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Jona Dreyer

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Beschreibung

»Das Gefühl, eine solche Macht über dich ausüben zu können, ist überwältigend.« Der Mathematiklehrer Landon Kincaid führt ein beschauliches Leben in einer Kleinstadt in Ohio. Als er jedoch eines Abends in einem Amateur-Kinkvideo seinen ehemaligen Schüler Cody Barker erkennt, wird diese Idylle erschüttert. Landon beschließt, Cody, der eigentlich in L.A. Mathematik studieren sollte, ausfindig zu machen und entdeckt ihn in einem Sumpf aus Sucht und käuflichem Sex. Kaputt. Entmutigt. Spontan nimmt er ihn mit zurück nach Ohio, um ihm wieder auf die Beine zu helfen, doch Codys Gegenwart deckt auch Seiten in Landon auf, die er bisher unterdrückt hat. Sehnsüchte. Gewisse Vorlieben, die er eigentlich nie hatte ausleben wollen. Cody, der schon zu Schulzeiten für seinen Lehrer geschwärmt hat, ist bereit, sich ihm hinzugeben. Doch eine so anrüchige Affäre bleibt nie ohne Folgen ...

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Damaged

Gay Drama

© Urheberrecht 2022 Jona Dreyer

 

Impressum:

Tschök & Tschök GbR

Alexander-Lincke-Straße 2c

08412 Werdau

 

Text: Jona Dreyer

Coverdesign: Jona Dreyer

Coverbilder: depositphotos.com

Lektorat/Korrektorat: Kristina Arnold, Kelly Krause, Shannon O’Neall & Sandra Schmitt

 

Kurzbeschreibung:

»Das Gefühl, eine solche Macht über dich ausüben zu können, ist überwältigend.«

Der Mathematiklehrer Landon Kincaid führt ein beschauliches Leben in einer Kleinstadt in Ohio. Als er jedoch eines Abends in einem Amateur-Kinkvideo seinen ehemaligen Schüler Cody Barker erkennt, wird diese Idylle erschüttert.

Landon beschließt, Cody, der eigentlich in L.A. Mathematik studieren sollte, ausfindig zu machen und entdeckt ihn in einem Sumpf aus Sucht und käuflichem Sex. Kaputt. Entmutigt. Spontan nimmt er ihn mit zurück nach Ohio, um ihm wieder auf die Beine zu helfen, doch Codys Gegenwart deckt auch Seiten in Landon auf, die er bisher unterdrückt hat. Sehnsüchte. Gewisse Vorlieben, die er eigentlich nie hatte ausleben wollen.

Cody, der schon zu Schulzeiten für seinen Lehrer geschwärmt hat, ist bereit, sich ihm hinzugeben.

Doch eine so anrüchige Affäre bleibt nie ohne Folgen ...

Über die Autorin

»Fantasie ist wie ein Buffet. Man muss sich nicht entscheiden – man kann von allem nehmen, was einem schmeckt.«

Getreu diesem Motto ist Jona Dreyer in vielen Bereichen von Drama über Fantasy bis Humor zu Hause. Alle ihre Geschichten haben jedoch eine Gemeinsamkeit: Die Hauptfiguren sind schwul, bi, pan oder trans. Das macht sie zu einer der vielseitigsten Autorinnen des queeren Genres.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wer nachtragend ist, gibt der Zukunft keine Chance.

(Andreas Marti)

VORWORT

Hurt/Comfort gehört wohl zu meinen Lieblingsthemen. Dabei zuzusehen, wie ein Mensch, der ganz unten ist, sich Stück für Stück ins Leben zurückkämpft, hat etwas Tröstliches und Motivierendes an sich.

Die bedauerliche Realität ist aber auch, dass manche Menschen nicht wollen, dass jemand wieder auf die Beine kommt. Weil er es, ihrer Meinung nach, nicht verdient hat. Neben einem geringen Selbstwertgefühl sind diese Leute wohl die größte Schwierigkeit, die es zu überwinden gilt.

 

Vielleicht war mir die Geschichte von Cody und Landon deshalb so wichtig – manchmal gibt es kein richtiges Danach, sondern nur ein Damit. Getreu dem Motto: Wenn das Leben dir Zitronen gibt, mach Limonade daraus. Oder frag nach Salz und Tequila.

 

Ich wünsche euch viel Spaß bei der Lektüre.

Prolog

Landon freute sich jedes Jahr wieder, wenn zur Schulabschlussfeier das Wetter mitspielte. So wie heute, wo die Sonne von einem wolkenlosen Himmel auf die mit Absolventenkappen bedeckten Köpfe der Graduierten herabschien.

Die Abschlussfeiern waren stets die Momente, in denen Landon seinen Beruf ganz besonders liebte. Er hatte schon immer Lehrer werden wollen. Es war sein Traum gewesen, anderen Wissen zu vermitteln, sie für den Lernstoff zu begeistern. Oft war es nicht leicht, denn nicht jeder Schüler war dankbar für diese Chance oder überhaupt daran interessiert. Aber es gab auch noch die anderen. Die, die den Stoff in sich aufsogen, die mehr und mehr entdecken wollten und denen es beim Lernen nicht nur um gute Noten ging, sondern um echtes Interesse, echten Hunger nach Wissen. Für diese Schüler lebte Landon. Einer davon war Cody Barker, der gerade auf ihn zuhielt.

»Mr. Kincaid!« Seine Augen leuchteten, die Wangen waren gerötet.

»Cody! Herzlichen Glückwunsch zum Abschluss. Und was für ein Abschluss! Du kannst wirklich stolz auf dich sein.«

»Danke!« Die Wangen wurden noch roter. Eine braune Locke ringelte sich vorwitzig in seine Stirn. »Ich wollte Ihnen unbedingt noch erzählen, dass ich in der UCLA für den Studiengang in Mathematik angenommen wurde. Mit einem Stipendium!«

»Wirklich? Das sind ja großartige Neuigkeiten!« Landons Herz klopfte. Es war wirklich ein Geschenk, junge Leute auf ihrem Weg ins Erwachsensein begleiten zu dürfen und manchmal sogar den Beginn einer großen Karriere mit anzusehen.

