Liebe im Herbst - Ernst-Günther Tietze - E-Book

Liebe im Herbst E-Book

Ernst-Günther Tietze

0,0

  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

"Auch der Herbst hat schöne Tage", sagt ein altes Sprichwort, und das bezieht sich nicht nur auf die goldenen Blätter und die meist noch sonnigen Tage im Oktober. Denn im Herbst des Lebens gibt es ebenso viele schöne Tage, man muss nur offen sein, sie zu suchen und kann dabei sogar Liebe finden. Vor hundert Jahren war bei den meisten Frauen mit 60 das Leben gelaufen. Besonders als Witwen trugen sie nur noch schwarze Kleidung und vegetierten – abgesehen vom ständigen Kirchenbesuch – ohne geistige Anregung dahin, bis der Tod sie erlöste. Die wenigen Männer in diesem Alter, die ihre Frau überlebt hatten, waren kaum fähig, ihren Haushalt zu bewältigen und verzogen sich oft in ein Altersheim. In diesem Alter noch zu verreisen oder gar eine neue Gemeinschaft mit dem anderen Geschlecht einzugehen, war für beide Seiten kaum vorstellbar. Und Erotik im Herbst des Lebens wurde von der Gesellschaft als abartig angesehen. Glücklicherweise hat sich diese Einstellung in den letzten fünfzig Jahren radikal geändert. Die heutigen "Alten" sind nach dem zweiten Weltkrieg in einer viel freieren Atmosphäre aufgewachsen, die durch den 68er Aufbruch noch verstärkt wurde. Die Medien haben nach einer Weile dieses Sujet dankbar aufgegriffen und in Berichten, Fernsehreportagen und sogar Spielfilmen die Liebe und Erotik zwischen älteren Menschen der Öffentlichkeit nahe gebracht. Das Internet mit seinen Möglichkeiten zu unverbindlicher Kontaktaufnahme über spezielle Seniorenportale hat die Kontaktmöglichkeiten für den dritten Lebensabschnitt verstärkt. Der Roman schildert das Aufblühen einer dauerhaften neuen Liebes-beziehung zwischen Dagmar und Fabian, beide um die siebzig, nach langer glücklicher Ehe mit verstorbenen Partnern und zeigt, dass neben der tiefen geistigen und seelischen Bindung auch die körperliche Gemeinschaft noch voll gelebt werden kann, wenn sie auch etwas sanfter und zurückhaltender geschieht als bei Zwanzigjährigen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 349

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ernst-Günther Tietze

Liebe im Herbst

Roman

Das Titelbild hat der Autor in Hamburg aufgenommen

© Copyright 2015 Ernst-Günther Tietze, Hamburg

Published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

ISBN 978-3-7375-9205-5

Inhalt

Personenverzeichnis

Personenverzeichnis

Fabian TiemannIngenieur, Betreuer Computerclub

Angelica TiemannFabians verstorbene Frau

Torsten TiemannFabians Sohn, Arzt in Düsseldorf

Farah TiemannNeurologin, seine Frau

Justus Tiemannihr gemeinsamer Sohn

Janine TiemannFabians Tochter

Margitta BergerMitglied im Computerclub

Dagmar Petrenkoihre Schwester aus Weimar

Martin PetrenkoDagmars verstorbener Ehemann

Christine ShermanDagmars Tochter

Florence Sherman

Prolog

„Auch der Herbst hat schöne Tage“, sagt ein altes Sprichwort, und das bezieht sich nicht nur auf die goldenen Blätter und die meist noch sonnigen Tage im Oktober. Denn im Herbst des Lebens gibt es ebenso viele schöne Tage, man muss nur offen sein, sie zu suchen und kann dabei sogar Liebe finden.

Vor hundert Jahren war bei den meisten Frauen mit 60 das Leben gelaufen. Als Witwen trugen sie nur noch schwarze Kleidung und die einzige Abwechslung war der Kirchenbesuch, gelegentlich trafen sie sich noch zu einem Plausch mit Nachbarinnen desselben Schicksals. Die wenigen Männer, die ihre Frau überlebt hatten, zogen oft in ein Altersheim. In diesem Alter eine neue Gemeinschaft mit dem anderen Geschlecht einzugehen, war für beide Seiten kaum vorstellbar. Und Erotik im Herbst des Lebens wurde von der Gesellschaft als abartig angesehen.

Glücklicherweise hat sich diese Einstellung in den letzten fünfzig Jahren radikal geändert. Die heutigen „Alten“ sind durch den 68er Aufbruch in einer viel freieren Atmosphäre aufgewachsen. Die Medien haben nach einer Weile dieses Sujet dankbar aufgegriffen und in Berichten, Fernsehreportagen und sogar Spielfilmen Liebe und Erotik zwischen älteren Menschen der Öffentlichkeit nahegebracht. Das Internet mit der Möglichkeit zu unverbindlicher Kontaktaufnahme über spezielle Seniorenportale hat die Kontaktmöglichkeiten für den dritten Lebensabschnitt verstärkt.

Der Roman schildert das Aufblühen einer dauerhaften neuen Liebesbeziehung zwischen Dagmar und Fabian, beide um die siebzig, nach langer glücklicher Ehe mit verstorbenen Partnern und zeigt, dass neben der tiefen geistigen und seelischen Bindung auch die körperliche Gemeinschaft noch voll gelebt werden kann, wenn sie auch etwas sanfter und zurückhaltender ist als bei Zwanzigjährigen.

Computerclub

Dagmar

„Was soll das, du weißt doch, dass ich mit dieser Technik nichts am Hut habe!“, sagte ich verärgert zu meiner Schwester, als sie beim Cognac nach dem Essen fragte, ob ich sie morgen zum Senioren-Computerclub in Mannheim begleiten wolle. „Schließlich habe ich mich pensionieren lassen, als die Bibliothek nach dem Brand darauf umgestellt wurde, weil ich in meinem Alter dies Zeug nicht mehr lernen wollte. Auch Martin mochte davon nichts wissen, als er noch klar war.“ Ich hatte Margitta zur Feier meines 68. Geburtstag in ein historisches Restaurant zu einem Festmenü mit rosa gebratener Entenbrust und einem kräftigen Coteaux du Languedoc eingeladen.

