Hinter verschlossenen Türen - Georg Markus - E-Book

Hinter verschlossenen Türen E-Book

Georg Markus

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Beschreibung

Wenn Wände sprechen könnten Schicksalhafte Begegnungen, Schauplätze für Liebe, Leidenschaft, Mord und politische Intrige – an kaum einem anderen Ort kommt es zu so vielen und so unterschiedlichen historischen Momenten wie hinter den verschlossenen Türen großer Hotels. Robert Kennedys Ermordung im Ambassador Hotel, Los Angeles Marlene Dietrich wird im Berliner Hotel Adlon entdeckt Kronprinz Rudolfs verbotene Treffen im Grand Hotel Caruso überlebt das große Erdbeben im Palace Hotel, San Francisco Das Ende des Spions Oberst Redl im Wiener Hotel Klomser Whitney Houstons Drogentod im Beverly Hilton Hitler residiert im Wiener Imperial Frank Sinatra, die Mafia und das Sands Hotel, Las Vegas Die Frau Sacher und ihr Hotel Das Attentat auf Ronald Reagan im Hilton, Washington Oscar Wildes Verhaftung im Cadogan Hotel, London Die letzten Stunden der Prinzessin Diana im Pariser Ritz Thomas Mann am Zauberberg Der Nixon-Krimi im Watergate Hotel Oskar Werners einsamer Tod im Hotelzimmer Billy Wilder als Eintänzer im Berliner Eden-Hotel Das Hotel, in dem Kaiserin Elisabeth starb Die Geheimtreffen der Monroe mit John F. Kennedy in New York Arthur Schnitzlers große Liebe in Kurhotel u. v. a. Mit zahlreichen Abbildungen

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GEORGMARKUS

Hinterverschlossenen Türen

GEORGMARKUS

Hinterverschlossenen Türen

Menschen im Hotel

Mit 91 Abbildungen

AMALTHEA

Besuchen Sie uns im Internet unter: amalthea.at

© 2016 by Amalthea Signum Verlag, Wien

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Elisabeth Pirker/OFFBEAT

Umschlagfoto: iStock.com

Herstellung und Satz: VerlagsService Dietmar Schmitz GmbH, Heimstetten

Gesetzt aus der 13/17,25 Goudy

Printed in the EU

ISBN 978-3-99050-050-7

eISBN 978-3-903083-33-2

Für Daniela,ohne die dieses Buchnicht entstanden wäre,in Liebe

INHALT

Erstaunliches vom Tatort Hotel

Vorwort

Die Ermordung Robert Kennedys …

… im Ambassador Hotel, Los Angeles

Erotisches Erdbeben gesucht

Die Dietrich wird im Berliner Adlon entdeckt

Die falsche Spur ins Grand Hotel

Mary Vetseras verbotene Treffen mit dem Kronprinzen

Yves Montand trifft Simone Signoret …

… in der Colombe d’Or in Saint-Paul-de-Vence

Caruso überlebt das große Erdbeben …

… als Gast im Palace Hotel, San Francisco

»Das Rhythmusgefühl eines Nilpferds«

Billy Wilder als Eintänzer im Berliner Eden-Hotel

Vom Armenhaus ins Luxushotel

Hitler im Wiener Imperial

Geschäfte mit der Mafia

Frank Sinatra und das Sands Hotel, Las Vegas

»Verliebt bis zum Wahnsinn«

Arthur Schnitzler im Thalhof, Reichenau

Ein rätselhafter Tod

Gustaf Gründgens stirbt im Manila Hotel

John Jacob Astor auf der Titanic

Der Mann, der das Waldorf Astoria schuf

Der größte Juwelenraub aller Zeiten

Das Hotel Carlton in Cannes

»Der Herr im Haus bin ich!«

Die Frau Sacher und ihr Hotel

Ronald Reagan in Lebensgefahr

Das Attentat im Capital Hilton, Washington

Die Verhaftung des Oscar Wilde …

… im Cadogan Hotel in London

Die letzten Stunden der Prinzessin Diana

Das Hotel Ritz in Paris

Raubmord im Bristol

Ein ungewöhnlicher Kriminalfall im Wiener Luxushotel

Helmut Newton fährt gegen die Wand …

… des Hotels Chateau Marmont in Hollywood

Thomas Mann am Zauberberg

Zur Inspiration ins Kurhotel in Davos

Der Krimi im Watergate Hotel

Richard Nixons tiefer Fall

Mord und Folter im Luxushotel

Das Metropole als Wiener Gestapo-Zentrale

Oskar Werners einsamer Tod

Hotel Europäischer Hof in Marburg

Tatort Sofitel, New York

Die Verhaftung des Dominique Strauss-Kahn

Das Hotel, in dem Kaiserin Elisabeth starb

Und der Fall Uwe Barschel im Genfer Beau-Rivage

Manche mögen’s … ohne Strandkorb

Das Hotel del Coronado in San Diego

Der Spionagefall Oberst Redl …

… endet im Wiener Hotel Klomser

Whitney Houstons Leichnam in der Badewanne

Drogentod im Beverly Hilton Hotel

Zweimal Tafelspitz

Der Tod des Grafen Stürgkh im Hotel Meißl & Schadn

»Sie scheinen dieses Mal arg gespielt zu haben«

Spielerschicksale im Hôtel de Paris in Monte Carlo

Dostojewskis Spielsucht

Die Leiden des Dichters im Nassauer Hof, Wiesbaden

Der junge Mann und die Affär’