»Ich freu mich auch unglaublich! Schließlich ist das eine der renommiertesten Universitäten des Landes. Ich kann manchmal noch gar nicht glauben, dass ich es tatsächlich geschafft habe!«

»Aber du hast es verdient. Wenn sie jemanden mit einer solchen mathematischen Begabung wie deiner nicht angenommen hätten, dann wären sie ziemlich dumm dort drüben in Los Angeles.«

Cody strahlte von einem Ohr zum anderen. »Ich hatte den besten Lehrer.«

»Ach«, Landon winkte ab, obwohl ihm das Lob viel bedeutete, »nur nicht zu viele Lorbeeren für mich. Ich kann nur fördern, was da ist. Und bei dir ist da jede Menge. Du wirst einen großartigen Weg einschlagen und ich freue mich, dass ich dich in den letzten Jahren als Lehrer auf dem Weg zu deinem Abschluss begleiten durfte. Ich bin schon sehr gespannt, was man in Zukunft noch so alles von dir hören wird. Vielleicht verschlägt es dich ja hin und wieder mal nach Hause?«

»In den Ferien werde ich sicher nach Ohio kommen«, versprach Cody. »Ansonsten werden meine Eltern wohl schon im Minutentakt dafür sorgen, dass ganz Holsworthy erfährt, was ich gerade so mache. Wenigstens ein gelungener Sohn, bla, bla. Mein armer Bruder, der steht dann immer wie ein Trottel da, weil er nicht so gut in der Schule war und immer noch zu Hause wohnt. Sie haben sogar dem Müllmann erzählt, was für ein guter Schüler ich bin und dass ich zum Studieren nach Los Angeles gehe.«

Landon lachte und knuffte Cody in die Schultern. Er würde den Jungen vermissen, seinen Wissensdurst, seine Liebe zur höheren Mathematik, theoretisch wie angewandt. Einen solchen Schüler gab es nicht in jedem Jahrgang. »Wer kann’s ihnen verdenken. Ich wünsche dir alles erdenklich Gute, Cody. Du machst dein Ding.«

»Danke, Mr. Kincaid«, wiederholte Cody noch einmal. »Danke für alles.«

Kapitel 1

5 Jahre später

 

Landon betrat sein Haus und schaltete das Licht an. Feierabend. Wochenende. Er hatte keine Arbeiten zu korrigieren und nur wenig für die kommende Unterrichtswoche vorzubereiten. Das bedeutete: entspannen, Zeit für sich haben, einfach ausruhen.

Wie immer läutete er sein Wochenende mit einer Essensbestellung beim örtlichen China-Imbiss ein. Chow Mein mit Tofu und frittierte Banane zum Nachtisch. Dazu eine eisgekühlte Coke, eine schöne Dokusendung im Fernsehen und die Welt war in Ordnung.

Während er auf das Essen wartete, nahm er eine Dusche und schlüpfte in bequeme Kleidung. Noch eine kleine Runde ging er durch den Garten, zupfte hier und da Verblühtes aus seinen herbstlichen Pflanzen und kehrte schließlich in sein Haus zurück, als er den Lieferdienst vorfahren hörte.

Als Begleitprogramm für sein Essen entschied sich Landon für eine Dokumentation zur Erdgeschichte. Er fand das Thema unheimlich faszinierend, vor allem die großen Massenaussterben. Den meisten war nur die Sache mit dem Meteoriten und den Dinosauriern bekannt, aber es hatte noch vier weitere, teilweise noch viel katastrophalere Massensterben auf der Erde gegeben. Doch nach jeder Beinahe-Vernichtung hatte die Natur sich berappelt und ganz neue Lebensformen hervorgebracht. Sollte es die Menschheit also nicht schaffen, den Klimawandel und seine Folgen abzubremsen, war das zumindest ein Trost: Der Planet als solcher war nicht in Gefahr. Er würde noch Milliarden von Jahren weiter existieren und die Natur würde sich den Umständen anpassen, neue Arten hervorbringen, neue Zeitalter einläuten. Notfalls eben ohne die Menschheit. Natürlich wäre es schade um all die Errungenschaften, die sich der Mensch seit Beginn seiner Existenz erkämpft hatte, um die vielen Leben, die im Namen der Wissenschaft und des Fortschritts hingegeben wurden. Aber vielleicht war das auch einfach der Lauf der Dinge, den man hinnehmen musste. Nichts Lebendiges war für die irdische Ewigkeit gemacht.

Seine drei Kater schienen diese Dokumentationen genauso zu mögen wie er, denn sobald Dinosaurier auf dem Bildschirm auftauchten, saßen sie wie gebannt vor dem Fernseher. Ping-Pong, der dusseligste der Kater, versuchte, einen Flugsaurier zu fangen, und brachte dabei fast den Bildschirm zum Absturz.

Nach dem Essen schweiften Landons Gedanken jedoch in eine andere Richtung. In eine weniger intellektuelle und viel mehr von gewissen Bedürfnissen geleitete. Er klappte seinen Laptop auf dem Wohnzimmertisch auf und grinste in sich hinein wie ein Kind, das gerade dabei war, etwas Verbotenes zu tun. Er war stets ein wenig aufgeregt, wenn er eine Pornoseite aufrief, obwohl er ein erwachsener Mann war und es wohl nur sehr wenige Männer gab, die sich keine Pornofilme ansahen. Aber das hier war sein kleines, schmutziges Geheimnis. Nicht, dass er sich selbst befriedigte, sondern die Art von Filmen, die er sich dabei ansah.

Er überlegte, wonach ihm heute der Sinn stand und kam doch auf die eine Sache, die ihn immer wieder erregte und faszinierte.

Gay amateur edging.

Diverse Videos ploppten auf und Landon scrollte durch die Vorschaubilder. Sein Schwanz regte sich bereits. Er bevorzugte Amateurpornos gegenüber denen aus professionellen Studios; sie erschienen ihm authentischer und der Gedanke, dass es sich im Prinzip um Männer von nebenan handeln könnte, ließ es in ihm kribbeln.

