Junges Gemüse hält auch nicht ewig - Mara Waldhoven - E-Book

Junges Gemüse hält auch nicht ewig E-Book

Mara Waldhoven

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Beschreibung

Ein Roman mit viel Herz, frechem Humor und allem, was sonst noch zu einem sinnlich prickelnden Leseabenteuer gehört.


Ein störrischer Teenager, eine liebestolle Mutter und jobmäßig in der Warteposition … nicht gerade die besten Voraussetzungen für Hanna, um als Alleinerzieherin in ihrer alten Heimat neu durchzustarten.
Nachdem sie Mann und Job an die um zwanzig Jahre jüngere und perfekt geformte Konkurrenz verloren hat, muss ein neuer Lebensplan her. Der aber gar nicht so einfach durchzusetzen ist, weil das Schicksal sich einfach nicht an Hannas Vorgaben halten will. Plötzlich Hundemama wider Willen, trifft sie auf den neuen Tierarzt. Sexy, erheblich jünger und ein Killerlächeln, das sämtliche Damen der Umgebung auf dumme Gedanken bringt. Trotz aller Bemühungen bekommt Hanna ihn nicht mehr aus ihrem Kopf und – schlimmer noch – aus ihrem Herzen. Und als dann noch alle befreundeten Zwei- und Vierbeiner sich in ihr Liebesleben einmischen, gibt es kein Entrinnen mehr.


Die Romane der Black Stiletto Lounge-Reihe können unabhängig von den anderen und in beliebiger Reihenfolge gelesen werden.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhaltsverzeichnis

IMPRESSUM

Willkommen in der Black Stiletto Lounge

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Ein paar Hundemonate später …

Danke,

Über die Autorin

Leseprobe: Hexenküsse schmecken besser

Leseprobe: Dark Boys kuscheln gerne

Junges Gemüse

hält auch nicht ewig

Mara Waldhoven

IMPRESSUM

„Junges Gemüse hält auch nicht ewig“ © Mara Waldhoven

Alle Rechte vorbehalten

***** Mara Waldhoven

c/o F. Olz

Kirchwegsiedlung 26

3484 Grafenwörth

[email protected]

***** Deutsche Erstausgabe Dezember 2020 *****

Lektorat: Mag. Bettina Jakl-Dresel

*****

Cover Design: Rebecca Russ, sturmmöwen.at

Bildmaterial:

Shutterstock:

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Depositphotos:

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***** Alle Rechte einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form sowie die Übersetzung des Werkes sind vorbehalten und bedürfen der schriftlichen Genehmigung der Autorin. Dies gilt ebenfalls für das Recht der mechanischen, elektronischen und fotografischen Vervielfältigung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Handlung und die handelnden Personen, sowie deren Namen, sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden bzw. realen Personen ist rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Willkommen in der Black Stiletto Lounge

Du bist keine 20 mehr, aber trotzdem, oder gerade deswegen, so richtig gut drauf.

Deine Kinder distanzieren sich deshalb von dir? Mach dir nichts draus, die kommen wieder … spätestens, wenn sie Hunger haben.

Du weißt, was du willst, mal abgesehen von den zahlreichen Must-haves in deinem Kleiderschrank, die den Weg hinaus nicht mehr gefunden haben.

Falten können dir egal sein, dein bezauberndes Lächeln lässt sämtliche Zeichen der Zeit vergessen.

Lebenserfahrung ist sexy … nur leider kannst du das nicht immer so gut rüberbringen. Dummerweise immer dann nicht, wenn der heiße Typ von nebenan um die Ecke biegt.

… Ärgere dich nicht, denn das Leben hat dich eines gelehrt, irgendwann kommt der richtige Zeitpunkt und dann schlägst du zu! Und das ohne Rücksicht auf Verluste. Eine schmerzvolle Erfahrung für das lästige, junge Gemüse, das sich immer unser Objekt der Begierde krallen will …

Trifft mindestens einer dieser Punkte auf dich zu? Dann bist du bei uns genau richtig.

In der Black Stiletto Lounge.

Und gleich geht es weiter mit unserer Vorstellungsrunde, heute lernst du Hanna kennen. Ein störrischer Teenager, eine liebestolle Mutter und jobmäßig in der Warteposition … nicht gerade die besten Voraussetzungen, um als Alleinerzieherin in der alten Heimat neu durchzustarten. Und dann auch noch plötzlich Hundemama wider Willen … und den sexy Tierarzt bekommt sie auch nicht mehr aus dem Kopf …

Mach es dir gemütlich, schenk dir ein Glas Rotwein ein und zünde die Duftkerzen an. Diese Liebesgeschichte könnte etwas länger dauern, denn sie ist ein wenig kompliziert.

Kapitel 1

Dieser Anblick rettet mir meinen Tag, aber sowas von! Sie hat definitiv zugenommen und ist in den vergangenen Jahren auf das Doppelte der dünnen Blondine angewachsen, die mir vor Ewigkeiten meine erste und im jugendlichen Übermut verklärte Liebe weggeschnappt hat. Mit ganz miesen Mitteln, sie ist einfach schwanger geworden.

Okay, ich übertreibe jetzt vielleicht ein wenig, sie ist für ihr Alter, ähm, unser Alter, noch immer ganz gut in Form. Allerdings sticht mir ihr Haarausfall ins Auge. Tippe mal auf Hormone oder Frust, vermutlich beides. Ich kann gut auf ihren breiten Scheitel gucken, weil ich sie dank meiner High Heels locker um einen Kopf überrage.

