Das Arrangement - Justin C. Skylark - E-Book

Das Arrangement E-Book

Justin C. Skylark

0,0
5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Nielo Becker, Physiotherapeut, und Robert Saxen, Chef eines Schwulenclubs, sind glücklich verheiratet – eigentlich! Wäre da nicht der junge, hübsche François, der im Club als Poledancer arbeitet und dem Robert grenzenlos verfallen ist. Um seine Ehe zu retten, stellt Nielo knallharte Bedingungen auf, die Robert und François zwar einen gemeinsamen Tag in der Woche einräumen, aber ansonsten dafür sorgen, dass Nielos Nebenbuhler auf Abstand gehalten wird. Nach einem tragischen Todesfall, den es zu vertuschen gilt, sehen sich die drei Männer jedoch gezwungen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Und schon gerät Das Arrangement zwischen ihnen außer Kontrolle …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 393

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Arrangement

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2022

http://www.deadsoft.de

© the author

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

Covermodel: François Schoder

http://www.option-model.com

Fotograf: Maurizio Montani

Hintergrund:

© fiphoto – shutterstock.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-508-4

ISBN 978-3-96089-509-1 (epub)

Inhalt:

Nielo Becker, Physiotherapeut, und Robert Saxen, Chef eines Schwulenclubs, sind glücklich verheiratet – eigentlich! Wäre da nicht der junge, hübsche François, der im Club als Poledancer arbeitet und dem Robert grenzenlos verfallen ist.

Um seine Ehe zu retten, stellt Nielo knallharte Bedingungen auf, die Robert und François zwar einen gemeinsamen Tag in der Woche einräumen, aber ansonsten dafür sorgen, dass Nielos Nebenbuhler auf Abstand gehalten wird.

Nach einem tragischen Todesfall, den es zu vertuschen gilt, sehen sich die drei Männer jedoch gezwungen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Und schon gerät das Arrangement zwischen ihnen außer Kontrolle …

Prolog

François …

Allein wie er seinen Namen aussprach, bescherte mir eine regelrechte Gänsehaut, dabei hatte ich eigentlich keinen Grund, um eifersüchtig zu sein.

Ich hatte in gleichem Maße Rechte wie er. François … Rechte und Pflichten … Sogar mehr als das.

Aber nun der Reihe nach:

Zwischen Robert, François und mir gab es diese Abmachung. Ich weiß gar nicht, wann alles genau angefangen hatte. Vermutlich in den Tagen, in denen Robert gestresst nach Hause gekommen war und ich ihm nichts weiter bieten konnte als meine langweiligen Praxisgeschichten und aufgewärmtes Essen.

Die Luft war buchstäblich raus gewesen; nicht unüblich nach 5 Jahren fester Beziehung. Es hieß allerdings nicht, dass wir uns nicht mehr liebten. Das taten wir – von ganzem Herzen.

Vor zwei Jahren hatte Robert mir sogar einen Antrag gemacht. Er wurde mein Ehemann. Wir wohnten zusammen und die Zukunft lag uns zu Füßen.

Alltag und Stress machten uns dagegen zu dem, was wir inzwischen waren: ein schwules Paar, das alles hatte und doch einiges vermisste …

Robert war älter als ich. Am Anfang meiner Karriere, als ich das erste Mal auf ihn stieß, hatte er bereits sein Lebenswerk erbaut. Während ich plante, als examinierter Physiotherapeut eine eigene Praxis zu eröffnen, besaß er schon ein Etablissement in der Stadt und das riesige Haus am Waldrand. Aber das war nie der springende Punkt gewesen.

Vom ersten Moment an hatte er mich umgarnt und auf Händen getragen.

Vermutlich hätte ich mich nicht so schnell auf ihn eingelassen, doch seine liebreizende Art nahm mich sofort gefangen. Ich lernte von ihm. Er war mir ein Vorbild und es war nicht so, dass ich beim Sex immer unten lag. Wir harmonierten, ja, eigentlich auf allen Ebenen.

In dem Augenblick, in dem er mir beichtete, dass er der Besitzer des einschlägigen Schwulenclubs im Rotlichtviertel war und der Chef der dazugehörigen Meute, hatte es mich bereits erwischt. Von da an gab es kein Zurück mehr.

Ursprünglich war er zu den Massageterminen gekommen, weil er an einem hartnäckigen HWS-Syndrom litt, das ich mit gezielten Handgriffen lockern und vertreiben konnte.

Später nutzte er die arrangierten Hausbesuche, um mich zu ficken. Das ging keine zwei Wochen gut. Mein damaliger Arbeitgeber bekam Wind von der Sache und ich flog im hohen Bogen raus.

Nach weiteren vierzehn Tagen zog ich bei Robert ein und kaufte mit seiner Unterstützung eine eigene Massagepraxis, die auf Anhieb zum Selbstläufer wurde, sodass ich meine Schulden im Handumdrehen begleichen konnte. Ums Finanzielle war es also auch nie gegangen, obwohl ich mir vorstellen kann, dass das der ein oder andere hinter unserem Rücken behauptete.

Der Sugardaddy und sein Gespiele – ja, ich denke, das dachten einige über uns.

Aber das brachte uns nicht aus der Ruhe.

Jedoch ging die Leidenschaft ihre eigenen Wege und irgendwann glänzte sie zwischen unseren Laken mit Abwesenheit.

Sie können mir nicht folgen? Dann von Anfang an …

François …

I.

Es war ein Tag wie jeder andere gewesen. Die vielen Kunden in der Praxis brachten mich zur Erkenntnis, dass ich mein Leben im Griff hatte.

Inzwischen konnte ich mir drei Mitarbeiter und eine Auszubildende leisten und auch mal Urlaub nehmen. Oftmals war ich am Ende des Tages aber ebenso erschöpft wie meine Klienten. Dann sehnte ich mich nach einem entspannten Feierabend, einem heißen Bad, einem Glas Sekt … ein paar gemütlichen Stunden auf dem Sofa … zusammen mit Robert.

Das Problem an der Sache war, dass der immer häufiger nicht zeitig nach Hause kam. An einigen Abenden fand er überhaupt keinen Weg in unser Bett.

Ich verfolgte den Zustand ein paar Wochen, bis mir der Kragen platzte, denn ich ahnte, wer der Grund für sein Verhalten war.

François …

Ich ging nicht gern in diesen Club und nicht nur, weil er Robert gehörte. Bars und Diskos … Okay, die hatte ich zu Jugendzeiten auch besucht, aber Striptease und Poledance standen nicht auf meiner favorisierten Liste.

Robert besaß dieses Etablissement bereits, als er mich noch gar nicht kannte. Ich ging davon aus, dass hinter den Kulissen mehr lief, als er mir erzählte. Aber ich hatte nie danach gefragt. Vielleicht wollte ich es nicht wissen.

Da es der einzige Club in der Stadt war, der sich auf ein schwules Publikum eingeschossen hatte, war er stets gut besucht. Das Geschäft boomte.

Ich beklagte mich nicht, denn Roberts Arbeit verhalf uns zu einem gehobenen Lebensstandard, den ich nicht missen wollte.

Die schwarzen Zahlen auf unseren Konten waren ausschlaggebend dafür, dass ich meinen eigenen Job gelassen und dennoch fokussiert anging.