Ernest Hemingways Doppelleben im Montafon

Der tödliche Schuss auf dem Balkon

Martin Luther King im Lorraine Motel in Memphis

Ferdinand Raimunds Selbstmord …

… im Goldenen Hirschen in Pottenstein

Ein Geheimgang für die Monroe

Die Treffen mit John F. Kennedy im Carlyle Hotel, New York

Bildnachweis

Quellenverzeichnis

Personenregister

Erstaunliches vom Tatort Hotel

Vorwort

Als meine Frau – ich muss es gestehen – die Idee zu diesem Buch hatte, hätte ich nicht gedacht, wie sehr der »Tatort Hotel« die Weltgeschichte beeinflusste. So starben der amerikanische Präsidentschaftskandidat Robert Kennedy, der Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King, die österreichische Kaiserin Elisabeth und der k. u. k. Ministerpräsident Karl Graf Stürgkh nach Attentaten in Hotels. Auf Präsident Ronald Reagan wurde im Capital Hilton in Washington ein Mordanschlag verübt, dem er – was vom Secret Service lange geheim gehalten wurde – beinahe erlegen wäre. Auf nie ganz geklärte Weise starben der Politiker Uwe Barschel und der Schauspieler Gustaf Gründgens in ihren Hotelzimmern.

Glücklicherweise ereignete sich in den Bars, Suiten und Fremdenzimmern großer Hotels auch weit Erfreulicheres. Marlene Dietrich etwa wurde im Berliner Adlon für die Rolle der kessen Lola in Der blaue Engel entdeckt – für jenen Film, der ihrer Weltkarriere zugrunde liegt. Liebesromanzen in abgeschiedenen Hotels erlebten die Dichter Ernest Hemingway und Arthur Schnitzler, und die Literaturgeschichte verdankt den Hotelaufenthalten von Thomas Mann und Fjodor Dostojewski die Entstehung zweier Jahrhundertromane. Allerdings musste Oscar Wilde sein Ende als Schriftsteller im Londoner Cadogan Hotel erleben, wo er – infolge seiner Homosexualität – verhaftet wurde.

In vielen der in diesem Buch beschriebenen Quartiere kehrte ich zu Recherchezwecken selbst ein, oder ich kenne sie von früheren Aufenthalten. In den meisten Fällen unterstützten mich Besitzer und Mitarbeiter mit großem Engagement dabei, den Geschichten, die sich in ihren Hotels ereignet hatten, nachzugehen. Aus dem vornehmen Beau-Rivage sind gleich zwei – bereits erwähnte – Kriminalfälle zu melden: das Attentat auf »Sisi« und der Tod des Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Uwe Barschel. Doch während die Geschäftsführung, so hat’s den Anschein, geradezu stolz darauf ist, dass Österreichs Kaiserin in dem Genfer Hotel ihren letzten Atemzug tat, will man dort mit der Affäre Barschel absolut nichts zu tun haben. Das ist mir auch in anderen Hotels aufgefallen: Je länger ein Fall zurückliegt, desto lieber spricht man darüber.

Ich besuchte auch das Adlon, das Waldorf Astoria in New York, das Chateau Marmont in Hollywood und die Colombe d’Or bei Nizza, in der die lebenslange Liebe der Schauspieler Simone Signoret und Yves Montand entbrannte, ich war im Pariser Ritz, in dem die britische Prinzessin Diana die letzten Stunden ihres Lebens verbrachte. Und ich kenne natürlich sehr gut das Wiener Grand Hotel, das Sacher, das Bristol und das Imperial (in dem Hitler seine Residenz in der »Ostmark« aufschlug).

Vor seinem Abbruch erlebte ich eine Show im legendären Sands Hotel in Las Vegas, in dem Frank Sinatra nicht nur auftrat, sondern auch Miteigentümer war – gemeinsam mit ein paar Herren von der Mafia übrigens.

Gut zu kennen glaubte ich weiters das Hotel del Coronado im südkalifornischen San Diego, weil ich den darin gedrehten Billy-Wilder-Film Manche mögen’s heiß schon weiß Gott wie oft gesehen hatte – bis ich wirklich dort war und sich alles ganz anders darstellte. Die größte Überraschung: Die durch den Flirt von Marilyn Monroe und Tony Curtis weltberühmt gewordenen Strandkörbe gibt es in Wirklichkeit gar nicht.

Billy Wilder verkehrte nicht nur im Coronado, sondern auch im Berliner Eden-Hotel, in dem er in jungen Jahren als Eintänzer tätig war – weil er von den Honoraren als Nachwuchsreporter der BZ am Mittag allein nicht leben konnte. Erfreulicherweise hat der spätere Hollywoodregisseur über seine Gigolo-Erlebnisse eine vierteilige Zeitungsserie verfasst, sodass wir auch dieses Kapitel seines Lebens detailreich nachvollziehen können. »Es ist nicht leicht«, berichtete Wilder, »schwergewichtige Damen herumzuschwenken, die das Rhythmusgefühl eines Nilpferds haben.«

Das Eden – in dem auch ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte geschrieben wurde – konnte ich nicht mehr aufsuchen, weil es im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Ebenso wenig wie das einstige Hotel Klomser in Wien, in dem der Spion Oberst Redl vom k. u. k. Generalstab zum Selbstmord gezwungen wurde.

Nicht selten wurden den Hotels historische Ereignisse zum Schicksal: Mit dem Ambassador in Los Angeles, in dem Robert Kennedy tödlich verletzt wurde, ging es nach dem Attentat bergab, bis es 1989 für immer schloss. Das Lorraine Motel in Memphis, in dem der tödliche Schuss auf Martin Luther King fiel, wurde zu einer Gedenkstätte umgestaltet. Und das Appartement im Beverly Hilton Hotel, in dem Whitney Houston an einer Überdosis elend zugrunde ging, erhielt nach ihrem Tod eine neue Zimmernummer, sodass heute nicht mehr nachvollzogen werden kann, wo genau die Popdiva gestorben ist. Ganz anders verhält es sich im früheren Europäischen Hof in Marburg an der Lahn, in dem 1984 Oskar Werner einem Herzinfarkt erlag. Fragt man sich bei den heutigen Hotelangestellten durch, weiß keiner mehr, wer der Schauspielgigant überhaupt war.