„Entschuldige bitte, ich will dich doch nicht zur Computerei bringen, wenn du kein Interesse hast. Aber ich will morgen den Club nicht versäumen und ehe du hier alleine rumsitzt, kannst du mich nach Mannheim begleiten und am Nachmittag zeige ich dir diese interessante Stadt.“ „Darfst du mich da einfach mitbringen?“, fragte ich zweifelnd, doch Margitta meinte, das würde schon gehen, und wenn ein Platz frei sei, könne ich ein bisschen spielen. „Erzähl‘ mir was über den Club“, bat ich. „Der Mannheimer Senioren-Computerclub hat 300 Mitglieder“, legte sie los, „das Mindestalter ist 50 und jeder muss einen Computer haben. Ich bin immer Dienstagvormittag da, bei einem Betreuer, der in der Computerei alles weiß.“ „Na gut“, meinte ich, „besser als hier alleine rumsitzen ist das ja.“

Fabian

Da bringt Margitta Berger einfach ihre Schwester mit in den Club und setzt sie an einen freien Platz, obwohl das nicht erlaubt ist! Sie wolle ihr doch nur zeigen, was hier möglich ist, meint sie, denn in Weimar gebe es sowas nicht. Die Dame macht einen aufgeweckten Eindruck und gefällt mir, trotzdem darf sie hier nichts tun. Deshalb fordere ich sie höflich auf, sich neben ihre Schwester zu setzen und zuzuschauen. Ärgerlich sagt Margitta „So habe ich mir das nicht vorgestellt, komm wir gehen“, und die beiden rauschen davon.

Dagmar

Ich hätte gerne mit dem Betreuer gesprochen, aber Margitta ist einfach mit mir gegangen. „Das habe ich mir anders vorgestellt“, schimpft sie, „komm, stattdessen zeige dir Mannheim, da gibt‘s auch viel zu sehen.“ In der Innenstadt führte sie mich in eine Kaffeestube. „Die machen hier fantastisches Eis und guten Cappuccino, ich lade dich ein.“ Sie hatte nicht zu viel versprochen, das Angebot war hervorragend. Doch der Club war noch in meinen Gedanken. „Was für ein Mensch ist euer Betreuer?“, fragte ich. „Wir wissen nur, dass er als Ingenieur tätig war, aber seit seine Frau vor zwei Jahren gestorben ist, hält er sich vollkommen zurück“, sagte sie nachdenklich. „ Irgendwie hat ihn das verbittert und das hat er vorhin deutlich gezeigt.“

Nach dem Kaffee gingen wir die Geschäftsstraße entlang und blieben an einer wuchtigen Metallskulptur stehen. „Was siehst du hier?“, fragte sie grinsend, „schau genau hin.“ Da entdeckte ich an beiden Seiten Gebilde, die gewissen menschlichen Organen täuschend ähnlich sahen. „Na also, du hast es entdeckt, was hältst du davon?“. fragte meine Schwester „Ich finde es gut, dass man so etwas offen zeigen kann“, antwortete ich frei heraus. „Damit triffst du die überwiegende Meinung der Mannheimer“, antwortete meine Schwester, „doch lass uns weiter gehen.“ Wir schauten in einige Geschäfte und ich kaufte mir eine hübsche Bluse. Bei einem Italiener lud ich sie zum Essen ein

Fabian

Zu Hause kam mir mein Verhalten kleinkariert vor, ich hätte nicht so hart reagieren dürfen, denn Margitta ist die Beste in meiner Gruppe. Was kann ich tun? Ich werde die Sache wieder gut machen, indem ich die beiden am Nachmittag besuche und mein Handeln entschuldige. Also fuhr ich nach dem Essen nach Ladenburg. Verwundert öffnete Margitta die Tür und ich kam gleich auf den Punkt: „Ich möchte mich für mein Benehmen vorhin entschuldigen. Wenn auch das Reglement so ist, hätte ich in diesem Fall eine Ausnahme machen müssen, weil deine Schwester aus den neuen Bundesländern kommt. Ich wäre dankbar, wenn ihr mir die Sache vergeben könntet.“ „Komm‘ rein“, sagte sie lachend, „wir wollen gerade Kaffee trinken.“

Dagmar

Jetzt konnte ich den Betreuer genauer anschauen, er war groß und sah mit seiner weißen Mähne über dem braungebrannten Gesicht hinreißend aus. Gekleidet war er sportlich in Jeans, T-Shirt mit einem aufgedruckten Fantasiemuster und Sandalen. „Nun kann ich mich richtig vorstellen“, meinte ich, „vorhin haben Sie mir ja keine Gelegenheit gelassen. Ich bin Dagmar Petrenko aus Weimar. Früher war ich in der Anna-Amalia-Bibliothek beschäftigt, aber als das Haus auf Computer umgestellt wurde, ließ ich mich vorzeitig pensionieren, auch um meinen kranken Mann zu pflegen. Seit sechs Jahren bin ich verwitwet. Auch mit meinem Alter will ich nicht hinter dem Berg halten, wir haben gestern meinen 68-ten gefeiert.“ „Herzlichen Glückwunsch nachträglich“, unterbrach er mich, „das Alter sieht man Ihnen überhaupt nicht an.“ „Danke für die Blumen“, erwiderte ich. „Ich habe auch noch eine Tochter von 40 Jahren in Kanada, die geschieden ist und ihre vierzehnjährige Tochter alleine großzieht. Und wer sind Sie? Margitta hat mir bisher nichts erzählt.“

Fabian

Margitta rettete mich zunächst, indem sie auf den Kaffee und die Torte hinwies. „Lass‘ Herrn Tiemann doch erst mal zur Ruhe kommen, bevor du ihm das letzte Hemd ausziehst“, meinte sie freundlich, „der Kaffee wird kalt.“ „Danke, Margitta“, sagte ich, nahm einen großen Schluck Kaffee und betrachtete ihre Schwester. Sie hatte ein freundliches Gesicht ohne Make-up, kurze dunkelblonde Haare und braune Augen. Vorhin im Club war mir ihre schmucke Lederjacke aufgefallen, jetzt trug sie einen lindgrünen Pullover über beigen Jeans und Sandaletten mit mittelhohen Absätzen. Um den Hals hatte sie eine Kette aus bunten Holzperlen und an den Ohren ähnliche Perlen.

Nach der zweiten Tasse Kaffee war mir klar, dass ich nun etwas über mich berichten musste. „Mein Name ist Fabian Tiemann und ich bin auch verwitwet“, begann ich, „meine Frau ist vor zwei Jahren nach über vierzigjähriger wundervoller Ehe gestorben. Wir haben zwei Kinder großgezogen, die Mannheim nach dem Studium verlassen haben. Mein Sohn Torsten ist Internist an der Uniklinik Düsseldorf, er ist mit einer Neurologin verheiratet und hat einen Sohn, auch 14 Jahre alt. Meine Tochter Janine ist Single und als Juristin bei der EU in Brüssel beschäftigt. Ich bin siebzig und habe mich vor zehn Jahren vorzeitig pensionieren lassen, weil ich als schwerbehindert gelte, seit ich bei einem Autounfall einen Fuß verloren habe. Im Beruf war ich für den Netzbetrieb der Stadtwerke verantwortlich, nachdem ich eine computergestützte Überwachung eingerichtet habe. Zu dieser Technik berate ich auch heute noch gelegentlich andere Unternehmen. Da ich meinte, mein Computerwissen weitergeben zu sollen, bin ich seit fünf Jahren Betreuer im Senioren-Computerclub. Zufrieden?“. „So genau wollte ich das gar nicht wissen“, lachte die Frau, „aber vielen Dank für Ihre Offenheit. Ich habe Sie auf höchstsens 65 geschätzt.“