Mir saßen keine Darlehen im Nacken. Am Ende des Monats konnte ich nicht behaupten, den Gürtel enger schnallen zu müssen. Kurz gesagt: Uns ging es gut – bis zu diesem Abend:

Piet stand hinter dem Tresen, lediglich mit Krawatte und String bekleidet, aber das war hier bei den Angestellten so üblich. Der Club lebte von Freizügigkeit und exzellenten Stripshows. Wer darauf abfuhr, kam auf seine Kosten – wortwörtlich gemeint. Für ein Glas Sekt blätterte man 10 Euro hin, für eine Flasche einen Fünfziger und die Kunden waren so verrückt, das zu zahlen.

Ich war der Ehemann vom Chef. Piet erkannte mich auf den ersten Blick und der sah fast erschrocken aus.

„Nielo? Was machst du denn hier?“

Eine verdammt blöde Frage. Was sollte ich hier schon machen – mitten in der Woche? Abgesehen davon, ging es ihn etwas an?

„Mach mir mal einen Scotch, einen doppelten!“, forderte ich. Er nickte und machte sich sofort an die Arbeit. Derweilen sah ich mich um. Auch unter der Woche war der Laden gut besucht, dabei rückte der Zeiger auf Mitternacht. Aber ich wusste: Je später der Abend, desto frivoler die Shows.

An den Seiten der Tanzfläche standen zwei Podeste mit Polestangen und einem Metallkäfig, in dem ein Erwachsener mühelos Platz finden konnte. Die kleinen Bühnen wurden vom bunten Laserlicht angestrahlt. Rings um das Parkett gab es Sitzgelegenheiten, einige auch nah am Geschehen.

Was ich suchte, fand ich nicht.

„Wo ist Robert?“, warf ich in Piets Richtung. Mein Drink stand inzwischen vor mir und ich nahm einen kräftigen Schluck. Musste ich ja nicht bezahlen. Vielleicht sollte ich extra viel trinken – auf Roberts Kosten.

„Der?“ Ich bemerkte das Zögern in Piets Gesichtsausdruck. Er wusste genau, wo sich mein Angetrauter herumtrieb, doch er haderte mit sich, mir das zu sagen. „Ich glaube, der ist im Büro.“

Aha. Ich trank mein Glas aus, deutete mit dem Zeigefinger darauf. Das Signal reichte aus. Piet füllte nach. Sein Blick wirkte verunsichert, seine Bewegungen fahrig. Befürchtete er, dass es an diesem Abend zu einem Eklat kommen würde? Angedeutet hatte es sich ja schon seit einiger Zeit. Sicher sprach man hier im Club hinter unserem Rücken.

Über Robert und mich. Über den stinkreichen Inhaber und seinen jüngeren Mann, der so arrogant war, den Laden zu meiden, der es immer noch für nötig hielt, als Physiotherapeut zu arbeiten, anstatt sich aushalten zu lassen. Ja, so war ich: Nielo Becker. Sogar den Nachnamen hatte ich nach der Eheschließung behalten.

Um nichts in der Welt wollte ich Saxen heißen, denn Roberts Familienname war der Inbegriff von dem, worüber man in der Stadt nur hinter vorgehaltener Hand sprach.

Die Musik im Club wurde lauter. Auf der Tanzfläche sammelten sich die Gäste. Sie waren in muntere Gespräche vertieft. Einige hantierten mit ihren Handys herum, sicher mit der Absicht, bei der folgenden Darbietung Fotos und Videos zu machen. Mit deren Hilfe konnten sie sich zu Hause einen runterholen. Absolut ekelerregend.

Ich leerte das zweite Glas. Die Drinks beruhigten mich etwas. Sie halfen mir, runterzufahren. Trotzdem waren meine Finger flatterig. Ich schloss und öffnete sie, ballte eine Hand und spürte die Muskeln des Oberarms, wie sie sich spannten und dehnten, als warteten sie nur auf ein Zeichen.

Ja, vielleicht sollte ich an diesem Abend endlich ein Zeichen setzen. Mit der Faust. Ohne Worte. Direkt in sein feines Gesicht. François.

Aus dem Augenwinkel heraus sah ich, wie sich der Vorhang neben der Bar bewegte. Dahinter befand sich der Flur zu den privaten Räumen – und zum Büro. Ich sah Robert in seiner ganzen Pracht. Mit einer Größe von 1,90 Meter überragte er die meisten. In den letzten Jahren hatte er an Gewicht verloren, was ich seinem stressigen Alltag zuschrieb.

Obwohl er Besitzer des Clubs war, trieb er sich dort ständig herum. Irgendetwas gab es immer zu klären und ich wusste, dass er es liebte: Das Ambiente, leicht bekleidete Jungs, sexhungrige Typen, die eine Menge Geld einbrachten. Es gab ausreichend Security; am Eingang, am Ausgang, in jeglichem Winkel. Robert ließ es sich jedoch nicht nehmen, jeden Abend selbst nach dem Rechten zu sehen.

Er trug wie so oft schwarze Jeans, ein graues T-Shirt dazu und eine dünne Lederjacke. Kennen Sie Jeffrey Dean Morgan? Piet hatte mir mal anvertraut, dass man Robert im Club hinter seinem Rücken Negan nannte. Nicht nur, weil er so schlaksig war, keinen sichtbaren Arsch in der Hose hatte, sondern weil sein grau meliertes Haar und der Dreitagebart etwas Magisches in sein Gesicht zauberten. Etwas Charmantes und Angsteinflößendes zugleich. Scheiße, ich stand auf ihn wie am ersten Tag. Das war das eigentliche Problem an der Sache. Und François …

Ja, Robert trat tatsächlich aus dem gesonderten Bereich, als hätte er etwas Wichtiges im Büro zu erledigen gehabt. Aber ich kannte ihn und ebenso erkannte ich die lose Haarsträhne, die ihm abstrus ins Gesicht fiel, was eine körperliche Anstrengung offenbarte.

Selbstverständlich war er nicht allein. François tippelte neben ihm her, den Blick auf die Tanzfläche gerichtet. Mit geschminkten Augen und roter Fliege um den Hals symbolisierte er, gleich Teil der Show zu sein. Mit knappen, engen Pants bekleidet visierte er das erste Podest an.

Überdies sah ich, wie Robert sich von ihm verabschiedete: mit einem leichten Klaps auf sein festes Gesäß.

Mir blieb die Luft weg, obgleich sich mir all das bot, was ich vermutet hatte.

Ehe ich einen neuen Drink orderte, blickte Robert in meine Richtung. Kurz hielt er inne, doch er sah nicht erschrocken aus, eher besorgt. Mit großen Schritten kam er auf mich zu.

„Nielo? Was ist los? Ist etwas passiert?“

Eine berechtigte Frage. Als ich das letzte Mal unangekündigt in den Club gekommen war, hatte ein Besoffener unsere Katze über den Haufen gefahren. Fix und fertig war ich Robert damals um den Hals gefallen. Es war eine lange, eine frustrierte, aber auch sinnliche Nacht geworden. Er gab mir alles, was ich brauchte und in beschissenen Momenten benötigte.

Doch inzwischen besaßen wir kein Haustier mehr und mein Besuch hatte einen anderen Grund; und zwar das bildhübsche Flittchen, das in den Käfig stieg, sich obszön zur Musik bewegte und die Männer in der ersten Reihe fast zum Weinen brachte.

