Gespenster-Krimi 34 - Camilla Brandner - E-Book

Gespenster-Krimi 34 E-Book

Camilla Brandner

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Beschreibung

Der große weiße Vogel mit dem messerspitzen Schnabel stakste lautlos durch das Schilf, visierte den ahnungslosen Frosch an, der auf einem Stein am Rand des Teichs hockte und gemächlich seinen Hals aufblähte, als wollte er sich bereits für das abendliche Konzert einstimmen.
Der Rest war Routine. Der rote Schnabel schoss vor, packte die zappelnde Beute, würgte sie mit einer viel geübten Schlingbewegung hinunter und machte sich daran, nach weiteren Fröschen zu suchen. In seinem Magen war noch eine Menge Platz ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Brut aus der Gräberstadt

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati/BLITZ-Verlag

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9227-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Brut aus der Gräberstadt

von Camilla Brandner

Der große weiße Vogel mit dem messerspitzen Schnabel stakste lautlos durch das Schilfgras, visierte den ahnungslosen Frosch an, der auf einem Stein am Rand des Teiches hockte und gemächlich seinen Hals aufblähte, als wollte er sich bereits für das abendliche Konzert einstimmen. Der Rest war Routine. Der rote Schnabel schoss vor, packte die zappelnde Beute, würgte sie mit einer viel geübten Schlingbewegung hinunter und machte sich daran, nach weiteren Fröschen zu suchen. In seinem Magen war noch eine Menge Platz.

Dann stockte er plötzlich. Ein Zittern durchlief seinen Körper. Die Flügel schlugen krampfhaft. Er krümmte sich, als wollte er den eben verschlungenen Frosch wieder herauswürgen, aber der schwoll in seinem Hals zur Größe eines Fußballs an, mit einer solchen Geschwindigkeit, dass der entsetzte Storch kaum noch spürte, wie sein Hals zerplatzte. Zwischen den blutigen Federn und Sehnen, die wie zerrissene Bänder im Gras lagen, kroch mit zähem, gelbem Schleim bedeckt etwas heraus, das zugleich Schlange und Kröte zu sein schien. Es drehte sich kurz um und zeigte dem Kadaver des Storchs triumphierend eine Reihe von scharfen Zähnen, dann verschwand es halb hopsend, halb schlängelnd im Gras …

»Mama, dürfen wir drüben am Froschteich spielen? Es ist so heiß, und dort können wir die Füße ins Wasser stecken.« Die achtjährigen Zwillinge Peter und Heide warfen ihrer Mutter flehentliche Blicke zu.

»Meinetwegen. Aber lasst die Tiere in Ruhe, werft nicht mit Steinen nach ihnen, und fasst sie nicht an.«

Susanne Anschütz war in Gedanken schon wieder bei ihrer Arbeit. Großwaschtag und noch zwei Maschinen mit Wäsche zu füllen, da hatte sie keine Zeit, ständig auf die Kinder aufzupassen, und so klein waren die ja nicht mehr.

Außerdem war der Froschteich ein ungefährlicher Spielplatz, gerade einmal knietief, und es gab in dem schlierig grünen Wasser weder Blutegel noch anderes ekelhaftes Geziefer. Die Frösche und Kröten waren die Alleinherrscher dort. Abends quakten sie im Chor, dass Susanne meinte, man müsste sie im gesamten Bruchtal hören, aber im Übrigen waren sie harmlos, sogar nützlich. Sie schnappten schädliche Insekten weg, und so groß, wie sie waren, verschluckten sie jeden Tag eine ganz beträchtliche Menge Fliegen und Würmer.

Susanne hatte noch nie so große Frösche und Kröten gesehen. Die dicksten unter ihnen wogen garantiert ein Kilogramm. Aber Frösche konnten weder beißen noch sich an den Waden festsaugen und ekelhafte Wunden hinterlassen. Sie waren harmlos.

Vollkommen harmlos.

Etwa eine halbe Stunde hörte sie noch, ohne dem Gehörten viel Bedeutung beizumessen, wie die Kinder im Wasser plantschten. Sie sangen ein Lied dabei, das ihnen die Nachbarskinder beigebracht haben mussten, denn Susanne hatte es niemals zuvor gehört, und der Text erschien ihr vollkommen sinnlos:

Hutzl grün und klein,

Hutzlbein,

Hutzlbeins Hündchen,

Hutzl hin und her,

bring deine Schatzkiste – voll und nicht leer.

