Magierturm - Tanja Rast - E-Book

Magierturm E-Book

Tanja Rast

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Beschreibung

Der Magie verfallen – das ist eine Gay-Fantasy-Reihe um Krieger und Magier, Priester und Diebe. Jeder Roman erzählt die Romanze zweier gegensätzlicher junger Männer – zwischen Gefahren, Abenteuern und großen Gefühlen. Haudegen Daraz und seine bunte Truppe bekommen den Auftrag, dem Treiben eines Schwarzmagiers ein unrühmliches Ende zu bereiten. Womit niemand gerechnet hat: Der Magier hielt einen Dämon gefangen. Womit Daraz niemals hat rechnen können: Das verstörte Geschöpf erweckt nicht nur sein Mitgefühl, sondern bringt auch seinen Herzschlag vollkommen aus dem Takt. Langsam fasst der Dämon Sorian Vertrauen zu seinem Befreier, und als Daraz merkt, dass die Söldnertruppe unter Beschuss gerät, kann er sich nur noch auf Sorian verlassen – auch wenn er nicht weiß, wie sie gegen ihre übermächtigen Gegner bestehen sollen …

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Der Magie verfallen XII

 

 

Magierturm

 

 

 

 

Tanja Rast

 

 

 

 

 

 

Roman

 

 

 

 

 

Impressum:

Impressum: Tanja Rast, Haßmoorer Weg 1, 24796 Bredenbek

www.tanja-rast.de

 

Cover: Sylvia Ludwig, www.cover-fuer-dich.de

 

Motive für Cover:

Ruins of the tower for the cathedral in the old colonial city of Panama: Gualberto Becerra/shutterstock.com

Twin men: Volodymyr Tverdokhlib/shutterstock.com

Halloween hipster with satan horns: Volodymyr Tverdokhlib/shutterstock.com

 

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Menschen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

Inhaltsverzeichnis
1 Bunter Haufen
2 Der Schatz des Magiers
3 Dämonen, Magie und Komplikationen
4 Grüne Erinnerungen
5 Gewitterfront mit Blitzen
6 Kriegsrat im Unterholz
7 Gehörnte Verlockung
8 Sturm geerntet
9 Hoch hinaus
10 Ruhe vor dem Sturm
11 Brückenschlag
12 Magisches Schurkenstück
13 Dämonenzauber
14 Eine Schleife für die Welt

 

Die Autorin
Eine kleine Bitte
Danksagung
Lesefutter
Lesefutter

1.

Bunter Haufen

 

Daraz blickte zur Kontur des Turmes, der sich gegen den rötlichen Abendhimmel tintenschwarz hinter einem Saum Kiefern erhob. Viel war nicht zu erkennen, aber das Gebäude wirkte schroff und unerfreulich. Daraz sagte sich, dass er das wohl nur dachte, weil er wusste, was ihn und die anderen dort erwartete. Gleichgültig. Sie hatten den Auftrag vom Senat der Königin angenommen, die Bezahlung war mehr als gut, und die Mannschaft – auch wenn der Begriff irreführend war – galt zu Recht als eine der besten in ganz Ferian. Gemeinsam hatten sie schon ganz andere Dinge geschaukelt, und obwohl Daraz sich Mühe gab, nicht unter überbordender Selbsteinschätzung zu leiden, wusste er, wie schlagkräftig der kleine Haufen tatsächlich war.

Die neueste und leihweise Erweiterung der Truppe passte ganz gut dazu und hatte sich auf der Reise nicht allzu dämlich angestellt, auch wenn die kleine Magierin anfangs jeden Abend einfach nur tot auf ihr Lager gekippt war, statt beim Feuerholzsammeln oder bei der Zubereitung der gemeinsamen Mahlzeit zu helfen. Nun, das war im Laufe der Tage etwas besser geworden. So ein Stadtpflänzchen, das normalerweise wohl nur Bücher wälzte und irgendwelche Mischungen kochte, konnte sich natürlich nicht mit jenen handverlesenen Söldnerinnen messen, mit denen Daraz üblicherweise unterwegs war.

Nun stand er hier und lauerte darauf, dass sich am Turm Licht zeigte, damit er ein wenig an seinem und Korays vorläufigem Plan feilen konnte, wie sie dort hineinkamen. Leise Schritte kündigten die Ankunft von Koray an. Daraz nahm nicht den Blick vom Turm, sondern wartete gelassen ab, bis die hochgewachsene Frau sich neben ihn stellte.

Sie nippte an ihrem Teebecher und schloss sich der Betrachtung des Turmes an. »Na, Brüderchen, wie sieht unser Plan aus?«

»Bislang ist er nicht weiter gediehen als: Reingehen und den Kerl plattmachen. Ich lauere, dass der Magier Licht entzündet, damit wir erfahren, wo er sich hauptsächlich aufhält. Was hast du dir in der Zwischenzeit ausgedacht?«

Koray nickte und hielt dann neben ihm Ausschau. Leise sagte sie: »Wir bauen nicht hauptsächlich auf das magische Wundertier. Bei euch weiß ich, was ihr taugt. Sie muss mich erst noch überzeugen.«

»Fahr die Krallen wieder ein, Koray. Die kleine Feuerwerferin gab es gratis zum Auftrag dazu, und sie bekommt keinen Anteil an der Belohnung, weil sie zum Orden gehört. Aber ein Magier auf unserer Seite kann uns da drin nur nützlich sein.« Er trank selbst einen Schluck Tee und behielt die Silhouette des Turmes im Blick.