Dagmar

„Genug der Vorstellerei“, nahm Margitta das Wort, „ich hatte eine bestimmte Absicht, als ich meine Schwester heute früh in den Club mitbrachte, die du mir leider kaputt gemacht hast. Ich wollte ihr zeigen, dass Computerei auch für Menschen in unserem Alter durchaus sinnvoll ist. Wir sind 300 Oldies im Club und die meisten können gut mit der Materie umgehen, die unser Leben bereichert. Was meinst du dazu?“ „Ich kann Margittas Worte nur bestätigen“, sagte Herr Tiemann, „Ihnen entgeht ohne Computer ein interessanter Teil der Welt. Sie müssen ja nicht in die sozialen Netzwerke gehen, aber allein das Internet bietet so viel Wissen wie kein anderes Medium, Ihren Brockhaus können Sie vergessen. Dazu ist die E-Mail ein einfaches und schnelles weltweites Verständigungsmittel.“

„Das ist ja ganz schön“, seufzte ich, „aber wie soll ich das angehen? Ich kann mir doch nicht einfach einen Computer kaufen und ohne jede Ahnung loswursteln.“ „Da haben Sie Recht“, meinte er nachdenklich, „es gibt Kurse bei der Volkshochschule, und Bücher müssen Sie auch durcharbeiten.“ Da mischte sich Margitta ein: „Hast du morgen Zeit? Dann durchstreifen wir die Fachgeschäfte, du empfiehlst ein geeignetes Notebook, wir laden dich zum Essen ein und danach beginnst du mit den Grundlagen. Dagmar ist noch bis Sonntag hier, und wenn du Zeit hast, fangen wir jetzt gleich mit einem Crashkurs an. Einverstanden?“

Fabian

Das war typisch für die energische Margitta. Nun sah ich mir ihre Schwester genauer an. Sie machte einen intelligenten Eindruck und war mit dem leichten Lächeln im Gesicht ausgesprochen hübsch. Ihre rehbraunen Augen strahlten mich bittend und herzlich an. Irgendwie reizte es mich, dieser Frau in einem privaten Computerkurs näher zu kommen. Ich überschlug meinen Kalender an den nächsten Tagen und fand nichts, was sich nicht verschieben ließ. „OK“, sagte ich, „wo fangen wir an?“ „Jetzt gleich hier“, bestimmte Margitta, „an meinem Laptop kannst du Dagmar schon die Grundlagen erklären.“ Sie schob uns in ihr Arbeitszimmer, schaltete den Laptop an und loggte sich ein. „Das ist Margittas Arbeitsbereich“, erklärte ich, „die Symbole dienen zur Anwahl der Anwendungen.“

Dagmar

Interessiert betrachtete ich das Gerät, das aus einem Bildschirm und einem Tastenfeld bestand, angeschlossen war ein kleines Gerät, das sie als Maus bezeichneten. „Starte doch bitte Word“, wandte Herr Tiemann sich an Margitta. Mit der Maus führte sie den Zeiger auf ein Symbol und eine Art Briefbogen erschien. „Mit der Tastatur kann man wie auf einer Schreibmaschine schreiben, nur dass man nicht auf Papier schreibt, sondern zunächst in den Rechner“, erklärte Herr Tiemann, „das erleichtert die Korrektur.“ Inzwischen hatte Margitta ein paar Zeilen geschrieben, die auf dem Bildschirm abgebildet wurden. „Das kann man als Datei speichern, und auch drucken“, fuhr Herr Tiemann fort, dann bat er Margitta: „Ruf‘ bitte mal deine E-Mail auf.“ Als sie es tat, erschien ein Text, ihre Telefonrechnung sei verfügbar. Auf einer neuen Seite tippte sie die Telefonnummer ein und klickte in einer Liste eine Zeile an. „Aha, ich habe viel telefoniert im letzten Monat, aber 28,50 Euro sind trotzdem nicht viel“, sagte sie. Ich hatte nie gedacht, dass man so viel mit einem Computer machen kann und dass es anscheinend recht einfach ist, wenn man sich dran gewöhnt hat. Das könnte ich vielleicht auch lernen, wenn dieser Mann mir dabei hilft, seine Art beeindruckt mich.

Fabian

Erfreut beobachtete ich Frau Petrenkos Reaktion, jetzt wollte ich noch einen draufsetzen. „Zeig‘ deiner Schwester die Bilder von deinem letzten Urlaub“, sagte ich zu Margitta. Sie wählte eine Diashow an, worauf die Urlaubsbilder mit kurzem Zeitabstand dargestellt wurden. „Wie hast du denn die Bilder in den Computer gekriegt?“, fragte ihre Schwester verwundert. „Ich habe meine Digitalkamera mit dem Rechner verbunden und die Bilder rüber gezogen“, war Margittas Antwort, worauf Frau Petrenko den Kopf schüttelte. „Sie sollten wirklich überlegen, ob Sie mit der Computerei beginnen wollen“, wandte ich mich an sie. „Dann können wir morgen etwas kaufen.“ „Was kostet denn so eine Einrichtung?“, fragte sie. „Ich habe rund 700,- Euro ausgegeben“, warf Margitta ein. „Ja, das ist das Mindeste“, bestätigte ich ihre Worte. „Für das, was Margitta eben gezeigt hat, ist die Software kostenlos. Wenn Sie Geschriebenes per Post verschicken wollen, brauchen Sie einen Drucker und um ihr System zu sichern, empfiehlt sich die Anschaffung einer mobilen Festplatte. Außerdem brauchen Sie eine Maus und ein Virenschutzprogramm.“

Dagmar

Mir drehte sich der Kopf. „Hat denn Margitta das alles?“, fragte ich. „Ja, schau her“, antwortete sie. „Notebook und Maus siehst du hier, auch den Drucker und die Platte. Das E-Mail-Programm hast du schon gesehen, auch das Schreibprogramm und das Photoprogramm habe ich dir vorhin vorgeführt.“ „Überdenken Sie bis morgen, wieviel Sie dafür ausgeben wollen“, nahm Herr Tiemann wieder das Wort, „wenn Sie nur gelegentlich damit arbeiten wollen, dürften 700,- Euro genügen.“ „Bleibst du noch zum Abendbrot?“ fragte Margitta ihn. „Ja gerne“, antwortete er und wir deckten schnell den Tisch.

Beim Essen wandte er sich an mich. „Ich kenne Weimar überhaupt nicht, erzählen Sie mir ein bisschen darüber?“ „Nun, es ist als Stadt sehr schön und vor allem durch Goethe und Schiller bekannt geworden. Goethe hat das Theater und die Bibliothek maßgebend gestaltet. Beide haben bedeutende Werke in der Stadt erstellt. Auch Franz Liszt und Richard Strauß haben lange dort gelebt und gearbeitet. Vielleicht besuchen Sie mich mal, dann zeige ich Ihnen gerne die Stadt.“ Ich hatte das so einfach dahin gesagt, ohne drüber nachzudenken, jetzt fragte ich mich, was mich geritten hatte, ihn so einfach einzuladen.