Ich sah es mir nur einen Moment an und verzog meine Lippen zu einem spöttischen Grinsen.

„Bei mir ist nichts passiert, aber du scheinst vergessen zu haben, wo dich deine Beine nach Feierabend hinzuführen haben.“

Er stand vor mir und sagte zuerst nichts. In dreister Weise tat er nachfolgend ahnungslos. „Was meinst du denn?“

Das Lachen verging mir. Ich beugte mich vor und zischte ihn an. „Was ist so wichtig, dass du mich die dritte Nacht am Stück allein lässt?“

Er trat von einem Bein auf das andere und strich sich über den kurz geschorenen Nacken. „Es ist Monatsende. Die Abrechnung, das weißt du doch …“

„Und François hilft dir neuerdings dabei?“

„Was?“

Mit einem Kopfnicken zeigte ich zum Käfig, aber ich sah nicht hin. Ich wollte nicht sehen, wie François seinen makellosen Körper zur Schau stellte, wie die fremden Männer sich die Lippen nach ihm leckten und ihm die Geldscheine hinter die Hotpants schoben.

„Wusste gar nicht, dass er auch Buchhaltung kennt. Dachte immer, er kann nur die Beine breitmachen!“ Ich wurde laut. So laut, dass Piet besorgt in unsere Richtung blickte.

Robert fasste mich sanft am Arm. „Wir gehen besser ins Büro.“

„Gut.“ Mürrisch stieß ich mich vom Tresen ab, entkam somit seinem Griff und marschierte voraus.

Es ging durch den Vorhang und den Flur; von dort in den hintersten Raum, wo sich das Büro befand.

Die Luft war stickig. Vielleicht bildete ich es mir auch ein, denn die Angelegenheit schnürte mir die Kehle zu.

Kaum hatte Robert die Tür hinter uns geschlossen, nahm ich meinen Schlüsselbund aus der Jackentasche. Mit nervösen Fingern zog ich den Haustürschlüssel ab und knallte ihn auf den Schreibtisch.

„Was soll das?“, fragte er.

„Ich ziehe aus“, erwiderte ich schnippisch, als wäre es eine logische Konsequenz, die ich aus den Umständen zog. „Hab das Nötigste gepackt, den Rest hole ich später.“

Robert schüttelte den Kopf und lächelte irritiert. „Das kannst du nicht machen. Wir sind verheiratet.“

„Das scheinst du vergessen zu haben“, konterte ich.

Er atmete schwer und strich sich über den Dreitagebart. Grau war er geworden. Aber ihm stand das. Ohnehin machte ihn das Alter nicht weniger attraktiv.

„Wir haben damals geschworen, uns Freiräume zu lassen“, meinte er.

Ich nickte, denn daran konnte ich mich gut erinnern.

„Freiräume, ja …“, sinnierte ich. „Mal ein Date zwischendurch, ein Flirt, keine große Sache … aber du …“ Ich presste die Lippen aufeinander. Mir wurde schlecht bei dem Gedanken, was er hinter meinem Rücken anstellte. Mein Blick fiel auf den Schlüssel, der auf einem Haufen Papier lag. Daneben stapelten sich Ordner. Das zeigte mir auf, dass er sich tatsächlich mit der Abrechnung befasst hatte.

Es änderte aber nichts an der Tatsache, dass er mehr als tolerabel fremdging.

Er stritt es ja nicht einmal ab! Er stand vor mir und verteidigte sich nicht.

„Entscheide dich“, forderte ich ihn auf. „François oder ich?“

*

Allein sein Zögern sorgte dafür, dass wir an diesem Abend auf keinen Nenner kamen. So machte ich Nägel mit Köpfen und zog aus. Mit den nötigsten Sachen quartierte ich mich in ein Hotel ein.

Von da an nahm das Elend seinen Lauf.

Wenn ich am späten Nachmittag von der Arbeit dort einkehrte, stand Robert schon davor. Manchmal wartete er in der Lobby oder vor meiner Zimmertür.

Er war ständig da. Plötzlich hatte er Zeit. Jeden Tag. Und jeden Tag schickte ich ihn weg.

Er machte Telefonterror, bombardierte mich mit SMS und Sprachnachrichten, ließ mir Blumen zusenden, die ich postwendend in den Abfalleimer warf.

Er lud mich zum Essen ein – zu dem ich nicht erschien. Ich ließ ihn warten, ließ ihn zappeln.

Er litt. Von Tag zu Tag wurde er schwächer. Ich quälte ihn mit meiner Ablehnung, folterte ihn mit meiner Abwesenheit.

Bis er vor mir auf die Knie ging und flehte. Es war das erste Mal, dass ich ihn hatte weinen sehen.

Es zerbrach mir das Herz, denn selbstverständlich konnte ich sein Leid nicht ertragen.

Zermürbender war allerdings die Tatsache, dass er sich nicht entscheiden konnte.

Überspitzt erzählte er mir von François, der bislang nirgends Fuß fassen konnte.

Dabei war das Tanzen sein Leben. Robert hatte ihn unterstützt, seit dem ersten Moment, in dem er im Club nach einem Job gefragt hatte. Dadurch hatte er sich fangen können.

Wenn François den Raum betrat, ging die Sonne auf. Wenn er sich auf der Bühne bewegte, blieb einem das Herz stehen.

Aus Roberts Gutmütigkeit wurde Schwärmerei, letzten Endes die Leidenschaft.

Er war François verfallen und ich konnte es ihm nicht einmal verübeln.

Bisweilen hatte ich über den Zustand gelacht und redete mir ein, selbst standhaft zu bleiben, indem ich wegsah.

Ich ging nicht in den Club und mied die Konfrontation. Wenn ich ihm begegnete, sah ich ihm nicht in die grün-blauen Augen.

Robert hätte das niemals gekonnt und das wusste ich.

Eine Lösung musste her, ansonsten hätte ich ihn verloren und das wäre wohl die größte Niederlage meines Lebens gewesen.

„Oh bitte, Nielo, schick mich nicht mehr weg!“, jammerte er. Vornübergebeugt krümmte er sich auf dem Boden. Er klammerte sich an meine Beine und schluchzte auf. „So kann das nicht weitergehen. Ich liebe dich doch so sehr!“

Es waren die Worte, die ich hören wollte, und ehrlich gesagt schmeichelte es mir, wie der große Robert Saxen vor mir kroch wie ein Wurm und mir das Blaue vom Himmel versprach.

In diesem Moment hatte ich ihn in der Hand. Ich hatte ihn so weit und so weit waren meine Überlegungen gewesen.

„Es wird weitergehen“, sagte ich kühl. Mein Herz machte einen Sprung, denn was ich mir überlegt hatte, war eigentlich genial. „… unter einer Bedingung.“

*

Der Augenblick war perfekt gewesen, denn François hatte erst vor kurzem seine Bleibe verloren.

Sein Vermieter hatte ihm die Wohnung gekündigt, kaum hatte er davon Wind bekommen, dass sich sein schwuler Mieter die Brötchen beim nächtlichen Poledance verdiente. Seitdem wohnte er in einem Hinterzimmer im Club.

Das war der Punkt, an dem ich ansetzte, der Trumpf, den ich ausspielte. Es war das As im Ärmel zu meinen Gunsten.

Mit dieser Strategie, so glaubte ich, konnte ich sie auseinanderbringen – zumindest für gewisse Zeiten.

