Manor war allein dem Lord und seinen beiden vertrautesten Dienerinnen – den Schwestern mit Namen Ghislaine und Anthea – vorbehalten. Er war achteckig, wie der gesamte Turm. Sein spitzes Dach saß ohne Zwischendecke wie der Deckel einer Zuckerdose auf den Mauern, sodass man durch das Gebälk bis zur Turmspitze hinaufsehen konnte.

Es gab gute Gründe, warum den Raum niemand betreten durfte. Denn im steinernen Fußboden war ein Teufelsstern – zwei ineinander verflochtene Dreiecke mit der Zahl 666 in der Mitte – aus schwarzem Granit eingelassen. In einem Winkel stand eine pyramidenförmige Kommode. Sie enthielt allerlei Zubehör wie Kerzen, Knochen, Alraunen und Räucherwerk, auf welches sich nur ein Nekromant einen Reim machen konnte. Ein Tisch aus Zedernholz und ein Lehnstuhl bildeten die restliche Einrichtung.

Auf dem Tisch stand eine kupferbeschlagene Kassette, in der Lord Murgatroyd seine Korrespondenz aufbewahrte – Briefe von Gleichgesinnten aus aller Welt. Einem unbedarften Dritten erschienen sie als harmloser Briefwechsel unter Freunden über allerlei Geschäfts- und Familienanliegen. Aber wenn ein Kundiger ein phosphoreszierendes grünes Pulver darüber streute, verschwanden die Täuschungen und die eigentliche Nachricht kam zum Vorschein.

Das Papier war vergilbt, die Tinte bereits verblasst, sodass es schwierig war, die in Schnörkeln geschriebene Schrift zu entziffern. Die geheime Botschaft hatte dem Lord ein Spanier aus Kuba gesendet, dessen Vorfahren seit Jahrhunderten Zauberer gewesen waren. Sie wurden von mächtigen Dämonen beschützt und fürchteten weder die Heilige Inquisition noch die Hexenjäger des Königshauses. Tatsächlich waren einige von ihnen selbst sehr erfolgreiche »Witchfinder« gewesen, die ihre Kunst dazu nutzten, die schwächere Konkurrenz auszurotten. Selbst um die Mitte des 19. Jahrhunderts war es noch ratsam, vor ihnen auf der Hut zu sein.

Der alte Lord, der die Botschaft mit so lebhaftem Interesse las, war einer der bedeutendsten Männer Londons – und ein Mächtiger in den Kreisen der Nekromanten. Er war von hohem Adel und schwerreich, dabei boshaft und den Menschen feind wie ein Kobold. Das sah man auch seinem Äußeren an. Ein mächtig gewölbter, halb kahler Schädel saß auf einem dürren Hals. Sein Gesicht war geprägt von einem schlaffen Mund und winzigen, kohlschwarzen Augenschlitzen unter geschwollenen Lidern.

Jeder Zug daran verriet den Geist, der in diesem hochgewachsenen, hageren Körper mit dem übergroßen Kopf steckte: Intelligenz, Hochmut, eiserner Wille, Bosheit und eine morbide Liebe zur Finsternis – wie mit Buchstaben geschrieben standen sie auf seinem Gesicht.

Es kümmerte ihn nicht. Er erinnerte sich mit Vergnügen an das Kind einer Dienerin, das bei seinem Anblick mit ängstlich wispernder Stimme die Mutter gefragt hatte: »Mama, ist der garstige Mann da der Teufel?«

»Ja, und heute um Mitternacht komme ich dich holen!«, hatte er krächzend, mit böse blitzenden Augen geantwortet und sich daran erfreut, wie der Balg sich kreischend unter den Röcken der Mutter verkroch.

Murgatroyd war Eigentümer eines Herrenhauses an der Grenze von London und zugleich Schutzherr einer spiritistischen Kirche, die ihre Séancen in einer ehemaligen Friedhofskapelle auf seinem Grund und Boden abhielt. Daran war im viktorianischen England nichts Ungewöhnliches. Klopfgeister, automatisches Schreiben und Erscheinungen verstorbener Verwandter waren ein beliebter Zeitvertreib.

