Mord in der Hacker-Szene - Ben Lehman - E-Book

Mord in der Hacker-Szene E-Book

Ben Lehman

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Beschreibung

Miriam Deinreich wird einen Tag vor ihrem Geburtstag tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Sie hinterlässt ihre 13-jährige Tochter Sunny, die bei Miriams Eltern wohnt, denn Miriam ist geschieden und berufstätig. Der Schuss, der sie umbrachte, muss aus nächster Nähe gefallen sein. Er saß perfekt. Mehr weiß das Team um Kommissar Wanninger nicht, als es mit seinen Ermittlungen beginnt. Miriam war Softwareexpertin in der Harras-Bank. Sie war dort eine angesehene Mitarbeiterin in einer Führungsposition. Sie entschied über die Software, die angeschafft oder extra entwickelt wurde. Keiner, der sie kannte, konnte irgendetwas Negatives über sie sagen. Miriam war immer absolut korrekt und ordentlich: die Perfektion in Person. Aus diesem Grund hatte sie sich auch von ihrem Mann Markus Deinreich scheiden lassen, als recht unschöne Dinge über ihn ans Tageslicht kamen. Je tiefer Wanningers Team in diesen Fall eindringt, desto verworrener wird er. Doch damit nicht genug, es gibt noch einen weiteren Toten und plötzlich geht es auch noch um Internetkriminalität. Aber hat diese auch etwas mit den Morden zu tun? Und wer ist der gut aussehende blonde Herr im roten Ferrari? Und was hat Dr. Mannheimer, Miriams Vorgesetzter, zu verschweigen?

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Inhaltsverzeichnis

1.

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50.

Ben Lehmans Krimis aus München:

Ben Lehmans Provinz-Krimis

Impressum:

Texte: © Copyright by Ben Lehman Umschlag: © Copyright by Ben Lehman Verlag: Ben Lehman

Von-der-Tann-Straße 12 82319 [email protected]

Mord in der Hacker-Szene

Zweiter München-Krimi

1.

Miriam starb am Freitag, dem dreizehnten August, nachts um 1 Uhr und 32 Minuten.

Es fiel nur ein einziger Schuss, dann sackte sie leblos zusammen. Das war’s!

Zwei Tage später, am Sonntag, dem fünfzehnten August, hätte sie ihren 40. Geburtstag gefeiert. Ihre Tochter Sunny war gerade mal 13 Jahre alt und wohnte bei ihren Großeltern.

2.

Einst war es die große Liebe. Miriam und Markus lernten sich an ihrem Arbeitsplatz während eines pompösen, jedoch vor der Öffentlichkeit verborgenen Sommerfests so richtig kennen. Ihr Arbeitgeber, die international bekannte und weltweit operierende Harras-Bank mit Hauptsitz in München, ließ sich solche Events, die zweimal im Jahr stattfanden, eine stattliche Menge der unbegrenzt verfügbaren Kohle kosten. Man wusste warum. Solche Veranstaltungen schweißen Mitarbeiter langfristig mit dem Arbeitgeber und auch untereinander zusammen.

Miriam war Informatikerin, außerordentlich begabt und kannte sich im internationalen Zahlungsverkehr bestens aus. Sie entschied, welche Software im Bankhaus angeschafft oder sogar entwickelt werden musste, um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können. Auf ihre Empfehlung vertraute man auch in allerhöchsten Kreisen, bis hin zum Vorstand.

Markus war auf seinen gefragten Job wahnsinnig stolz. Er war Investmentbanker und kannte sich an Börsenplätzen der ganzen Welt fast so gut aus wie in seiner Westentasche. Er kaufte und verkaufte ohne Limit für sein Bankhaus unzählige Aktien, Optionen, Derivate und vieles mehr und entwickelte sogar neue Anlageprodukte für die rapide steigende Zahl der finanziell gut bis sehr gut ausgestatteten Kunden. Solche Geschäfte brachten seinem Arbeitgeber, wenn sie denn gut liefen, in der Regel fantastische Renditen ein. Markus wurde von anlagegeilen Kollegen gerne mit einem Schulterklopfen begrüßt: „He Mark, wie geht’s? Haste mal ‘nen heißen Tipp für mich?“

Nicht selten flüsterte er zum Beispiel einen interessanten Aktientitel zurück, der gerade kurz vor einer Übernahme stand, dessen Unternehmen ein Aktiensplit vorbereitete oder ein voraussichtlich extrem renditestarkes Medikament zulassen wollte.

„Aber nicht rumposaunen, sonst ist die Luft schnell raus“, rief er noch hinterher, bevor der andere eilig die Kurve kratzte.