Mit den Worten „Vielen Dank für den schönen Nachmittag und Abend“, erhob Herr Tiemann sich. „Wollen wir uns morgen um zehn am Elefanten treffen?“ „OK“, antwortete Margitta, „und vielen Dank für deine Unterstützung. Ich glaube, da wird etwas Gutes draus.“ Herr Tiemann gab uns die Hand und verschwand. „Na, was hältst du von ihm?“, fragte meine Schwester, „du warst ja ganz hin und her gerissen, aber so aufgeschlossen habe ich ihn noch nie erlebt. Ich glaube, er hat etwas für dich übrig.“ „Er hat mich doch nur als Computerspezialist beeindruckt“, antwortete ich, merkte aber, wie ich rot wurde. Dann fiel mir seine Aussage über den verlorenen Fuß ein und ich fragte, sie danach. „Ja, es hat sich im Club rumgesprochen, aber er macht nie etwas daraus. Und man sieht es ihm überhaupt nicht an.“ Im Bett dachte ich noch weiter an diesen Mann und wusste nicht, wie ich mit diesen Gedanken umgehen sollte.

Fabian

Auf der Fahrt nach Mannheim spukte mir diese Frau Dagmar ständig im Kopf herum. Ich hatte ihr angemerkt, dass ich sie beeindruckte, doch war das nur mein Computerwissen oder mehr? Will ich sie überhaupt beeindrucken? Nach Angelicas Tod habe ich Begegnungen mit Frauen vermieden, bin abweisend geworden und selbst die Kinder und Enkel kamen nicht mehr an mich heran. Doch allmählich merke ich, dass mir die Kommunikation und auch der Körperkontakt mit einem vertrauten Menschen fehlen. Das war mit Angelica die ganze Zeit wundervoll gewesen, sogar während ihrer Krankheit haben wir uns noch Gutes getan, habe ich jetzt lange genug um sie getrauert? Tief in meinem Innern meldete sich ein „Ja“ zu dieser aufregenden Frau. Vielleicht kann ich ihr ein wenig näher kommen, ich muss es nur behutsam angehen lassen. Irgendwie freue ich mich darauf, sie wieder zu sehen. Zur Vorbereitung des morgigen Einkaufs fand ich im Internet einige brauchbare Notebooks zwischen 500,- und 800,- €.

Mittwoch früh regnete es, ich schaffte es gerade pünktlich zum Elefanten, wo wir uns herzlich begrüßten. „Wir gehen in das Elektronikgeschäft da drüben, die haben die beste Auswahl“, sagte ich, „ich habe mir gestern im Internet einiges angesehen.“ Frau Petrenko war heute eleganter gekleidet als gestern, sie trug ein helles, knielanges Kleid mit einem afrikanisch anmutenden Muster und leichte Pumps mit mittelhohen Absätzen. Um den Hals trug sie eine Kette mit einem Bernstein und gleichartige Ohrhänger. Außerdem hatte sie die Lippen vorsichtig nachgezogen.

Dagmar

Ich hatte mich auf die Begegnung mit Herrn Tiemann gefreut und etwas geschmückt, ich weiß selbst nicht, warum. Auf dem Weg zum Elektronikgeschäft sagte er: „Ich denke, ein kleineres Gerät als Margittas ist besser für Sie. Mit hoher Auflösung bekommt man ebenso viel drauf, es ist allerdings etwas teurer.“ „Meinst Du, mein Notebook taugt nichts“, fragte Margitta erbost. „Das habe ich nicht gesagt, deins ist schon sehr gut, nur etwas groß“, beruhigte Herr Tiemann sie und führte uns zu Geräten mit Preisen um 650,- €, die mir gefielen. „Diese kleinen leichten Notebooks wären für Ihren Bedarf gut geeignet“, sagte er, „aber ich möchte Ihnen noch die Spitzenklasse mit Touchscreen zeigen.“ In einer Ecke gab es kleine Geräte um die 800,- €. Herr Tiemann winkte einem Verkäufer, der eins in Betrieb nahm. „Da ist schon das neue Windows 8.1 drauf, tippen Sie mal mit dem Finger auf eine Kachel“, bat er mich. Ich tat es und hatte ein Programm vor mir. „Tippen Sie auf das Kreuz oben rechts in der Ecke“, fuhr er fort. Ich tat es und das Programm war verschwunden. „Das ist manchmal einfacher als mit der Maus“, erklärte er. „Mir brummt der Schädel“, antwortete ich. „Können wir irgendwo bei einer Tasse Kaffee nachdenken?“ Mit den Worten: „Einstweilen vielen Dank, wir kommen wieder“, wandte Herr Tiemann sich an den Verkäufer.

Fabian

Gleich nebenan war eine kleine Kaffeestube, wo Frau Petrenko uns zu einem Cappuccino einlud. „Ich bin völlig verwirrt“, sagte sie, „ich weiß nur, dass ich mir so ein Ding anschaffen will, aber bei der Entscheidung müssen Sie mir helfen.“ „Wollen Sie Ihr Notebook auf Reisen mitnehmen?“, fragte ich. Schnell antwortete sie: „Ja, ich reise viel und hole alles nach, was wir in der DDR nicht durften. Wenn ich jetzt so ein Gerät habe, möchte ich es auf jeden Fall mitnehmen.“ „Dann empfehle ich Ihnen ein kleines Gerät für ca. 650,- Euro.“ „Mir haben die Geräte mit der Fingerbedienung gefallen, was halten Sie davon?“, fragte sie und schaute mich an. „Das ist doch Spielkram“, mischte Margitta sich ein, doch ich bremste sie: „Vorsicht mit Urteilen über Dinge, die du nicht kennst. Ich habe solch Gerät und arbeite viel mit den Fingern drauf. Deine Schwester muss dafür allerdings 150,- Euro mehr ausgeben.“

„Ja, das will ich“, antwortete sie entschlossen, „schon um vor meiner Tochter damit anzugeben.“ „Dann kommen Sie insgesamt auf rund 1.000,- Euro“, warnte ich sie, „denn Drucker, drahtlose Maus und mobile Festplatte kosten auch nochmal je 50,- Euro.“ „Lassen Sie uns hingehen und das Zeug kaufen“, sagte sie mit Entschiedenheit. Zurück im Elektronikladen kamen wir an den vielen Tablets vorbei, die sie interessiert ansah. „Was ist denn das?“, fragte sie. „Das sind Tablets, nur etwas für junge Leute“, erklärte Margitta. „Moment mal!“, schaltete ich mich ein, „das stimmt nicht. Tablets sind vollwertige Computer, zwar mit 10 Zoll Diagonale ziemlich klein, aber mit fantastischer Auflösung und alle mit Touchscreen. Schauen wir sie uns ruhig mal an.“