Irgendwann musste der Zauberer darin doch mal Licht machen – und hoffentlich nicht vorher alle Fensterläden verrammeln. Daraz wollte zu gerne wissen, wie groß die Fensteröffnungen waren. Denn ein Spaziergang bis zur Haustür, höfliches Anklopfen dort und ein verständnisvoller Gastgeber standen nicht zu erwarten, zumal der Auftrag lautete, den Bewohner des Turmes um die Ecke zu bringen.

»Hast du es schon mal mit einem von der Sorte zu tun gehabt?«, fragte Koray.

»Glücklicherweise noch nicht.«

»Ich auch nicht, und ich habe das dumpfe Gefühl, dass der Orden uns lange nicht alles erzählt hat. Das erfüllt mich nicht gerade mit Zuversicht.«

»Ich habe noch gefragt, welche Art von Magie er verschießen kann. Nicht einmal das wusste man dort.«

»Angeblich.«

»Ich weiß, ein Magier britzelt dem anderen nicht den Hintern an. Aber der Orden in der Stadt hat sich treu zur Königin bekannt und sollte eigentlich hilfreich sein.«

Koray lachte spöttisch durch die Nase. »Indem sie uns ihr Küken mitgaben.«

»Du bist heute wirklich kratzbürstig. Ich baue darauf, dass er sich dank des Ablenkungsmanövers verausgabt, damit wir beide ihm auf die Pelle rücken können. Wie immer, Koray.«

»Ich habe nicht erwartet, dass wir eine solche Summe kassieren, um einer alten Oma die Börse zu stehlen, während sie ein Nickerchen macht oder ihre Katzen füttert. Aber ich bin mir gerne im Voraus aller Risiken bewusst.«

»Koray, wenn du jetzt kalte Füße kriegst …«

»Tu ich nicht. Ich bin genau fünf Schritte hinter dir, Daraz. Wie immer. Ich und mein Bogen. Ich denke mir, Distanz könnte etwas sehr Schlaues sein.«

»Finde ich auch. Notfalls nutzt du mich als Deckung.«

»Das ist der Vorteil an großen Männern«, meinte sie mit einem Grinsen. »Und danach pflege ich deine Brandwunden.«

»Danke, Koray, das kann ich gut alleine. Ich habe auch nicht vor, mich anbrennen zu lassen. Aber im Zweifelsfall verschaffe ich dir eine Gelegenheit, deinen Pfeil fliegen zu lassen.«

»Der Magierorden hat uns außerdem mit magischen Bomben versorgt. Wir rennen da nicht gänzlich unvorbereitet hinein, ich weiß.« Koray straffte ihre hochgewachsene Gestalt. »Nun, es ist lediglich ein Gegner. Ich will nur, dass du vorsichtig bist und nicht dein übliches Ich bin ein wilder, unbesiegbarer, unverwundbarer Stier und spiele jetzt den Rammbock veranstaltest.«

»Tu ich nie«, behauptete Daraz grinsend.

»Nicht um meinetwegen. Noch nicht einmal deinetwegen, Brüderchen, aber du würdest die kleine Magierin erschrecken. Und dann kann sie womöglich nicht zaubern, weil sie dir fassungslos hinterherglotzt.«

Gleichzeitig blickten sie zu den drei anderen Frauen am Lagerfeuer.

Die Magierin hielt sich an ihrem Teebecher fest und sah wie Daraz und Koray immer wieder zum Turm. Sie war klein, in die unvermeidlichen flatternden Roben gekleidet, die ganz und gar nicht zu den derben Stiefeln passten, die sie auf Korays Rat trug. Ihr Stab lag quer über ihren Oberschenkeln und schimmerte rubinrot.

Das Ding führt ein Eigenleben, dachte Daraz im Stillen. Als wäre der Stab der große Magier und die Frau nur sein Anhängsel. Weil man als Stab so etwas halt brauchte und vor anderen Stäben mit dem Prunk der Robe des leibeigenen Magiers angeben konnte.

Ancand hatte sich bislang wirklich wacker geschlagen, jede Frage freundlich und geduldig beantwortet und das bei Magiern übliche Schwafeln und Protzen auf ein Minimum reduziert. Sie fügte sich friedfertig in die Gruppe ein und machte sich mittlerweile auch beim Kochen und Holzsammeln nützlich. Angesichts ihrer hellen Haut und schmalen Hände, der ihr eigenen Haltung vermutete Daraz mitunter, dass sie von Adel sein könnte. Nun, Magie nistete sich in einem Neugeborenen ein, ohne darauf zu achten, ob sie es mit einem Bettler oder einer Königin zu tun hatte. War die Gabe erst ans Tageslicht getreten, wurde die Abstammung gleichgültig, nur noch Funken, Eis und Zauberstäbe blieben bestimmend. Und endlose Debatten im Palast der Magier, staubige Bücher, Zaubersprüche, bei denen sich Zungen verknoteten.