Miriam und Markus kannten sich natürlich vom Sehen her lange vor dem Fest. Aus Zeitgründen war es bis dahin leider immer bei einem flüchtigen Hallo geblieben. Beide waren attraktive junge Leute mit moderner Ausrichtung. Nach einigen Tänzen an jenem Sommerfest wechselten die Gespräche schnell vom allgemeinen geschäftlichen Blabla zu persönlichen, später mehr und mehr vertraulichen Themen. Die entscheidenden ersten Sekunden des gegenseitigen Beschnupperns verfehlten ihre Wirkung nicht. Die Tuchfühlung wurde enger und enger, der erste Kuss in einer etwas abgelegenen Ecke war noch prüfend, doch bald hatten sie nur noch Augen füreinander.

Nach wenigen Wochen beschlossen sie, es miteinander zu versuchen. Sie heirateten gerade mal drei Monate später. Es gab ein rauschendes Fest, bei dem zahlreiche Freunde sowie jede Menge netter Kolleginnen und Kollegen eingeladen waren. Zunächst wohnten sie beide noch in ihren eigenen kleinen Wohnungen.

Von den üppigen Provisionen, die Markus regelmäßig einsacken durfte, sowie Miriams stolzem Gehalt erwarben sie eine Wohnung in Münchens begehrtester Lage, in der Osterwaldstraße, mit direktem Blick in den Englischen Garten. Als sie einzogen, hing für sie der Himmel voller Geigen. Sie richteten ihre Wohnung sowohl modern, als auch feudal ein.

Die sechsundzwanzigjährige Miriam war nicht nur sehr intelligent, sondern auch eine korrekt und sorgfältig arbeitende Mitarbeiterin der Harras-Bank. Ihr Arbeitsstil war immer umsichtig und kontrolliert. Ihre Erscheinung war auch noch äußerst ansprechend. Sie war dunkelhaarig und trug eine moderne Kurzhaarfrisur, die immer perfekt saß. Das war für sie auch wichtig, da sie immer in Eile war und zu wenig Zeit hatte, um stundenlang vor einem Spiegel zu stehen. Auch aufgrund ihrer makellosen Züge, man könnte sagen goldener Schnitt, war sie ein echter Hingucker. Ältere Semester und junge Kollegen verdrehten regelmäßig ihren Kopf, wenn Miriam eiligen Schrittes, aber immer elegant, von einem Computerserver zum nächsten stöckelte.

Markus Deinreich war früher ebenfalls dunkelhaarig gewesen, leider verflüchtigte sich bereits in jungen Jahren seine Haarpracht immer mehr. Schließlich entschloss er sich zu einer radikalen Lösung und verabschiedete sich vom verbliebenen, schütteren Rest. Seitdem rasierte er regelmäßig nicht nur sein Gesicht, sondern auch die nachwachsenden Stellen des blanken Schädels. Zum Glück hatte er eine gefällige Kopfform. Wenn er im schwarzen Anzug, die Krawatte leicht auf Halbmast, an einem seiner Börsenrechner arbeitete, sah er mit seiner totalen Glatze wirklich ansehnlich aus. Manche Kollegin hatte mehr als ein Auge auf ihn geworfen. Seine überraschende Vermählung mit Miriam Meierhoff war für einige der Damen deswegen eine herbe Enttäuschung.

Wenn in Kollegenkreisen über M und M gesprochen wurde, wusste jeder, dass Miriam und Markus gemeint waren. Sie waren wegen ihres Wesens, ihrer bekannten Hilfsbereitschaft in geschäftlichen Notfällen und aufgrund ihres immer tadellosen Auftretens überall beliebt und gerne gesehen … und sie arbeiteten sich gerade in der Harras-Bank in einer steilen Karriere nach oben.

Nach der Hochzeit meldete sich bald Nachwuchs an, leider eine Zwangsunterbrechung, doch nur kurz. Das Kind, ein Mädchen, kam im Jahr darauf zur Welt. Sie nannten es, da beide global tätig waren, Malena, und riefen sie Sunny, ihr Sonnenschein. Das Kind war von Anfang an ihr ein und alles. Auch Markus nahm sich einige Monate Elternzeit, bis er vom zuständigen Vorstand, Dr. Mannheimer, dringend gebeten wurde, möglichst umgehend an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren, natürlich unter Übernahme aller Kosten durch die Bank für eine Nanni, gerne auch zwei. Also tauchte Markus wieder an seinem hektischen Arbeitsplatz auf, zog sein vornehmes schwarzes Jackett aus, krempelte die Ärmel hoch und kaufte und verkaufte wieder im Namen der Harras-Bank, was das Zeug hielt.

Nach sieben Jahren Ehe änderte sich einiges. Auch die Liebe hatte sich leicht abgekühlt. Miriam wunderte sich seit einiger Zeit, wieso Markus deutlich öfter als früher in London präsent sein musste. Als er eines Abends zu Hause noch schnell in die Dusche sprang, ließ er ungeschickterweise – ungeschickt wegen seiner ganz persönlichen Geheimnisse – sein Mobile auf dem Küchentisch liegen. Kaum hörte Miriam, wie die Tür zum Badezimmer einrastete, griff sie blitzschnell nach dem Telefon und schaffte es, die aktuellen Mails aufzurufen, bevor die automatische Sperre wirksam wurde. Und siehe da, der Grund vieler London-Aufenthalte hieß Carol. Die eindeutigen Mails erklärten alles.