Auch einer der größten Politskandale des 20. Jahrhunderts nahm in einem Hotel seinen Anfang: Im Watergate in Washington war die Demokratische Parteizentrale untergebracht, in deren Büros während des Präsidentschaftswahlkampfs 1972 eingebrochen wurde. In der Folge musste Richard Nixon als erster und bisher einziger Präsident der Vereinigten Staaten zurücktreten.

Nixons einstigem Gegenspieler John F. Kennedy ist ein weiteres Kapitel gewidmet. Er und Marilyn Monroe trafen einander regelmäßig im New Yorker Carlyle Hotel, das für intime Rendezvous deshalb besonders geeignet ist, weil man es auch durch einen unterirdischen Tunnel erreichen kann, dessen Eingang einige hundert Meter vom offiziellen Entree entfernt ist. So konnte – selbst bei den beiden bekanntesten Personen Amerikas – niemand »Verdacht schöpfen«.

Üblicherweise lernen wir Hotels, Pensionen und Landgasthöfe als Urlaubs- oder Geschäftsreisende kennen, in diesem Buch sind sie »Tatorte«. Es sind 34 Kapitel, die so unterschiedliche Themen wie Liebe, Sexualität, Mord, Selbstmord, Politik, Filmdreharbeiten, Naturkatastrophen und Drogenmissbrauch behandeln. Und natürlich auch das Wichtigste aus der Historie der betreffenden Hotels.

Ich selbst hätte, wie eingangs erwähnt, vor Beginn meiner Recherchen nicht gedacht, dass in Hotels so viel Erstaunliches passierte und so viel Geschichte geschrieben wurde.

In den allermeisten Fällen: »Hinter verschlossenen Türen«.

GEORG MARKUS

Wien, im August 2016

Danksagung

Der Autor dankt den folgenden Persönlichkeiten für Auskünfte und Mitarbeit zu diesem Buch: Sabina Held (Hotel Adlon, Berlin), Jaqueline Marschitz (Grand Hotel, Wien), Danièle Roux (La Colombe d’Or, Saint-Paul-de-Vence), Elisabeth Denetz, Michael Moser und Daniela Stoppel (Hotel Imperial, Wien), Audrey Banniard (Carlton Hotel, Cannes), Elisabeth Gürtler, Reiner Heilmann und Marie Adler (Hotel Sacher, Wien), Michaela Richter und Norma Schraub (Hotel Marburger Hof, früher Europäischer Hof, Marburg an der Lahn), Catherine Mayer (Hotel Beau-Rivage, Genf), Elizabeth Maxim (Beverly Hilton Hotel, Los Angeles), Josef Nels (Hotel Taube, Schruns), Gaby Keßler (Posthotel Rössle, Gaschurn), Hans Buczkowski (Ferdinand Raimund Gedenkstätte, Pottenstein), Jennifer Cooke (The Carlyle Hotel, New York) sowie zahlreichen weiteren Mitarbeitern der im Buch genannten Hotels.

Weiters Brigitte Sinhuber-Harenberg, Carmen Sippl, Madeleine Pichler und Sabine Zeiler (Amalthea Verlag), Helene von Damm, Harald Seyrl (Wiener Kriminalmuseum), Elisabeth Klamper (Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes), Anna-Maria Bauer, Peter Broucek, Mathias Hadwiger und Dietmar Schmitz.

Die Ermordung Robert Kennedys …

… im Ambassador Hotel, Los Angeles

Als der Stummfilm in den 1920er-Jahren populär wurde und dessen Protagonisten plötzlich Millionen verdienten, erblühte das Ambassador Hotel mit der Adresse 3400 Wilshire Boulevard in Los Angeles zur Winterresidenz der Stars. Jean Harlow, John Barrymore und Gloria Swanson zählten zu den Dauergästen, es kamen aber auch Rudolpho Valentino, Joan Crawford und Loretta Young, und im hoteleigenen Nachtclub Coconut Grove unternahm Bing Crosby seine ersten Versuche als Barsänger. Später fanden im großen Ballsaal die Oscar-Verleihungen statt, und der gesamte Kennedy-Clan zählte zu den Stammgästen des Ambassador.

Robert Kennedy (1925–1968), US-Justizminister, Senator und Präsidentschaftskandidat

Knapp viereinhalb Jahre waren seit der Ermordung des 35. Präsidenten der USA, John F. Kennedy, vergangen, als auch seinem jüngeren Bruder die Stunde schlug. Das Unglück begann mit zwei Sätzen Robert Kennedys am 16. März 1968 im Konferenzsaal des Senatsgebäudes in Washington: »Ich gebe heute meine Kandidatur auf die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten bekannt. Ich bewerbe mich nicht, um gegen einen anderen Mann zu kandidieren, sondern um eine neue Politik anzubieten.«

Robert »Bobby« Kennedy hatte zum damaligen Zeitpunkt in seiner eigenen, der demokratischen Partei, mit drei Konkurrenten zu rechnen: mit Lyndon B. Johnson, der das Präsidentenamt nach der Ermordung von Roberts Bruder »Jack« übernommen hatte, mit Vizepräsident Hubert Humphrey und mit Senator Eugene McCarthy.

Präsident Lyndon B. Johnson (1908–1973) verzichtet auf die Kandidatur

Bobby lag gut im Rennen, er hatte ein erstklassiges Wahlkampfteam, das zum Teil aus Beratern bestand, die schon für John F. Kennedy im Weißen Haus tätig waren. Roberts Chancen stiegen rasant, als Lyndon B. Johnson am 31. März 1968 überraschend bekannt gab, dass er, »um die nationale Einheit zu wahren«, nicht kandidieren würde.