Die alten Transusen vom Orden wirkten ihre Sprüche und Zauberstabschwenkereien im Auftrag der Königin, zum Guten der Gesellschaft und zur Verteidigung des Reichs. Sagte man zumindest. Aber diese Schar Getreuer stellte nur einen Bruchteil der Magier im Reich dar. Die meisten, dessen war Daraz sich ziemlich sicher, waren friedlich und verdienten mit Heilzaubern und Feuerwerk ihr Auskommen. Doch hin und wieder wich ein Magier von der freundlichen Gesinnung ab.

Denn im Gegensatz zu diesen Menschenfreunden mit Zauberstab – oder menschenfreundlichen Zauberstäben mit Magieranhang, dachte Daraz und blickte auf den Stab, der träge rot blinkte – gab es genug Zaubereibegabte, die sich weder in Gemeinschaften einfügten noch großzügig mit Nichtmagiern teilten, was ihre Gabe ermöglichte. Von der Sorte Mensch gab es ja zahlreiche, bei Magiern wurde es nur einfach wegen ihrer Schlagkraft brenzlig, wenn sie sich daran machten, ein Dorf oder einen ganzen Landstrich zu tyrannisieren.

Die Truppen der Königin waren wohl schon mehrfach gegen Magier vorgegangen, die sich nicht an die Gesetze des Senats hielten. Regelrechte Schauergeschichten machten immer mal wieder die Runde: umgebrachte Kinder, Versuche an Verschleppten und Ritualmorde. Gerüchte darüber hatten auch Daraz erreicht und sich mit Erzählungen von ganz und gar ausgerotteten königlichen Truppenteilen vermischt. Mit ein Grund, warum dieses Mal eine schlagkräftige Söldnertruppe ausgesandt worden war, vermutete er. Die konnte leiser auftreten als säbelrasselnde Soldaten.

Koray dachte weiter, das wusste Daraz. Sie grübelte immer gründlich. Deswegen waren sie vereint auch ein so gutes Gespann. Daraz übernahm die Sparte rohe Gewalt, nachdem Koray alles bis in die kleinste Einzelheit ausgetüftelt hatte. Doch bei diesem Auftrag tappten sie noch allzu sehr im Dunklen, und das behagte Koray nicht. Auch Daraz hegte einige Sorgen, hoffte aber, dass die Schlagkraft des Trupps wie üblich ausreichen würde. Das würde wirklich unterhaltsam werden, falls die Taschenspielertricks des Ordens und Ancands Magie nicht genügten, den Kerl im Turm so lange zu beschäftigen, bis Korays Pfeil, Daraz’ Schwert oder die brutaleren Waffen der Zwillinge ihn niederstrecken konnten.

»Essen ist fertig«, erklang es nun vom Lagerfeuer.

»Gehen wir«, meinte Daraz zu Koray. »Und morgen finden wir … Halt! Siehst du das? Ein Fenster! Endlich hat der Mann Licht gemacht.«

»Also nicht durch die Haustür, das gefällt mir.« Sie kniff die Augen halb zusammen. »Da schieße ich einen Anker hoch, Daraz. So der Magier nicht tagsüber die Fenster verrammelt, weil er lieber im Dunkeln arbeitet.«

»Bitte, er muss doch nicht, wenn er alleine und unbeobachtet ist, jeder Vorgabe aus Kindergeschichten entsprechen! Das macht er nur, wenn er Besuch hat. Ich denke, auch ihm wird das Entziffern alter Handschriften bei vernünftigem Licht einfacher erscheinen.«

Er fiel neben Koray in Schritt und betrachtete gleich darauf den Eintopf, in dem Warle rührte. Er war sich ziemlich sicher, dass es Warle war. Die Zwerginnen sahen sich selbst für Zwillinge viel zu ähnlich, aber Daraz hatte gelernt, nach feinen Unterschieden Ausschau zu halten. Warle hatte weniger Sommersprossen, dafür war ihr Mund ein bisschen breiter als der von Hevvi, die hingegen mehr Fältchen in den Augenwinkeln sitzen hatte. Beide waren gedrungene Kraftpakete, die wie eine voll aufgedrehte Sprungfeder nur auf den Auslöser zu warten schienen. Feuerrote, kurze Haare und Sommersprossen auf jedem sichtbaren Fleckchen Haut zeichneten die Schwestern ebenso aus wie ihre ruchlose Veranlagung – der geringen Körpergröße geschuldet, wie Daraz sich in schlaflosen Nächten einredete – Gegnern ihre Waffen bevorzugt in den Schoß oder die Magengrube zu hämmern.