Und vielleicht hat sie‘s ja altersbedingt auch mit den Bandscheiben. Ihre Haltung ist schon sehr verkrampft und etwas gebückt, was ihr Bäuchlein noch stärker in den Fokus rückt. Ich habe dieses Problem dank Sport, gesunder Ernährung und – na gut, ich geb’s ja zu - körperformender Unterwäsche nicht. Aber die ist eher pro forma, weil das die selbstbewusste Frau heutzutage so trägt ... Haben sie mir letztens im Dessousladen eingeredet. Wobei das selbstbewusst vermutlich die charmante und daher verkaufsfördernde Umschreibung von nicht mehr ganz taufrisch ist.

Aber zurück zu meiner ehemaligen Lieblingsschlampe, die hat sich in der Nacht des Maturaballs meinen Freund gekrallt und sich sicherheitshalber auch gleich von ihm schwängern lassen. In der Folge geheiratet und ihn dann zu einem bierbäuchigen Mann mit schütterem Haar und vom Alkohol rotgeäderter Nase verkommen lassen, der jetzt den ehrenwerten Schuldirektor mit politischen Ambitionen spielt. Also sollte sich mein Verlustschmerz wirklich in Grenzen halten, denn von dem einst so strammen August ist nicht mehr viel übrig.

„Ich finde das richtig schön, dass du wieder hier bei uns bist. Wir müssen uns unbedingt mal treffen und du erzählst mir, wie es dir so ergangen ist“, plappert sie freudig vor sich hin, „und man hat ja so einiges von dir gehört …“

Keine Ahnung, was sie von mir gehört hat, dass sie jetzt so dreckig grinst. Ich habe die letzten Jahre im Ausland verbracht, zuletzt war ich in Hamburg stationiert und habe dort meinen Lebensabschnittspartner unter anderem als Sprechstundenhilfe in seiner Gynäkologischen Ordination unterstützt. Bis der mich gegen eine Sexbombe Marke Kindchenschema ausgetauscht hat, privat und beruflich.

„Und wir dachten alle, du bleibst für immer und ewig in Düsseldorf hängen“, erklärt meine Nebenbuhlerin aus Jugendtagen gerade - hoffnungsvoll, wie mir scheint. Ich verdrehe innerlich die Augen.

„Hamburg, meine Liebe, nicht Düsseldorf. Das liegt ganz woanders“, weise ich sie ein wenig von oben herab zurecht. Sie guckt mich groß an, als würde sie den Städtenamen zum ersten Mal in ihrem Leben hören. Also, so aus der Welt ist Krems-Umgebung auch wieder nicht, dass die hier Hamburg nicht kennen. Allerdings war unserer viermaligen Weinprinzessin in Folge der passende Lippenstift schon immer wichtiger als Allgemeinbildung.

„Ach, das ist doch diese hübsche Insel, wie man sich irren kann“, seufzt sie und mich schüttelts innerlich. Eh sinnlos.

Mal abgesehen von ihrer geographischen Unkenntnis, Düsseldorf! Was hätte ich dort tun sollen! Ich bin in den letzten Jahren schon ein bisschen herumgekommen, aber dort habe ich meine Zelte niemals aufgeschlagen. Ich bin nach dem Fremdsprachenstudium meiner großen Liebe Sven nach Stockholm gefolgt, nur leider hat er mich viel zu früh verlassen. Und zwar so früh, dass er unsere Tochter Penny niemals kennenlernen durfte. Die mit den Jahren zugegeben etwas unscharf gewordene Erinnerung an diesen wunderbaren, einzigartigen Mann, der mit Sicherheit der beste Papa und Partner der Welt gewesen wäre, hätte er nur die Chance dazu bekommen, tut mir noch immer höllisch weh. Ich befürchte, dass die Lücke, die der Schwede in meinem Leben hinterlassen hat, niemals wieder ausgefüllt werden kann. Jeder Mann, der danach den Weg zu meinem Herzen gefunden hat, und das war eine sehr überschaubare Anzahl, war nur ein Versuch, dieses Glück noch einmal erleben zu dürfen. Ich bin jedes Mal gescheitert, wahrscheinlich auch durch meine Schuld, weil ich immer nach ein paar Treffen die Notbremse gezogen habe. Ich hatte einfach Angst. Ich ließ sie alle nur in die Nähe meines Herzens, aber nie hinein.

Bei einer Konferenz, in der ich simultan übersetzte, traf ich schließlich Kai und ich startete einen letzten – zugegeben auch vernunftgetriebenen – Versuch, mich wieder so richtig auf einen Mann einzulassen. Kai schien in unser Leben zu passen, kam mir mit seiner sanften, rücksichtsvollen Art wie der perfekte Stiefvater und Partner vor, und so begann mit ihm unsere Zeit in Hamburg. Böse Zungen könnten jetzt natürlich behaupten, dass es verkehrt war, meinen Männern in ihre Heimatstädte nachzulaufen. Ich fühlte mich aber lange Zeit nirgends wirklich heimisch und musste diese Erfahrungen machen. Und jetzt bin ich wieder da, ebenfalls der Liebe wegen, weil sie halt vorbei ist. Meine Tochter ist deshalb stinksauer auf mich. Auf mich! Nicht vielleicht auf meinen Lebensgefährten, der ihr jahrelang wie ein Vater war, bevor er draufgekommen ist, dass er eigentlich nicht der Familienmensch sein möchte, für den wir ihn alle gehalten haben. Nun sitzen wir beiden Mädels also hier fest, keine Ahnung wie lange. Aber natürlich ist mir bewusst, dass ich meiner Teenagertochter gegenüber eine große Verantwortung habe. Ich darf sie nicht alle paar Jahre entwurzeln, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass meine Entscheidung, hierher zurückzukommen, die richtige war. Vielleicht haben wir ja hier in meinem Geburtsort endlich unsere wahre Heimat gefunden.