Johnsons Schritt verbesserte Kennedys Aussichten, da das Antreten gegen einen amtierenden Präsidenten immer ein unkalkulierbares Risiko darstellt. »Ich möchte wissen«, sagte Bobby, als ihm Johnsons Entscheidung mitgeteilt wurde, »ob er das auch getan hätte, wenn ich nicht eingestiegen wäre.«

Der 42-jährige Robert Kennedy setzte von Anfang an darauf, seine Familie als Präsidenten-Dynastie zu inszenieren, wie es sein Bruder John F. Kennedy schon 1959 vorgegeben hatte: »So wie ich in die Politik ging, weil Joe* gestorben ist, so würde mein Bruder Bobby sich um meinen Sitz im Senat bewerben, wenn mir morgen etwas zustieße. Und wenn Bobby sterben würde, dann würde Teddy sein Werk fortsetzen.«

Er hatte gute Chancen, wie sein älterer Bruder John Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden: Robert Kennedy

Das waren nur allzu prophetische Worte.

Die Schlacht um die Nominierung ist noch nicht geschlagen

Bobby konnte mit dem Argument punkten, dass ein Kennedy sich besser schlagen würde als jeder andere Politiker in den USA, aber gewonnen war die Schlacht um die Nominierung beim Parteikongress der Demokraten in Chicago noch lange nicht, denn auch die Chancen von McCarthy und Humphrey waren intakt – alle drei hatten Vorwahlen in verschiedenen Bundesstaaten für sich entscheiden können.

Sein letzter Flug führte Robert Kennedy von San Diego in die Filmmetropole Los Angeles, die ihm zum Schicksal werden sollte. Der Senator stand unter enormem Erfolgsdruck, weil klar war, dass seine Aussichten – würde er in Kalifornien verlieren – gleich null stünden. Die Vorwahlen in Kalifornien waren die wichtigste Etappe im Rennen um die demokratische Nominierung. Robert Kennedy war, wie sich der ihn begleitende Journalist Jack Newfield später erinnern sollte, »ernst und in sich zurückgezogen, als er am Fenster seines 727-Privatjets saß. Sonst war er auf solchen Reisen immer guter Dinge und zu Späßen aufgelegt. An diesem Montag wirkte er ausgebrannt, seinen Reden fehlte die Zugkraft. Mitten in seiner letzten Rede in San Diego hatte ihn Übelkeit befallen.«

Anhänger und Mitarbeiter erwarten »Bob« Kennedy

Das Ambassador Hotel ist an diesem Dienstagabend, dem 4. Juni 1968, der absolute Mittelpunkt der Stadt. »Bob« Kennedy wird über den Santa Monica Highway zum Wilshire Boulevard chauffiert, wo ihn Anhänger und Mitarbeiter erwarten, um das Ergebnis der Vorwahlen in Kalifornien und South Dakota zu erfahren und – sollte alles gut gehen– zu feiern. Im selben Hotel finden an diesem Abend zwei republikanische Wahlpartys statt.

Als Bobby um 19.15 Uhr im Ambassador eintrifft, sieht es für ihn gar nicht gut aus. Die ersten Auszählungen reihen McCarthy in Kalifornien und Humphrey in South Dakota vor Kennedy. Erst gegen 22.30 Uhr dreht sich der Trend und Bob ist in beiden Bundesstaaten knapp, aber doch die Nummer eins. Als die Nachricht durchdringt, sitzt Kennedy mit seinen Beratern in seiner Suite im siebenten Stock des Ambassador und arbeitet an seiner Dankesrede, die er noch in dieser Nacht im großen Ballsaal des Hotels vor seinen Fans halten wird. Von einem Augenblick zum anderen erhellen sich Kennedys Gesichtszüge und der eben noch deprimiert wirkende Kandidat erscheint wieder so, wie ihn die Menschen lieben, mit seinem bubenhaften Charme und klugen Witz.

Kennedy ist der Hoffnungsträger einer neuen, humanen Gesellschaft

Senator McCarthy ist aus dem Rennen, nur Vizepräsident Humphrey hat noch theoretische Chancen, doch die wesentlich größere Wahrscheinlichkeit, innerhalb der Demokraten zu gewinnen, liegt beim charismatischen Robert Kennedy, den viele als Hoffnungsträger für eine neue, humanere Gesellschaft sehen. Vor allem traut man ihm auch zu, bei den Präsidentenwahlen den Republikaner Richard Nixon zu besiegen, der sich schon einmal gegen Bobbys Bruder, John F. Kennedy, geschlagen geben musste.

Robert zündet sich noch schnell eine Zigarre an und verkündet: »Jetzt werde ich Hubert Humphrey durch ganz Amerika jagen.« Der stürmische Applaus seiner Getreuen ist ihm sicher.

Der letzte Auftritt im Ballsaal des Ambassador Hotels

Gegen 23.00 Uhr geht es in Begleitung von Freunden und Mitarbeitern hinunter in den Ballsaal, in dem ihn seine Anhänger bereits erwarten. Mehr als zweitausend Wahlhelfer und Sympathisanten stehen da und jubeln ihm zu. Kennedy besteigt das Podium und stellt seine Frau und sechs seiner zehn Kinder vor, die mitgekommen sind.