Über Eintopf, Fladenbroten und Tee fasste Daraz seine bisherigen Beobachtungen zusammen. »Soweit ich das auf die Entfernung abschätzen kann, gibt es im ersten oder zweiten Stock Räume, die der Magier nutzt – und mindestens ein Fenster.«

Koray übernahm, ohne ihn unterbrochen zu haben. »Ich kann einen Anker hochschießen. Wir halten uns an das, was sich in der Vergangenheit bewährt hat: Warle und Hevvi sorgen zusammen mit Ancand für Ablenkung, Daraz und ich gehen rein. Feinheiten klären wir, sobald wir mehr vom Turm als Schwärze sehen. Den Weg durch das Hauptportal nehmen wir nur im äußersten Notfall. Wir wissen nicht, wie mächtig dieser Magier ist, welche Magieart er beherrscht und was er zur Sicherung des Eingangs unternommen hat.« Sie zeigte und erklärte noch einmal, was der Orden der Magier ihnen an Material und Auskünften mitgegeben hatte. Magisch aufgeladene Sprengsätze zum Beispiel, mittels derer Türen rasch zu Vergangenheit gemacht werden konnten. Ebenso gehörten verstärkte Heilpflaster nun zum Gepäck, die angeblich sogar Knochenbrüche beheben konnten.

Nicht dass Daraz darauf scharf war, dergleichen zu erleiden oder die muffig riechenden Verbände an sich auszuprobieren, aber solche Wundersachen stellten eine Verbesserung der üblichen Ausrüstung dar.

Die Zwerginnen hörten mit wachsamen Gesichtern zu und nickten hin und wieder. Die Magierin hielt sich an ihrem Teebecher fest und wirkte aufmerksam.

»Wir haben Ancand bei uns, die uns notfalls unterstützen kann. Wie wir den Kerl auch immer umbringen, sie muss den Kadaver sehen, damit der Senat uns nach erfolgreicher Erledigung des Auftrags auch bezahlt«, schärfte Koray den Zwerginnen noch einmal ein.

Daraz seinerseits sah zu Warle, rollte ruckartig die Augen zur Seite, damit die Zwergin ohne Worte den Befehl begriff, dass sie Kindermädchen für die Magierin zu spielen hatte. Denn wenn die Kleine das Zeitliche segnete, gab es nicht eine einzige Kupfermünze. Oder die Gruppe musste den toten Zauberer und die leider ebenfalls verschiedene Magierin bis in die Stadt schaffen. Über Berg und Tal, durch Wälder und ohne Packtiere, und dann konnten die Senatoren immer noch die Nase über eine Söldnertruppe rümpfen, die nicht einmal auf Ancand hatte aufpassen können. Koray und er hatten nicht umsonst jahrelang geschuftet, um ihrer kleinen Gemeinschaft den Ruf der Zuverlässigkeit zu erarbeiten!

Warle nickte knapp, löffelte mehr Eintopf und machte somit Ancand nicht auf diese Aufgabenverteilung aufmerksam. Noch ein Grund mehr, warum Daraz bevorzugt mit Frauen arbeitete und die Ohren vor dummen Kommentaren anderer Söldner verschloss, die ihm Liebschaften mit den Zwerginnen unterstellten und sich prächtige Vorstellungen davon einbildeten: Frauen machten nicht so viele Scherereien, nahmen sich und vor allem den Inhalt ihrer Hosen nicht so wichtig und wuschen sich häufiger.

Koray teilte die Nachtwachen ein und zog sich in ihren eigenen Unterstand zurück. Daraz folgte ihrem Beispiel, und während er sich in die Decken einrollte, die kalten Zehen bewegte und auf den Schlaf wartete, ging er im Geiste noch einmal jede Schauergeschichte durch, die er seit frühester Kindheit vernommen hatte. Lieber einen Gegner zu groß und gefährlich einschätzen, statt voller Selbstüberschätzung auf die Schnauze zu fallen. So die Magier nicht vollkommenen Unsinn erzählt und die Hälfte aller Risiken verschwiegen hatten, sollte alles glattgehen. Kein Kinderspiel, kein Spaziergang, sondern eine Aufgabe, die angemessen entlohnt wurde.

 

Der Turm war uralt und bröselte an mehreren Stellen. Einst mochte er das Zentrum einer Festung gewesen sein, über deren verfallene Mauern die Gruppe leicht klettern konnte. Alles war unkrautüberwuchert, und nur ein schmaler Trampelpfad führte vom zusammengebrochenen Torbau der alten Wehr zum Portal des Turmes. Der von Koray gewählte Weg verdiente diese Bezeichnung nicht, bot aber viel Grünzeug, das die Gruppe vor neugierigen Blicken aus dem Turm verbarg.

Sie sammelte ihre Gefährtinnen und Daraz in sicherer Entfernung in der Deckung eines Gebüschs und betrachtete das Bauwerk kritisch.

»Der hat wirklich die Fensterläden über Tag geschlossen«, brummte Daraz.

»Vielleicht schläft er auch nur lange und hat etwas gegen frische Luft«, merkte Ancand leise an.

»Großartig. Für meinen Geschmack sind wir zu nah dran, als dass wir ein paar Stunden herumhocken können, bis der Herr sich aus den Federn bequemt. Sturmangriff auf die Eingangstür bewahren wir uns auf, falls es anders wirklich nicht geht. Ich mag den direkten Weg nicht, weil er so vorhersehbar und meistens gut verteidigt ist.« Koray sah ärgerlich aus. Ihre buschigen Augenbrauen trafen sich beinahe in der Mitte. Ein sicheres Zeichen, dass der Gegner sich gerade ihren Unmut zuzog und für diese unerfreulichen Hindernisse eine Rechnung erhalten würde.