Selbst hoch gebildete Leute wie der Schriftsteller Arthur Conan Doyle beschäftigten sich ernsthaft damit, ja, sogar Ihre Majestät Königin Victoria hatte eine Schwäche für die neue Religion. Und für den Lord war der Spiritismus eine gar nützliche Tarnung für schwarzmagische Künste, die er vollzog. Die galt es sorgfältig zu verbergen. Es gab zwar keine »Witchfinder« mehr, die jeden Verdächtigen in die Folterkammer und auf den Scheiterhaufen schleppten, aber es gab eine tüchtige Polizei, argwöhnische Behörden und strenge Gesetze – beispielsweise für den Fall, dass Kinderleichen mit durchschnittener Kehle gefunden wurden.

Das war auch der Grund, warum er auf die altbewährten, blutigen Methoden der Verjüngung verzichten wollte und sich nun für diesen umständlichen, aber unauffälligen Weg der Erschaffung eines Schattenleibs entschieden hatte.

Die Polizei konnte ihm nichts nachweisen, und die Skeptiker würden darüber lächeln, dass man dergleichen überhaupt für möglich hielt.

Mit einer Klingel rief er seine beiden Dienerinnen. Zwei schöne junge Frauen erschienen, die eine bleich und schwarzhaarig wie Schneewittchen, die andere blond mit grünen Augen.

Auf seinen Befehl hin legten sie eilig ihre Kleider ab und bereiteten, splitternackt von Kopf bis Fuß, mit flinken Händen die Beschwörung vor.

Der Lehnstuhl wurde in die Mitte des Achtecks geschoben, genau auf das sechszackige Teufelszeichen, und vor den Stuhl ein bauchiges gläsernes Gefäß gestellt, das eine Flasche oder Urne sein mochte. Anschließend halfen sie dem Greis, sich seiner Kleider zu entledigen und ein knöchellanges, weites und wallendes Hemd anzulegen, das mit schaurigen fremden Bildern und Zeichen bemalt war.

Nachdem Murgatroyd sich, mit dem Schutzgewand bekleidet, in den Stuhl gesetzt hatte, den er nun bis zum Ende der Beschwörung nicht mehr verlassen durfte, zogen sie mit Kreide aus gemahlenen Menschenknochen einen Kreis um das sechszackige Teufelszeichen. Außerhalb dieses Kreises zeichneten sie zwölf verschnörkelte Symbole, die den Tierkreiszeichen ähnelten, deren Bedeutung aber nur Zauberer kannten. Zwischen diese Zeichen stellten sie weiß gebleichte Totenköpfe, die als Kerzenhalter dienten: In einer Grube auf ihrem Scheitel steckte jeweils eine schwarze Kerze.

Als alles bereit war, zogen die Frauen sich eilig wieder an und verschwanden, denn der zur Beschwörung vorbereitete Raum war ein gefährlicher Ort geworden. Die Luft vibrierte vor Spannung wie kurz vor einem Gewitter. Blaue Flämmchen flackerten in den Ecken und rund um den Zauberkreis.

Der Wind draußen, so schien es, war jetzt völlig verstummt, die Fensterläden rasselten nicht mehr. Dafür ertönten aus allen Ecken des Zimmers seltsame, zugleich süße und widerwärtige Töne. Die Lampe war erloschen. Im Kerzenlicht sprangen groteske Schatten hin und her, als führten sie einen Reigentanz auf. Sie wirkten so lebendig, dass man meinen konnte, sie wollten jeden anspringen, der ungeschützt durch den Turm ging – und genau das hätten sie auch getan.

Nun aktivierte der Lord den Kreis, indem er ein Pulver in alle Richtungen streute. Es flammte kurz mit phosphoreszierender Flamme auf, grün wie Nordlichter, und erlosch wieder. Im Inneren des Schutzkreises sitzend, nahm er den Zettel zur Hand, auf dem der kubanische Zauberer Don Nelio den Namen eines geeigneten Dämons aufgeschrieben hatte, und der Lord begann mit brüchiger Stimme seine Beschwörung.