Und natürlich sind wir auch da, weil meine Mama, nachdem sie eine Stufe übersehen hat, immer wieder Rückenschmerzen hat und somit Hilfe in ihrer kleinen Frühstückspension an der Donau gebrauchen könnte. Das hat sich gut ergeben, mein Abgang aus Hamburg sah dadurch nicht ganz so nach Flucht aus und ich konnte wenigstens ein bisschen mein Gesicht wahren.

Aber genug davon, ich will mir gerade vor der einstigen Gegenspielerin meinen Frust nicht anmerken lassen. Ich stelle meine Ohren auf Durchzug, lasse sie einfach über die alten Zeiten schwafeln und begutachte konzentriert das Obst und Gemüse in meinem geflochtenen Korb, das ich für den heutigen Mädelsabend verkochen werde. Es ist zu warm für diese Jahreszeit, der Vogerlsalat fällt langsam, aber sicher in sich zusammen und auch die Beeren sollten schleunigst aus der Sonne. Die gekauften Birnen schauen auch komisch aus, biologisch halt.

Ich will den Redefluss jetzt beenden. „Marina, ich hab mich auch sehr gefreut, aber jetzt muss ich leider los. Die Arbeit ruft, wie du dir sicher denken kannst. Lass August schön grüßen“, sage ich höflichkeitshalber und die Landpomeranze mit dem Namen, der eher auf eine rassige Südländerin als auf ein in die Jahre gekommenes Wachauermädel mit Ponyhintern schließen lässt, nickt begeistert. Marina drückt freundschaftlich meinen Arm, eine Umarmung traut sie sich glücklicherweise nicht. „Das mach ich. Der Gusti freut sich eh wie narrisch, dass du wieder da bist. Gehörst ja hierher, auch wenn du uns jahrelang untreu warst. Dort oben in Duss … Dings…burg.“

Ich unterdrücke ein spöttisches Grunzen, erwidere ihr gekünsteltes Abschiedslächeln und sehe ihr nachdenklich hinterher, wie sie eilig davonwatschelt.

Marina Kautzlinger … wie naiv ist sie eigentlich, warum tut sie so zuckersüß, obwohl sie doch ganz genau weiß, dass ich sie nicht leiden kann? Konnte ich nie und werde ich auch nie, nicht in 100 Jahren! Und umgekehrt ist es doch sicher genauso.

Mein Blick fällt auf das Plakat für die kommende Gemeinderatswahl … Du meine Güte, habe ich ein Glück! Augusts aufgesetztes Alkoholikerlächeln strahlt mir entgegen und nichts erinnert mehr an den heiß umkämpften Stürmerstar der Schulmannschaft. Das Einzige, das an ihm noch sexy ist, ist das bunte Kreuzchen neben seinem Namen.

Plötzlich geht’s mir wieder besser, ich ergebe mich meinem Schicksal, das so schlecht gar nicht ist. Ich bin daheim und wie es aussieht, werde ich das auch noch ein Weilchen bleiben. Ein langes Weilchen. Vielleicht sogar für immer … was für ein verwegener und gleichzeitig beruhigender Gedanke.

Am Abend besuchen mich meine besten Freundinnen, die Zwillinge Sarah und Lotti, um mich ganz offiziell wieder willkommen zu heißen. Die beiden begleiten mich seit der Schulzeit und auch in den letzten Jahren haben wir den Kontakt nicht verloren. Ich freue mich darauf, sie in meiner Nähe zu haben und wieder öfters treffen und bekochen zu können. Ohne davor mühsam Termine hin und her schieben und ewig lange im Auto oder Zug sitzen zu müssen.

Ja, alles ist gut so wie es ist, zumindest scheint es so, als könnte es richtig gut werden. Das neue, plötzlich aufkeimende Hochgefühl lenkt mich ab und ich betrete, ohne zu schauen, die Straße. Zu spät erkenne ich die Gefahr, die sich von links in Form eines großen, dunklen Ungetüms mit rachitisch klingendem Motor nähert. Es rasselt und quietscht und scheppert wie der Raucherhusten von Lottis Urli. Ich lasse vor Schreck meinen gut gefüllten Korb fallen und der gesamte Inhalt verteilt sich auf der Fahrbahn. Und weil‘s so schön ist, steige ich gleich in die Späten Himbeeren und schlittere wie auf Glatteis ein paar Meter über den Asphalt. Ich lande auf meinem Hintern und das tut höllisch weh … und sieht vermutlich auch ziemlich dämlich aus. Was mir aber gerade egal ist, weil ich schockiert auf den Fahrer des Angriffswagens starre und nur eines will: Schnell weg von hier! Oder vielleicht doch nicht? Sein Anblick macht mich binnen Sekunden ganz wirr und auch ein bisschen wuschig. Ich sitze am Boden und weiß nicht, ob ich mich fürchten oder mich er- oder gleich hingeben soll. Einerseits fehlt dem männlichen, breitgebauten Kerl, der gerade mit irrem Ausdruck auf mich zumarschiert, nur mehr die Kettensäge, um perfekt in einen Horrorfilm zu passen … und andererseits ist er, nun ja, unheimlich männlich halt.