„Was für eine Bedingung?“, fragte Robert. Mit geweiteten Augen sah er mich an. Meinen Triumph über ihn kostete ich aus.

„Wir haben die freie Einliegerwohnung“, startete ich und er nickte sofort, denn seit Monaten suchten wir einen Nachmieter für die Räume im Untergeschoss. Da Robert aber keine Zeit hatte und ich keine Lust, einen Makler zu aktivieren, geschweige denn eine Anzeige aufzugeben, stand die Wohnung leer. Wir nutzten sie nicht. Unser Haus bot genug Platz.

„François wird dort einziehen“, bestimmte ich.

Die Überraschung war mir gelungen. Roberts Augen leuchteten plötzlich und ich grinste in mich hinein. Er erkannte die Heimtücke in meinem Beschluss nicht.

„Meinst du das ernst?“ Er rappelte sich auf und strich die Falten aus seinem Anzug. Das Trauerspiel vor meinen Füßen hatte ein Ende genommen. Die Verhandlung über unsere Ehe begann.

Ich bejahte. „Er wird nicht mehr im Club schlafen, nur noch dort arbeiten. Wir nehmen ihn als Untermieter auf, jedoch muss er sich an gewisse Regeln halten.“

„Okay …“ Robert nickte die Ansage ab, ohne Details zu wissen. Das war sein Fehler. Aber ich hatte ihn längst in der Hand.

„François hat den Hintereingang zur Wohnung zu nutzen. Am Haupteingang des Hauses hat er nichts zu suchen. Er darf den Rasenabschnitt Souterrain betreten, aber nicht unseren Garten. Sein Auto, sollte er eins haben, steht weder in unserer Auffahrt noch in der Garage. Kein Nachbar soll auf die Idee kommen, irgendeine Verbindung zwischen dir und ihm zu sehen.“

„Gut.“ Robert stimmte auch dem zu, aber ich registrierte die Nachdenklichkeit in seinem Gesichtsausdruck. Er ahnte wohl, dass das nicht alles war. Der Clou fehlte und den präsentierte ich ihm mit einem siegreichen Lächeln auf den Lippen.

„Er hat auch in unserem Haus nichts zu suchen. Die Treppe von der Einliegerwohnung ins Erdgeschoss ist für ihn tabu. Ich will ihn dort nicht sehen.“

Robert nickte verhalten, aber er sagte nichts, denn ich war noch nicht fertig mit meiner Aufzählung.

„Du siehst ihn im Club …“ Ein sarkastisches Lachen konnte ich mir nicht verkneifen. „… lässt sich ja auch kaum vermeiden, wenn er weiterhin dort arbeitet. Aber nach Feierabend trennen sich eure Wege.“

Robert stutzte wie erwartet. Sein Körper bog sich etwas nach hinten, er neigte den Kopf in den Nacken, sah mich dennoch prüfend an. „Wie meinst du das?“

„Du kommst jeden Abend nach Hause.“

„Nielo, das geht nicht so einfach. Der Club hat bis 5 Uhr geöffnet.“

„Spätestens um 1 Uhr liegst du bei mir im Bett und am Samstagabend gehst du gar nicht hin, lediglich im Notfall.“ Mir war bewusst, dass das eine strenge Forderung war, denn besonders am Wochenende herrschte reges Treiben im einschlägigen Milieu. Doch auf der anderen Seite wusste ich, dass selbst ein Robert Saxen entbehrlich war. Früher, als unsere Beziehung noch frisch gewesen war, hatte er die Abende ja auch lieber mit mir als im Club an der Bar verbracht.

„Du kannst Sonntagabend nach dem Rechten gucken, aber generell gehört das Wochenende uns.“

Er zögerte mit der Antwort. Ich sah ihm an, wie er überlegte und die Sachlage im Kopf durchspielte. Schließlich lächelte er unsicher. „Du möchtest, dass François in die Wohnung zieht, aber ich soll ihn nicht außerhalb der Dienstzeit privat treffen?“

Das hatte er richtig erkannt. Doch da ich wusste, dass er dem niemals zugestimmt hätte, hatte ich eine klitzekleine Ausnahme in das Regelwerk eingebaut.

„Ich überlasse euch den Freitag. An den anderen Tagen hast du dich zu benehmen wie ein treuer Ehemann.“

„Aber …“ Es war absehbar, dass er mit Gegenargumenten kam, doch ich hörte sie mir erst gar nicht an.

„Das ist keine Sache, um die wir feilschen werden“, stellte ich klar. „Das sind Regeln, an die ihr euch halten werdet.“

Er schwieg und gab kein Kontra mehr. Somit verdeutlichte ich:

„Ich räume dir einen Tag in der Woche ein, an dem du etwas mit François unternehmen kannst. Du gehst in den Club, um deine Arbeit zu machen, und nicht, um mit ihm rumzuvögeln. Abgesehen davon will ich ihn nicht sehen. Er kann in der Wohnung wohnen, damit du es nicht weit zu ihm hast, aber er hat sich von unseren Räumen fernzuhalten. Wenn du freitags zu ihm gehst, werde ich mich ins Dachgeschoss zurückziehen.“

„Aber wieso das?“, fragte er perplex.

„Das Haus wird aufgeteilt. Oben ist mein Bereich, in der Mitte wohnen wir beide und unten François.“

Er schüttelte den Kopf. „Verstehe ich nicht, du hast doch alles.“

Ich atmete tief durch und stemmte die Hände auf die Hüften. „Du hast den Bogen überspannt, Robert“, verdeutlichte ich. „Und ich gebe dir hiermit eine letzte Chance. Jeder hat Rechte und Pflichten, an die er sich halten wird. Wenn François eine Bleibe bei uns findet, beanspruche ich ebenso einen Rückzugsort für mich. Sieh es als eine eingebaute Notbremse an, falls ich eine Auszeit benötige.“

„Na gut.“ Er lächelte verhalten. Ich konnte ihm ansehen, dass er mit der Regelung nicht glücklich war, aber ihm blieb keine andere Wahl. Selbstverständlich räumte ich mir meinen eigenen Wohnbereich unter dem Dach nicht nur ein, um mit François auf einer Ebene zu stehen, sondern auch, weil ich sichergehen wollte, dass ich nichts davon mitbekam, wenn die beiden sich trafen. Ja, so stellte ich mir das vor. Ich würde mich an den Freitagabenden in mein kleines Reich zurückziehen und mich mit allen möglichen Dingen ablenken, aber gewiss nicht an ihn denken. François …

Es war ein raffinierter Plan, ein perfektes Arrangement, so dachte ich.

Aber wie so oft im Leben machte einem das Schicksal einen Strich durch die Rechnung … Und so geschah es auch bei uns …

*

In den ersten Monaten lief alles nach selbst auferlegter Vorschrift.

Zuerst wurde der Dachboden nach meinen Vorstellungen umgestaltet. Dabei ließ ich Robert richtig bluten. Bei der Auswahl der Baumaterialien sowie der Inneneinrichtung gab ich mich nicht mit Standards zufrieden. Meine eigenen zwei Zimmer mit Bad kosteten eine Menge. Selbstverständlich musste Robert dafür aufkommen und er versuchte erst gar nicht, gegenzusteuern, sondern zahlte die Rechnungen.