»Ich möchte Ihnen allen danken«, beginnt er die letzte Rede seines Lebens. »Allen, die hier sind. Ganz besonders auch meinem Hund Freckles, der in dieser Wahlkampagne oft vernachlässigt wurde, und meiner Frau Ethel – ohne mit der Reihenfolge eine Wertung vornehmen zu wollen.«

Riesengelächter nach der Pointe. Dann wird Robert Kennedy ernst. »Meine Freunde, wir können es schaffen, die Kluft, die durch die Vereinigten Staaten geht, zu schließen. Die Kluft zwischen Schwarz und Weiß, zwischen Arm und Reich, zwischen den Generationen, und über den Krieg in Vietnam. Wir sind ein großartiges Land, ein mitfühlendes Land.«

Hier hielt Robert Kennedy die letzte Rede seines Lebens: das Ambassador Hotel in Los Angeles

Immer wieder von rasendem Applaus und »Wir wollen Bobby«-Sprechchören unterbrochen, setzt Kennedy fort: »In welche Richtung wollen wir gehen in den USA? Was tun für die, die noch immer Hunger leiden? Wollen wir die Politik fortsetzen, mit der wir in Vietnam so erfolglos waren? Ich meine, wir müssen die Richtung ändern. Mein Dank gilt euch allen – und jetzt weiter nach Chicago, und lasst uns auch dort siegen!«

Es herrscht Chaos, die Lage gerät außer Kontrolle

Robert Kennedy steigt vom Podium und wird von seinen engsten Begleitern, inmitten eines riesigen, unübersehbaren Menschenknäuels, in Richtung Presseraum geführt, wo er mehrere Interviews geben soll. Er schüttelt Hunderte Hände, wird von einem Blitzlichtgewitter der Fotografen überfallen. Es herrscht Chaos und unvorstellbares Gedränge, die Lage gerät außer Kontrolle. Seine Mitarbeiter schieben Bob in einen schmalen Küchengang, durch den man in den Presseraum gelangt. Auf Metalltischen stehen leere Teller und Gläser. Rund neunzig Personen, die meisten von ihnen Hotelangestellte, die Bobby die Hand schütteln wollen, befinden sich in dem 25 Quadratmeter kleinen Raum. Einer von ihnen ist Kennedys Mörder.

Noch gab es in den USA die gesetzliche Verpflichtung, nur amtierende Präsidenten durch Sicherheitsbeamte schützen zu lassen, nicht jedoch Präsidentschaftskandidaten. Dies wurde erst nach dem Attentat auf Robert Kennedy von Lyndon B. Johnson geändert. Kennedy selbst war es, der jede Form der Bewachung ablehnte – mit Ausnahme des pensionierten FBI-Agenten William Berry, der ihn überallhin begleitete. »Wir waren nicht da, denn wir waren nicht erwünscht«, sagte ein Polizeioffizier nach dem Mordanschlag. »Senator Kennedy erklärte wiederholt, er könne uns nicht brauchen.«

Kennedy will ohne Security auftreten

Zum Zeitpunkt der Tat waren 18 Sicherheitsagenten des Hotels im Ambassador, aber Kennedy ließ sie nicht an sich herankommen. »Er wollte ohne Security auftreten«, schreibt Viktor Lasky in seiner Robert-Kennedy-Biografie, »weil er fürchtete, seine persönlichen Kontakte könnten darunter leiden – vor allem der Kontakt zu den jungen Leuten, die er in seiner Kampagne besonders ansprechen wollte.« Es gehörte zum Rezept des Kennedy-Teams, »die Fernsehkameras mitten in die jubelnde Menge hineinzurichten, wenn die Leute Bobby mit den Fingern ins Haar fuhren, ihn umarmten und an seinem Anzug zerrten. Sonst konnte er diese Dinge nicht ausstehen, aber es gehörte eben zur Kampagne.«

Die Gefährdung Robert Kennedys ist bekannt

Kennedy war sich der Gefahr bewusst. »Ich spiele russisches Roulette, jeden Morgen, wenn ich aufstehe«, sagte er. »Aber ich zerbreche mir darüber nicht den Kopf. Was kann ich schon dagegen tun?«

Auch seine Umgebung wusste von den Risiken. Während sich seine Frau Ethel für die Kandidatur ausgesprochen hatte, warnten ihn sein Bruder Edward und seine Schwägerin Jacqueline Kennedy, dass ihn dasselbe Schicksal ereilen könnte wie John: »Es gibt so viel Hass in diesem Land, und Bobby hassen sie noch mehr als Jack.« Auch unter seinen Fans ging hinter vorgehaltener Hand die Angst um: »Wenn er gewinnt, bringen sie ihn um«, die Ermordung Bobbys wäre für einen psychisch kranken Attentäter nach den Schüssen von Dallas eine »logische« Konsequenz.

Sirhan Bishara Sirhan (*1944), Gelegenheitsarbeiter, schießt in der Nacht zum 5. Juni 1968 auf Robert Kennedy

Der in Jerusalem gebürtige Palästinenser Sirhan Bishara Sirhan lebte seit zehn Jahren mit seiner Mutter, zwei Brüdern und einer Schwester in Pasadena, einem Vorort von Los Angeles. Die koptisch-christliche Familie hatte ihre Heimat verlassen, weil ihr Haus während des israelisch-arabischen Krieges zerstört worden war. Sirhan Bishara Sirhan ist zum Zeitpunkt des Attentats 24 Jahre alt und kommt in den USA mehr schlecht als recht mit Gelegenheitsjobs über die Runden. Er besitzt einen Revolver vom Typ Iver-Johnson, Kaliber 22, für den er sich eben erst in einem Waffengeschäft Munition besorgt hat. Robert Kennedy hat sich wenige Wochen vor dem Attentat öffentlich auf die Seite Israels gestellt, und Sirhan wird später angeben, in einem Fernsehbericht gesehen zu haben, wie der Senator mit einer Kippa am Kopf vor einer Synagoge stand.

400 Patronen im Schießclub abgefeuert, ehe er ins Hotel Ambassador fährt

Der Palästinenser verbringt fast den ganzen Tag im Schießclub St. Gabriel Valley in Duarte/Kalifornien, in dem er innerhalb von sechs Stunden an die 400 Patronen abfeuert. Gegen Abend fährt er mit seinem Auto ins Ambassador Hotel, an dessen Bar er vier Tom Collins zu sich nimmt.