Ein paar Mal hintereinander sangen sie es, wobei sie rhythmisch in die Hände klatschten. Dann hörte die Mutter die kleine Heide rufen: »Guck mal, Peter, ist das nicht komisch? Da dreht sich das Wasser im Kreis, und es macht Blasen wie Seifenschaum.«

»Dreht sich im Kreis?«

»Ja, wie in einem Abfluss, und – Peter! Peter! Bitte komm her, das ist unheimlich! Das Wasser ist doch nicht tief, aber hier steh ich bis zum Bauch drin! Und es krabbelt was am Boden herum, wie ein Haufen Schlangen!«

»Komm eben weg dort, statt herum zu jammern! Was du immer …«

Statt einer Antwort ertönte eine Folge von Geräuschen, die Susanne zu Eis erstarren ließen. Ein Rauschen, ein Schlürfen und Schlucken, das tatsächlich klang, als strudelte Wasser mit großer Geschwindigkeit in einen Abfluss, dann ein Klatschen und Patschen, als wälzte ein schwerer Leib – ein sehr seltsam gestalteter Leib – sich aus dem Wasser. Das Schlimmste aber waren die Schreie der Kinder, erst erstaunt, dann erschrocken, dann in Todesangst … und plötzlich verstummt.

Susanne stürzte aus dem Haus, zum Teich hinüber. Rannte atemlos zu der Stelle, wo der Teich verschwunden war!

Statt der runden, trüben Wasserfläche, die kaum fünfzehn Meter im Durchmesser erreichte, gähnte ein schlammiger, steilwandiger Trichter, die Erdwände bedeckt von übel riechendem Schleim … und darin lagen eine Unzahl roter, blutiger Brocken von Fleisch und Knochen, Eingeweiden und Haaren, die einmal Heide und Peter Anschütz gewesen waren.

Irgendetwas in dem knietiefen Wasser musste sie wie mit Krakenarmen umschlungen, wie mit Krokodilzähnen gepackt und mit der Geschwindigkeit eines mechanischen Mahlwerks in Stücke gerissen haben, von denen keines größer war als eine Männerfaust. Die beiden Köpfe allein waren noch da, als hätte das Monstrum im Teich es nicht geschafft, die starken Schädelknochen zu zerbeißen, aber die Gesichter waren nur noch zwei bluttriefende Masken, ohne Nasen, ohne Augen und Ohren, halbnackte Knochen, an denen Fleischfetzen herabhingen.

Sie ruhten auf einem grausigen, dick aufgeblähten braun-grünen Kissen, das den tiefsten Teil des Trichters füllte, als hockte dort eine gewaltige Warzenkröte im Schlamm.

Aber noch während Susanne Anschütz mit einer Ohnmacht rang, verflüssigte es sich vor ihren Augen, sank in sich zusammen und schlüpfte in einen senkrechten Tunnel, der tatsächlich nicht größer als ein Ausguss war.

Dann schloss sich das Loch.

»Mach was draus!«, befahl Chefredakteur Ollmüller und klatschte seinem Untergebenem die Mappe mit Zeitungsausschnitten und Fotos auf den Schreibtisch.

Jens Heilbach rümpfte die Nase wie ein misslauniger Hund. »Und was, bitte schön, soll ich da noch draus machen? Die Geschichte ist fünf Jahre alt, der Täter wurde nie gefunden, die Mutter hat sich umgebracht, der Teich ist zugeschüttet worden …«

Der Beilagen-Redakteur war ein schlanker Mann unbestimmbaren Alters, mit gelblich fahler Haut, listig verkniffenen Zügen und stets argwöhnisch funkelnden Augen. Er trug eine bläulich getönte Brille an einem Goldkettchen, die er immer von Neuem aufsetzte und dann wieder um den Hals hängen ließ, als könnte er mit und ohne diese Hilfe nicht richtig sehen.