Und er hat Dreck am T-Shirt, und das nicht mal wenig. Zumindest hoffe ich, dass dieses dunkle Zeugs auf seiner Brust Schmutz ist und nicht das Ergebnis eines mörderischen Blutrausches.

Sein Schatten fällt auf mich, er starrt auf mich hinunter und dieser stechende Blick aus dunklen Augen macht mir jetzt doch mehr Angst als Lust. Weil er dreinblickt, als würde er mit seinen bloßen, großen Händen das vollenden wollen, was er mit seinem fahrbaren Untersatz nicht geschafft hat. Und er riecht ziemlich unangenehm, mein feines Näschen und meine überempfindlichen Augen reagieren ziemlich beleidigt auf diesen scharfen Geruch, der gerade zu mir hinunterwabert. Meine beginnende Geilheit zieht sich in die Tiefen meines Unterleibs zurück, dort wo ich sie sowieso in den letzten Jahren sehr gut versteckt gehalten habe.

Wieso hat mir keiner gesagt, dass ein stinkender Verrückter in Krems-Umgebung sein Unwesen treibt!

„Aber sonst geht’s Ihnen gut, oder?“, knurrt er, und ich will mal positiv denken und diese Frage als höfliches Interesse werten. Und nicht als Hinweis auf eine eventuelle psychische Auffälligkeit. Die er durchaus haben könnte, ich nicht!

„Haben Sie keine Augen im Kopf, wie kann man nur dermaßen gestört sein und einfach so über die Straße laufen? Halloho … Autos … wir sind nicht mehr im Jahrhundert der Pferdekutschen!“ Er schüttelt fassungslos seinen Kopf, fährt sich mit beiden Händen hektisch durch das für meinen Geschmack etwas zu lange und daher unordentlich in Stirn und Nacken fallende dunkelbraune Haar und schnaubt zornig durch die verkniffenen Lippen. Ich starre auf seine dreckige Brust, kann gar nicht wegsehen … wie ekelhaft! Was klebt da bloß an ihm? Schlamm, Innereien? Ich will es lieber nicht wissen.

Bevor ich hier am Boden Wurzeln schlage und ich mich angesichts der Grauslichkeiten auf dem vor langer, langer Zeit vermutlich einmal weißen T-Shirt übergeben muss, rapple ich mich mühsam hoch. Er besinnt sich darauf, dass es so etwas wie Höflichkeit gibt und streckt mir eher widerwillig die Hand entgegen. Die ich – natürlich! – selbstbewusst ignoriere. Auch deswegen, weil ich mir von ihm nicht irgendetwas Unheilbares holen will.

„Eine Pferdekutsche wäre vielleicht die bessere Wahl für Sie, da Sie Ihren Benziner offensichtlich nicht gut beherrschen“, kepple ich. Vielleicht ein bisschen zu mutig, Verrückte sollte man ja lieber nicht reizen. Aber bei mir gibt es in der zwischenmenschlichen Kommunikation einen Punkt, der mich alle Vorsicht vergessen lässt, und der ist leider immer ziemlich flott erreicht.

„Diesel!“, knurrt er.

„Na, noch schlimmer, ein Umweltkiller! Der gehört verboten!“ Ich weiß manchmal auch wirklich nicht, wann es genug ist. Wir duellieren uns mit Blicken und mir fällt auf, dass in seinen schokobraunen Augen goldene Sternchen funkeln. Und trotzdem wirkt er dadurch kein bisschen sanftmütiger oder freundlicher, also verzichte ich auch darauf, mich versöhnlich zu zeigen. „Sie sind hier nicht im Wilden Westen, es gibt Fußgänger, speziell Kinder auf der Straße, auf die man achtgeben sollte“, erkläre ich wichtig und begutachte meine Stöckel, ob die noch heil sind. Er folgt meinem Blick und grinst gemein.

„Die wissen hoffentlich, wie man sich als schwächstes Glied in der Straßenverkehrskette zu benehmen hat“, gibt er zurück, „und tragen vielleicht sogar das passende Schuhwerk, Prinzessin.“ Das facht meine Wut noch mehr an. Nicht unbedingt das geringschätzige Prinzessin, der ist halt einfach ein Depp, der glaubt Provokation erhöht seinen IQ, nein, meine Schuhe lasse ich nicht beleidigen! Die waren sauteuer und haben mich zuverlässig durch Hamburg getragen, also werden sie das auch durch Krems und Umgebung schaffen!

„Nur weil Sie groß und ein Mann sind, brauchen Sie sich hier nicht so aufzuführen. Oder ist die Luft da oben so dünn, dass sie Probleme haben, einen klaren Gedanken zu fassen? Sie … Bauernprinz?“, frage ich spitz und muss leider meinen Kopf in den Nacken legen, damit meine Blickpfeile auch richtig treffen. Er ist wirklich groß … und kräftig … ziemlich viel Mann halt. Erwähnte ich vielleicht schon …

Er legt kurz die Stirn in Falten und dann lacht er trocken auf. „Was sagten Sie, ich kann Sie so schwer verstehen, da unten in den bodennahen Regionen!“, spielt nun er frech auf unseren doch ins Auge fallenden Größenunterschied an.

So, ich mag jetzt nicht mehr, natürlich könnte ich jetzt so richtig beleidigend werden, aber das ist mir zu blöd. Ich lass mich doch nicht dazu herab, ein Duell mit diesem wenig Wert auf sein Benehmen und Erscheinungsbild legenden Menschen auszutragen. Habe wirklich Wichtigeres zu tun!