Es wurde ein großes Oberlicht zwischen die Dachgiebel eingebaut, durch die ich vor dem Schlafengehen den Sternenhimmel betrachten konnte. Ich orderte ein Boxspringbett, einen Massagesessel und natürlich einen Schreibtisch mit ergonomischer Sitzgelegenheit. Es wurden Kabel und Rohre verlegt, damit ich unter dem Dach eine kleine Kochnische bekam und im Bad installierte man eine Wellnesswanne mit integrierten LEDs und Massagedüsen. Abgerundet wurde das Ganze mit einer Wildledercouch, einem Kamin und Schränken aus Mahagoni.

Es war fast zu schade, die Räumlichkeiten nur ein Mal in der Woche zu nutzen, aber wenn schon, denn schon, sagte ich mir. Wenn Robert meinte, sich weiterhin mit François treffen zu müssen, sollte es mir in der besagten Zeit zumindest an nichts fehlen.

Für die Einliegerwohnung galten andere Bestimmungen. Dort hatte Robert nichts zu erneuern. Um etwaige Renovierungsarbeiten und Neuanschaffungen musste sich François selbst kümmern.

Mögliche Unkosten hatte er aus eigener Tasche zu zahlen.

An einigen Nachmittagen wurde es richtig laut in den unteren Räumen.

Ich sah Robert an, dass es ihn wurmte, nicht helfen zu dürfen, aber er sagte nichts.

Derweilen grübelte ich darüber, ob der Schönling es tatsächlich selbst war, der in der Wohnung werkelte oder ob er Handwerker geordert hatte. Eins musste ich ihm lassen: Seinen Einzug bemerkte ich nicht. Er nutzte den Nebeneingang und auch sonst sah ich niemanden, der den Weg zu ihm suchte; nicht einmal den Möbeltransporter bekam ich mit. Vermutlich, weil ich tagsüber in der Praxis war.

In den Stunden, in denen François seiner Freizeit nachging, war ich dabei, Kunden zu massieren, sie in Bäder oder Packungen zu legen. Wenn ich Feierabend machte, befand sich François schon im Aufbruch. Kam ich nach Hause, ging er in den Club.

Wenn er sich frühmorgens nach einer langen Nacht ins Bett legte, klingelte bei mir der Wecker.

Wir lebten quasi im selben Gebäude nebeneinander her, doch sahen und trafen wir uns nicht.

Vielleicht mag es grotesk erscheinen, dass ich den Liebhaber meines Mannes so nah bei uns wohnen ließ, doch genau das war der springende Punkt.

Ich hatte sie unter Kontrolle – und das wussten sie. Ausnahmen oder Patzer waren indiskutabel. Die tolerierte ich nicht.

Ich war sozusagen das Bindeglied unserer Abmachung, der Schiedsrichter, der die Fäden in den Händen hielt.

Robert war so schlau, sich dem zu beugen, und François kuschte – denn aus seiner Reihe hörte ich keine Worte des Protestes. Zumindest kamen sie mir nicht zu Ohren.

Kurz gesagt: Das Miteinander lief bestens. Ich bildete mir ein, dass es für unsere ungewöhnliche Dreierkonstellation keine brillantere Lösung gab.

*

An einem dieser besagten Freitagabende lag ich entspannt in der Wellness-Wanne und telefonierte mit meiner Schwester. Das tat ich zu selten und obwohl sie in der Nähe wohnte, trafen wir uns meist nur an Feiertagen. Sie war also nicht auf dem neusten Stand und ich berichtete ihr von den aktuellen Ereignissen.

„Wir haben den Dachboden für mich ausgebaut“, schilderte ich. „Robert hat keine Kosten gescheut. Es ist brillant geworden. Momentan genieße ich den Whirlpool.“

„Wow“, erwiderte sie. „Das klingt gut, aber wieso bist du schon wieder allein am Abend? Und wieso benötigst du Raum für dich? Habt ihr Probleme?“

Es war zu erwarten gewesen, dass sie nachfragte. Innerlich hatte ich mich auch darauf eingestellt. Sie wusste nicht, was sich in den letzten Wochen entwickelt hatte. Vielleicht hatte ich das Gespräch bewusst auf das Thema gelenkt, damit ich mir endlich von der Seele reden konnte, was mir auf dem Herzen lag.

„Robert hat viel zu tun“, sagte ich und das war nicht einmal gelogen. „Aber wir haben jetzt eine Abmachung, die vorsieht, dass er sich zumindest in der Woche nicht die Nächte im Club um die Ohren schlägt.“

„Und am Wochenende?“, hakte sie nach.

Ich nahm einen Schluck aus dem Champagnerglas. „Sonntags sieht er mal nach dem Rechten, aber ansonsten ist er zu Hause.“

„Aber heute wohl nicht …“ Sie hatte es richtig erkannt. Da ich zuerst schwieg, fragte sie weiter. „Hat er denn noch immer dieses Faible für den jungen Tänzer. Wie hieß er noch?“

„François.“ Ich half ihr auf die Sprünge, dabei widerstrebte es mir, diesen Namen auch nur auszusprechen. „Ja, er schwärmt noch für ihn. Das wird er wohl nicht ablegen.“

Sie seufzte. „Ach, Nielo, ich habe es immer gesagt: Typen, die im Rotlichtmilieu arbeiten, sind schwierig.“

Ich gab ihr kein Kontra, denn es stimmte. Ob sie sich nun auf Robert bezog oder François, es war egal. Es würde wohl auch in Zukunft stets etwas außergewöhnlich laufen …

Später lag ich im Bett und betrachtete den Sternenhimmel genau so, wie ich es mir gewünscht hatte. Bad und Schampus hatten mich zufriedengestellt, aber mein Körper geriet augenblicklich unter Spannung, kaum hörte ich den lauten BMW-Sportwagen in die Einfahrt und die Garage fahren.

Roberts Auto verriet mir immer, wenn er nach Hause kam – auch an diesem Abend.

Erneut haderte ich mit mir und wurde nicht zum ersten Mal schwach. Ich kroch aus dem Bett, öffnete die Tür und horchte in den Flur. Die Wohnungstür wurde aufgeschlossen, das hörte ich sogar im Dachgeschoss. Und da war er wieder, der winzig kleine Moment, in dem ich hoffte, dass Robert die Treppe nach oben nehmen würde – zu mir, seinem Ehemann, der sich unter dem Dach verschanzt hatte wie ein Igel im Winterschlaf.

Aber auch an diesem Freitag geschah das Ersehnte nicht.

Ich hörte Roberts Schritte auf der Treppe nach unten, schließlich das Klappen der Tür zur Einliegerwohnung. Danach wurde es wieder still und ich schlich zurück ins Bett.

Einzig und allein tröstend war die Gegebenheit, dass sie sich an unsere Abmachung hielten.

François nutzte den Hintereingang und Robert bot den Nachbarn keine Angriffsfläche.

Niemand schien zu ahnen, was sich im Inneren des Hauses tatsächlich abspielte.

Am nächsten Morgen spürte ich eine kleine Erleichterung darüber, dass die Nacht vorbei war. Das Wochenende lag vor mir. Zwei Tage, die ich mit Robert hatte; danach die Woche, in der ich ebenfalls nichts von ihm hören würde. François.

Ich taperte ins Erdgeschoss und bereitete das Frühstück vor. Lediglich in einen Morgenmantel gekleidet deckte ich den Tisch und zündete sogar eine Kerze an.