Sein schlaffes schwarzes Haar fiel in einem ungeschnittenen und ungekämmten Schopf von der Stirn bis tief in den Nacken. Er trug sommers und winters dieselbe Kleidung, Jeans, Stiefel und eine derbe, ockerfarbene Lederjacke, die im Zweiten Weltkrieg zur Montur eines Jagdfliegers gehört hatte.

Es gab kaum jemanden, der ihn mochte, aber seine scharf gewürzten Geschichten erhielten Ollmüllers kümmerliches Blättchen am Leben.

Ollmüller wandte sich bereits zum Gehen. »Mir egal, was du draus machst. Wir haben Saure-Gurken-Zeit, und ich brauch für die Beilage was in der Kategorie Ungelöste Rätsel. Übrigens ist dort oben, wo die alte Arme-Sünder-Kirche »Am Himmel« stand, jetzt eine Baustelle, kannst ja die Arbeiter fragen, ob sie was Geheimnisvolles gehört haben – unheimliche Geräusche aus dem Bohrloch oder dergleichen. Wenn sie dir nichts erzählen, schreib es trotzdem. Du bist ja immer der mit den tollen Einfällen.«

Damit ließ er seinen Untergebenen allein.

Jens schnitt eine grämliche Grimasse, aber in Gedanken arbeitete er schon an dem Beitrag. Er war ein Vollblutjournalist, der über alles schreiben konnte, auch wenn es nichts zu schreiben gab, und aus jeder Mücke einen zwei Doppelseiten füllenden Elefanten machte. Außerdem: Wenn er sich recht erinnerte, war der bescheidene Hügel weit draußen am Stadtrand ein Ort, der schon öfter in der Kategorie Ungelöste Rätsel erwähnt worden war.

Er zog seinen Laptop zu sich heran und begann, in den Archiv-Dateien der Zeitung zu suchen.

Sein erster Fund stammte von einer biederen volkskundlichen Website und lautete:

Von der Kuppe des Himmelberges blickte man seinerzeit geradewegs in die Tiefe eines schacht- oder schlotartigen Einsturzes hinunter, was zu der volkstümlichen Bezeichnung »Himmel und Höll« für den Hügel und die dahinterliegende Schwarze Grube führte. Am Boden dieses Einsturzes befand sich die Öffnung einer großen, senkrecht abwärts führenden Doline, die in der Sage als Einstieg zur Hölle galt. In historischer Zeit soll sich hier ein Heiligtum des Hades, des Gottes der Unterwelt und des Totenreichs, befunden haben, weshalb der Ort auch ein Totentempel genannt wird. Die Ursprünge des Kultes sind unbekannt, doch soll über Jahrhunderte hinweg eine übel beleumundete Gemeinschaft dort ihre Gottesdienste abgehalten haben, zu denen angeblich auch Menschenopfer gehörten, vorzüglich von Kindern und jungfräulichen Mädchen.

In Zusammenhang damit stehen auch die Sagen von der Versunkenen Stadt, die dem Teufel verfallen und zur Strafe in den Tiefen der Erde versunken sein soll … Von dieser gesamten merkwürdigen geologischen Formation ist heute nichts mehr zu sehen. Beim Bau des Autobahnknotenpunktes wurde der Untergrund mit Stahlbeton stabilisiert und die gesamte Schwarze Grube zugeschüttet. Geblieben ist nur die kleine Schauhöhle auf der anderen Seite des Hügels, die als Versunkene Stadt eine Touristenattraktion bildet.

Das klang nicht sonderlich aufregend, aber nachdem er ein weiteres Dutzend Treffer heruntergeladen hatte, fand er den Auftrag schon beträchtlich interessanter.

Irgendetwas ging dort oben vor, das nicht so war, wie es sein sollte. Die meisten Leute waren der Meinung, dort seien ganz alltägliche Instandsetzungsarbeiten im Gange. In einer Großstadt wurde andauernd irgendwo gebohrt und gegraben, Leitungen wurden verlegt und Rohre repariert. Die Leute waren so daran gewöhnt, dass sie sich höchstens über Schlamm auf den Schuhen und lästige Umwege hinter den Absperrungen ärgerten.