Es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung, mit klaren, unmissverständlichen Worten.

„Wie geht‘s eigentlich Carol?“, begann Miriam anfangs eher beiläufig.

„Ääähm, wie meinst du das?“

„Musst dich nicht verstellen, mein Lieber. Ich hab zufällig deine glühenden Mails gelesen.“

Markus knurrte böse: „Tja, dann weißt du ja alles. Dachte nicht, dass du so indiskret sein kannst.“

„Wer? Ich?“

Er schwieg, doch seine Augen verengten sich zu Schlitzen.

Der nachfolgende heftige Streit endete mit dem Versprechen, dass Markus das Verhältnis zu Carol umgehend beenden würde.

Miriam sagte zuletzt: „Damit du dich darauf einstellen kannst. Beim nächsten Mal werde ich ohne eine weitere Szene zum Anwalt gehen.“

Leider kam es viel schlimmer. Markus musste angeblich weiterhin regelmäßig nach London reisen. Auch Miriam hatte weltweite persönliche Kontakte. Über solche geheime Drähte erfuhr sie von seinen wiederholten Treffen mit Carol in einem Londoner Luxushotel. Noch bevor sie den entscheidenden Schritt tat, bemerkte sie an ihrem Arbeitsplatz während des testweisen Einsatzes einer neuen Prüfsoftware geradezu Unglaubliches. Als Markus am nächsten Abend wieder zu Hause war, fragte sie ihn direkt und ohne Umschweife: „Kann es sein, dass du unerlaubt zockst?“

Sie kannte ihn gut genug und bemerkte, wie er leicht errötete, das geschah selten genug. „Wie meinst du das?“

„Genauso, wie ich es gefragt habe! Verzockst du heimlich das Geld unseres Arbeitgebers? Immerhin darfst du nicht auf Nahrungsmitteltermingeschäfte wetten!“

„Du bist ja verrückt! Lass mich mit diesen idiotischen Vorwürfen in Ruhe.“

„Ich werde dran bleiben, Markus!“

Wenige Tage später war es leider Gewissheit. Markus wurde zum Finanzvorstand Dr. Mannheimer gerufen. Nach wenigen Minuten kam er wieder heraus und war fristlos gekündigt. Der Schaden für die Harras-Bank belief sich auf etwa eine Milliarde Euro. Das musste natürlich geheim bleiben, um die Finanzmärkte nicht zu beunruhigen. Unter strenger Beobachtung eines Sicherheitsbeauftragten musste Markus auf der Stelle seine privaten Sachen zusammenpacken und wurde zum Ausgang begleitet. Damit war die hoffnungsvolle Karriere des Markus Deinreich beendet.

„Du hast unsere Ehe ruiniert und auch noch deine Karriere verspielt“, sagte Miriam am Abend mit versteinerter Miene, „ich werde für meine mit aller Kraft kämpfen. Bitte verschwinde umgehend aus unserer Wohnung.“

Am nächsten Tag reichte Miriam die Scheidung ein.

Markus verließ daraufhin, zuerst beleidigt, doch dann voller Scham die gemeinsame Wohnung und zog in ein Hotel. Später verlor sich für Miriam seine Spur.

Miriam dachte lange nach, wie sie ihr weiteres Leben als alleinerziehende Mutter bewältigen könnte. Schließlich beschloss sie, Sunny bei ihren Eltern in Pasing unterzubringen, um sich weiterhin mit vollem Einsatz ihrer Arbeit widmen zu können und ihren gehobenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Mutter war von Anfang an begeistert, der Vater fürs erste skeptisch, später liebte er die süße Sunny sehr. Von da an gehörten Miriams Wochenenden meistens ihrer Tochter ganz allein.

Nicht nur manchen Kollegen, auch Finanzvorstand Dr. Jörg Mannheimer gefiel Miriam ausnehmend gut. Nachdem er ihren Ehemann Markus wegen Betrugs gefeuert hatte, erfuhr er über die Personalabteilung, dass Miriam die Scheidung eingereicht hatte. Aus Mitleid, so beruhigte er sich, lud er Miriam eines Tages zum Abendessen in ein nobles Münchner Restaurant ein. Miriam konnte nicht ablehnen, als intelligente Frau ahnte sie natürlich den Braten, aber es handelte sich schließlich um einen der höchsten Bosse der Harras-Bank. Tatsächlich wurde es jedoch ein äußerst angenehmer Abend. Dr. Mannheimer war nett, witzig, amüsant und besonders aufmerksam. Er schlug eine Wiederholung ihres Treffens vor. Miriam konnte sein Werben wiederum nicht ablehnen.