Nebenbei machte ich mir Gedanken über das Wochenende, darüber, was ich mit Robert unternehmen könnte, ohne dass es ihn zu sehr schlauchte. Wir gingen beide einem anstrengenden Job nach. Das Ende der Woche war da, um sich zu erholen.

Pünktlich um 9 Uhr hörte ich die Tür der Einliegerwohnung gehen. Mit langsamen Schritten kam Robert die Stufen hinauf. Sein Hemd steckte akkurat in der grauen Hose, doch die obersten Knöpfe waren offen. Sein Sakko trug er unter einem Arm.

Er sah müde aus, übernächtigt. Sicher lag es nicht an dem langen Abend im Club, sondern daran, dass er die letzten Stunden mit einem Typen verbracht hatte, der mehr oder minder halb so alt war wie er.

Ich mochte mir nicht vorstellen, wie sie es miteinander getrieben hatten. Kaum dachte ich mir mögliche Szenarien dazu, blendete ich sie aus.

„Hallo mein Schatz“, sagte er mit einem gütigen Lächeln auf den Lippen. Den Blick auf den Frühstückstisch gerichtet, schlich er näher. Er unterließ es, mich zu küssen oder zu umarmen. Das rechnete ich ihm hoch an.

Schon von Weitem roch ich die Ausdünstungen seines Körpers, die Folgen der Nacht, den Geruch nach Zigarettenrauch und Alkohol, den er eigentlich immer aus dem Club mitbrachte. Vermutlich roch er auch nach ihm, aber daran wollte ich erst recht nicht denken. Er deutete zur Treppe in Richtung Badezimmer. „Bin kurz duschen, dann bin ich bei dir.“

„Okay“, erwiderte ich knapp. Ja, wasch die Nacht weg, dachte ich still bei mir. Ich will gar nicht wissen, was du erlebt hast.

Geduscht und umgezogen saß er schließlich mit mir am Frühstückstisch. Der gemeinsame Start ins Wochenende war mir immer wichtig.

„Was hältst du von einer Shoppingtour in der Stadt mit anschließendem Mittag im Savoy? Und heute Abend machen wir es uns gemütlich, okay?“

„Das klingt super.“ Robert zwinkerte mir zu. Er meinte es ernst, doch seine Augen waren klein.

Ich nahm einen Schluck Kaffee, stellte die Tasse ab und atmete tief durch. Eigentlich wollte ich das Thema nicht ansprechen. Alles sträubte sich in mir, aber ich wusste auch, dass mich ein Schweigen darüber den ganzen Tag belastet hätte.

„Ich weiß, dass er dir wichtig ist“, sagte ich demzufolge. Gleichzeitig bohrte sich die Feststellung schmerzend in meinen Magen. „Aber du darfst dich nicht für ihn aufgeben.“

„Oh, das tu ich nicht, Nielo, auf keinen Fall“, entgegnete er postwendend. Seine haselnussbraunen Augen sahen mich an: liebevoll und auch traurig. „Du bist das Wichtigste für mich und das wird so bleiben.“

Er langte über den Tisch, nahm meine Hand und drückte sie fest.

Mir fiel ein kleiner Stein vom Herzen. Seine Worte gaben mir die notwendige Stütze. Ich war die Nummer eins in seinem Leben. Das würde auch ein François nicht ändern.

„Okay.“ Ich nickte. Das Thema war erledigt. Zumindest für diesen Moment.

Es änderte allerdings nichts an der Tatsache, dass Robert ausgelaugt wirkte wie jeden Morgen, wenn er den Freitagabend mit François verbracht hatte.

Vielleicht hätte es mich an jenem Morgen wütend machen müssen, aber das tat es nicht. Wir hatten diese Abmachung und diese Regelung hatte Struktur in den Alltag gebracht. Da ich Robert liebte und nach wie vor an unserer Beziehung festhielt, spürte ich eher eine Art von Mitleid.

Dieser bildhübsche Mann, der zwischen uns stand, war zwanzig Jahre jünger als mein Ehemann. Da blieb es wohl nicht aus, dass man sich gerädert vorkam, um mitzuhalten.

Ich räumte den Tisch ab und bemerkte Roberts Nachdenklichkeit. Dachte er dasselbe wie ich?

„Dann mache ich mich jetzt fertig für die Stadt“, entschied ich und zeigte auf meine Shorts, die unter dem offenen Morgenmantel hervorlugten. „Vielleicht reicht die Zeit für ein kleines Nickerchen auf dem Sofa.“

Robert lächelte. „Vielen Dank.“

Natürlich war er in meiner Abwesenheit nochmal auf dem Sofa eingenickt. Ich weckte ihn mit einem Kuss auf die Stirn und dem neusten Herren-Duft von Lancôme.

Er klappte die Lider auf und schmunzelte. „Du riechst wunderbar.“

„Nur für dich, alter Mann“, neckte ich.

„Oh bitte, mach mich nicht älter, als ich bin.“

„Was?“ Ich lachte. „Sonst bist du es doch, der sich zur Altherrenliga zählt.“

Robert betrachtete mich von Kopf bis Fuß. Ich steckte in Bluejeans und einem weißen Kapuzenpullover. Ich mochte es sportlich, was nicht nur an meinem Beruf lag. Bequeme Markenkleidung gab mir ebenfalls das Gefühl, die Jugend nicht verloren zu haben.

Robert bevorzugte seine Hemden und Anzüge – war er nicht gerade im Club unterwegs. Dort trug er vornehmlich seine Lederjacke und die engen Jeans, die aufgrund seiner schlanken Figur dennoch Falten warfen.

Er stand auf und rieb sich das Gesicht. Die kleine Auszeit hatte ihm gutgetan. Unternehmungslustig sah er mich an. „Von mir aus können wir los.“

Zehn Minuten später lenkte Robert den schwarzen BMW aus der Garage. Die Sonne schien und er trug eine Sonnenbrille von Ray Barn, die jedoch nicht verhinderte, dass er den Radfahrer von der rechten Seite nicht bemerkte.

„Vorsicht!“, warnte ich, sodass er gerade noch rechtzeitig in die Eisen ging. Obwohl Robert vor dem Überqueren des Bürgersteiges abbremste, stoppte der Biker nur dicht vor der Kühlerhaube. Mit geöffnetem Mund sah er in unsere Richtung und ich schluckte.

Es war François, der dort mit seinem Rennrad stand, buchstäblich zur Salzsäule erstarrt. Ich konnte es ihm nicht verübeln, denn Robert hatte ein ordentliches Tempo drauf gehabt.

Ein paar Sekunden vergingen, bis François sich wieder dem Rad widmete. Er trug eine enge Radlerhose und hatte einen Fahrradhelm auf dem Kopf. Sein hautenges Oberteil definierte seine schlanke Figur bis ins kleinste Detail.

Er blickte kurz auf die Straße und fuhr los. In Windeseile war er aus unserem Blickfeld verschwunden.

Robert schwieg. Ich sagte ebenfalls nichts dazu. An einem Samstag hatte François nichts in unserem Leben zu suchen.

Trotzdem drang mir ein wirklich scheußlicher Satz in den Kopf: Hättest du ihn doch bloß umgenietet, dann wären wir ihn endlich los!

In den nächsten Stunden lenkten wir uns ab.