Er wählte eins der Videos aus, das ihm besonders vielversprechend erschien, zog seine Hose aus und machte es sich auf der Couch gemütlich. Gleitgel und die Taschentuchbox standen bereit. Der perfekte Einstand ins Wochenende.

Ein gefesselter, junger Mann erschien auf dem Bildschirm, die Augen verbunden. Der andere Akteur, ein älterer Kerl, begann den Schwanz des jungen Mannes zu reiben und schließlich zu lutschen. Landon stieß ein wohliges, kleines Stöhnen aus und nahm seinen harten Schaft in die Hand, rieb sich im gleichen Rhythmus, wie der Kerl im Porno den Schwanz des jungen Mannes.

Die Eichel erschien in Großaufnahme, feucht glänzend, rot. Der junge Kerl würde bald kommen – theoretisch. Praktisch würde man es ihm verweigern. Und genau das war es, was Landon so erregte: Zuzusehen, wie jemand an den Rand des Höhepunkts getrieben wurde und man ihm genau diesen dann verweigerte. Immer wieder. Bis er bettelte und jammerte, weil er es nicht mehr aushielt.

Ein wohliges Kribbeln breitete sich in Landons Unterleib aus, als der Kerl im Film von dem jungen Mann abließ. Dessen ganzer Körper zitterte, wollte Erlösung finden, aber bekam sie nicht. Er stieß ein jammerndes Stöhnen aus. Der andere Kerl, den Landon mit seinem lichten Haar, dem Bierbauch und dem irgendwie schmierigen Äußeren leider wirklich sehr unattraktiv fand, löste die Fesseln des Jüngeren und nahm ihm die Augenbinde ab. Der schien ein wenig erschrocken, seine Gliedmaßen versteiften sich merklich in einem Anflug von Abwehr. Offenbar hatte man ihm vorher nicht gezeigt, wer sein Gespiele sein würde.

Jetzt fühlte sich Landon ein wenig schlecht, weil er sich diesen Film ansah. Der Junge tat ihm irgendwie leid, aber er selbst war zu erregt, um jetzt noch abzubrechen. Der fette, alte Kerl spielte in Landons Kopf nur eine Nebenrolle, seine Fantasien konzentrierten sich ganz und gar auf den jungen Mann, der kommen wollte, aber nicht durfte. Er war sehr hübsch und seit er die Augenbinde nicht mehr trug, hatte sein Gesicht etwas Vertrautes an sich. Fast, als wären sie sich schon einmal begegnet. Er erinnerte ihn an jemanden.

Der Alte nahm wieder den Schwanz des Jungen in den Mund. Der Junge schloss die Augen, ließ es sich gefallen, und sein Atem verriet, dass er es offenbar schaffte, die Enttäuschung über seinen Bettpartner auszusperren und sich ganz auf das Gefühl zwischen seinen Beinen zu konzentrieren. Landon rieb sich schneller. Oh, das war gut.

Cody Barker.

Er hielt inne. Genau, der war es, an den der junge Mann ihn so stark erinnerte. Er sah irgendwie aus wie Cody Barker, sein ehemaliger Schüler. Der spielte allerdings nicht in Pornofilmen mit, sondern studierte Mathematik in Los Angeles. Jedenfalls war das Landons letzter Stand, er hatte schon lange nichts mehr von Cody oder seinen Eltern gehört. Verrückt.

Zum Glück kann keiner in meinen Kopf schauen. Wenn die Leute wüssten, dass ich mir gerade einen ehemaligen Schüler in einen Porno fantasiere, die würden mich nie wieder in die Nähe ihrer Kinder lassen ...

Der Junge ging auf die Knie und der Alte begann, ihn zu ficken. Landon würde nicht mehr lange brauchen, sich selbst den Orgasmus nicht verweigern, sondern sich an die Stelle des Alten denken, der diesen hübschen Kerl haben durfte und obendrein bestimmte, ob und wann dieser kommen durfte oder nicht. In der Realität hatte Landon natürlich noch nie eine solche Rolle übernommen und daran würde sich voraussichtlich auch nichts ändern. Aber seine Fantasie war sein Rückzugsort, den ihm keiner nehmen konnte.

Die Kamera zoomte näher an den jungen Mann, zeigte sein angestrengtes, gerötetes Gesicht. Er sah Cody wirklich ähnlich. Als das Bild wieder etwas herauszoomte, entdeckte Landon ein herzförmiges Muttermal in seinem Genick.

»Warte.« Er pausierte das Video und ließ seinen Schwanz los. »Warte, das ...«

Er vergrößerte das Bild und erstarrte. Seine Kehle wurde mit einem Mal staubtrocken. Cody Barker hatte ein solches Muttermal im Nacken gehabt, Landon erinnerte sich noch gut daran. Es war manchmal unter seinem Kragen hervorgeblitzt, wenn er sich konzentriert über seine Arbeit gebeugt hatte.

Konnte das Zufall sein? Konnte ein junger Mann, der Cody frappierend ähnelte und im gleichen Alter sein müsste, auch noch das gleiche Muttermal haben? Aber warum um alles in der Welt sollte sein mathematisch hochbegabter, ehemaliger Schüler in Amateurpornos mitspielen? Das sah ihm überhaupt nicht ähnlich! Es gab auch gar keinen Grund, warum er so etwas tun sollte. Seine Eltern waren wohlhabend und er hatte aufgrund seiner Begabung zudem ein Stipendium für seinen Studiengang bekommen.

Und doch, je länger Landon dieses Gesicht anstarrte, desto mehr erkannte er Cody darin. Die braunen Augen mit dem grünlichen Schimmer, die schmale Nase, die geschwungenen Lippen und das goldbraune Haar, das sich über seinen Ohren und im Nacken ringelte.

Landon drückte auf Play und der junge Mann, nein, Cody wurde weiter von dem Alten gefickt. Immer noch fassungslos verfolgte Landon den Film, während seine Hand, als hätte sie ein perverses Eigenleben, weiter seinen Schwanz rieb. Cody keuchte, der Alte zog sich aus ihm zurück und die Kamera zoomte nahe an die Dehnung, die er hinterlassen hatte.