Daraz musterte den Turm noch immer und grinste. »Heimlich Gemach?«

»Du spinnst wohl«, zischte Koray. »Bei aller Freundschaft, Brüderchen, da kletterst du alleine hoch.«

»Da drin ist nichts, was heißes Wasser und Seife nicht wieder in Ordnung bringen würden.«

Koray setzte zu einer sicherlich heftigen Erwiderung an, als Hevvi ganz ruhig fragte: »Was ist ein heimliches Zimmer?«

Daraz – dankbar für diese Ablenkung – wies auf einen Teil der Mauer, der hervorsprang. »Siehst du das? Diesen Absatz nach vorne?«

Hevvi nickte.

»Oben befindet sich eine Kammer mit einer Holzbank mit einem Loch darin.«

Die Zwerginnen blickten ihn verständnislos an.

»Bei den Ahnen, hör auf, um den heißen Brei zu reden! Es ist ein Scheißhaus«, sagte Koray.

»Oh«, machte Hevvi und setzte dann sehr schnell hinzu: »Guter Plan. Da rechnet bestimmt niemand mit Eindringlingen. Aus gutem Grund. Warle und ich bleiben gerne hier unten. Zwerge sind keine Bergziegen. Und sobald ihr uns ein Signal gebt, starten wir einen Scheinangriff auf das Portal, um den Magier abzulenken. Dann kannst du ihn in aller Seelenruhe rücklings umbringen.« Sie grinste sehr zufrieden, und wie ein Spiegelbild tat Warle es ihrer Schwester gleich.

»Ich helfe euch bei dem Scheinangriff«, setzte Koray entschlossen hinzu.

Leise und mit einer höflichen Zurückhaltung, die in der bunten Truppe so erfrischend neuartig wirkte, mischte Ancand sich ein. »Es ist nur ein Mann, der wird das Heimlich Gemach nicht sehr ausgiebig benutzen. Aber ich kann einen Feuerzauber in den Schacht senden, der alles zu Asche verbrennt, was stinken oder kleben könnte. Soll ich mit dir kommen, Daraz?«

Einen Augenblick lang sah er sie nur fassungslos an. Dann schüttelte er den Kopf. »Wenn du sauber machst, kommt meine Schwester bestimmt mit mir. Ihren Bogen habe ich wirklich gerne hinter mir.«

»Mich nicht?«, grollte Koray.

Daraz warf ihr einen strengen Blick zu. Seitdem sie vereint ihre kleine Truppe gegründet hatten, griff er Feinde offen an, während Koray sie mit Pfeilen spickte. Einer rennt, und eine denkt, und die Methode bescherte ihnen Erfolge.

»Ich mein ja nur. Ohne mich ist der Bogen nur Holz, Leder und Pferdehaar.«

»Der Schacht wird sauber sein, Koray. Sei jetzt nicht albern. Bist du dabei?«

Sie grinste und nickte. Natürlich. Dann wandte sie sich an Ancand. »Bleib draußen bei den Schwestern, da kannst du bei der Ablenkung helfen.«

Auch Daraz wollte die Magierin hinter den Linien behalten. Aber ihr Mut imponierte ihm doch. Koray hatte das hübsch diplomatisch geregelt, fand er.

»Ich kann auch das Portal einäschern.« Ganz ruhig und bestimmt. Als würde die Nähe des Ziels ihr die Kraft geben, die ihr mitunter auf dem Marsch hierher gefehlt hatte.

»Nach unserem Signal«, sagte Koray. »Eine Haustür ist ein sehr offensichtlicher Angriffspunkt. Und ich mag Hintertüren, die ein Hausbewohner einfach nicht auf der Rechnung hat.«

Ancand nickte. Keine Widerworte. Noch so eine ungewohnte Neuerung. Koray war die im Wesen Stärkste von ihnen. Sie schickte Daraz zwar vor, wenn es um die Eintreibung von ausstehender Bezahlung ging, aber in Verhandlungen vertrat sie die kleine Schar. Die Frau konnte feilschen, dass einem die Tränen kamen. Ging es im Kampfgetümmel hart auf hart, wurden ihre Befehle auch umgehend befolgt. Aber vorher hatten die Zwillinge gerne ihren eigenen Kopf und machten Gegenvorschläge. Daraz hielt sich dabei meistens heraus und besprach seine Ideen vorab und in Ruhe mit Koray. Er wusste, dass sie Anregungen erst nahm, oft gründlich überdachte und dann aus allem das Beste holte. Auch deswegen war diese kleine Einheit stets erfolgreich, weil alle mitdachten und Verbesserungen anregten. Doch Ancand war wohl der Respekt vor Vorgesetzten von klein auf im Orden eingebläut worden.

Hevvi hatte die Zeit genutzt, die Linie des Schachts genauer in Augenschein zu nehmen. »Das Fenster des Scheißhauses ist auch geschlossen. Falls der Kerl nicht gerade an einem Guckloch klebt, kommen wir ungesehen zur Basis des Turms«, sagte sie leise.