Die Baustelle lag obendrein auf der einsamen Hügelkuppe, wo sie keinen Verkehrsstau verursachte, und so hatte es niemanden interessiert, als im Sommer ein paar große gelbe Baumaschinen und verschiedene Pkws die selten benutzte und daher schon ziemlich verfallene Himmelstraße hinauffuhren zu dem Ort, wo einmal eine Kirche gestanden hatte.

Sie war längst entweiht und zur Ruine geworden. Nur ein paar kolorierte Kupferstiche in alten Ansichten der Stadt erinnerten noch daran, dass sie einmal für ihr prächtiges Altarbild, in barocker Manier den geöffneten Himmel mit der Heiligen Dreifaltigkeit zeigend, bekannt gewesen war und ebenso für die Arme-Sünder-Messen, die dort jährlich einmal, zu Allerseelen, gelesen wurden.

In der Kirche hatten nämlich die traurigen Züge zur Richtstätte im »Kalten Bruch« angehalten, um den Delinquenten Gelegenheit zu einem letzten Gebet auf geweihtem Boden zu geben. Seit keine Hinrichtungen mehr stattfanden, hatten die Kirche und der zu ihr hinaufführende Kreuzweg mit seinen lebensgroßen Figuren allmählich an Attraktivität verloren, die Arme-Sünder-Messen nahmen ein Ende, die Kirche und der Kreuzweg verfielen gleichermaßen.

Und seltsam: Auch in modernen Zeiten mochte niemand den Ort, seinem frommen Namen zum Trotz. Spaziergänger verzichteten darauf, den Ausblick über das idyllische Bruchtal und die dahinter hingestreckte Stadt zu genießen. Liebespaare suchten sich andere Plätzchen, um ihre Autos abzustellen. Und selbst die Tiere mieden die Hügelkuppe, als sei etwas Giftiges daran, das sie instinktiv scheuten.

Es war der Presse also nur ein paar beiläufige Notizen wert, als die Baumaschinen einer Tiefbaugesellschaft anrückten und mitten im ehemaligen Kirchenschiff einen mächtigen Bohrer einsetzten. Der armdicke, rotierende Pfahl hatte kaum seinen Betrieb aufgenommen, als er schon im Leeren surrte.

Unter der Kirche hatte sich eine Krypta befunden. Die Bauarbeiter räumten Schutt und Erde weg, positionierten den Bohrer neu und starteten ihn. Ein paar Stunden werkte er wacker, dann stieß er wieder in ein halb verschüttetes Gewölbe vor. Das wiederholte sich drei oder vier Mal, bis der Bohrer endlich seine Arbeit ungestört tun konnte. Immer höher wurden die Erd- und Schutthaufen an den Rändern des abgesperrten Geländes.

Die Intelligenten und Gebildeten – zu denen Jens Heilbach auf jeden Fall gehörte – lasen noch etwas anderes aus den kurzen Nachrichten heraus, nämlich den Namen des Auftraggebers dieser seltsamen Bohrungen.

Wenn Professor Petrus Kollonis irgendwo an einem einsamen Ort in der Erde wühlte, dann suchte er dort ein Grab, und zwar kein gewöhnliches. Der Mann war hochgebildet, in Akademikerkreisen sehr geachtet und ein Altertumsforscher von Weltrang.

In Ägypten, im Irak und in den Wüsten Südamerikas hatte er zahlreiche bedeutende Begräbnisstätten freigelegt und sich dabei Ruhm und Reichtum gleichermaßen erworben. Grabstätten waren seine Leidenschaft, und so war es kein Wunder, dass er vor einem Jahr das verwahrloste Grundstück »Am Himmel« gekauft hatte, auf das bloße Gerücht hin, es befinde sich dort eine vorzeitliche Grabstätte von hoher Bedeutung, vielleicht sogar die Nekropole eines ganzen Volkes, die weit älter als die Pyramiden sein mochte.

Das wäre genau das, was Ollmüller sich für seinen Artikel über ungelöste Rätsel erwartete! Nicht aus wissenschaftlichem Interesse natürlich, sondern weil das Publikum gerne von finsteren Labyrinthen in der Tiefe, von monströsen, Menschen fressenden Kreaturen und vor allem von begrabenen Schätzen hörte. Und das mit den Menschenopfern klang auch nicht schlecht.