Wie hatte es so weit kommen können? Oder hatte Cody einfach Spaß daran, solche Filme zu drehen, und verdiente sich damit in seiner Freizeit etwas dazu? Das war kein ungefährliches Spielchen, denn wenn jemand, der vielleicht einmal entscheidende Weichen für Codys Karriere stellte, von diesem Film erfuhr, konnte ihm dieser alles verderben. Landon hatte ihn ja auch entdeckt und das sogar nur durch Zufall.

Solche Zufälle gibt es doch gar nicht. Das ist bestimmt nicht Cody. Ich bilde mir das nur ein. Ich glaube, das Muttermal hatte doch eine leicht andere Form.

Tief im Inneren wusste er, dass er sich gerade selbst belog. Welcher Zufall war größer? Dass er ausgerechnet seinen ehemaligen Schüler in einem Schwulenporno wiedererkannte, oder dass ein Wildfremder Cody zum Verwechseln ähnlichsah, inklusive Muttermal? Er musste es sein. Und Landon würde dem nachgehen. Aber zuerst würde er beenden, was er angefangen hatte.

Es brauchte nur eine erschreckend kurze Zeit, bis er kam. Und danach fühlte er sich elend. Als hätte er sich an einem Schüler vergangen, dabei war Cody längst erwachsen und ging nicht mehr zur Schule.

Landon stieß einen langen Atemzug aus und strich sich das Haar aus der Stirn. Er schwitzte, sein Herz pochte und seine Gedanken fuhren Achterbahn. Was sollte er jetzt tun? War es überhaupt an ihm, etwas zu tun? Cody war volljährig und unterstand schon lange nicht mehr seiner Verantwortung. Er konnte seine eigenen Lebensentscheidungen treffen, mit denen Landon nicht unbedingt einverstanden sein musste. Dennoch hatte er ein seltsames Bauchgefühl dabei. Irgendetwas hieran war nicht richtig.

Seufzend speicherte Landon das Video in seinen Favoriten, klappte den Laptop zu und säuberte sich. Ein Jammer, dass er Codys Eltern so gut wie nie traf, sonst hätte er sie einmal ganz beiläufig gefragt, wie es Cody ging und was er so machte. Aber wahrscheinlich wussten sie gar nichts von seinen Pornodrehs. Landon konnte sich jedenfalls nicht vorstellen, dass irgendjemand so etwas freiwillig seinen Eltern erzählen würde, besonders in einem so konservativen Ort wie Holsworthy. Letztendlich würde er es wohl auf sich beruhen lassen müssen, auch wenn es schwerfiel. Er war eben nicht der Einzige auf der Welt, der seine Geheimnisse hatte. Bei Weitem nicht.

KAPITEL 2

Landon fand kaum Schlaf, denn natürlich ging ihm die Tatsache, einen seiner ehemaligen Schüler in einem billigen Porno wiedererkannt zu haben, nicht aus dem Kopf. Er wollte am liebsten sofort wissen, wie es dazu gekommen war. Aber da er keinen Kontakt zu Cody hatte, war das natürlich nicht möglich.

Stattdessen suchte er nach seinem Namen in den Social Media. Vielleicht hatte er dort Profile? Nicht, dass Landon ihn anschreiben würde, aber womöglich ließ sich dort durch stilles Stalken schon etwas herausfinden. Tatsächlich fand er Cody auf Instagram, aber seine Euphorie verflog, als er bemerkte, dass das letzte Posting, ein Landschaftsbild, schon vier Jahre alt war. Hier ließ sich nichts Verwertbares finden.

Erneut rief er die Pornoseite und das Video auf, suchte nach Informationen über die Darstellernamen, aber wie bei Amateurpornos üblich, gab es dazu keine. Landon scrollte noch einmal durch das Video, um sicherzugehen, dass er sich das alles wirklich nicht eingebildet hatte, sein Schwanz regte sich schon wieder, aber er ignorierte ihn. Cody Barker. Das war er. Der Junge war ihm zu sehr im Gedächtnis geblieben, als dass er jemand anderen für ihn halten könnte.

Unter dem Video wurden ihm noch weitere, ähnliche Filme vorgeschlagen und in einem Thumbnail entdeckte er abermals Cody. Landon klickte das Video an. Es war wieder ein Edging-Film, diesmal waren es gleich zwei schmierige Kerle, die Cody befummelten. Landon sah sich den Porno an, gab seiner Erregung nicht nach, sondern behielt die Hände bei sich. Cody wirkte nicht glücklich, sondern angespannt. Und zwar nicht, weil man ihm den Orgasmus verweigerte, sondern weil er den Eindruck machte, sich gar nicht an diesem Ort befinden zu wollen. Landon erkannte es an seinen Augen. An der leisen Verzweiflung darin, an dem glasigen Abschweifen des Blickes. So schaute ein Mensch, der sich aus einer Situation wegdachte.

Leider gab es wieder keine weiteren Informationen zu den Darstellern, dabei hatte Landon das Gefühl, mit Codys Porno-Pseudonym mehr herausfinden zu können, als mit seinem richtigen Namen. Er fand weitere Videos, aber nach wie vor keine verwertbaren Informationen. Schließlich kam ihm die Idee, in der Kommentarsektion unter einem der Videos nachzufragen, ob jemand etwas Näheres über den Darsteller wusste. Konnte ja sein.

›Hi zusammen, weiß jemand, wie der süße Twink heißt?‹

Er kam sich immer albern vor, wenn er sich einer solchen Sprache bediente, und klappte seufzend den Laptop zu. Für den Rest des Sonntags nahm er sich vor, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen, sah sich noch ein paar Naturdokus an, klappte am Nachmittag aber doch wieder den Laptop auf, um nachzusehen, ob ihm eventuell jemand geantwortet hatte. Und tatsächlich:

›Das müsste Darren Ryder sein, wenn mich nicht alles täuscht.‹

Landon gab diesen Namen sofort in die Suchmaschine ein. Er fand noch mehr Pornos sowie eine Art Setcard auf der Seite eines eher unbekannten Pornofilmstudios. Es war eigenartig, sich Nacktfotos eines ehemaligen Schülers anzusehen, und es fühlte sich falsch an. Aber erst gestern Abend hatte sich Landon zu einem Film, in dem Cody mitspielte, einen runtergeholt, also machte das nun den Kohl auch nicht mehr fett.