Ich ignoriere ihn also mangels anderer Ideen und beginne, meine Einkäufe wieder einzusammeln. Ich sehe aus den Augenwinkeln, dass er sich bücken will, um mir zu helfen. „Danke, lassen Sie nur, ich schaff das schon allein“, schnauze ich ihn an, will und brauche seine Hilfe nicht.

Er zuckt gelangweilt mit den Schultern und geht zum Auto. „Okay, wie Sie wollen.“ Dann deutet er zur nächsten Ecke, an der eine Lehrerin gerade mit ein paar Volksschülern das richtige Überqueren der Straße übt. „Vielleicht sollten Sie da mal mitmachen“, ätzt er und steigt über seinen eigenen blöden Witz lachend in seine Rostkarre. Die bei genauerer Betrachtung aussieht, als würde sie bald unter seinem Hintern wegbrechen. Was ich ihm von Herzen wünsche!

„Ja, du mich auch“, knurre ich in mich hinein.

„Das habe ich gehört!“, grölt er frech beim offenen Fenster hinaus und startet den Motor. Versucht es zumindest, aber es braucht drei Anläufe. Ich kann mir das schadenfrohe Grinsen nicht verbeißen … als Dank fährt er über meinen Vogerlsalat. Sicher mit Absicht!

Ich fasse es nicht! Hoffentlich ist dieser Kerl nur auf der Durchreise, dem will ich nicht noch einmal begegnen.

Kapitel 2

„Und was planst du für den Abend mit deinen Freundinnen?“ Meine Mama thront in ihrem Lieblingssessel an dem kleinen Tisch vor dem Küchenfenster und sieht mir neugierig beim Ausräumen meiner etwas in Mitleidenschaft gezogenen kulinarischen Schätze zu. Sie steht auf, geht ein paar Schritte, streckt sich mit einem leisen, schmerzhaften Stöhnen und setzt sich wieder. Mimi, wie sie von meiner Tochter liebevoll genannt wird, ist beim Einkaufen über eine Bordsteinkante gestolpert. Angeblich hat der Ziegenzüchter Zepedäus Poldwig, kurz Ziegenpoldi, sie erschreckt. Ich weiß aber genau, dass sie für diesen Mann schon seit längerem eine Schwäche hegt, und die wird wohl der Auslöser für den Unfall gewesen sein. Mal wieder zu gierig geguckt und nicht auf den Weg geachtet, die Gute. Ich werte das aber als äußerst positives Zeichen, dass die Libido bei uns Nebelbusch-Frauen auch im fortgeschrittenen Alter noch funktionstüchtig bleibt. Dann muss ich mir mit einer eventuellen Partnersuche keinen Stress machen … falls ich nach dem frustrierenden Ende mit Kai überhaupt jemals wieder Lust auf einen Mann bekomme.

Meine Gedanken kehren ohne jede Vorwarnung zurück zu einem dreckigen Kerl mit frechem Grinsen und erhöhter Aggressionsbereitschaft. Den ich – hoffentlich – nie wieder treffen muss.

„Ich muss ein wenig umplanen, ich hatte eine Begegnung der dritten Art und nun fehlen mir einige Zutaten für den herbstlichen Salat mit Ziegenkäse“, murmle ich unter Mimis aufmerksamem Blick und begutachte die Birnen, die den Unfall großteils heil überstanden haben. Was auch daran liegen könnte, dass sie eigentlich noch zu hart sind. Aber ich werde sie ein wenig anbraten und dann passen sie sicher perfekt zum Käse.

„Es gibt keine Außerirdischen bei uns, Schatzerl“, gluckst meine Mutter amüsiert, „zumindest nicht, seit deine Tante wieder nach Amerika ist.“

Ich muss lachen, denn Mama und ihre Schwester sind wie Hund und Katz, bei jedem – kurzen – Besuch fliegen binnen Sekunden die Fetzen. So angeblich auch beim letzten, den ich leider oder glücklicherweise nur knapp versäumt habe. Meiner Tochter hätte der in die Jahre gekommene Zickenkrieg garantiert gut gefallen, ihr ist hier nämlich viel zu wenig los.

„Tja, mit diesem Bisserl in deinem Korb wirst du dir auch wirklich schwertun etwas Nettes zu zaubern“, meint die Hausherrin kritisch. „Ist überhaupt noch Ziegenkäse da?“ Sie runzelt die Stirn und marschiert zum Kühlschrank. „Oje, keiner mehr da, dann müssen wir uns den Ziegenpoldi herholen.“

Ich unterdrücke ein dreckiges Lachen und weiche Mimis Blick, eine Mischung aus betrübt und ziemlich lüstern, aus.

„Ich kann zu ihm fahren und alles einkaufen, was wir brauchen“, schlage ich engelsgleich vor. Eine Weile ist es still, meine Mama sucht offensichtlich verzweifelt nach einer guten Begründung, den Mann ihrer Träume „herholen“ zu können.