Nach mehreren gemeinsamen Abendessen schaffte es Dr. Mannheimer eines Abends, Miriam in ihrer Wohnung zu besuchen, einen riesigen Blumenstrauß in der einen, eine Flasche edelsten Champagners in der anderen Hand. Kurze Zeit später hatte er sein Ziel erreicht: Miriam war seine Freundin geworden! Sunny fand er süß, wenn sie denn mal anwesend war.

Miriam besprach ihre schwierige Situation oft mit ihrer besten Freundin, Sandra Hofbauer.

„Ich weiß nicht, was ich tun soll, Sandra. Natürlich ist er nett, aber viel zu alt für mich.“

Sandra verstand die Sorgen: „Du könntest doch eure Treffen nach und nach auslaufen lassen. Irgendwann begreift er bestimmt, dass du vor ihm deine Ruhe haben willst.“

„Hab ich schon versucht.“ Sie schüttelte den Kopf. „Du kennst doch Mannheimer, wenn der was will, setzt er es immer durch.“

„Und wenn du mit ihm offen redest? Oder wenn du ihm erklärst, dass du einen neuen Freund hast?“

„Leider geht das auch nicht. Hab ich schon mal angedeutet. Kannst du dir das vorstellen, dass ihm das völlig egal wäre? Er meint, dann müssten wir eben etwas sorgfältiger planen. Oder, falls der neue Freund mich eifersüchtig beobachte, könnten wir einfach unsere Nächte irgendwo in einem Hotel verbringen.“

„Also so was! Der hat aber wirklich keine Hemmungen!“

„Ich hab auch Angst. Wenn ich ihn fallen lassen, bin ich meinen Job los. Du weißt, wie sehr ich den liebe. Er könnte mich auch immer noch wegen Markus‘ Betrug vor den Kadi ziehen, du weißt schon, Markus und ich hatten keine Gütertrennung vereinbart. Tut er wahrscheinlich nicht, aber wer weiß schon, was in einem verletzten Gehirn so alles entstehen kann. Nein wirklich, Sandra.“

„Oh Gott, du bist wirklich nicht zu beneinden.“

Nach langem Gedankenaustausch beschloss Miriam, die weitere Entwicklung erst einmal auf sich zukommen zu lassen. Irgendwann würde sie vielleicht einen neuen Partner finden, oder auch nicht, in jedem Fall würde sie später weiter sehen. Bis dahin war Dr. Mannheimer, also Jörg, eine wertvolle private, wie auch berufliche Stütze. Was Miriam unangenehme Sorgen bereitete, war die Tatsache, dass Jörg seit vielen Jahren verheiratet war und zwei Kinder hatte, bereits im Erwachsenenalter.

„Wenn die Kinder das rauskriegen“, meinte Sandra.

„Schlimmer ist es, wenn seine Frau davon erfährt. Ich schäm mich heute schon so sehr.“

„Aber dann wäre das Verhältnis wenigstens schnell beendet“, überlegte Sandra.

„Ich weiß mehr als du, Sandra. Mannheimer hat immer Freundinnen gehabt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass seine Frau das nicht längst ahnt …“

„… oder weiß und sich damit abgefunden hat.“

„Ja, auch möglich.“

3.

Bei der Mordkommission München in der Ettstraße, Abteilung K3, hatte es inzwischen einige Beförderungen gegeben. Hauptkommissar Sepp Wanninger war aufgrund besonderer Ermittlungserfolge Leitender Hauptkommissar, seine Assistenten und Mitarbeiter, die Inspektoren Lena Paulsen, Thomas Huber und Florian Moser, waren zu Oberkommissaren befördert worden.

Kurz, nachdem die Meldung eingegangen war, sausten sie mit Blaulicht los. Als Wanninger, Lena und Thomas in der feudalen Wohnung in der Osterwaldstraße eintrafen, waren die Spurensicherung, der Rechtsmediziner Dr. Heinrich Jablonka sowie einige seiner Mitarbeiter, die jeden Millimeter peinlichst untersuchten, bereits seit einiger Zeit tätig.

„Hallo Doc“, wunderte sich Wanninger, „ihr seid schon hier?“

Jablonka grinste: „Ja, wie du siehst. Wir sind eben von der schnellen Truppe.“

„So eilig haben wir es bei Mord nie. Aber schön, wenn ihr immer sofort aufkreuzt“, alberte Wanninger, „da können wir es gemütlicher angehen lassen.“

Dr. Jablonka wurde ernst: „Wir sind eben außergewöhnlich pflichtbewusst. Wir können nicht anders. Nützt zwar nichts, denn eine Leiche bleibt eine Leiche, egal wie schnell du am Tatort eintriffst. Nächstes Mal lass ich besser euch den Vortritt, mein lieber Sepp“, bemerkte er. „Die Zentrale hatte uns aufgefordert, sofort hierher zu kommen und unser übliches Werkzeug mitzubringen. Trotzdem mussten wir mindestens zwanzig Minuten warten, bis die angeforderten Spezialisten mit ihrem Dietricharsenal eintrudelten. Sie hatten dann trotzdem ihre liebe Not, die Tür zu öffnen. Es handelt sich hier um ein einbruchsicheres Spezialschloss. Wer hat euch eigentlich über den Mord informiert?“