Das Filmstudio befand sich in Los Angeles, also war davon auszugehen, dass Cody noch immer dort wohnte, zumal erst in diesem Jahr der erste und bisher einzige Film mit ihm in Zusammenarbeit mit diesem Studio erschienen war. Vermutlich ahnten seine Eltern gar nicht, was er dort drüben trieb und vielleicht war das auch besser so. Oder? Was, wenn er Hilfe brauchte, aber sich an niemanden wenden konnte, weil alle zu weit weg wohnten? Weil er sich schämte und nicht traute, die Wahrheit zu sagen? Das war alles andere als eine schöne Vorstellung.

Aber ich muss aufhören, mich da hineinzusteigern. Ich bin nicht sein Vater oder Bruder oder sonst irgendein Mensch, der ihm nahesteht und etwas tun könnte.

Er würde Wege finden müssen, sich innerlich von dieser ganzen Sache zu distanzieren. Als Erstes sollte er wohl diesen Porno aus seinen Favoriten löschen. Aber manche Dinge waren leichter gesagt, als getan.

Der Duft von Kaffee zog durch das Lehrerzimmer. Es war der typische Geruch eines Vormittags, wenn sich Landon und seine Kollegen hierher zurückzogen, um Pause zu machen, miteinander zu schwatzen und so den täglichen Wahnsinn des Schulalltags auszuhalten.

»Was macht ihr eigentlich so an Thanksgiving?«, fragte Darla, eine seiner Kolleginnen.

»Nichts!«, gab Willard zurück, Sportlehrer und heimlicher Mädchenschwarm der Schule. »Ich mache einfach mal absolut nichts und genieße die zwei Wochen Freizeit.«

Die anderen stimmten ihm zu.

»Und du, Landon?«, hakte Darla nach. »Hast du was vor? Familienbesuch?«

»Nein.« Landon schüttelte den Kopf. »Ich denke, ich bleibe wie üblich zu Hause.«

Darla seufzte. »Du wolltest doch mal in den Urlaub fahren. Schon vergessen?«

»Ich weiß.« Landon zog die Schultern hoch. »Aber ich kann mich irgendwie nicht aufraffen.«

»Solltest du aber. Jetzt mal im Ernst: Es ist nicht gut, dass du in so einer ewigen Lethargie verharrst, seit Brenda tot ist. Das klingt jetzt hart, ich weiß. Aber es ist die Wahrheit.«

»Ach, das ist es nicht.«

»Was dann?«

»Keine Ahnung«, gab er zu. »Der Gedanke, allein irgendwohin zu fahren, erscheint mir nicht so sehr verlockend, auch wenn ich durchaus mal Lust auf einen Tapetenwechsel hätte.«

»Ich bin andauernd alleine verreist, bevor ich meine Frau kennengelernt habe«, erklärte Brian, ein anderer Kollege. »Glaub mir, das macht auf seine ganz eigene Art Spaß. Man kann machen, was man will, und muss auf niemanden Rücksicht nehmen.«

»Wohin würdest du denn gern mal wollen, Landon?«, hakte Darla nach.

»Los Angeles«, entfuhr es Landon spontan und er erschrak, aber dann fiel ihm ein, dass hier niemand von seiner Entdeckung wusste und von seinen geheimen Gedanken dazu.

»Ja, dann mach das doch einfach mal!«, rief Darla und klopfte sich auf die kräftigen Schenkel. »Einen Flug nach L.A. zu buchen, ist ja nun wirklich keine Schwierigkeit. Und dann lässt du’s dir dort mal so richtig gut gehen! Dort hast du noch Sommer und Sonne, während wir uns hier schon langsam um drohenden Schnee sorgen müssen.«

»Ja!«, stimmte Willard zu. »Sie hat recht. Du hast beschissene Jahre hinter dir, da ist es nötig, dass du dir mal eine richtig gute Auszeit gönnst.«

»Mir geht es gut«, beschwichtigte Landon, aber in seinem Kopf arbeitete es. Wenn er nach L.A. fliegen würde, dann nicht, um dort zu entspannen, sondern um jemanden zu suchen. Um Cody Barker zu suchen. Was er nicht sollte, denn eigentlich wäre das kein gesundes Verhalten.

Aber wenn er doch in Schwierigkeiten steckt und Hilfe braucht? Wenn es ein Wink des Schicksals war, dass ich ihn in diesem Film entdeckt habe?

Die Sorge ließ Landon einfach nicht los. Cody war so ein begabter, motivierter Schüler gewesen. Nie hatte er auffälliges Verhalten gezeigt, war weder zu laut noch zu still. Es sah ihm einfach nicht ähnlich, sich von irgendwelchen alten Typen betatschen und dabei filmen zu lassen. Schließlich war er klug genug, um zu wissen, dass so etwas seine Karriere ruinieren könnte, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Was, wenn ihn jemand zwang oder erpresste? Landon war Vertrauenslehrer und sein Instinkt sprang hier an, auch wenn Cody längst nicht mehr sein Schüler war.

Später zu Hause suchte er nach Flügen nach Los Angeles, aber immer wieder überkamen ihn Zweifel. Vielleicht sollte er einfach erst mal eine Mail an das Studio schreiben, mit der Bitte, diese an Cody weiterzuleiten? Aber was sollte er dort hineinschreiben?

Hallo, hier ist Mr. Kincaid, dein ehemaliger Mathelehrer, und ich wollte nur mal fragen, warum du jetzt Pornos drehst.

Darauf würde Cody wohl kaum antworten, wenn man eine solche Mail überhaupt an ihn weiterleitete. Und wenn er doch antwortete, garantierte Landon niemand, dass er nicht log. Dass es überhaupt er selbst war, der die Antwort schrieb. Nein, wenn, dann musste er sich persönlich davon überzeugen. Dann musste Cody ihm in die Augen sehen und ihm sagen, dass er das alles freiwillig machte.