Für einen nicht Eingeweihten hätte es absonderlich, ja, lächerlich ausgesehen, wie ein klappriger Greis im Kerzenschein auf seinem Lehnstuhl hockte und, den Kneifer dicht vor die Augen haltend, mit stockender Stimme ablas: »Ich beschwöre dich, du Dämon namens ...«

Sorgfältig sprach er jeden Buchstaben des Namens aus, ängstlich bemüht, nur ja keinen Fehler zu machen. Diese Kreaturen nahmen es sehr genau damit, wer da gerufen wurde. Das wusste der Lord nur zu gut. Denn in seiner unerfahrenen Jugend war es ihm schon passiert, dass durch die Verwechslung eines Buchstabens statt eines vergleichsweise harmlosen Familiaren ein riesenhaftes Scheusal mit einem Stierschädel erschienen war. Es hatte von innen heraus wie Kohle im Kamin geglüht und mit fürchterlichem Gebrüll zu wissen verlangt, was er von ihm wollte. Ein zweites Mal sollte ihm das nicht passieren.

Stets auf das Pergament konzentriert, blickte er weder links noch rechts, bis er mit der Berufung fertig war und sie mit einem gellenden »Hyai!« beschloss. Das war die direkte Aufforderung an das Geschöpf der Unterwelt, aus seiner Dimension aufzutauchen und sich zu zeigen.

Don Nelio hatte ihm nichts davon gesagt, in welcher Gestalt es sich zeigen würde. Deswegen war er überrascht, als kein Monstrum erschien, sondern ein blasses, halb durchsichtiges Geschöpf, das wie ein riesiger Flederwisch in der Luft vor ihm schwebte. Mit unglaublicher Beweglichkeit schlug es Kapriolen. Dabei streckte es seine fahlweißen Gliedmaßen aus. Oder waren es Tentakeln? Nesselfäden? Gräten?

Lord Murgatroyd wies auf das offene Gefäß. »Hinein mit dir, Sohn der Finsternis!«

Das Geschöpf gehorchte, und er drückte blitzschnell den bleiernen Korken in den Hals der Flasche. Salomons Siegel war darauf eingeritzt, der sechszackige Stern, Symbol der Macht des historischen Königs von Israel, dessen Weisheit ihm Macht über alle bösen Geister verliehen hatte. Er unterschied sich von dem Teufelstern dadurch, dass er aus zwei übereinander liegenden statt zwei miteinander verflochtenen Dreiecken gebildet wurde und galt den Christen, Juden und Muslimen gleichermaßen als das stärkste Mittel zur Bezwingung von Geistern.

Während das Geschöpf in der gläsernen Urne hin und her hüpfte und wedelte wie ein Haufen weißer Seetang in einem Wasserwirbel, beschäftigte Montgomery Murgatroyd sich damit, die Beschwörung aufzulösen. Mit jedem heiseren Wort, das er aussprach, ebbte die Spannung im Raum. Die giftig süßen Töne verklangen. Die grünen Flämmchen erloschen. Die unnatürliche Stille wich dem neuerlichen Jaulen des Frühlingssturms.

Der Alte erhob sich mühselig und rief nach den Dienerinnen, die vor der Tür gewartet hatten. Sie eilten herein, wischten den Zauberkreis weg, halfen ihrem Meister aus dem Schutzhemd und zogen ihm wieder seine Wäsche und den kostbaren Schlafrock an. Zuletzt stellten sie die bauchige Flasche auf den Tisch und zogen sich zurück.

Murgatroyd ließ sich ächzend in seinen Lehnstuhl sinken. Amüsiert betrachtete er, wie das offensichtlich erboste Geschöpf in der Flasche hin und her sprang und mit allen seinen Armen um sich peitschte. Wie alle Dämonen, hatte es kein Vergnügen daran, in den Dienst eines Menschen gezwungen zu werden. Schon jetzt grübelte es darüber nach, wie es sich von ihm befreien und ihm die Gefangenschaft heimzahlen könnte. Aber unter Salomons Siegel war es so sicher gefangen wie ein Verbrecher im Londoner Newgate Prison.

Murgatroyd seufzte tief. Der erste Teil des Unternehmens war gelungen. Er hielt den Dämon fest in der Hand. Was weiter geschehen würde ...

Er konnte nur hoffen, dass die Kreatur tatsächlich in der Lage war, ihm zu helfen, denn die Formel auf dem Pergament stellte strikte Bedingungen: »Ein männliches Kind, geboren zwischen Weihnachten und Dreikönigstag, und keinem Gott geweiht« – was hieß, dass es weder getauft noch beschnitten sein durfte. Davon gab es nicht allzu viele in London.