Wanninger zuckte die Schultern: „Den Mord habt ihr festgestellt. Doch es wundert mich schon, dass ihr vor uns die Info erhalten habt. Zu uns wurde der Anruf einer Frau durchgestellt. Sie erklärte uns, dass sie diese … äääh“, er zog einen Zettel aus der Tasche, „Miriam Deinreich letzte Nacht nicht erreichen konnte, obwohl sie es immer wieder versucht hatte. Sie sei ihre beste Freundin und müsse angeblich ganz dringend etwas mit ihr besprechen. Auch Miriams Mutter hätte keine Ahnung, wo sie ist. Und da sie auch heute Morgen nicht am Arbeitsplatz erschienen ist, war sie total aufgelöst. Wir konnten sie kaum beruhigen, doch jetzt ...“

„Na ja, das könnt ihr ja in aller Ruhe nachholen“, grinste Jablonka. „Ist aber interessant, dass sie Frau Deinreich seit letzter Nacht nicht erreichen konnte. Deckt sich nämlich mit meiner vorsichtigen Schätzung, dass sie ungefähr seit Mitternacht tot sein muss.“

„War dieser eine Schuss tödlich?“, wollte Lena wissen.

„Ja, sieht so aus“, antwortete Dr. Jablonka. „Ich kann keine weitere Einschussstelle feststellen. Ihr müsst mir aber wenigstens bis morgen Zeit geben, ich beeile mich mit der Autopsie.“

„Also hat der Mörder sehr genau gezielt!“, sagte Lena.

„War doch ein Volltreffer aus nächster Nähe. Hatte wahrscheinlich nicht zum ersten Mal eine Pistole in der Hand.“

„Und? Die Tatwaffe?“, wollte Thomas wissen.

„Keine Ahnung“, Jablonka zuckte die Schultern, „hier ist sie jedenfalls nicht.“

„Gut, dann wollen wir mal loslegen“, nickte Wanninger seinen Mitarbeitern Lena und Thomas zu, während er sich die hauchdünnen Latexhandschuhe überstülpte.

Sie begannen systematisch jede Ecke und jeden Einrichtungsgegenstand zu untersuchen. Lena nahm sich den Kleiderschrank vor. „Was für eine ordentliche Frau“, murmelte sie nach wenigen Sekunden. „Da könnte ich mir ein Beispiel nehmen.“

„Ich hätte dich auch für ordentlich eingeschätzt“, grinste Thomas, der gerade die Türklinke mit einer Lupe überprüfte.

„Nicht mal halb so ordentlich“, reagierte Lena. „Schau dir das an. Wie mit einem Lineal ausgerichtet. Verheiratet scheint sie nicht zu sein, überhaupt keine Männerklamotten.“

Dr. Jablonka hatte mitgehört: „Am Türschild steht Miriam Deinreich. Ich frag mich, wie sich so eine relativ junge Frau diese sündhaft teure Wohnung leisten kann?“

„Nach Rotlicht sieht es hier nicht aus, oder Hobby“, bemerkte Thomas.

„Kann ich mir auch nicht vorstellen“, stimmte Dr. Jablonka zu. „Auf mich macht hier alles einen absolut ordentlichen und braven Eindruck.“

„Vielleicht arbeitet sie in einer hohen Position?“, überlegte Lena.

Thomas nickte zustimmend: „Ihre Freundin kann uns hoffentlich viel über sie erzählen.“

Inzwischen beschäftigte sich Wanninger mit dem kleinen Schreibtisch. Er hob den Inhalt des Ablagekorbs auf den Tisch und betrachtete jedes einzelne Blatt.

„Interessant“, er drehte sich zu seinen Kollegen um. „Seht mal her, was ich gefunden habe. Ein Foto von einem Mädchen, vielleicht 12 bis 13 Jahre alt.“

„Ja“, antwortete Thomas. „Sagte ich gerade. Ihre Freundin wird bestimmt verschiedenes aufklären.“

„Aha“, bemerkte Wanninger kurze Zeit später: „Eine ausgedruckte E-Mail …, Donnerwetter, der ist ganz schön verärgert.“

Lena und Thomas standen schon am Schreibtisch und reckten die Hälse.