Er ist dir keine Rechenschaft schuldig. Jetzt hör auf, dich da hineinzusteigern. Du kannst unmöglich nach Los Angeles fliegen und diese Millionenstadt nach Cody absuchen.

»Und wenn doch?«

Er sagte es laut, es war eine Herausforderung an ihn selbst, an sein Gewissen. Wenn Cody keine Hilfe brauchte, konnte er die Sache auf sich beruhen lassen. Aber wenn Landon seinen einstigen Schüler in einer Notlage vorfand, würde er es nicht bereuen, sich auf die Suche nach ihm gemacht zu haben. Es war eine Art Pascal’sche Wette. Und Cody war wie Schrödingers Katze. Solange Landon die Kiste nicht öffnete, würde er die Wahrheit nicht kennen.

Bis zum Beginn der Thanksgivingferien war es noch etwas mehr als eine Woche hin, genug Zeit, um das Für und Wider abzuwägen, aber eigentlich hatte sich Landon im Inneren schon entschieden. Er würde den Trip wagen. Wahrscheinlich würde er Cody sowieso nicht finden, aber dann konnte er sich wenigstens sagen, dass er es versucht hatte. Einen anderen Weg gab es schließlich nicht; er konnte niemanden aus Codys Umfeld auf diese Sache ansprechen, ohne damit den Jungen und auch sich selbst zu verraten.

Er buchte die Tickets. Sie waren bis vierundzwanzig Stunden vor Reiseantritt kostenlos stornierbar, also ging er kein großes Risiko ein. Und er hatte eine Ausrede, um nicht zur Thanksgivingfeier seiner Familie nach Iowa zu kommen, wo sowieso nur wieder Brendas Tod thematisiert würde. Er ertrug es kaum, weil es ihm stets das Gefühl gab, dass er mit seinem Leben nicht weitermachen durfte, dass alles nur noch aus Erinnerungen an bessere Zeiten bestand. Landon war einundvierzig Jahre alt und damit zu jung, um nur noch hinter sich zu blicken.

Los Angeles.

Ja, Darla und die anderen hatten völlig recht. Er sollte das einfach machen. Selbst wenn er Cody nicht fand, wenn sich dieses Rätsel niemals lösen würde, wurde es Zeit, dass er mal für ein paar Tage aus Holsworthy, Bethesda und Umgebung herauskam und etwas nur für sich tat. Brenda hätte es so gewollt, denn sie hatte ihm immer seine Freiheiten gegönnt, so wie er ihr. Jetzt musste er nur noch seine Nachbarin fragen, ob sie für ein paar Tage seine Katzen fütterte.

Er klappte den Laptop zu, schob ihn beiseite und nahm sein Mobiltelefon zur Hand, um sich beim China-Imbiss etwas zu essen zu bestellen, obwohl noch nicht Freitag war. Er bestellte kein Chow Mein, sondern knusprigen Seitan mit süßsaurer Soße, weil er das noch nie probiert hatte, obwohl er schon lange neugierig darauf war. Aber aus Angst, es könne ihm nicht schmecken, hatte er doch immer wieder Chow Mein bestellt. Es wurde Zeit, aus alten Mustern auszubrechen. Und dabei vielleicht sogar noch jemandem zu helfen, der in Not war.

KAPITEL 3

Landon erwachte aus seinem Dösen, als die Stewardess den bevorstehenden Landeanflug ankündigte. Verstohlen streckte er sich in seinem Sitz und versuchte dabei, nicht seinen Nachbarn zu berühren, einen Mann seines Alters, der auf seinem Smartphone herumspielte und Ohrstöpsel in den Ohren hatte.

Zu gern hätte Landon den Landeanflug beobachtet, aber er hatte keinen Fensterplatz bekommen, also musste er darauf verzichten und schweifte deshalb weiter in seiner Fantasie ab. Er hatte es tatsächlich getan, hatte den Flieger bestiegen und war nach Los Angeles geflogen. Natürlich bezweifelte er sehr stark, dass er Cody hier finden würde. In einer so gigantischen Stadt konnte man leicht abtauchen. Trotzdem gab ihm der Umstand, sich irgendwie in Codys Nähe zu befinden, das Gefühl, nicht ganz tatenlos zu sein. Irgendwie erreichbar.

Nach der Landung holte er seinen kleinen Koffer und machte sich dann mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf den Weg zu seiner Unterkunft. Viel lieber hätte er ein Taxi genommen, aber bei der erwarteten Fahrtzeit wäre das ein sehr teures Vergnügen geworden, vielleicht sogar teurer als der Flug. Dann lieber die Metro.

Landon hatte sich ein Hotelzimmer in der Nähe der angegebenen Adresse des Pornofilmstudios genommen, in der Hoffnung, von dort irgendwie einen Kontakt zu Cody herstellen zu können.

Eingeklemmt zwischen den anderen U-Bahn-Passagieren und mit seinem Koffer, fühlte er sich wie ein naiver Tourist und im Grunde war er genau das. Wenn er hier erzählen würde, dass er in dieser Stadt nach jemandem suchte, dessen Adresse er nicht kannte und dessen Name keine verwertbaren Suchergebnisse hergab, würde man ihn vermutlich auslachen. Und seine Kollegen zu Hause in Ohio glaubten, er wollte sich irgendwelche Filmstudios ansehen. Vielleicht würde er das auch tatsächlich tun, wenn er mit seiner Suche nicht weiterkam.

Im Hotel angekommen, legte sich Landon erst einmal aufs Bett. Fünf Stunden Flug, davor die Reise zum Flughafen und nun fast zwei Stunden unterwegs in L.A. sowie die Zeitverschiebung schlauchten. Außerdem war es hier im Vergleich zu Holsworthy wirklich noch sehr sommerlich warm und er hatte gerade eher das Bedürfnis, in den Hotelpool zu springen, statt nach jemandem zu suchen.

Gegen Abend wurde er dann aber doch unruhig und entschloss, loszugehen und zumindest schon einmal die Umgebung des Studios zu erkunden. Schließlich musste er wissen, was er zu erwarten hatte, ob er dort einfach hineinspazieren und nach Cody fragen konnte.