Durch die große Menschenmenge neugierig geworden, nähert sich der Palästinenser dem Küchengang des Hotels, wo er bemerkt, dass sich alles um Bob Kennedy, eines seiner Feindbilder, dreht. Er überlegt nicht lange und nimmt seinen Revolver aus der Hosentasche, ruft »Kennedy, du verdammter Hurensohn« und schießt sein ganzes Magazin leer.

Es ist 0.14 Uhr morgens, am 5. Juni 1968. Drei der acht Schüsse haben den Senator getroffen, eine im Kopf, die beiden anderen im Rücken. Robert Kennedy hebt instinktiv seine Hände, um sein Gesicht zu schützen, er taumelt und stürzt mit dem Kopf voran auf den Betonboden. Die Anwesenden ducken sich, streben auseinander, man hört Kreischen und Schreien und mittendrin den Satz: »Mein Gott, nicht schon wieder!«

Jedem Amerikaner sind die Bilder der Ermordung John F. Kennedys am 22. November 1963 in Dallas/Texas noch präsent, nun haben die Gäste einer Wahlparty im Ambassador Hotel in Los Angeles ein schreckliches Déjà-vu-Erlebnis.

Ethel Kennedy eilt zu ihrem schwer verletzten Mann

Ethel Kennedy wollte längst schon zu ihrem Mann in den Küchenraum, sie schafft es aber erst, nachdem die ersten Schüsse gefallen sind. In ihrer Begleitung ist ihr Personenschützer Roosevelt Grier, ein Sänger und Schauspieler, der sich als Security etwas dazuverdient. Dem Zwei-Meter-Mann gelingt es schon nach dem zweiten Schuss, Sirhan Bishara Sirhan auf einem Metalltisch niederzudrücken. Der schmächtige Attentäter bringt es dennoch fertig, aus dieser Position sechs weitere Schüsse abzugeben. So werden neben Kennedy fünf Personen von Sirhans Kugeln getroffen: Elizabeth Evans, Paul Schrade und Irwin Stroll, drei Gefolgsleute Kennedys, der ABC-Manager William Wiesel und der Continental News Service-Reporter Ira Goldstein. Sie alle werden vollkommen genesen.

Noch ist Robert Kennedy bei Bewusstsein

Doch um Kennedy steht es schlimm. Während es Roosevelt Grier endlich gelingt, dem wie wild um sich schießenden Sirhan den Revolver zu entreißen, bindet ein Augenzeuge sein Sakko zusammen und bettet Kennedys Kopf darauf. Ethel kämpft sich zu ihrem Mann vor, kniet sich neben ihn hin und erkennt sofort, wie ernst die Verletzungen sind, insbesondere die Wunde am Kopf, aus der Blut strömt, das eine große Lache am Fußboden bildet. Robert Kennedy ist zu diesem Zeitpunkt noch bei Bewusstsein. Augenzeugen hören ihn mit brüchiger Stimme sagen: »Sind alle anderen okay?« Und seiner Frau flüstert er zu: »Oh Ethel, Ethel!« Sie nimmt seinen schwer verwundeten Kopf in ihre Hände, sagt »Oh, my God«, versucht ihn dann aber gleich wieder zu beruhigen: »Alles wird gut, Bobby!«

Zwei anwesende Ärzte leisten Erste Hilfe, dreizehn Minuten nach den Schüssen trifft ein Rotkreuzwagen ein. Die Sanitäter heben Robert Kennedy auf eine Bahre. Er sagt noch: »Nein, bitte nicht …« und verliert das Bewusstsein, das er nie wieder erlangen sollte.

Die Rettungsmänner schaffen es kaum, den Schwerverletzten durch die Menschenmenge in ihren Wagen, der vor dem Ambassador steht, zu bringen. Einer von ihnen erklärt später: »Die Leute versuchten ihn zu küssen, seine Kleider zu berühren. Wir mussten sie alle wegdrängen.«

Robert Francis Kennedy wird am 6. Juni 1968 um 1.44 Uhr für tot erklärt

Kennedy wird zunächst in das Central Receiving Hospital geführt, wo man sich für nicht zuständig erklärt und ihn in das benachbarte Good Samaritan Hospital weiterreicht. Unter den Tausenden Zeitungsartikeln, die in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten über die neuerliche Tragödie in Amerikas »First Family« berichten, finden sich auch solche, die die berechtigte Frage stellen, warum man Kennedy nicht gleich ins richtige Krankenhaus gebracht hat. Während der Verweildauer im Central Receiving Hospital wird dem Patienten von einem Priester die Letzte Ölung verabreicht. Im Good Samaritan Hospital erfolgt dann eine vierstündige Operation, die ihn nicht retten kann. Das tödliche Projektil ist hinter sein rechtes Ohr gedrungen und im Schädel stecken geblieben. Robert Francis Kennedy wird 26 Stunden nach der Tat, am 6. Juni 1968 um 1.44 Uhr nachts für tot erklärt.

»Alles wird gut, Bobby!« versuchte Ethel in der Küche des Hotels Ambassador ihren Mann Robert Kennedy zu beruhigen, doch die Verletzungen waren zu schwer. Er starb 26 Stunden nach dem Attentat im Spital.

Sirhan Bishara Sirhan wird noch am Tatort verhaftet. Roosevelt Grier schafft es, ihn von der Menge fernzuhalten, die so aufgebracht ist, dass sie ihn möglicherweise lynchen würde, manche schreien auch »Bringt ihn um!«, aber einer der Parteifreunde ruft, darauf anspielend, dass John F. Kennedys mutmaßlicher Mörder Lee Harvey Oswald zwei Tage nach dem Anschlag von dem Barbesitzer Jack Ruby erschossen wurde: »Wir wollen kein zweites Dallas!«

Die Polizei entdeckt in Sirhans Wohnung Zettel und Tagebücher, in denen sich Sätze finden wie »Robert Kennedy muss vernichtet werden wie sein Bruder«, die teils in englischer, teils in arabischer Schrift gehalten sind.