„Hier“, Wanninger deutete auf das Schriftstück: „Miriam, du solltest dich wirklich schämen. Hast du deine eigenen Worte vergessen? Hätte ich von dir nicht gedacht. Pfui Teufel.“

„Kein Absender, keine Unterschrift. Vielleicht gesnipped und ausgedruckt“, sagte Thomas. „Wir nehmen den Computer mit, unsere Spezialisten werden den stinksauren Typen garantiert ermitteln.“

„Welchen Computer?“, fragte Wanninger, „ich sehe keinen.“

„Vielleicht in einem anderen Zimmer?“

„Hab schon nachgeschaut. Fehlanzeige!“

„Das wird unsere Arbeit nicht erleichtern“, murmelte Lena und schloss die Tür des Kleiderschranks. Anschließend verschwand sie im Bad und kam kurze Zeit später wieder heraus: „Da gibt es zwei Zahnbürsten und einen Rasierapparat. Sollte sich besser erst mal der Doc drum kümmern und auf Spuren untersuchen.“

„Wahrscheinlich ihr Freund“, vermutete Thomas, „war doch eine gut aussehende Frau. Ich schlage vor, sobald Doc Jablonka fertig ist, packen wir alles ein und besuchen die Freundin.“

Wanninger war einverstanden.

4.

Lena suchte die Telefonnummer von Sandra Hofbauer heraus, nach eigenen Angaben die beste Freundin der Ermordeten, und rief sie am Spätnachmittag an. „Grüß Gott, Frau Hofbauer. Hier Kriminalpolizei, Lena Paulsen“, meldete sie sich.

„Um Himmels Willen“, erschrak Frau Hofbauer, „wieso Kripo? Hoffentlich nichts Schlimmes mit Miriam.“

„Leider ja, Frau Hofbauer. Wir sollten uns treffen.“

„Was ist denn mit ihr?“ Sandra Hofbauer war entsetzt.

„Darüber würden wir gerne mit Ihnen persönlich sprechen. Sie ist leider tot.“

„Tot? Das kann nicht sein. Sie war doch bis gestern in Urlaub, da stirbt man doch nicht gleich.“

„Doch, leider ist es so. Wann können wir uns treffen?“

„Morgen? Vielleicht bei Ihnen?“

„Gerne, dann kommen Sie bitte morgen um 10 Uhr ins Polizeipräsidium in der Ettstraße. Fragen Sie beim Pförtner nach Lena Paulsen, ich werde Sie abholen. Auf Wiedersehen, Frau Hofbauer.“

Sie erschien am nächsten Tag pünktlich. Lena führte sie in das Besprechungszimmer, dort begrüßte sie auch ihr Kollege, Florian Moser: „Einen Kaffee, Frau Hofbauer?“

„Gerne“, nickte sie und nahm Platz.

„Also, wie gesagt, Frau Hofbauer, es tut uns schrecklich leid, Ihnen diese traurige Mitteilung machen zu müssen“, begann Lena.

„Ich kann es einfach nicht fassen.“ Sandra Hofbauer schüttelte immer wieder den Kopf. „Wer bringt denn so eine nette, so eine liebenswerte, so eine korrekte Frau um? Die hat doch niemandem irgendwas Böses getan.“

Florian stellte den Kaffee auf den Tisch: „Um den Täter zu finden, können Sie uns vielleicht wichtige Hinweise geben.“

„Schön wär‘s. So ein verdammtes Schwein“, fauchte Frau Hofbauer. „Doch ich fürchte, dass ich Ihnen überhaupt nicht weiterhelfen kann.“

„Sie sagten ‚so ein verdammtes Schwein‘? Denken Sie an einen Mann?“, hakte Florian nach.

„So einer ist doch ein Schwein, oder?“

„Haben Sie an eine bestimmte Person gedacht?“

Sie schüttelte traurig den Kopf: „Ich habe nicht die geringste Ahnung. Und jetzt ist sie tot.“

Lena legte ihre Hand auf Frau Hofbauers Hände, die sie auf dem Tisch zusammengepresst verkrampfte: „Natürlich. Aber wir müssen jetzt viele Kleinigkeiten zusammentragen. Als Erstes möchten wir uns ein Bild von Miriam Deinreich machen. Irgendwo müssen wir ja beginnen und Sie, als ihre beste Freundin, können ganz sicher wichtige Details beitragen. Zum Beispiel, warum sie allein in der Wohnung lebte. Sie war ja bereits über dreißig, da ist so eine attraktive Frau meistens verheiratet oder hat einen festen Freund.“

„Oh je“, schnaufte Frau Hofbauer. „Da stechen Sie in ein echtes Wespennest.“

Florian hob aufmerksam den Kopf: „Sehr interessant. Wir sind äußerst gespannt. Bitte erklären Sie uns das Wespennest.“

„Tja, wo soll ich anfangen?“

„Im Augenblick interessiert uns alles“, antwortete Lena. „Am besten, von Anfang an.“

„Ach“, jammerte sie, „was war das mal für ein tolles Paar. Miriam und Markus. Ein echtes Trauerspiel.“

Frau Hofbauer erzählte, wie sich Miriam und Markus kennen- und lieben gelernt hatten, wie sie wenige Monate später heirateten und ein Jahr später ein Kind bekamen. Wie Jahre danach Markus plötzlich in London eine heimliche Freundin hatte und Miriam mit der Scheidung gedroht hatte. Dass Markus das Verhältnis später weiterhin aufrecht erhielt und Miriam herausfand, dass Markus auch plötzlich geschäftlich keine Grenzen mehr kannte. Dass er viele Millionen der Bank verzockt hatte, bis alles aufflog.