Dagmar

Herr Tiemann gab es mir eins dieser Dinger in die Hand. „Das wiegt weniger als ein Kilo. Das Betriebssystem ist Windows 8.1 und man kann jedes Anwenderprogramm drauf installieren. Dies Tablet ist mit 649,- Euro billiger als die Geräte, die wir vorhin gesehen haben und hat nur den einen Nachteil, dass man auf dem kleinen Bildschirm nicht so viel sieht wie bei den anderen Geräten. Wenn Sie eine gute Brille haben, ist solch Tablet durchaus für Sie geeignet, ich lasse es Ihnen mal vorführen.“ Er rief eine junge Verkäuferin, die sich als exzellente Fachfrau erwies und bat sie, das Gerät vorzuführen. Nach dem Einschalten bat sie mich, auf ein Quadrat mit einem W zu tippen, worauf eine Art Briefbogen und eine Tastatur erschienen „Schreiben sie etwas“, forderte Herr Tiemann mich auf und ich tippte zwei Sätze ein. Doch die Schrift war so klein, dass ich sie kaum lesen konnte. „Setzen sie jetzt Daumen und Zeigefinger auf den Text und ziehen die Finger auseinander“, schlug er vor. Ich tat es und die Schrift wurde größer, aber der Rest der Zeilen verschwand rechts. „Jetzt setzen Sie den Finger auf den Text und ziehen Sie ihn nach links und wieder nach rechts“, fuhr er fort und ich sah, wie der Text über den Bildschirm wanderte. „Das ist ja eine tolle Sache“, staunte ich und auch Margitta war überrascht.

„Die Entscheidung liegt jetzt bei Ihnen, ob Ihnen der kleine Bildschirm mit den Möglichkeiten zum Vergrößern genügt“, meinte Herr Tiemann. Begeistert sagte ich, so etwas wolle ich haben. Da sagte die Verkäuferin: „Wir haben gerade etwas bekommen, das vielleicht noch besser für Sie geeignet ist, warten Sie bitte einen Moment.“ Nach kurzer Zeit kam sie mit einem ähnlichen Gerät zurück. „Dies Tablet hat mehr Speicherplatz als die anderen. Dazu gibt es ein Type Cover mit Tastatur.“ „Wie ist der Preis?“, fragte Herr Tiemann und die Verkäuferin erwiderte: „Mit 128 GB Speicher 696,- Euro, für ein LTE-Modem kommen 80,- Euro dazu und das Type Cover kostet 120,- Euro.“ „Das sind zusammen 900,- Euro, lohnt sich das?“, fragte ich Herrn Tiemann. „Ich kannte es bisher nicht, glaube aber, es ist gut für Sie geeignet“, antwortete er, da war ich überzeugt.

Fabian

Ich hatte nicht gedacht, dass Frau Petrenko sich für ein Tablet entscheiden würde, jetzt merkte ich, was für eine intelligente Frau sie ist. „Sie brauchen noch eine Maus, einen Drucker und eine mobile Festplatte“, sagte ich, „die Maus sollte ein Bluetooth-Gerät sein, damit sie keinen USB-Anschluss blockiert.“ „Ich nehme an, Sie werden mir das beim Mittagessen erklären, im Moment verstehe ich nur Bahnhof“, antwortete Frau Petrenko lächelnd. Ich zeigte ihr die Dinge, die sie ohne zu fragen für knapp 1.100,- € kaufte. „Zum Virenschutz eine Frage, haben Sie eine Kreditkarte?“, fragte ich, und als sie das bestätigte, empfahl ich ihr, den über das Netz zu kaufen. Wir verließen den Laden und sie lud uns ins nächste Restaurant ein.

Während des Essens fragte ich sie nach ihrem Telefonanbieter. „Ich bin vor einem Jahr zu Vodaphone gewechselt und habe einen modernen Kasten im Arbeitszimmer, aber kein Internet“, erklärte sie, „kann ich es nachmelden?“ „Das kostet nur etwas mehr“, sagte ich, „und eine moderne Anschlussbox hat WLAN, so dass Sie mit ihrem Tablet ohne Kabel ins Internet kommen. Die Sache muss nur eingerichtet werden. Kommen Sie beide mit mir nach Neckarau. da können Sie sich am besten mit Ihren neuen Geräten vertraut machen und ins Internet gehen.“

„Ich denke auch, wir sollten zu dir fahren“, meldete sich Margitta, „mein Wagen steht im Parkhaus.“ „Lasst uns bald gehen, damit wir mit der Unterweisung anfangen können“, antwortete ich. „Moment noch“, sagte Frau Petrenko und bestellte drei Gläser Weinbrand. „Ich habe noch ein Attentat vor. Im Computerclub duzt ihr euch und obwohl Sie mich gestern vor die Tür gesetzt haben, fühle ich mich ein bisschen zugehörig. Fabian, nachdem Sie mich so wundervoll beraten haben, lassen Sie uns bitte auch ‚Du‘ zueinander sagen.“ „Herzlich gerne“, antwortete ich froh, wir stießen mit den Gläsern an und küssten uns auf die Wangen. Mit einem Mal war ein verführerischer Lavendelduft um mich. Dann gingen wir mit den Sachen zum Parkhaus und ich lotste Margitta nach Neckarau.

Dagmar

Nach zehn Minuten hielten wir vor einem großen Einfamilienhaus. „Herzlich willkommen in meiner bescheidenen Hütte“, lud Fabian uns ein. Von einer Diele gingen mehrere Türen ab. Fabian öffnete eine und entschuldigte sich: „Das ist mein Reich, aber für drei Personen etwas klein.“ Auf einer großen Schreibplatte standen in der Ecke ein Monitor, rechts ein Drucker und in der Mitte ein Laptop, wie wir sie bei den teuren gesehen hatten. „Lasst uns ein Zimmer weiter gehen“, sagte Fabian und öffnete die Tür zu einem größeren Zimmer. „Das war Angelicas Reich, ich habe nach ihrem Tode nichts verändert, benutze es aber gerne als kleineres Wohnzimmer. Hier können wir arbeiten.“ Man konnte sehen, dass es eine Frau gestaltet hatte. In einer Ecke stand auf einem Rosenholztisch ein Flachbildfernseher, davor eine kleine Sitzgarnitur. An den Wänden standen mit Ornamenten verzierte weiße Schränke. Die Decke war mit weißen Paneelen verkleidet, die eine Spiegelfläche frei ließen, aus deren Mitte eine Blumenlampe leuchtete. Über dem Sofa hing ein großes Aquarell mit kräftigen Farben und an den anderen Wänden hübsche kleinere. „Hier könnte ich mich wohl fühlen“, dachte ich und wunderte mich im Nachhinein über diesen Gedanken.