Koray nickte »Gut. Hevvi, Warle: Ihr nehmt Ancand gleich mit und verbergt euch, bis wir unser Signal senden. Eine Lichtkugel aus den Beständen des Ordens. Daraz wird sie aus einem Fenster werfen, sobald wir durch den Klositz geklettert sind. Dann startet ihr ein Spektakel, das den Kerl fürchten lässt, dass das halbe Heer der Königin hier ist. Aber seid vorsichtig, sobald ihr in den Turm eindringt. Wir haben keine Ahnung, was uns genau erwartet. Wenn alles gut geht, erledigen Daraz und ich den Magier, während ihr vor seiner Haustür krakeelt. Aber seine Fallen und Abwehrzauber können ihn vielleicht überleben. Alles klar?«

Die Zwerginnen und Ancand nickten. Daraz sah zu Koray, die abenteuerlustig grinste und ihren Bogen streichelte. Ihren Rucksack hatte sie bereits zu Boden gestellt.

Daraz streifte sich die Riemen des eigenen Gepäcks von den Schultern. So leicht und beweglich wie möglich mussten sie im Schacht sein, dessen Bewältigung trotzdem anstrengend sein würde. »Dann los.«

Er führte den kleinen Trupp in der Deckung von Gestrüpp und Buschwerk bis an die Turmmauer, wo der Gestank deutlich machte, dass der Magier durchaus eine fleißige Verdauung sein eigen nannte und den Abfallschacht dementsprechend ausgiebig gebrauchte. Allerdings nicht nur, um sich zu erleichtern, wie Daraz voller Abscheu erkannte. Knochen und fauliges Fleisch lagen ebenfalls auf dem Haufen, der sich unter dem Schachtende angesammelt hatte. Daraz wollte gar nicht so genau wissen, ob das nun Essensreste oder Überreste magischer Experimente waren. Eine ganze Bande von Geschichten, mit denen Daraz wie die meisten Kinder gefüttert worden war, hob hässliche Fratzen und brachte sich nachdrücklich in Erinnerung. Der schlechte Ruf einiger Magier bestand offenbar nicht nur aus den Dingen, die störrischen Knaben im Rahmen von Erziehungsversuchen erzählt wurden. Möglicherweise verließ der Kerl im Turm sich nicht nur auf die in ihm ruhende Gabe, sondern mehrte seine Macht durch Blut und Fleisch. Wirklich nicht sympathisch. Aber bald sollte er ja Geschichte sein.

Ancand trat vor, das schmale Gesicht ernst und angespannt. Sie spähte einmal sichernd um sich, bevor sie mit einer lockeren Bewegung aus dem Handgelenk etwas pulsierend rot Glühendes auf den Schmutzberg fallen ließ, der unter dieser Attacke tatsächlich schnell zu Asche zerfiel. Dann stieg der Glutball in den gemauerten Schacht auf, und mehr Asche rieselte zu Boden.

Daraz stellte sich die heiße Überraschung vor, falls der Magier gerade auf dem Klo säße. Aber das wäre nicht gut, weil Ancand dann außer einem Bericht über viele Schreie und sehr viel Asche nichts beim Senat abliefern könnte.

Jetzt war die Magiekugel auf jeden Fall außer Sicht, und der Rest der Truppe drückte sich fest gegen die Außenmauer des Turms, spähte nach oben und suchte die Fassade nach Bewegung ab. Koray hatte einen Pfeil auf der Sehne und lauerte nur auf eine Gelegenheit, ihn zu entlassen. Allerdings tat der Zauberer ihr nicht den Gefallen, sich aus einem Fenster zu beugen. Sehr ungefällig!

Daraz stieg als Erster – wie stets – in die gemauerte Röhre, suchte sich Tritte und Griffe, wischte immer wieder Asche beiseite, um festen Halt zu finden. Unter ihm nieste Koray betont leise, wobei sie ihr Gesicht wahrscheinlich in den Stoff des Ärmels drückte, um das Geräusch zu ersticken.

»Tut mir leid«, wisperte Daraz und kletterte weiter. Die Finger schmerzten schon bald, und er hatte das Gefühl, dass seine Atemzüge viel zu laut in der Enge klangen.

Wenigstens hatten die ätzenden Flüssigkeiten, die hier üblicherweise die Wände hinab rannen, die Steine und vor allem den Mörtel so stark angegriffen, dass dies keine fugenlose Mauer mehr war, sondern eine recht passable Leiter abgab.

Doch in Dunkelheit musste Daraz immer wieder nach Vorsprüngen tasten, vorsichtig bröseliges Mauerwerk prüfen, ob es ihn hielt. Der verdammte Magier hatte sogar das Klofenster verrammelt. Was trieb der Mann in diesem Turm, dass er das Tageslicht ausschloss und sich hinter Fensterläden und dicken Vorhängen verbarg? Man sollte doch meinen, dass er sich hier in der Einöde und mit seiner Zauberei sicher fühlen könnte.

Während Daraz sich weiter und weiter nach oben vorarbeitete und somit einer Auseinandersetzung mit dem Gegner stückweise näherte, rief er sich im Stillen noch einmal die Gespräche mit Ancand ins Gedächtnis und kam zu dem Schluss, dass er verdammt noch einmal viel zu wenig wusste.