„Das hat Sie Ihnen alles erzählt?“, wunderte sich Florian.

„Natürlich“, Frau Hofbauer zuckte die Schultern. „Natürlich hat sie mir alles erzählt. Wir haben immer wieder darüber gesprochen. Aber ich habe ja auch den ganzen Schlamassel selbst miterlebt. Miriam, Markus und ich waren damals Kollegen in der Harras-Bank. Ich arbeite da immer noch, auch Miriam war da bis gestern angestellt.“ Leise fügte sie hinzu: „Jetzt nicht mehr.“

Lena nickte verständnisvoll: „Ich kann Sie so gut verstehen, Frau Hofbauer. Doch ich meine, dass im Augenblick jede Kleinigkeit für unsere Ermittlungen wichtig sein kann. Bestimmt werden Sie uns viele Hinweise geben können, damit wir so schnell wie möglich den Täter ermitteln.“

„Ja, hoffentlich.“

„Aber Sie sprachen vorhin von einem Wespennest“, ließ Florian nicht locker. „Bis jetzt haben wir da noch nichts Besonderes gehört.“

Frau Hofbauer nickte: „Ja, bis jetzt. Aber hören Sie weiter. Natürlich hat die Bank schnell herausgefunden, wo die vielen Millionen geblieben sind. Daraufhin wurde Markus von einer Stunde zu nächsten gefeuert. Er durfte nur noch unter Aufsicht seine persönlichen Sachen zusammenpacken. Dann war er weg, auf Nimmerwiedersehen.“

„Wurde er zur Rechenschaft gezogen?“, wollte Florian wissen.

Sie schüttelte den Kopf: „Wie denn? Das Geld war sowieso futsch. Wenn so was Unglaubliches passiert, schweigen sich große Banken aus, damit die Presse keinen Wind davon bekommt.“

„Und dann?“, wollte Lena wissen.

„Tja. Miriam hat schrecklich gelitten, sie war immer die Korrektheit in Person“, erklärte Frau Hofbauer.

„Das habe ich sehr wohl gesehen“, bestätigte Lena. „In meinem ganzen Leben habe ich noch nie so einen ordentlichen Kleiderschrank gesehen.“

„Ja, so war sie. Und mit Markus‘ Verbrechen konnte Miriam absolut nicht weiterleben. Sie reichte unmittelbar danach die Scheidung ein und warf Markus aus der Wohnung.“

„Und das Kind?“, fragte Florian.

„Miriam musste doch Geld verdienen. Außerdem liebte sie ihren Beruf. Sunny, also die Tochter, durfte später zur Oma in Pasing ziehen. Dort lebt sie auch heute noch. Das Wochenende haben die beiden, ich glaube ohne Ausnahme, immer gemeinsam verbracht.“

„Und der Vater?“ Auch Florian war inzwischen gespannt auf Frau Hofbauers weitere Ausführungen.

„Der?“ Frau Hofbauer zuckte die Schultern. „Keine Ahnung, was aus dem geworden ist. Sie hatten anfangs noch manchmal Kontakt, doch der brach nach und nach ab. Sie hat, glaube ich, seit Jahren nichts mehr gehört von ihm, wollte mit ihm auch nichts mehr zu tun haben.“

Lena hatte sich weit vorgebeugt: „Gab es sonst noch irgendwas, ääääh, das nach Wespennest aussehen könnte?“

„Und ob“, lächelte Frau Hofbauer ein wenig gequält: „Wissen Sie, Miriam war eine besonders attraktive Frau. Und plötzlich alleinstehend. Wer wird da wohl schnell aufmerksam? Sie ahnen es vielleicht, einer aus der obersten Etage, und zwar der Finanzvorstand.“

„Au weh“, Florian rutschte auf seinem Stuhl hin und her, „jetzt wird es richtig spannend. Ich gehe bestimmt richtig in der Annahme, dass der verheiratet war.“

„Er ist immer noch verheiratet“, korrigierte sie. „Miriam hat sich lange gewehrt, konnte sich aber später nicht länger verweigern. So ein hoher Boss erreicht immer, was er sich einbildet. Er hat ihr oft versprochen, sich scheiden zu lassen. Das tun die doch alle. Aber was sollte sie machen? Sie war nicht nur eine schöne Frau, sondern auch eine kluge und hatte eine sehr wichtige Position in unserer Harras-Bank. Und nun stellen Sie sich vor, dass plötzlich der oberste Boss alles unternimmt, um ein Verhältnis anzufangen. Weigert sie sich, ist sie bald weg vom Fenster. Er müsste doch sonst Angst haben, dass er im eigenen Unternehmen lächerlich gemacht wird. Lässt sie sich jedoch darauf ein, kann sie nachts nicht mehr ruhig schlafen, Miriam wenigstens nicht. Das können Sie sich doch bestimmt vorstellen. Und genau so ging es der armen Miri.“

„Teufel auch“, schimpfte Lena, „es gibt Männer, die könntest du …!“

„Wusste die Frau dieses tollen Chefs von seinem Verhältnis mit Miriam?“, unterbrach Florian sie.