Fabian

„Angelica hat Wert darauf gelegt, für ihre künstlerischen Arbeiten ein eigenes Reich zu haben“, erklärte ich, „aber lasst uns mit der Arbeit beginnen. Dagmar pack‘ mal deine Schätze aus.“ Ich ließ sie Tablet und Type Cover zusammenstecken und das Tablet einschalten. Sie wurde aufgefordert, einen Benutzernamen und ein Passwort einzugeben und ich erklärte: „Das Passwort schützt dein Tablet vor unerlaubter Benutzung, du musst es dir aufschreiben, sonst kommst du nicht mehr in das System.“ Dagmar wählte ihren Vornamen als Benutzer und tippte ein Passwort ein, das sie im Notizbuch vermerkte. Dann ließ ich sie die Maus mit dem Gerät verbinden und ein Laufwerk für ihre Daten einrichten. Sie bat um eine Pause, ich kochte Kaffee und öffnete eine Packung Kekse. „Das müssen wir noch ein paar Mal machen, damit ich sicher bin“, seufzte Dagmar. Ich bestätigte, das sei stets die erste Aufgabe an den nächsten Tagen, heute würden wir nur noch ins Internet gehen. Nach dem Kaffee zeigte ich ihr den WLAN-Zugang und nannte den Code. Dann ließ ich sie den Internetexplorer starten und wies ihr den Weg, Firefox und Thunderbird herunter zu laden und zu installieren.

Dagmar

„Jetzt bist du schon im Internet und kannst die Erweiterung deines Telefonanschlusse auf DSL beantragen“, schlug Fabian vor, „gib einfach ‚Vodaphone‘ ein.“ Ich fand eine Seite mit Angeboten. „Jetzt machst du per Telefon weiter, weil du nur eine Erweiterung brauchst.“ Ich wählte die angegebene Nummer, konnte die Erweiterung beantragen und erfuhr, ich würde die Unterlagen per Post erhalten. „Für E-Mail habe ich eine Domain, bei der mein Name hinter dem Mailsymbol steht, dort liegt auch meine Webseite“, fuhr Fabian fort. „Du hast eine Webseite?“, fragte Margitta erstaunt, „zeig‘ sie uns doch mal.“ „ Ich dachte, sie sei im Club bekannt“, antwortete Fabian und sagte mir, was ich in die Adresszeile eingeben musste, um sie anzuwählen. Seine Seite erschien mit einem Logo auf der linken und seinem Bild auf der rechten Seite. Nach ein paar einleitenden Zeilen waren drei Überschriften zu sehen:

Mein Leben,

Meine Berufstätigkeit,

Meine Bücher.

„Klick‘ mal auf ‚Mein Leben‘“, bat er und ich war beeindruckt. Ab seiner Geburt waren alle Daten seines Lebens aufgeführt auch seine Liebe zu zwei verstorbenen Frauen. „Und jetzt klick‘ auf ‚Meine Bücher‘“, fuhr er fort. Ich fand sieben Büchern, die mit Titelbildern und einer kurzen Inhaltsangabe dargestellt waren. „Wenn du auf ‚Leseproben‘ klickst, bekommst du Ausschnitte aus den Büchern.“ Ich wählte „Leben mit Angelica“ und las die Begegnung mit seiner Frau vor fünfundvierzig Jahren und ihre vielen zärtlichen Briefe, bis Fabian mich zum letzten Kapitel führte, wo die liebevolle Beschreibung ihrer letzten Monate bis zum Tode und seine Grabrede gezeigt wurde. Unvermittelt stiegen mir Tränen in die Augen. „Danke, dass du mir das gezeigt hast“, sagte ich und dachte: „Dieser Mann hat viel Gefühl für Frauen.“ „Wenn dich das interessiert, gebe ich dir das Buch zum Lesen mit“, sagte Fabian.

Fabian

„Ich glaube, für heute hast du genug gelernt“, sagte ich dann. „Ich mache jetzt Abendbrot und dann seid ihr entlassen. Es wäre gut, wenn ihr morgen um 10 Uhr wieder hier seid.“ Wir gingen in die Küche, ich kochte Tee, schnitt Stullen und nahm Butter und Aufschnitt aus dem Kühlschrank, den ich auf einer Drehplatte anordnete. Dagmar fand in den Schränken Geschirr und deckte den Tisch damit. Nachdem ich eine Flasche Rotwein und drei Gläser kredenzt hatte, konnten wir fürstlich tafeln. „Eine Frage habe ich noch“, sagte Margitta, „wozu hast du den großen Monitor in deinem Arbeitszimmer, wenn du doch auf dem Laptop auch alles sehen kannst?“ „Weil ich komplizierte Aufgaben auf dem großen Monitor besser lösen kann, schließe ich ihn im Arbeitszimmer an den Laptop an“, antwortete ich lächelnd. Nachdem die beiden sich verabschiedet hatten, fühlte ich mich ziemlich durcheinander. Keine Frau hatte mich in der letzten Zeit derart beeindruckt wie diese Dagmar. Solange Margitta bei ihr ist, kann ich ihr leider nicht näher kommen, aber irgendwie muss ich es versuchen, denn im Innersten weiß ich, dass ich mit ihr vielleicht eine schöne neue Gemeinschaft finden könnte.

Dagmar

„Ich habe Fabian heute in einem völlig neuen Licht gesehen“, sagte Margitta unterwegs. „Ich auch“, dachte ich, denn dieser Mann hat mich unwahrscheinlich beeindruckt. Es ist nicht nur sein Computerwissen und seine Hilfsbereitschaft, sondern auch seine Persönlichkeit, die mich magisch anzieht. „Will ich mich wirklich nochmal mit einem Mann einlassen, nach dem Fiasko vor einem Jahr“, fragte ich mich. „Und wenn meine Krankheit mir einen Streich spielt, kann ich das einem Gefährten doch nicht antun.“ Bis in den frühen Morgen las ich sein Buch über Angelica, wobei mich besonders die zärtliche Beschreibung ihrer ersten intimen Begegnung derart anrührte, dass ich ihm unbedingt näher kommen will.

Fabian

Als die beiden weg waren, nahm ich mir das Tablet vor und richtete ein Hardwarepasswort im UEFI-BIOS ein, das den Start limitiert. Außerdem schaltete ich die Suchfunktion frei, mit der das Gerät weltweit gefunden werden kann, sobald es eingeschaltet ist.

Übungen

Fabian

Pünktlich um 10 Uhr standen die beiden Frauen bei strahlendem Sonnenschein vor meiner Tür. Dagmar sah noch eleganter aus als gestern. Sie trug ein hellblaues Kleid mit Pumps und eine Perlenkette mit Perlen-Ohrsteckern. Außerdem hatte sie Lidschatten aufgelegt, die Lippen in zartem Rot nachgezogen und die Fingernägel lackiert. Hatte sie das für mich getan? Margitta hatte ihr Notebook mitgebracht und ich gab ihr den WLAN-Code. Nach einer Tasse Kaffee ließ ich Dagmar die gestrige Lektion wiederholen, sie hatte kaum etwas vergessen. Dann gab ich ihr das Tablet ohne das Type Cover und bat sie, es einzuschalten. Sie wunderte sich, als das Systempasswort abgefragt wurde und ich erklärte ihr: „Falls das Tablet gestohlen wird, lässt es sich ohne dieses Passwort überhaupt nicht starten.“

Dann bat ich sie, sich per Bildschirmtastatur einzuloggen, Es klappte gut, nachdem sie sich an die Tastatur gewöhnt hatte. „Heute wollen wir uns mit E-Mail beschäftigen“, sagte ich. „Ich habe dir einen Account in meiner Domain eingerichtet, den kannst du beliebig benutzen, allerdings hat er meinen Name hinter dem @.“ Ich diktierte ihr die Adresse und das Passwort, dann schickte ich ihr eine kurze Mail, die auf dem Tablet angezeigt wurde. „Jetzt schick‘ Margitta eine Mail“, sagte ich und zeigte ihr den Weg. Im Formular trug sie Margittas Adresse ein und schrieb einige Worte, worauf ich ihr das Senden zeigte. „Ich kann E-Mail!“, jubelte sie, als Margitta die Mail zufrieden öffnete.