„Mhmh“, brummt sie dann unzufrieden und lässt sich mit einem leisen Stöhnen wieder auf ihren Beobachtungsposten fallen. „Er würde sicher kommen, der Poldi.“

Ich kann mich nicht mehr halten. „Ja, der würde garantiert kommen!“ Ich beginne lauthals zu lachen und Mimi blickt mich irritiert an. Dann erhellt die Erleuchtung ihre Züge und sie versucht einen strengen Blick. „Sapperlot, bist du ein Schweinderl“, sagt sie nur und seufzt beim Fenster hinaus. Die aufziehende gesunde Gesichtsfarbe, die sich ein bisschen mit dem Kupferton ihrer erst kürzlich frisch gefärbten Haare schlägt, ist aber auch nicht von schlechten Eltern und bestärkt mich in meinem Verdacht. Meine Mutter hat oder träumt zumindest von einer heißen Romanze. Und ich gönne es ihr von Herzen, denn sie hatte in ihrem Leben auch noch nicht wirklich viel Glück mit den Männern. Mein Vater hat sich ziemlich schnell nach meiner Geburt aus dem Staub gemacht, im Gegensatz zu meinem Sven freiwillig, und alles, was danach kam, war auch kein Highlight. Anscheinend liegt bei uns Nebelbusch-Frauen das Unglück mit den Männern in den Genen. Ich seufze aus tiefster Seele und bete zu allen mir bekannten und unbekannten Göttern, dass meine Tochter mit diesem Fluch nicht geschlagen ist.

Ich konzentriere mich wieder auf mein geplantes Abendmenü und nehme die Küche unserer kleinen, aber sehr feinen Frühstückspension weiter in Beschlag.

„Von welchem Außerirdischen sprichst du eigentlich?“, fragt Mimi neugierig und ich blicke verwirrt auf.

„Na vorhin, diese Begegnung mit der dritten Art!“

„Ach so, keine Ahnung, wer das war, so ein seltsamer Typ. Rabiat und ungepflegt.“ Mein Blick geht beim Fenster hinaus und verliert sich ein bisserl in der Erinnerung an breite Schultern und einen dunklen, stechenden Blick. „Und sehr … “ Ich schlucke männlich schnell hinunter und seufze stattdessen leise und ein bisschen wehmütig.

Mama schließt kurz die Augen und denkt angestrengt nach. Dabei spielt sie an ihren beinahe desserttellergroßen, bunten Kreolen herum. Ohne die sie niemals aus dem Haus geht. Eine Frau kann ihrer Meinung nach ruhig mal einen schlechten Tag haben, an dem die Frisur nicht sitzt, aber, nie, nie, niemals darf sie ihrer Meinung nach ohne die passenden Ohrringe auf die Straße. Vermutlich habe ich deshalb eine Abneigung dagegen, weil sie mir früher damit permanent in den Ohren gelegen hat.

„Das kann nur der Fritz Müller gewesen sein, der Baumeister. Hat Geld wie Heu, würd auch gar nicht so schlecht aussehen, läuft aber herum wie ein Sandler. Keine Ahnung, was sich manche Männer denken. So wird der nie eine Frau finden. Aber Obacht, Schatzerl, wenn der mal seine Fühler nach einer ausstreckt, kann die nicht schnell genug auf dem nächsten Baum sein!“, warnt sie mich nach einer angenehm ruhigen Nachdenkpause.

„Ich will auf keinen Baum“, knurre ich.

„Würdest eh nicht schaffen, Schlaffi!“, ertönt die genervte Stimme meiner ehemals süßen und jetzt immer frecher werdenden Tochter, die gerade ins Haus poltert. Alles an ihrer Haltung ist neuerdings der pure Protest. Sie will nicht hier leben, sie will hier nicht in die Schule gehen und sie will schon gar keine neuen Freunde finden. Sie will meinen Ex mit der wunderschönen Villa an der Elbe, auch wenn der sie zuletzt auch nur mehr genervt hat. Und ein neues Handy, einen eigenen Fernseher, ein Moped! … sie will und will und will … und zwar das, wovon sie genau weiß, dass es mich aufregt und sie es daher garantiert nicht bekommen wird.

„Das zipft mich total an, wie komm ich dazu, dass ich ein Referat über mein Lieblingsbuch auf Englisch halten muss!“, konkretisiert sie ihren Unmut. Wobei mir jetzt nicht ganz klar ist, was sie mehr aufregt, Englisch oder Buch. Mir wäre auch gar nicht bewusst, dass meine Penny liest. Sie streamt.

„Ich kann Englisch, sogar sehr gut, ich sehe überhaupt nicht ein, dass ich das immer wieder so einem Lehrer-Spast beweisen muss“, raunzt sie, greift an mir vorbei und schnappt sich eine unreife Birne. Bevor ich sie warnen kann, hat sie schon hineingebissen und das Gesicht verzogen. „Die sind total sauer, würg, wer isst solche Äpfel?“

Ich verdrehe leidend meine Augen, sage aber nichts. Ich will meine Tochter ja nicht bloßstellen, aber eigentlich dachte ich schon, dass sie die gebräuchlichsten Obst- und Gemüsesorten unterscheiden kann. Wo sie doch auch so super Englisch kann …

„Das ist eine ganz besondere alte Apfelsorte, die gibt’s nicht mehr oft. Eine Herbstrenette.“

Wie … warum … ich blicke irritiert auf den Obstkorb. Bei genauerer Betrachtung könnten die grün-grauen Früchte tatsächlich als Äpfel durchgehen. Schon etwas peinlich …

Penny legt die angebissene Herbstirgendwas zu den anderen zurück.

„Geht’s noch?“, schnauze ich sie grantig über meinen Fehlkauf an und sie gibt mir ein Busserl auf die Wange. „Ja, immer öfters“, grinst sie frech und ich unterdrücke die Freude über diesen immer seltener werdenden Liebesbeweis. Von der fünfzehnjährigen Tochter gebusselt zu werden, hat schon was. Da verzeih ich ihr auch, dass sie ihren Lehrer als Spast tituliert und mich respektlos Schlaffi nennt.