Er erreichte das Gebäude nach fünfzehn Minuten Fußweg. Eine Art Baracke in einer auffallend ruhigen Seitenstraße, deren Eingang nur über einen Hinterhof zu erreichen ist. Er fühlte Skrupel, diesen Ort tatsächlich zu betreten, schließlich war er hier allein unterwegs, die Stadt war groß und es gab Kriminelle, die ihn überfallen könnten. Zu welcher Tageszeit wurden wohl die Pornos in diesem Schuppen gedreht? Er stellte sich vor, dass sie verstohlen in den Abend- oder Nachtstunden gefilmt wurden.

Schließlich gab er sich einen Ruck und schlich in den Hinterhof, kam sich dabei wie ein Verbrecher vor, der einen Einbruch plante und dafür zunächst die Umgebung auskundschaftete.

»Hey! Was hast du hier zu suchen?«

Erschrocken fuhr Landon herum und sah sich einem vermutlich lateinamerikanischen, bulligen Kerl gegenüber. Wahrscheinlich ein Türsteher oder so etwas in der Art. »Hallo, ich äh ...« Was soll ich sagen? Dass ich mich in der Adresse geirrt habe?

»Kommst du zum Casting oder spionierst du hier rum?«

»Nein, ich will keine Pornos drehen, um Gottes willen ...« Landon hob die Hände und hatte jetzt schon das Gefühl, sich um Kopf und Kragen zu reden. »Ich meine das natürlich nicht despektierlich, aber für mich wäre das nichts ... Ich suche jemanden. Arbeitet hier ein Darren Ryder?«

Der Kerl verschränkte die keulenhaften Arme. »Was willst du von ihm? Bist du ein Stalker?«

»Nein. Himmel. Ich bin nur ein alter Bekannter. Ich bin gerade in Los Angeles und wollte bei der Gelegenheit mal schauen, wie es ihm so geht.«

»Zieh Leine.« Der Kerl zeigte auf den Hofausgang. »Und zwar plötzlich.«

»Sie denken, ich lüge, nicht wahr?« Landon räusperte sich. »Aber ich bin wirklich kein Stalker. Ich bin sein ehemaliger Mathematiklehrer.«

Der andere runzelte die Stirn. »Sag mal, willst du mich verarschen? Das lässt du besser sein.«

»Will ich nicht.« Landon ließ die Schultern hängen. Was für eine dumme Idee es gewesen war, hierherzukommen. »Ich wollte einfach nur sichergehen, dass es Cody ... ich meine, Darren, gut geht.«

Der Kerl wirkte immer noch skeptisch, aber die Erwähnung von Codys richtigem Vornamen schien Landon wohl doch ein wenig Glaubwürdigkeit zu verschaffen. »Warum sollte es ihm nicht gut gehen? Der ehemalige Mathelehrer kommt nach L.A., um zu schauen, wie es seinem ehemaligen Schüler geht. Das ist die schrägste Geschichte, die mir je ein Stalker aufgetischt hat.«

»Ich bin kein Stalker!«, fuhr Landon auf. »Wissen Sie – ja, das muss sich total schräg anhören, ich kann das nachvollziehen. Es ist nur schlicht so: Cody – Darren – war ein herausragender Schüler mit einer sehr überdurchschnittlichen Begabung in Mathematik und Naturwissenschaften. So einen Schüler vergisst man nicht. Er hatte ein Stipendium für die UCLA bekommen, um dort Mathematik zu studieren. Und plötzlich erfahre ich, dass er hier stattdessen Pornos dreht. Irgendwas stimmt da doch nicht.«

Der Türsteher zuckte mit den Schultern. »Man kann doch auch beides machen – Pornos drehen und studieren. So finanzieren sich manche sogar das Ganze. Du lebst einfach hinterm Mond, Mann.«

»Vielleicht, ja.« Landon schüttelte den Kopf. »Aber wie schon gesagt – er hatte ein Stipendium. Seine Eltern sind nicht arm, für alles war gesorgt. Sicherlich kann man Pornos drehen und studieren, aber nicht, wenn man später noch vorhat, in irgendeiner renommierten Institution eine Anstellung zu finden. Das Internet vergisst nie und kein Betrieb mit einem guten Ruf stellt jemanden ein, der Sex vor der Kamera hatte. Man muss ja schon aufpassen, was man bei Facebook oder Instagram postet, um nicht gekündigt zu werden. Und Cody ist klug genug, um das zu wissen. Deshalb denke ich, dass irgendetwas nicht stimmt. Dass irgendetwas schiefgegangen ist.«

»Läuft halt nicht immer alles schnurgerade im Leben«, gab der andere unbekümmert zurück, »auch nicht bei reichen, weißen, privilegierten Jungs.«

»Aber vielleicht braucht er Hilfe.«

»Er dreht Pornos, das ist nichts Illegales.«

»Nein. Aber ist es deswegen auch etwas Gutes? Etwas nicht Schlimmes? Ist es nicht eine zutiefst missbräuchliche Industrie?«

»Was laberst du da?«

»Überlegen Sie doch mal. Die Suizidrate unter Pornodarstellern, insbesondere schwulen, ist enorm hoch. Oft sind Drogen im Spiel, um diese Drehs überhaupt durchzuhalten. Ich will nicht leugnen, dass ich Pornos schaue, wir alle tun das wohl an irgendeinem Punkt in unserem Leben, aber ist es deswegen harmlos und akzeptabel?«

»Warum sollte es das nicht sein?« Der Türsteher runzelte erneut die Stirn. »Das sind Filme mit Erwachsenen, die das freiwillig machen.«