Sirhan wird zunächst zum Tod verurteilt

Der Mordprozess gegen den Palästinenser beginnt am 7. Jänner 1969 und dauert fünfzehn Wochen. Die Beweislage ist erdrückend, es gibt 89 Zeugen, die ihn als Täter identifizieren, und Sirhan ist geständig. Später widerruft er sein Geständnis und behauptet, sich an nichts erinnern zu können, ehe er den Widerruf widerruft und sich neuerlich zu der Tat bekennt. Sirhan wird am 17. April 1969 von einem Schöffengericht des vorsätzlichen Mordes für schuldig befunden und zum Tod in der Gaskammer von San Quentin verurteilt.

Nach dem Urteil schickte Senator Edward Kennedy einen Brief an den Staatsanwalt mit der Bitte, die Todesstrafe nicht zu verhängen. Seine Begründung lautete: »Mein Bruder war ein Mensch mit der Fähigkeit zu Liebe und Mitgefühl. Er würde nicht wollen, dass für seinen Tod noch ein Leben genommen wird.«

Anlass für Verschwörungstheorien

Nicht als Folge dieses Briefes, sondern wegen einer Gesetzesänderung in den Vereinigten Staaten wurde das Todesurteil in lebenslange Haft umgewandelt. Sirhan Bishara Sirhan sitzt heute im Staatsgefängnis von Coalinga/Kalifornien. Im Februar 2016 wurde sein fünfzehntes Begnadigungsgesuch abgelehnt. Vor allem durch Sirhans mehrmaliges Zurücknehmen seines Schuldbekenntnisses entwickelten sich – wie dies auch nach den Schüssen von Dallas der Fall war – Verschwörungstheorien, in denen von einem zweiten Täter die Rede ist.

Das Hotel Ambassador wird 1989 für immer geschlossen

Mit der Ermordung Robert Kennedys beginnt der Niedergang des Ambassador Hotels. Nicht einmal die Übernahme des Coconut Grove-Nachtklubs durch Sammy Davis junior Mitte der 1970er-Jahre kann den Verfall stoppen. Als sich in der Umgebung kriminelle Banden niederlassen, bleiben immer mehr Gäste aus, bis das Hotel 1989 für immer geschlossen wird.

Zunächst wollte der Bautycoon und spätere Präsidentschaftskandidat Donald Trump das ehemalige Luxushotel abreißen und auf dem Gelände ein 125-stöckiges Bürogebäude errichten, er erhielt dafür jedoch keine Baugenehmigung. Das historische Gebäude wurde daraufhin als Studio adaptiert, in dem renommierte Filme wie Forrest Gump, Apollo 13 oder Catch Me If You Can gedreht wurden. 2006 entstand im ehemaligen Ambassador der Film, für den das Hotel als Drehort prädestiniert war: Bobby – Der letzte Tag von Robert F. Kennedy, in dem mit Anthony Hopkins, Harry Belafonte, Helen Hunt und Sharon Stone einer der aufsehenerregendsten Kriminalfälle der USA am Originalschauplatz verfilmt wurde.

Nach Robert Kennedys Tod kommt sein elftes Kind zur Welt

Heute befindet sich am Tatort des zweiten Kennedy-Mordes die Robert F. Kennedy Community School. Die Hauptfassade der Schule wurde der des einstigen Ambassador Hotels nachvollzogen.

Robert F. Kennedy fand wie sein Bruder John seine letzte Ruhe auf dem Arlington Nationalfriedhof in Washington. Seine Frau Ethel brachte sechs Monate nach Roberts Tod ihr elftes Kind, Rory Elizabeth Kennedy, zur Welt.

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*Joseph P. Kennedy junior (1915–1944) war der älteste der vier Kennedy-Brüder; er kam bei einem Flugzeugunglück im Zweiten Weltkrieg ums Leben.

Erotisches Erdbeben gesucht

Die Dietrich wird im Berliner Adlon entdeckt

Im Herbst 1929 betritt der trinkfreudige Schauspieler Emil Jannings das noble Hotel Adlon in Berlin. Er ist eben aus Hollywood zurückgekehrt, wo man ihm den ersten Oscar als bestem Hauptdarsteller in der Geschichte der Academy Awards verliehen hat. Doch Jannings zeigt sich missmutig, als er mit Riesenschritten durchs Adlon stapft, benimmt sich dem Personal gegenüber mürrisch und lässt in der Bar selbst an dem sonst so geliebten Pilsner Bier kein gutes Haar. Louis Adlon wird verständigt und nähert sich dem Jannings-Tisch. Nach kurzem Smalltalk erkundigt sich der Hotelchef nach dem Planungsstand des neuen Jannings-Films, über dessen Vorbereitungen man bereits in den Zeitungen lesen konnte. Er soll Der blaue Engel heißen und nach dem Stück Professor Unrat von Heinrich Mann gedreht werden.

Emil Jannings (1884–1950), deutscher Schauspieler und Oscar-Preisträger

»Verteufelte Sache!«, flucht Jannings und gibt den Grund seiner schlechten Stimmung preis. »Es ist mein erster Tonfilm, und ich bin ganz verzweifelt. Ich bin längst soweit, dass wir mit dem Drehen anfangen könnten, aber immer noch fehlt die Hauptsache.«

Die passende Frau fehlt noch

»Die Hauptsache?«, fragt Louis Adlon.

»Ja, die Hauptsache – die passende Frau. Zwanzig haben wir in den letzten Wochen angeschaut, aber keine war darunter. Da muss eine her, die mich abgebrühten Burschen aus der Ruhe bringt. Ein erotisches Erdbeben muss es sein!« Diese Frau sollte es mit betörender Sinnlichkeit schaffen, dass er als stocksteifer Gymnasialprofessor sich in sie verliebt und an ihr zugrunde geht.