Wenn wir samstagvormittags einkaufen gingen, landeten wir nicht beim Discounter, sondern in edlen Boutiquen. Nicht selten kaufte mein Mann mir eine neue Uhr oder kostbare Krawattennadeln, die ich nie trug, einzig und allein, um das Klischee zu bewahren, aus dem wir uns einen Spaß machten.

Er war großzügig und ich ließ mich gern beschenken. Zum Abschluss des Ausfluges gönnten wir uns dann eine Auszeit in einem exquisiten Café. Sekt und Lachsbrötchen. Irgendwo muss man ja hin mit seinem Geld, sagte Robert stets mit einem Augenzwinkern.

Nach dem Abendessen, das wir uns hatten ins Haus kommen lassen, sahen wir uns einen Film an, doch bei einem Glas Wein und dem flüssigen Dialog nebenher kamen wir schnell zu dem Punkt, der für einen Samstagabend unabdingbar war.

„Gehen wir hoch?“, wisperte Robert in mein Ohr. Ich spürte seinen warmen Atem auf der Haut und stimmte sofort zu. In der Woche ging es in unserem Schlafgemach eher ruhig zu, vor allem, weil wir nach einem Arbeitstag häufig für Zärtlichkeiten keinen Sinn mehr hatten.

Mit dem Beginn des Wochenendes hatte sich dann einiges angestaut.

Bei Robert, weil er schon am Freitag auf den Geschmack gekommen war und bei mir, weil ich regelrecht danach gierte, meine Rechte einzufordern – und auszuleben.

„Wie hätten Sie es denn gerne, mein lieber Gemahl?“, fragte ich neckisch. Robert lag bis auf die Unterhose entkleidet auf dem Bett und sah mich erwartungsvoll an. In unserer Beziehung gab es keine Rollenverteilung. Wir liebten uns so, wie es uns in den Sinn kam, und ich konnte nicht behaupten, dass einer von uns zu kurz kam.

„Also, wenn du mich so fragst …“ Robert lag auf dem Rücken, sah an die Decke, als überlegte er, wie er seinen Wunsch formulieren sollte. Mit den Fingerkuppen fuhr er sich über den nackten Bauch. Seine Brustbehaarung wuchs auch in der Körpermitte und bildete eine zarte Linie bis unter seinen Bauchansatz. Ich hatte große Lust, ihm die Shorts von den Hüften zu reißen und es einfach zu machen. Die ganze Woche hatte ich auf diesen Moment gewartet. Ich war geil und hungrig und wollte es ihn unbedingt spüren lassen.

„Wie heißt noch dieser große Muskel im Glutealbereich?“

Ich stand vor dem Bett, kleidete mich aus und grinste verhalten. „Du meinst den Musculus gluteus maximus?“

„Ja!“ Roberts Augen wurden noch einen Tick weiter. „Ich glaube, ich bin dort total verspannt.“

„Und ich bin außer Dienst“, erwiderte ich augenzwinkernd.

„Oh, bitte, Nielo, ich flehe dich an, bitte mach es …“

Er wusste genau, dass es mich anheizte, wenn er mich um etwas bat; wenn er mich anflehte, etwas zu tun, und mir damit das Gefühl gab, die Oberhand zu besitzen. Ja, es hatte nicht immer was mit dem Alter zu tun, dass man mal gerne den Macker raushängen ließ.

„Also gut.“ Ich langte mir zwischen die Beine und knetete mich durch den Stoff. „Dann Hose runter und auf den Bauch.“

Allein die Tatsache, dass er sofort machte, wonach ich verlangte, stachelte mich an, die Sache richtig gut zu tun. Ohnehin gab mir Robert stets das Gefühl, dass Sex mit mir etwas Besonderes war.

Obgleich sich nach einigen Jahren ein gewisses Tief eingestellt hatte, ließen wir uns davon nicht beeinflussen.

Oder lag es an den neu aufgestellten Regeln, dass am Wochenende endlich wieder ein frischer Wind in unserem Schlafzimmer wehte?

Ich dachte nicht länger darüber nach, wer oder was dafür verantwortlich sein könnte, dass es inzwischen wieder besser lief.

Kaum hatte Robert sich komplett ausgezogen und bäuchlings über das Bett ausgebreitet, befreite ich meinen pochenden Schwanz von der engen Unterhose.

Während in anderen Schlafzimmern Gleitgel und Kondome ihren festen Platz einnahmen, gab es auf unserem Nachtschrank eine Vielfalt von Massageölen.

Unsere Liebe hatte in einer Massagepraxis gestartet und das hatten wir zu keiner Zeit vergessen. Allerdings war ich als Physiotherapeut und ausgebildeter Masseur nicht nur mit den Händen geschickt.

Robert hatte das von der ersten Behandlung an zu schätzen gelernt und wann immer sich ihm die Möglichkeit ergab, machte er von meinen Fertigkeiten Gebrauch.

Ich langte nach dem Mandelöl, drückte eine gute Portion davon in die Handfläche und begab mich hinter ihn in Position.

Ich setzte mich auf seine Oberschenkel, passte auf, dass er nicht mitbekam, wie begehrlich sich mein Schwanz in seine Richtung streckte. Ein sinnliches Vorspiel war wichtig, denn das brachte uns beim eigentlichen Akt erst richtig in Fahrt.

Behutsam setzte ich meine Hände auf seine Flanken, wartete, bis sie seine Körpertemperatur angenommen hatten. Danach verteilte ich das Öl dicht über seinem Gesäß.

Eine Massage des Hinterteils ist nichts Ordinäres, obgleich sie in vielen Praxen nicht angeboten oder wenig ausgeführt wird. Dabei sind die dort ansässigen Muskeln ein wichtiger Teil unseres Bewegungsapparats. Sie stabilisieren und stützen uns. Sind sie verspannt, kommt es zu Schmerzen und Fehlhaltungen.

Das hatte ich Robert schon in den ersten Wochen unserer frischen Liebe beigebracht.

Seitdem vergötterte er meine Künste, sein Hinterteil professionell zu verwöhnen. Er hielt still und seufzte ins Kissen, während ich ihm eine exquisite Gesäßmassage bot.

Ich strich von den Flanken in Halbkreisen über seine Gesäßhälften, knetete mit gekippter Hand seine Flankenregionen, streichelte ihn Hand über Hand und ließ meine Ballen fest und tief auf seinem Allerwertesten zirkeln.

Ich fuhr so lange auf seiner Kehrseite herum, bis ich bemerkte, dass er dem sanften Druck, den ich auf ihn ausübte, nachkam. Kaum merklich presste er seinen Unterleib auf das Bett, immer dann, wenn ich neue Kreise auf seiner öligen Haut zog. Ein Zeichen für mich, einen Schritt weiter zu gehen.

Die offizielle Massage war zu Ende, nun folgte der private, intime Part.

Ich schob zwei Finger vor und stimulierte ihn tief.

Sofort drückte er sich fester ins Laken. Je schneller und mutiger ich ihn fingerte, desto lustvoller wurde sein Stöhnen. „Oh, Nielo, hör bloß nicht auf …“

„Ist es gut so, ja?“ Ich dehnte und reizte ihn gleichermaßen, nicht, ohne selbst diesen unbeschreiblichen Druck zu verspüren.