„Was gibt’s heut zum Abendessen?“, will Penny wissen, während sie zwei Stufen auf einmal nehmend ins obere Stockwerk verschwindet.

„Lasagne!“, ruft Mimi ihr hinterher und ich sehe sie erstaunt an. „Hatte ich noch im Tiefkühler, dein herbstlicher Salat mit Birne oder Apfel und Ziegenkäse wird dem Kind im Wachstum wohl nicht reichen … falls der überhaupt heute noch etwas wird“, ätzt sie vergnügt.

„Der war ja auch nicht für euch gedacht, das wäre ja Perlen vor die Säue werfen“, gebe ich zurück und ernte eine angedeutete Kopfnuss. „Dass du dich ja nur nie fragst, woher deine Tochter dieses respektlose Benehmen dir gegenüber hat“, lächelt meine Mutter und in ihrem Blick liegt überfließende Freude, dass ihre beiden Lieblinge den Weg nachhause gefunden haben.

„Ich fahr jetzt zum Poldi und hol den Käse … soll ich ihn von dir schön grüßen lassen?“, zieh ich sie auf und die Dame des Hauses seufzt gequält. „Tu, was du nicht lassen kannst, und Obacht, falls du unserem Baumeister nochmals begegnest.“ Sie steht auf und geht hocherhobenen Hauptes, aber mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht bei der Tür hinaus.

Ich seufze und begutachte frustriert die harten Apfelbirnen. Mimis mehr als köstliche Lasagne ist tatsächlich die bessere Wahl und wäre auch die geeignetere Unterlage für die besondere Flasche Wein, die ich für den Mädelsabend im Kühlschrank aufbewahre.

Kapitel 3

„Kaliméra“

„Natürlich, Sie müssen nur sagen, von was“, antwortet meine Mutter auf den netten Morgengruß unseres griechischen Gastes und streicht sich kokett die Haare hinters Ohr. Die heute in leuchtendem Türkis gehaltenen Kreolen klingeln dabei wie ein Glockenspiel im sanften Morgenwind.

„Ein ordentliches Frühstück ist ein Muss in unserem Haus“, erklärt sie ernsthaft und in ihrem besten Deutsch, bevor sie Yannis Xanadides mit noch mehr selbstgemachter Marmelade überhäuft. Ich habe das Gefühl, auf dem Tisch befindet sich langsam, aber sicher alles, was unsere Speisekammer hergibt. Inklusive einer Riesenportion des frischen Kürbiskerntopfens, auf den sie immer so happig ist. Angeblich macht der sooo viel Mühe und daher gönnt sie den „gewöhnlichen“ Gästen nur ein kleines Schüsselchen davon.

Mimi begutachtet besorgt das Frühstücksangebot, als könnte unser Gast dabei verhungern. „Wollns noch Wurscht und an Butterkäs?“

Der gepflegte Mitsechziger aus Saloniki sieht erst die Hausherrin und dann mich etwas ratlos an, das hat er jetzt nicht verstanden.

„Hätten Sie gerne noch Wurst und Käse?“, übersetze ich für ihn. Er lächelt mich dankbar an, schüttelt aber ablehnend seinen Kopf und widmet sich wieder dem perfekt gekochten Frühstücksei. Dafür ist unsere Frühstückspension bis weit über die niederösterreichischen Grenzen hinweg berühmt. Nicht nur, weil meine Mama ein weiches oder, auf speziellen Wunsch, wachsweiches Ei vermutlich als einziger Mensch überhaupt perfekt hinbekommt, auch weil die Schildchen vor den hartgekochten Eiern die Namen der fleißigen Legehennen verraten. Das mag man jetzt geschmackvoll finden oder nicht, aber unsere Gäste lieben es. „Haben Sie heute wieder ein Ei von der Theresia?“, ist eine der meistgestellten Fragen unserer Stammgäste, die Star-Legehenne des kleinen Hühnerhofs ein paar Straßen weiter dürfte ganz besonders gschmackige Ware liefern. Gefolgt von Franzi und Ludovika. Und ja, es gab auch mal die Frage, warum die Eier von dem Franzi so eine helle Schale haben. Ob das eventuell am Geschlecht liegen könnte …

„Was fragt der Dolm dann überhaupt, ob er noch mehr haben kann, wenn er eh nix will“, regt sich meine Mutter bei mir auf, als wir mit dem schmutzigen Geschirr unserer Frühaufstehergäste – und das ist leider die Mehrzahl gegen Ende der Radlersaison – wieder in der Küche sind.

„Er hat Kaliméra gesagt, das heißt guten Tag“, versuche ich sie zu beruhigen.

„Ach so, ich hab verstanden kann ich mehr haben.“

Eine Weile arbeiten wir schweigend nebeneinanderher.

„Aber ein sehr gepflegter Mann, dieser … wo kommt der nochmal her?“

„Yannis Xanadides aus Saloniki. Er ist Weinhändler und nimmt hier an einer Konferenz teil. Leider war er mit der Buchung zu spät dran, und so ist er bei uns gelandet“, kläre ich meine Mutter über unseren Neuzugang auf, der gestern noch spät, wir waren gerade mitten im Mädelsabend, bei uns sein Glück versucht hat. Und ja, er sieht gut aus, was meine Freundin Sarah, die männermäßig schon immer einen Vaterkomplex hatte, sofort erkannt hat.