Gleichgültig. Er hatte Koray und ihren Bogen, sagte er sich stumm vor, als er endlich über sich den gemauerten Rand des Klositzes ertastete. Von der hölzernen Abdeckung mit der kreisrunden Aussparung waren nur noch bröselnde Reste übrig, den Rest hatte Ancands Feuerball bereits aus dem Weg geschafft.

Daraz klemmte sich in die Röhre, indem er die Beine anwinkelte und die Schultern gegen die Wand presste, dann mühte er sich ab, im Dunkeln das verbliebene Holz langsam und möglichst geräuschlos aus seinen Halterungen nach oben zu drücken. Es knirschte leise, und Daraz konnte zu guter Letzt ein Bein über den Rand des gemauerten Kastens schwingen, auf den der Magier im Bedarfsfall seinen Hintern zu pflanzen pflegte.

Sichernd blickte Daraz um sich und lauschte angespannt. Aber alles war still, und Koray kletterte wundervoll leise. Kein Schnaufen, das aus dem Schacht verstärkt nach oben dringen würde.

Zarte Lichtlinien wiesen Daraz den Weg zum Fensterladen, den er entriegelte und aufstieß, während hinter ihm lautlos Koray aus dem Kloschacht kletterte. Sonnenschein flutete das Heimlich Gemach und zeigte eine aschebestäubte Koray, viele Spinnenweben und noch mehr Staub. Ein Trampelpfad führte durch den Dreck von der Tür zum verbrannten Klositz.

Koray nickte Daraz zu und spannte ihren Bogen, wobei sie ihre Unterschenkel als Hebel nutzte. Dann richtete sie sich auf und legte einen Pfeil auf die Sehne. Diese eindrucksvolle Frau war nun einsatzbereit und – wie Daraz genau wusste – tödlich schnell und zielsicher. Sie schien eins zu sein mit ihrer Waffe, und Daraz war noch nie auch nur von einem Pfeil gestreift worden, obwohl er mitunter das Sausen sehr dicht bei sich gehört und gespürt hatte.

Bevor er die Signalkugel aus dem Fenster warf, betätigte er ganz vorsichtig die Türklinke. Nur um sicherzustellen, dass der Magier nicht aus einer misstrauischen Vorsichtsmaßnahme heraus seinen halben Hausstand als Barrikade vor der Klotür gestapelt hatte. Aber die Pforte ließ sich lautlos öffnen.

Daraz lächelte zufrieden, trat zum Fenster und kramte eine der Lichtkugeln aus seiner Gürteltasche, zog die Reißleine und warf das Ding in hohem Bogen hinaus, wo es harmlos in der Luft verpuffte und grell leuchtete. Fast im gleichen Augenblick erklang Kriegsgeheul. Warle und Hevvi starteten ihren Scheinangriff mit viel Freude an der Sache.

»Bin hinter dir«, flüsterte Koray.

Irgendetwas explodierte, aber es klang ganz so, als ob das draußen geschah. Vielleicht Ancand mit ihrem magischen Sprengfeuer, möglicherweise setzte sich aber auch der Magier gegen den Angriff zur Wehr. Die Zwillinge konnten auf sich achtgeben, wusste Daraz und öffnete die Klotür. Vor ihm lag ein dunkler Gang, der jetzt ein klein wenig Licht vom Fenster aus dem Heimlich Gemach erhielt.

Daraz straffte sich und zog sein Schwert, bevor er geduckt, alle Sinne angespannt und so leise wie möglich dem Flur folgte.

Es stank erbärmlich. Die Luft schmeckte schimmelig und irgendwie bösartig. Noch mehr Getöse, ganz eindeutig draußen, doch Daraz spürte eine sachte Vibration, die das ganze baufällige Gebäude erbeben ließ. Hinter sich hörte er Korays Atemzüge und das weiche Tappen von Lederstiefeln auf schmutzigem Stein.

Lichtschimmer voraus wies den Weg. Daraz zwinkerte im Dämmerlicht, bis er erkennen konnte, dass das Glühen unter einem Vorhang hervorblitzte, der sich in einem Luftzug leicht bewegte.

Noch ein Donnern ließ den Boden erzittern, und jetzt flatterte der Vorhang deutlich und ermöglichte es Daraz, das letzte Stück bis zum Durchgang mit raschen Schritten zu meistern. Er drückte sich flach gegen die Wand und lauschte, sah Koray mit gespannter Sehne und einsatzbereit wie sein Spiegelbild sich gegen die andere Seite der Türöffnung pressen.

Ein kurzer Blickkontakt, ein knappes Nicken von Koray genügten. Daraz packte den Vorhang und riss ihn beiseite. Er wirbelte in den dahinterliegenden Raum, der von Kerzenlicht und Sonnenschein beleuchtet war.

Am geöffneten Fenster stand der Magier auf einer Truhe, beugte sich weit hinaus und warf blitzendes Gleißen nach draußen. Ein Lichtmagier, großartig.