»Nur dass Jungfrauen heute schon schwer zu finden sind«, murmelte Jens Heilbach und grinste auf eine Art, die sein Gesicht noch hässlicher machte.

Er musste nur vorsichtig sein, wie er mit dem Gerücht umging, der angesehene Professor hätte Blut an den Händen: Mehrere seiner Konkurrenten auf dem Gebiet der Archäologie ebenso wie ein paar allzu neugierige Zeitungsleute waren auf verdächtige Weise zu Tode gekommen, als sie sich heimlich in seine stets gut bewachten Ausgrabungen einzuschleichen versuchten.

Heilbach war überzeugt, dass Petrus Kollonis bei seiner Jahrzehnte langen Arbeit an uralten Gräbern auch einiges über die Fallen gelernt hatte, die man zur Abwehr von Plünderern dort einbaute, und dass er dieses uralte Wissen bei Bedarf durch moderne Technik ergänzte.

Er ließ ja jeden, der es hören wollte, wissen, dass er aus ganzem Herzen an Grabflüche glaubte. Wenn ein neugieriger Konkurrent so unvorsichtig war, sich einem Fluch auszusetzen – war es dann etwa seine Schuld, wenn der Unglückliche ein jähes und grausiges Ende fand?

Heilbach betrachtete mit einem unangenehmen Gefühl im Rücken das Foto, das den ganzen Bildschirm seines Laptops ausfüllte. Er hatte schon vielerlei Grässliches gesehen, aber noch nie eine so schauderhaft zugerichtete und dabei so absonderlich aussehende Leiche wie diese, die hier am Rand einer Ausgrabungsstätte irgendwo im Fernen Osten auf dem Rücken lag.

Die Kleider ließen erkennen, dass es sich um einen höherrangigen, einheimischen Arbeiter, wahrscheinlich einen Vormann, gehandelt hatte, aber das war auch schon alles. Der Körper sah aus, als sei er erst völlig ausgeblutet, dann mumifiziert und zuletzt wie von einer Dampfwalze zerquetscht worden, sodass wenig mehr als ein Durcheinander staubiger grauer Bruchstücke übrig geblieben war.

Alle diese Bruchstücke waren mit dem rötlichen Staub des Grabungsschachtes und Spuren einer schleimigen Substanz bedeckt, die Säure sein musste, da sie sich durch die Kleider gefressen und brandige gelbe Flecken darauf hinterlassen hatte.

Und wie merkwürdig: Dergleichen war an verschiedenen Ausgrabungsorten in so weit auseinander liegenden Gegenden wie der Mongolei und der Sahara geschehen, geradezu, als hätte der Professor die mörderischen Grabwächter nicht am Ort vorgefunden, sondern selbst mitgebracht!

Jens Heilbach ließ seinem Chef die kurze SMS zukommen: Hab was. Bin dran. Dann machte er sich auf, die Schauhöhle »Versunkene Stadt« zu besichtigen.

Es war noch früh am Nachmittag, aber die Tage waren jetzt trüb und hässlich. Heilbach musste auf der Stelle die Scheibenwischer einschalten, als er sich an das Steuer seines kleinen, vom Leben ziemlich mitgenommenen Wagens setzte.

Es hatte zu schneien begonnen, wirbelnde Schwärme großer, blasser Schneeflocken, die sich weich auf die Windschutzscheibe setzten und dabei ihre kristalline Form verloren. Bald war die Scheibe getupft mit blassgrauen Klecksen.

Die Redaktion der Zeitung, für die er arbeitete, lag in beträchtlicher Entfernung von seinem Ziel, aber glücklicherweise hatte der Stoßverkehr zu Arbeitsschluss noch nicht eingesetzt, sodass er recht flott vorwärtskam.

Nach einer Weile fuhr er von der Stadtautobahn auf den Verbindungsast in Richtung Bruchtal ab. Die Ziegelmauern der Auffahrt endeten, und der Wagen glitt auf den Viadukt hinaus. Kein anderes Fahrzeug war in Sicht. Er war allein auf der hochgeschwungenen Brücke, die in vierzig schwindelnd hohen Bögen einen tiefen V-förmigen Spalt im Grundgestein übersprang.