Marlene Dietrich (1901–1992), deutsche Schauspielerin, machte Karriere als Hollywood- und Stilikone

Louis Adlon und seine Frau Hedda hatten die noch unbekannte Schauspielerin Marie Magdalena von Losch, die sich Marlene Dietrich nannte, auf der Bühne gesehen: vor ein paar Tagen erst an der Seite von Hans Albers im Berliner Theater in dem Musikstück Zwei Krawatten und davor durch Zufall – weil ein Gast in letzter Minute zwei Karten zurückgegeben hatte – im Staatlichen Schauspielhaus am Gendarmenmarkt in der Komödie Duell am Lido, in der die kühle Schönheit in der Rolle der koketten Lu nicht viel zu sagen, aber umso mehr zu zeigen hatte. »Sie war mondän und dekadent«, schreibt Hedda Adlon in ihren Lebenserinnerungen, »ein Mädchen vom Typ Vamp. Sie trug ein Monokel, rauchte Zigaretten, war sehr verführerisch und gefährlich. Was sie spielte, musste sie mit der Mimik ihres Gesichtes, den Gesten ihrer schönen, ausdrucksvollen Hände und den Bewegungen ihrer ebenso ausdrucksvollen Beine sagen.«

Als Louis Adlon nun dem übel gelaunten Emil Jannings in seiner Hotelbar gegenübersteht, rät er ihm, sich die noch laufende Revue Zwei Krawatten anzusehen, um sich ein Bild von dieser jungen Schauspielerin zu machen. Jannings besucht eine Vorstellung und kauft sich noch in der Pause eine neue Karte für den nächsten Tag. Nach seinem zweiten Besuch fordert er Regisseur Josef von Sternberg und den Produzenten Erich Pommer auf, ihn ins Berliner Theater zu begleiten.

Emil Jannings wurde im Berliner Hotel Adlon auf Marlene Dietrichs Talent aufmerksam gemacht.

»Wenn ich sie sprechen höre, zittern meine Nerven«, sagt Jannings zu den beiden alles entscheidenden Männern hinter der Kamera. »Sie hat ein unbeschreibliches Timbre in der Stimme – rau, aber dabei zärtlich.«

Mit Sternberg und Pommer sieht sich Jannings die Zwei Krawatten zum dritten Mal an – und an diesem Abend fällt die Entscheidung für die Hauptdarstellerin im Jahrhundertfilm Der blaue Engel. Emil Jannings hat in der 28-jährigen Marlene Dietrich seine Partnerin gefunden.

Das Adlon war, als Jannings dort auf Marlene Dietrich aufmerksam gemacht wurde, etwas mehr als zwanzig Jahre alt. Kaiser Wilhelm II. hatte das Hotel am 23. Oktober 1907 persönlich eröffnet, und seiner Protektion war es auch zu danken, dass das Nobeldomizil neben dem Brandenburger Tor überhaupt entstehen konnte, denn an der Adresse Unter den Linden 77 am Pariser Platz hatte sich davor das Palais Redern befunden, dessen Abbruch der Monarch genehmigte, obwohl es unter Denkmalschutz stand.

Lorenz Adlon (1849–1921), deutscher Gastronom, Gründer des Berliner Adlon Hotels

Hotelgründer Lorenz Adlon hatte sein Berufsleben als Tischler in Mainz begonnen und danach mehrere Kaffeehäuser, unter anderem im Zoologischen Garten, aufgebaut. Für den 350-Zimmer-Palast, dem er seinen Namen gab, hatte sich der Kaufmann mit zwanzig Millionen Goldmark* verschuldet. Das riskante Abenteuer hätte für Lorenz Adlon ganz anders ausgehen können, aber er war ein vollendeter Gastgeber und genialer Geschäftsmann. Die Ballsäle, Restaurants und Salons des Adlon waren prunkvoll, die Zimmer gleich venezianischen Palazzi mit erlesenen Kunstgegenständen ausgestattet und jedes einzelne verfügte – eine Attraktion in der damaligen Zeit – über Elektrizität und Bäder mit fließendem Warmwasser. Selbst der Kaiser war entzückt, denn solchen Luxus kannte er nicht einmal in seiner eigenen Residenz, dem Neuen Palais, in dem die Gäste winters frieren mussten.

Kaiser Wilhelm und die schöne Tänzerin

Die Atmosphäre, die nach dem Vorbild amerikanischer Luxushotels geschaffen wurde, war aber nur ein Grund, warum Wilhelm II. immer wieder im Adlon auftauchte. Der andere waren des Kaisers Affären, am bekanntesten wohl die mit der Tänzerin Caroline »La Bella« Otéro, die als Mätresse einem halben Dutzend gekrönter Häupter zuleibe rückte. Wann immer die rassige Spanierin nach Berlin kam, stieg sie mit 38 Koffern im Adlon ab und führte einen Papagei, zwei Möpse und ein Perlhuhn mit sich. Wilhelm pflegte sie im Goethe-Garten des Hotels zu erwarten, ehe man sich in die vornehmen Kemenaten zum Tête-à-tête zurückzog.

Damals wie heute Treffpunkt der Berliner Gesellschaft: die Bar des Adlon

Lorenz Adlon hatte es in seinem Hotel an nichts fehlen lassen, das von Anfang an für die Hautevolee bestimmt war. Und sie kam auch: Thomas Alva Edison, Henry Ford und John D. Rockefeller, Albert Einstein, Thomas Mann – der hier seinen Nobelpreis feierte –, Gerhart Hauptmann, Josephine Baker und Greta Garbo. Startenor Enrico Caruso misstraute der exquisiten Adlon-Küche und brachte einen eigenen Koch mit und Charlie Chaplin verlor im Adlon die Hosen, weil ihm seine Verehrer – um irgendein Souvenir vom »Tramp« zu ergattern – vor dem Hotel die Knöpfe abrissen.

Ein vereiteltes Attentat auf den Zaren