„Na sapperlot“, murmelt meine Mutter, und das kann bei ihr alles heißen. So wie sie aber im Moment verklärt beim Küchenfenster rausguckt – Herr Xanadides dreht eine kleine Verdauungsrunde durch den Garten und wirkt zugegeben sehr geschmeidig dabei – ist es ein Ausdruck dafür, dass der Ziegenpoldi gerade seinen Heimvorteil verspielt hat. Mimi ist offenbar scharf auf eine Urlaubsromanze mit einem rassigen Südländer.

„Wie lange hat er denn noch?“, fragt sie und wischt nochmals zärtlich über die bereits blitzblanke Anrichte.

„Er sieht ganz gesund aus, also ein paar Jährchen gebe ich ihm schon noch“, antworte ich todernst und kann dem Schlag mit der flachen Hand gerade noch ausweichen.

„Reiß dich zusammen, Mädel!“, knurrt meine Mutter und ich muss lachen.

„10 Tage hat er gebucht.“

„Schau an, doch ein paar Tage. Ein Glück, dass wir ein Zimmer für ihn frei hatten“, erwidert Mimi verträumt und öffnet das Fenster. „Herr Xan …, Sie, wollen‘S noch einen Kaffee? Vielleicht draußen in der Sonne? Schön warm heut, das muss ma ausnutzen, wird nimma allzu lang anhalten, der Uraltweibasommer“, plärrt sie und unser Gast, der alles andere als schwerhörig sein dürfte, aber trotz seiner wirklich beeindruckenden Deutschkenntnisse am Waldviertlerisch meiner Mutter scheitert, zuckt erschrocken zusammen. Er sieht mich hoffnungsvoll an, entschließt sich dann aber, der Einfachheit halber gleich zu nicken und nicht auf meine Übersetzung zu warten.

Mimi wirkt sehr zufrieden. „Jetzt ist eh nix mehr los, ich setz mich zu ihm hinaus“, erklärt sie und bearbeitet leise summend die Espressomaschine. Griechischer Wein … ja, träum weiter, Mütterlein.

„Und wenn der Herr Poldwig kommt?“, kann ich mir nicht verbeißen. Mein Einwand wird mit einem strahlenden Lächeln weggewischt.

„Dann kommt er halt, der Poldi.“ Mimi dreht mir den Rücken zu, damit ich ihre Schürze öffnen kann. Sie streicht mit der Hand den Stoff des Kleides schön glatt, das mit dem großen, bunten Blumenmuster perfekt zu ihren Kreolen, ihren jugendlich leuchtenden Haaren und in unseren herbstlichen Garten mit den letzten farbenfrohen Blüten dieses Jahres passt.

Ich beobachte, wie meine notgeile Mutter trotz ihrer angeblich stark verkrampften Rückenmuskulatur auf unseren Griechen zuschwebt. Der nimmt ihr fürsorglich das Tablett aus den Händen, stellt es am eisernen Gartentischchen ab und rückt ihr zuvorkommend den Sessel zurecht. Sie sagt etwas und er lacht lauthals, okay, die Verständigungsschwierigkeiten dürften Geschichte sein.

Frust kommt in mir hoch. Ich fühle mich mies, weil ich meiner siebenundsechzigjährigen Mutter tatsächlich die Männer neidig bin. Ich sollte mich stattdessen freuen für sie und zuversichtlich darauf hoffen, dass die offensichtlich langanhaltende Paarungsbereitschaft von uns Nebelbuschfrauen keine Generation überspringt und ich nach einer kleinen Zwangspause wieder voll durchstarten kann. Also nicht, dass ich mich noch reproduzieren will, aber einfach mal wieder ein bisschen schönen Sex haben, wäre toll.

Während meine Mutter also ihr Leben genießt, räume ich Küche und Frühstücksraum auf und plaudere ein bisschen mit unseren Hamburger Gästen, ein nettes Ehepaar, das bis vor kurzem „in Tankstellen machte“ und nun den Ruhestand genießt. Sie schließen mich schon allein aufgrund der Tatsache in ihr Herz, dass ich einige Jahre in der schönen Hansestadt gelebt habe. Ich beschreibe ihnen den Weg zur Ruine Aggstein und gebe abschließend den gewünschten Tipp, wo man denn ein wirklich gutes Backhendl mit Kartoffelsalat bekommt. Sie wollen unsere Gegend nicht verlassen, ohne davon probiert zu haben, denn angeblich ist die Wachau für ihre Backhendln berühmt. Das höre ich allerdings zum ersten Mal, die meisten Besucher kommen wegen der Marillen, die aber um diese Zeit schon längst verkocht in den Marmeladegläsern ihr Dasein fristen.

Egal, Herr und Frau Kraft-Kriech – „Wenn sie nicht KRIECHEN wollen, tanken sie KRAFT“, dieser Werbeslogan ist der ganze Stolz des ehemaligen Tankstellenkönigs und wird zu jeder (un)passenden Gelegenheit hervorgeholt – sind mehr als glücklich. Sie freuen sich auf einen wunderschönen Herbsttag mit Ruine, Blick auf die Donau und deftigem Gebackenen als Belohnung danach. Und ich freue mich auf ein bisschen Ruhe, um das Projekt Lebensunterhalt voranzutreiben. Schließlich habe ich einen anspruchsvollen Teenager zu ernähren. Ich ziehe mich in mein Zimmer zurück und schreibe dem fixen Einkommen zuliebe gewandt formulierte Bewerbungsmails an zwei Gynäkologen in Krems, die gerade auf der Suche nach einer neuen Sprechstundenhilfe sind.

---ENDE DER LESEPROBE---