„Jetzt kauf‘ dir einen Virenschutz“, erklärte ich, und ließ sie ihn mit ihrer Kreditkarte kaufen „Meine Karte ist jetzt im Netz, ist das nicht gefährlich?“, fragte sie. „Von wem hast du die Karte?“, fragte ich. „Von meiner Sparkasse“, war ihre Antwort. „Dann solltest du dich bei der Sparkasse zum Onlinebanking anmelden“, fuhr ich fort, danach zeigte ich ihr im Explorer, wie man Ordner anlegen und Dateien kopieren oder verschieben kann.

„Hast du Bilder auf deinem Handy?“, fragte ich. „Ja, jede Menge“, war ihre Antwort. „Schalte dort Bluetooth ein“, gab ich ihr auf. Die Geräte fanden sich und es war einfach, die Bilder vom Handy zum Tablet zu schicken. Als sie sie über die Vorschau groß anschauen konnte, war sie begeistert. Zum Mittag lud ich die beiden beim Italiener um die Ecke ein. Beim Essen schwärmte Dagmar, was sie schon alles mit dem Tablet gelernt habe. Mit den Worten: „Ich bin dir zutiefst dankbar für deine Hilfe“, schaute sie mir tief in die Augen. Dieser Blick ging mir durch und durch, er zeigte viel mehr als bloße Dankbarkeit. Morgen müsse Dagmar alleine kommen, sagte Margitta, sie habe etwas vor. Ob ich sie um 10:12 vom Bahnhof abholen könne. Ich musste meine Begeisterung verbergen, als ich zustimmte.

Dagmar

Ich hatte Fabians begeisterten Blick gesehen, als Margitta sich für morgen beurlaubte und freute mich auch, dann mit ihm alleine zu sein. Bei der Begrüßung hatte ich gemerkt, dass er die Jeans gegen eine helle Hose und das T-Shirt gegen ein elegantes Hemd getauscht hatte. Zwar hatte ich keine Ahnung, was er für mich empfand, ich war mir ja selbst meiner Gefühle nicht sicher. Doch zum ersten Mal seit der Pleite mit Kilian beeindruckt mich wieder ein Mann derart, dass ich ihm etwas näher kommen will. Margitta muss davon noch nichts wissen. Nachdem wir vom Essen zurück waren, ging es gleich weiter: „Du wirst jetzt zwei kostenlose Anwendungen herunterladen, die du immer brauchen kannst, ruf dafür das Internet auf“, empfahl er und ließ mich Adobe Acrobat und XnView herunter laden und installieren. „Der ‚Adobe Acrobat‘ kann pdf-Dateien lesen, wie sie von vielen Stellen als Rechnungen oder Übersichten versandt werden“, erklärte er. „Und ‚XnView‘ hast du gestern bei Margitta gesehen, als sie ihre Bilder vorführte.“ Unter seiner Anleitung spielte ich eine ganze Weile mit den Bildern herum, bis ich sicher war.

Fabian

„Ruf‘ mal dein Tablet im Internet auf, vielleicht findest du eine Bedienungsanleitung“, schlug ich vor. Dagmar fand die Seite der Herstellerfirma, mit Bedienungsanleitungen und las eine Weile, wie mit dem Tablet umzugehen ist und was sie alles damit machen kann. Dann zeigte ich ihr den USB-Anschluss für ihre mobile Festplatte und ließ sie dort dieselbe Ordnerstruktur einrichten wie im Tablet. Danach meinte Margitta, sie müsse jetzt fahren. Dagmar könne mitfahren oder alleine nachkommen. Anscheinend fürchtete Dagmar sich noch, mit mir alleine zu sein, denn sie stimmte zu, mit Margitta zu fahren. „Schade“, dachte ich, „ich wäre gerne mit ihr alleine gewesen, aber das haben wir ja morgen. Eine einfache Begegnung wird es wohl nicht werden, ich muss behutsam vorgehen. Bisher ist mir das recht gut gelungen.“ Ganz unvermittelt erstand vor meinen Augen eine neue liebevolle Gemeinschaft mit dieser Frau, soweit hatte ich seit Angelicas Tod nicht mehr gedacht. Da ich sie morgen zum Essen einladen will, kaufte ich zwei Lachsfilets und legte sie in den Kühlschrank.

Dagmar

Weil ich mich auf die Begegnung mit Fabian freute, hatte ich heute wieder das helle Kleid mit dem afrikanischen Muster angezogen, den Bernsteinschmuck angelegt und mich dezent geschminkt. Aber als er mich bei der Begrüßung am Bahnhof mit seinen hellen Augen anstrahlte, fühlte ich mich ziemlich durcheinander und hatte das Gefühl, dass er auch aufgeregt ist. Weil es regnete, mussten wir unter seinem Schirm zum Parkhaus laufen, wo er mich in einen tollen BMW lotste. In seinem Haus servierte er Kaffee, dann begannen wir zu arbeiten. Für heute hatte er Textverarbeitung vorgesehen, dafür sollte ich das Type Cover ans Tablet stecken. Er ließ mich „Free Office“ herunter laden, installieren und dann das Textprogramm aufrufen. „Gib irgendeinen Text ein“, bat er. Wie von selbst formulierten meine Finger einen Dankesbrief:

Lieber Fabian,

ich finde es nett, wie fürsorglich und trotzdem erfolgreich du mich in die Computerei eingeführt hast. Ich habe es nie für möglich gehalten, in meinem Alter noch einem derart netten und zuvorkommenden Mann zu begegnen, der so viel Mühe für mich aufwendet. Ich hoffe, dass wir noch viele gemeinsame Unterrichtstunden miteinander verbringen können.

Dagmar.

Offensichtlich hatte mein Text ihn angerührt, denn er sagte „Danke“, und strich mir über die Haare. Das reizte mich, ihm einen leichten Kuss auf die Wange zu drücken. Über sein Gesicht lief ein erstaunter Ausdruck, war ich zu weit gegangen? Nein, er küsste ebenfalls meine Wange, doch dann flüsterte er verlegen: „Entschuldige bitte“, und zog sich zurück. „Schade“, dachte ich, war aber so erschrocken, dass ich keinen Mut fand, weiter zu gehen.