„Es ist himmlisch.“ Er ächzte ins Kissen und zog mit dem Unterleib kleine Kreise. Es war von Vorteil, dass er ein paar Jahre mehr Lebenserfahrung mit sich trug. Ich musste keine Angst haben, dass er vorzeitig kam. Er konnte sich beherrschen und den Rausch der Sinne genießen. Meist war ich es, der die Aufwärmphase beendete, weil ich es nicht länger aushielt.

Ich beugte mich so weit vor, dass mein harter Schwanz seinen Oberschenkel berührte. Ich rieb meine Brust an seinem Rücken und verbiss mich in seinem Hals, doch zu keiner Zeit hörte ich auf, ihn von innen zu massieren.

„Oh Gott Nielo …“ Er wimmerte und zitterte … Eine Hand verschwand unter seinem Körper und blieb dort verschwunden. Er biss ins Kissen. Ich hatte ihn so weit.

„Startklar?“, hakte ich nach.

„Mach es, bitte, los, mach es …“

II.

Es geschah am Montagabend.

Nach Feierabend besorgte ich ein paar Lebensmittel. Zu Hause angekommen fand ich wie gewohnt einen Zettel von Robert vor. Meist schrieb er mir einen Hinweis, dass er im Club war und beabsichtigte, zu einer bestimmten Uhrzeit zurück zu sein. So wusste ich, ob wir gemeinsam oder getrennt zu Abend essen würden.

An diesem Tag versprach mir seine Notiz, dass er spätestens um 20 Uhr nach Hause kommen würde. Dementsprechend euphorisch stieg ich in meine Trainingskleidung und ging eine Runde joggen. Obwohl ich mich in der Praxis physisch betätigte, war das Laufen etwas, dem ich gern nach Dienstschluss nachging, um den Ballast des Tages abzuschütteln. Natürlich auch, um mir meine Fitness zu bewahren. Robert mochte meinen trainierten Körper. Ich wollte nicht nur für ihn in Schuss bleiben. Eine definierte Figur war ebenfalls gut für das Ego. Nicht, dass ich davon nicht genug hatte, aber mit fortschreitendem Alter war es nicht mehr so leicht, attraktiv zu sein.

Das war mir bewusst geworden, als Robert das erste Mal von François erzählt hatte; von dem jungen Typen, der beim Vortanzen alle anderen Anwärter auf den Job in den Schatten gestellt hatte. Er hatte von dem hübschen Gesicht berichtet, dem unwiderstehlichen Lächeln und dem makellosen Body. Am Anfang hatte ich mich noch darüber amüsiert, aber da die Schwärmerei nicht aufhörte und seine allabendlichen Nächte im Club länger wurden, hatte sich eine gewisse Skepsis eingestellt.

Inzwischen lagen die Karten offen auf dem Tisch. Ich hatte einen Nebenbuhler – dementsprechend hart ging ich mit mir selbst ins Gericht.

Ich achtete vermehrt auf gesunde Ernährung, versuchte auch, Robert einzubinden. Selten ließ ich mich gehen. Weder im Outfit noch in der Pflege meines Körpers.

Kurzgesagt: Ich hatte Angst, meinen Mann zu verlieren und tat alles dafür, um ihm weiterhin zu gefallen.

Aber an diesem besagten Montag war nahezu alles perfekt. Das Wochenende war schön gewesen. Die positiven Schwingungen hallten nach. Roberts Notiz ließ vermuten, dass er ebenso empfand, und so startete ich in freudiger Erwartung in den Abend.

Nach dem Joggen kleidete ich mich edel, trug das beste Parfum auf, das ich besaß, und begab mich in die Küche. Ich wollte uns etwas kochen, etwas Gesundes, etwas, das nicht im Magen lag, denn schweres Essen konnte sich negativ auf den weiteren Verlauf des Abends auswirken.

Ich garte zartes Hühnchenfleisch und schnitt Tomaten, Paprika und Zucchini in kleine Stücke, hatte vor, einen leckeren Auflauf zu machen.

Mittendrin klingelte das Handy und Roberts Nummer wurde angezeigt. Ich seufzte mit einer schlimmen Vorahnung. Es kamen nur zwei Dinge in Betracht: Entweder wollte er mir sagen, dass er auf dem Weg war oder dass er sich verspäten würde.

Dementsprechend nahm ich das Gespräch missmutig entgegen. „Ja? Was gibt es?“

Zu meinem Erstaunen meldete sich nicht Robert am anderen Ende, sondern eine Frau.

„Entschuldigen Sie, aber spreche ich mit Herrn Becker?“

Ich stutzte und mein Herz machte einen unnatürlichen Sprung. „Ja …“

„Hier ist Schwester Annett aus dem Zentralklinikum, Notaufnahme. Sie sind der Lebensgefährte von Herrn Robert Saxen?“

Für einen Moment setzte mein Herzschlag aus. „Ich bin sein Ehemann, ja, ist etwas passiert?“

Der Puls schlug mir wummernd gegen den Hals. Ich schob die Pfanne vom Herd und presste das Handy fest an mein Ohr.

„Bleiben Sie ruhig“, bat die Schwester. „Es ist ihm nichts Schlimmes zugestoßen, aber Herr Saxen ist gestürzt und musste zum Röntgen. Er bat mich, Sie anzurufen.“

Ich atmete aus und stützte mich auf die Küchenablage. Obwohl ihre Worte beruhigten, schlug die Nachricht wie eine Bombe ein. „Was ist mit ihm?“, fragte ich panisch.

„Irgendetwas mit seinem Fuß“, versicherte sie mir. „Sie sollen sich nicht aufregen, hat er gesagt, es sei nicht so schlimm.“

Nicht schlimm? Er war im Krankenhaus! Aber das war typisch für Robert. Er war einer der wenigen, der sich auch mit einer Grippe zur Arbeit schleppte, jemand, der sein Leid nie zugab und immer positiv dachte.

„Ich komme!“, sagte ich kurz entschlossen. „Richten Sie ihm das bitte aus. Ich bin unterwegs!“

*

Im rasanten Fahrstil nahm ich den Weg mit meinem Golf in Richtung Klinik auf. Der Feierabendverkehr war vorüber und die Straßen leer. Auch bekam ich sofort einen Parkplatz dicht am Krankenhaus. Kopflos folgte ich den Hinweisschildern zum Röntgen. Doch nirgends eine Spur von Robert.

In der Eingangshalle wandte ich mich dann an den Infotresen. Mir wurde gesagt, dass mein Partner die Röntgenabteilung inzwischen verlassen hatte und auf die Privatstation der Chirurgie verlegt worden war.

Ich machte mir nicht die Mühe, auf den Fahrstuhl zu warten, und erklomm die Treppen in den vierten Stock. Im Schwesternzimmer bekam ich weitere Auskunft und schließlich stand ich vor dem Zimmer, in dem Robert untergebracht war.

Ich klopfte nicht an, sondern stürmte hinein. Mit Erleichterung sah ich auf den ersten Blick, dass er wach war und im Gesicht nicht verletzt. Er lächelte sogar. Aber ebenso sprang mir die Person ins Auge, die dicht neben dem Bett auf einem Stuhl saß: François.

Meine Sorge drang in den Hintergrund. Bis auf den linken Fuß, der bandagiert auf einem Kissen ruhte, ging es Robert allem Anschein nach blendend.

„Was machst du denn für Sachen?“, stieß ich hervor.