Wenigstens hielt die Attacke der Zwerginnen den Kerl schön beschäftigt, und Krach machte das Ganze auch ausreichend. Daraz gab Koray einen Wink. Noch besser ging es doch gar nicht! So eine leicht verdiente Bezahlung hatte die Gruppe schon lange nicht mehr kassiert.

Auf dem Fußboden glühten grell grün Zeichen auf, als Daraz noch einen hastigen Schritt näher auf den Zaubernden zumachte. Der Geruch im Zimmer – ohnehin muffig und mit dem warnenden Geruch nach Eisen versetzt – verdichtete sich, stank nach Hitze. Daraz hatte das Gefühl, dass die Haare in seiner Nase sich kräuselten, dann atmete er den Geruch von versengtem Haar ein. Er wischte sich mit der freien Hand über das Gesicht und vor allem unter der Nase über die Haut.

Neben sich hörte er das Bogenholz sacht knarren, und dann fluchte Koray, als zwei der Zeichen sie und Daraz unter Beschuss nahmen!

Leuchtend grün flogen Blitze auf sie zu. Koray entließ den Pfeil trotzdem noch von der Sehne, obwohl der Magier auf seiner Kiste herumfuhr und alle Kritzeleien auf dem Boden zu knistern begannen.

Daraz packte Koray und zerrte sie rückwärts, als ein Blitz den Pfeil in der Luft verbrannte.

Ein paar Funken bekam er bei dieser Rettungsaktion ab. Koray hatte schon den nächsten Pfeil auf der Sehne, doch begriff Daraz, dass der ebenso enden würde wie der erste – und ob er selbst über die flirrend grünen Zeichen gelangen konnte, um den Magier zu erledigen, wagte er gerade sehr zu bezweifeln.

Draußen immer noch Kriegsgeschrei von den Zwillingen, die sich redlich Mühe gaben, wie ein halbes Heer zu klingen. Und hier drinnen eine Lage, die sich genau die Waage hielt. Sie kamen nicht an den Magier heran, aber der konnte sich auch nicht zweiteilen, um die Angreifer draußen und Daraz und Koray hier dauerhaft auf Distanz zu halten. Außerdem ermüdete Magie doch irgendwann?

Steine flogen durch das Fenster. Die Zwerginnen hatten gemerkt, dass der Magier sich nicht mehr auf sie konzentrierte. Der Mann zuckte zusammen, als die Geschosse ihn trafen und zum Teil auch harmlos auf den Fußboden polterten.

»Koray!«

Aber den Ruf hätte er sich sparen können. Sie hatte drei Pfeile in der Hand am Bogenholz, und wenn sie eines war, dann aberwitzig schnell. Der erste verglühte in einem grünen Blitz, aber das Bombardement durch das Fenster ging weiter, Koray entließ schon den zweiten Pfeil. Daraz raffte seinen Mut wie einen schützenden Mantel um sich und sprang über die Blitzzeichen am Boden.

Er bereute es sofort, als die grünen Linien ihn unter Feuer nahmen, über die Beinpanzer krochen und obendrein den Weg unter die Waffenschürze fanden. Ihm wurde schlecht vor Schmerz, aber er hatte die Barriere überwunden, auch wenn grünes Geschlängel ihn umrankte und auf der Panzerung Funken sprühten.

Stolpernd und fluchend kämpfte Daraz sich durch ein Unwetter voller Blitz und Feuer, sah, wie der Zauberer die Hände hob, um Steine abzuwehren und gleichzeitig den Eindringling unter Beschuss zu nehmen. Daraz spürte, wie seine Kniegelenke sich in Grütze verwandelten, während er sich durch den Sturm kämpfte und kaum noch Luft bekam. Als versuchte er durch Honig zu schwimmen. Brennender Honig, wohlbemerkt.

Ein silberner Ball hüpfte durch das Fenster. Daraz rief Koray eine Warnung zu und sah gleichzeitig, dass die Bombe vom Magier wegrollte – auf seine Schwester zu! Er warf sich zur Seite, landete hart auf einem Knie und konnte das kleine Geschoss packen. Wie lang ist die Lunte? Auf dem Kniepanzer wirbelte er herum und schleuderte die Bombe auf den Magier, bevor er sich selbst zu Boden und die Hände schützend über den Kopf warf. Er hätte sich ohnehin gleich zusammengefaltet!

So konnte er nicht mehr sehen, was Koray anstellte und ob er den Kerl auf der Truhe wirklich getroffen hatte, aber die grelle Helligkeit nahm er selbst in der Schutzhaltung und mit geschlossenen Augen wahr. Er hörte Koray erst keuchen, dann lachen, bevor er ihre Schritte vernahm.

Eine Hand packte seine Schulter. »Lebst du noch, mein heldenhaft dämlicher Haudegen?«

»Ein bisschen«, gab er zurück und hob vorsichtig den Kopf.

»Ancand hat … aufgeräumt. Hoffe, wir kriegen unsere Prämie trotzdem. Ich lauf nach unten und mach die Tür auf. Erhol dich ein wenig. Du siehst angesengt aus.«

»Fühle ich mich auch«, sagte Daraz und setzte sich behutsam – und mit Korays Hilfe – auf.

---ENDE DER LESEPROBE---