»Kann man da sicher sein?«, fragte Landon bedeutsam. »Wenn Sie sich einen Film ansehen – wie können Sie hundertprozentig sicher sein, dass alle Darsteller freiwillig dabei sind? Dass keiner erpresst oder gezwungen wurde? Dass er sich nicht aus purer Not heraus verkauft, sondern, weil er Freude daran hat, solche Streifen zu drehen? Die Wahrheit ist doch: Wir scheißen auf Konsens. Entschuldigen Sie diese Formulierung, aber so ist es doch. Wir setzen diesen Konsens einfach für unser Gewissen voraus, weil wir uns gemütlich einen runterholen wollen, aber vielleicht schauen wir uns schlicht und ergreifend gerade eine Vergewaltigung vor laufender Kamera an. Nur, weil Geld fließt, bedeutet das nicht, dass ein echter Konsens da ist.«

»Süßer Jesus, jetzt hör schon auf, du Freak!« Der Kerl machte eine verzweifelte Geste in Richtung Himmel. »Wegen dir kann ich mir jetzt nie wieder einen Porno ansehen, ohne mich wie ein Verbrecher zu fühlen. Danke für nichts!«

»Ich schaue ja auch Pornos. Aber ich denke auch über die Dinge nach, die ich tue, und bin ehrlich zu mir selbst. Und versuche, mich zu bessern, auch wenn es nicht immer gelingt.«

»Hör mal, Kumpel.« Der Kerl legte Landon seine Pranke auf die Schulter und schob ihn in Richtung Hofausgang. »Wenn Darren morgen Abend herkommt, dann werd ich ihm sagen, dass sein Mathelehrer hier war. Wie heißt du noch mal?«

»Landon. Landon Kincaid.«

»Ich werd ihm sagen, dass Landon Kincaid hier war und schauen, wie er reagiert. Und ob ich dir irgendwelche Kontaktdaten geben darf. Wenn du allerdings doch nur ein irrer Stalker oder einer dieser christlichen Missionare bist, dann lässt du dich besser nie wieder hier blicken, sonst erschieß ich dich und lass deine Leiche verschwinden. Glaub mir, ich hab kein Problem damit. Vor allem nicht nach deinem moralinsauren Vortrag hier.«

Landon glaubte ihm aufs Wort und nickte dankbar. Seine Gedanken schweiften allerdings schon zu einem neuen Plan, denn der Kerl hatte wohl eher unbewusst ein wichtiges Detail verraten: Cody kam morgen Abend hierher. Mit etwas Glück konnte Landon ihn abfangen und das Gespräch suchen. Sicher würde Cody ihn erkennen; er hatte sich in den letzten fünf Jahren nicht großartig verändert, es waren nur ein paar mehr graue Haare hinzugekommen.

Mit diesem Wissen machte er sich auf den Weg zurück ins Hotel. Eine erste Spur war gefunden und die Möglichkeit, Cody tatsächlich in dieser Millionenstadt aufzuspüren, war sehr viel wahrscheinlicher geworden. Der Rest würde sich finden oder auch nicht. Auf jeden Fall hatte Landon es versucht. Für diesen Abend hatte er sich aber erst einmal eine Abkühlung im Hotelpool verdient.

KAPITEL 4

Am nächsten Tag vertrieb sich Landon die Zeit mit Sightseeing. Er sah keinen Sinn darin, ansonsten nur im Hotel zu hocken und auf den Abend zu warten; außerdem musste er ja ein paar glaubwürdige Erlebnisse mit nach Hause bringen, um sie seinen Kollegen zu erzählen.

Gegen fünf Uhr am Nachmittag machte er sich jedoch auf den Rückweg. Er wollte sich einen Beobachtungsplatz suchen, von dem er gute Sicht auf den Hofeingang des Pornostudios hatte, aber nicht gleich von dem Türsteher gesehen wurde. Denn im Laufe des Tages war ihm auch der Gedanke gekommen, es könnte sich um eine Falle handeln – der Kerl hatte vielleicht absichtlich nebenbei fallen lassen, dass Cody heute Abend herkam, damit Landon zurückkehrte und er ihn, vielleicht sogar mit Verstärkung, tätlich angreifen konnte. Er musste vorsichtig sein.

Gegenüber des Studios gab es ein paar Wohnhäuser. Diese sahen nicht allzu einladend aus, aber eines hatte hinter einer großen, verdorrten Magnolie neben der Treppe einen idealen Platz, um sich zu verstecken und zu beobachten. Zumindest, solange kein Hausbewohner auf ihn aufmerksam wurde.

Da sich Landon auf eine längere Wartezeit einstellte – der Begriff Abend war schließlich ziemlich dehnbar –, hatte er sich ein Sandwich mitgebracht. Doch kaum, dass er davon abbeißen wollte, tauchte Cody auf. Einfach so. Er schlenderte in den Hofeingang, einen Rucksack auf dem Rücken. Landon erkannte ihn sofort. Cody hatte so eine bestimmte, leicht schlurfende Art, zu gehen, und die hatte er offenbar bis heute beibehalten.

Landon packte das Sandwich wieder weg. Jetzt war er zu aufgeregt, um zu essen. Er hatte Cody gefunden! Jetzt musste er nur noch warten, bis der das Gebäude wieder verließ und ihn dann ansprechen. Wenn er sich traute.

Ich muss mich trauen! Jetzt bin ich einmal hier, jetzt ist er mir sogar direkt vor der Nase vorbeigelaufen.

Sein Herz klopfte, die Zeit zog sich wie Kaugummi und er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Tatsächlich dauerte es aber nur eine halbe Stunde, bis Cody wieder herauskam und das Gelände verließ. Offenbar war er heute nicht für einen Dreh hier gewesen, sondern aus irgendwelchen anderen Gründen.

Landon sah sich noch einmal um, ob auch wirklich niemand ihn beobachtete, und heftete sich so unauffällig wie möglich an Codys Fersen. Sie bewegten sich in Richtung U-Bahn-Station. Er durfte ihn dort auf keinen Fall aus den Augen verlieren, sonst wäre alles umsonst gewesen, aber gleichzeitig wollte er ihn auch nicht mitten in der überfüllten Metro ansprechen.

Im Gewimmel der Station verlor Landon Cody aus den Augen. Panisch sah er sich um, wurde geschubst und weggedrängt von Leuten, die vermutlich gerade Feierabend hatten und schnellstmöglich nach Hause wollten.

---ENDE DER LESEPROBE---