Und selbst wenn es ihm gelungen wäre, ein solches Kind ausfindig zu machen und es sich anzueignen – er wollte nicht dem Zufall überlassen, zu welcher Art Mann es heranwachsen würde! Er hatte keine Lust, sein zukünftiges Leben in einem missratenen Leib zu verbringen, womöglich noch mit einem schwachen Verstand. Es war ihm also bald klar geworden, dass er selbst dafür sorgen musste, dass sein zukünftiger Leib zur rechten Zeit gezeugt und in den Raunächten geboren wurde.

Dazu brauchte er eine willige und ihm völlig ergebene Frau. Der spiritistische Tempel war ihm dabei sehr gelegen gekommen. Die Gemeinschaft bestand aus Männern und Frauen, Jungfern und Jünglingen, sehnsüchtigen Träumern, reichen Exzentrikern, vor allem aber Frauen jedes Alters aus wohlhabenden, großbürgerlichen Familien. Viele waren schön und anmutig. Eine aber überstrahlte sie alle wie die Venus die übrigen Planeten ... und ihm war es gelungen, sie in seine Netze zu ziehen.

Er öffnete das oberste Fach der pyramidenförmigen Kommode und entnahm ihm das Miniaturbildnis einer jungen Frau. Sein Blick haftete gierig auf dem bleichen, ovalen Gesicht mit den seelenvollen blauen Augen, um das eine Kaskade blassblonder Locken weit über die Schultern herabfiel.

Nicht, dass sie irgendeine körperliche Lust in ihm erregte. Dazu war sein gebrechlicher Leib nicht mehr fähig. Und wie alle bedeutenden Nekromanten hatte er zeitlebens nur zwei Wege zur Wahl gehabt: Askese oder hemmungslose Ausschweifung. Einen Mittelweg gab es nicht – kein Zauberer war ein Familienmensch. Lord Murgatroyd hatte es vorgezogen, seine Kräfte in seinen magischen Energien zu bündeln.

Deshalb betrachtete er sie jetzt nur als die Mutter seines Schattenleibs, in den er sich vor dem Alter und dem sonst unausweichlichen Tod flüchten konnte. Und er wog ihre Vorzüge unter diesem Aspekt.

Heloise Sarrazin war nicht nur eine junge und sehr schöne Frau, sondern auch ungewöhnlich okkult begabt und dem Spiritismus mit Leib und Seele ergeben. Sie hatte in seinen Augen nur einen bedenklichen Nachteil: Sie war eine gute und ehrbare Frau. Niemals hätte sie irgendwelchen schwarzmagischen Zeremonien zugestimmt. Aber sie war auch einfältig und leicht zu täuschen. Sie wünschte sich nach ihrem ersten Sohn leidenschaftlich einen zweiten, und es war nicht schwierig gewesen, ihr einzureden, dass himmlische Geister sie auserwählt hätten, ein wunderbares Kind zur Welt zu bringen.

Von der Inkubation durch den Dämon würde sie nichts erfahren, die ging wie im Traum vor sich. Vor allem aber musste der alte Lord nach der Geburt die Kontrolle über den Jungen behalten, damit er ganz in seinem Sinne erzogen und ausgebildet wurde und ihm zum gewünschten Zeitpunkt bedingungslos zur Verfügung stand. Schon längst hatte er sich bei Heloise als Pate eines zukünftigen Kindes angeboten. Das war mit beinahe kniefälliger Dankbarkeit angenommen worden. Heloise war Wachs in seinen Händen. Sie fürchtete ihn ebenso sehr, wie sie ihn sklavisch verehrte.

Lord Murgatroyd rieb sich die knochigen Hände. Er trat ans Fenster und öffnete einen der schmalen, spitzbogigen Flügel, um den Dampf und Rauch der Beschwörung aus dem Erkerzimmer zu lüften.

Sein Blick glitt über den von Ziegelmauern umschlossenen Park. Im 17. Jahrhundert hatte das Anwesen noch weitab der Stadt gelegen und war einst eine Welt für sich. Aber inzwischen hatte London seine vom Ruß der Fabriken schmutzigen Finger nach allen Seiten ausgestreckt, und Murgatroyd Manor lag nun gefährlich nahe am Rand der belebten Stadt.