„Zuerst musst du deinen Brief speichern“, belehrte er mich, dann ließ er mich den Drucker einrichten und den Text drucken. „Jetzt schick mir eine Mail“, fuhr er fort, „und hänge deinen Liebesbrief an, damit ich ihn immer lesen kann. In meiner Mail von gestern gibt es einen Befehl ‚Antworten‘“. Ich tat es und hatte ein Eingabeblatt, in dem schon seine Adresse stand. In den Betreff schrieb ich „Danke“ und als Text:

Du bist so lieb zu mir, herzlichen Dank, Dagmar.

Fabian zeigte mir, wie ich den Text anhängen konnte und ich sandte die Mail ab. Sekunden später hatte er sie auf dem Notebook.

„Danke, ich danke dir von Herzen“, rief er und umarmte mich, doch das genügte mir jetzt nicht mehr. Ich drückte die Lippen auf seinen Mund und unsere Zungen umschlangen einander, bis wir keine Luft mehr bekamen. „Du“, sagte ich schwer atmend, „das darfst du nicht machen.“ „Entschuldige vielmals“, antwortete er lachend, „es soll nicht wieder vorkommen.“ „Das wäre schade“, meinte ich, ebenfalls lachend und konnte gar nicht aufhören, seine Lippen zu fühlen. „Wir sind verrückt!“, rief er schließlich und ich antwortete „Ja, ich bin ganz verrückt nach dir und habe das Gefühl, dass es dir genauso geht.“ „Du hast Recht“, antwortete er nachdenklich, „seit Angelicas Tod war ich nicht mehr so glücklich. Ich bin dir so dankbar, dass du mir deine Zuneigung so offen zeigst, ich hätte nicht gewagt, einfach auf dich zuzugehen. Doch jetzt sage ich voller Freude: ‚Doch küsst mich ein weiblicher Mund, so bin ich schon wieder gesund.‘ Ich glaube, ich habe mich in dich verliebt.“ Als ich bedenkenlos antwortete. „Ja, Papageno, mir geht es doch ebenso, nur ein sanftes Täubchen werde ich nicht sein“, lief ein glückliches Strahlen über sein Gesicht. Was habe ich da gedankenlos angerichtet?

Fabian

Das war ein richtiges Wechselbad der Gefühle, zuerst der Liebesbrief, dann die Küsse und zuletzt Dagmars Aussage, dass sie sich auch in mich verliebt hat. Ich sah eine glückliche Zukunft vor mir, die meine Einsamkeit beenden könnte. Da es schon 12 Uhr war, fragte ich hoffnungsvoll: „Darf ich dich zu einer Lachsschnitte in Weißwein einladen?“, worauf sie fragte: „Du kannst kochen?“ „Ich glaube, ganz ordentlich“, antwortete ich lachend und säuerte die Lachsfilets, dann schnitt ich Zwiebeln und dünstete sie mit Öl an. In einer Reine goss ein großes Glas Weißwein über Filets und Zwiebeln, würzte und ließ das Ganze im Umluftgrill bestrahlen. Im Wohnzimmer füllte ich zwei Aperitifgläser mit Campari und Orangensaft und kredenzte sie der Frau, die ich mir zur Gefährtin wünschte. „Auf eine lange schöne Zeit miteinander“, sagte ich bewegt. Sie schaute mir tief in die Augen und flüsterte: „Das wünsche ich mir schon, seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe.“ Als Fisch und Reis auf dem Tisch standen, schenkte ich Weißwein ein und sagte: „Ich wünsche Dir einen guten Appetit“, worauf sie antwortete: „Ich dir auch, ich bin schon lange von keinem Mann bekocht worden.“ „Das möchte ich noch oft tun, denn ich koche gerne“, war mein Wunsch.

„Das schmeckt fantastisch“, lobte Dagmar, „und jetzt muss ich dir etwas sagen: Dein Buch ‚Leben mit Angelica‘ hat mich angerührt, ich habe es die ganze Nacht gelesen und gemerkt, was für ein liebevoller Mensch du bist. Da kam in mir der Wunsch auf, dir näher zu kommen, und ich freute mich darauf, heute mit dir alleine zu sein. Ich bin glücklich, dass es dir ebenso geht und würde dir das Buch gerne abkaufen.“ „Nicht nötig“, erwiderte ich, „ich will es dir eh‘ schenken, ich schreibe noch eine Widmung rein.“ Nach dem Hauptgang kredenzte ich Tiramisu, dann Espresso und zum Schluss Remy Martin. „Ich habe schon lange nicht so gut gegessen“; schwärmte Dagmar, dann fragte sie: „Welche Computergeheimnisse bringst du mir noch bei?“ „Lass uns das Geschirr versorgen, dann können wir vielleicht andere Geheimnisse ergründen“, antwortete ich lächelnd. „Da bin ich gespannt“, meinte sie, auch lächelnd.

Dagmar

Nachdem wir das Geschirr in die Spülmaschine geräumt hatten, zog Fabian mich auf das Sofa im Wohnzimmer. Er umarmte und küsste mich innig, dann flüsterte er: „Da wir die Computergeheimnisse jetzt genug ergründet haben, möchte ich ein wenig deine persönlichen Geheimnisse erkunden.“ Vorsichtig führte er seine Hand an den Ausschnitt meines Kleides und sah mich fragend an. Als ich nickte, liebkoste er meine Brüste. „Jetzt fühle ich schon eines deiner Geheimnisse“, fuhr er leise fort, „das Weitere möchte ich mir für später aufbewahren.“ Seine zärtliche Berührung hatte mich erregt, jetzt wollte ich ihn auch näher kennen lernen. „Wie sieht es denn mit deinen Geheimnissen aus?“, fragte ich schmunzelnd. „Nun ja“, meinte er verlegen, „ich habe nur ein einziges und das ist schon ganz wild.“ Ich wusste, was er meinte und fühlte es mit der Hand. „Weil das dein einziges Geheimnis ist, will ich es vorläufig noch nicht erforschen. Ich muss mich erst wieder daran gewöhnen, geliebt zu werden, denn ich habe solche Liebe, wie du sie mir schenkst, schon lange nicht erlebt“, berichtete ich stockend, weil ich über jedes Wort nachdenken musste. „Vor einem Jahr hatte ich eine kurze Beziehung zu einem Mann, der mir interessant schien. Er führte mich körperlich in Welten ein, die ich nie kennen gelernt hatte, doch letztlich war ich für ihn nur ein Sexobjekt, das seinen Haushalt in Ordnung hielt. Da er immer wieder ausrastete und auch an kulturellen Ereignissen wenig Interesse war, gab ich ihm nach einem halben Jahr den Laufpass. Er verfolgte mich, bis ich ihm eine Abstandsverfügung verschaffte. Eigentlich hatte ich die Nase voll und erst du hast mir gezeigt, dass es doch noch wertvolle Männer gibt.“