„Keine Ahnung. Vielleicht. Wahrscheinlich aber nicht. So ein großer Boss hat immer tausend Verpflichtungen, da kann er ein Verhältnis leicht verbergen.“

Lena sagte: „Gut. Das werden wir herausfinden. Wie wurde dieses Verhältnis beendet?“

„Beendet? Keine Spur! Nicht mit Dr. Mannheimer. Das ging immer weiter. Soviel ich weiß, hatten sie sich erst kürzlich wieder getroffen.“

„Aha“, nickte Florian. „Das heißt wahrscheinlich, dass Frau Deinreich außer ihm keine weiteren, ääähm, sagen wir mal, keine weiteren Freunde hatte?“

„Ich glaube doch, weiß es aber nicht sicher.“ Frau Hofbauer verzog die Mundwinkel. „Seit einiger Zeit gab es vermutlich jemanden. Sie hat nicht rausgerückt mit der Sprache, wer es ist, ich weiß nicht warum. So geheimnisvoll tat sie sonst nie, also, ich meine, mir gegenüber.“

„Wer könnte darüber Näheres wissen?“, wollte Lena wissen, „vielleicht ihre Mutter?“

Sie schüttelte den Kopf: „Glaube ich nicht.“

„Fällt Ihnen sonst noch irgendwas Wichtiges ein?“, wollte Lena wissen.

„Jaaaa“, zögerte sie. „Eines vielleicht. Die Sache mit ihrem letzten Urlaub. Das ist zwar nichts Besonderes. Aber in diesem Falle möglicherweise schon, weil sie ja jetzt tot ist.“ Sie zog die Stirn hoch. „Sie war zwei Wochen weg und keiner weiß, was sie in dieser Zeit unternommen hat. Ist das nicht merkwürdig? Verschwindet heimlich und tut so, als wäre es ein Staatsgeheimnis. Kein Wort hat sie zu mir gesagt, obwohl ich mehrmals gefragt hatte. Sie sagte zuletzt: ‚Sandra, bitte bohr nicht weiter. Ich erklär dir alles später‘. Und jetzt ist sie tot.“

Lena nickte nachdenklich: „Was könnte da geschehen sein? Wahrscheinlich hat sie in diesen zwei Wochen ihren Mörder getroffen.“

„Was könnte da bloß abgelaufen sein?“, überlegte Florian. „Da gibt es ein riesiges Geheimnis um einen Urlaub und auf einmal ist alles zu Ende.“ Er wandte sich Frau Hofbauer zu: „Auf jeden Fall haben wir von Ihnen wirklich sehr viel erfahren. Bitte geben Sie uns noch die Adresse ihrer Mutter in Pasing.“

Frau Hofbauer jammerte: „Oh Gott, oh Gott, das arme Kind. Sunny weiß es noch nicht.“

„Da sollten wir beide möglichst sofort hinfahren“, sagte Florian zu Lena.

„Frau Hofbauer“, Lena begleitete sie bereits zum Ausgang, „was wollten Sie denn Frau Deinreich mitten in der Nacht so Wichtiges erzählen?“

„Ach wissen Sie“, antwortete sie, „zwei Dinge. Zum einen musste ich sie dringend vorbereiten. Eine Kollegin von uns hat anscheinend irgendetwas über ihr Verhältnis zu Dr. Mannheimer rausgekriegt. Ich dachte, Miri sollte das unbedingt wissen, bevor sie am nächsten Tag zur Arbeit erscheint. Damit sie nicht in eine Falle tappt. Die Kollegin ist nämlich echt raffiniert.“

„Aha!“

„Und dann wegen ihrer Geburtstagsfeier. Morgen, Vierzigster.“

5.

Miriams Eltern bewohnten in Pasing, in der Bodenseestraße, ein kleines Einfamilienhaus. Als Kommissar Wanninger klingelte, öffnete ein Mädchen die Tür.

„Hallo“, grüßte Lena, „wir würden gerne Herrn oder Frau Meierhoff sprechen.“

„Wollen Sie was verkaufen?“, fragte das aufgeweckte Mädchen.

„Nein, äääh“, zögerte Lena, „wir kommen von der Polizei. Sind deine Eltern denn zu Hause?“

„Sind nicht meine Eltern. Oma ist da“, antwortete das Mädchen und rief zur Küche: „Oma, da ist jemand von der Polizei.“

Die kam blitzschnell um die Kurve gesaust. „Ist was mit Miriam?“

„Ja leider …“, antwortete Wanninger, „dürfen wir reinkommen?“

„Um Gottes willen!“, rief Frau Meierhoff und schlug die Hände vors Gesicht. Das Mädchen schrie: „Was ist denn mit Mama?“

Frau Meierhoff trocknete mit einem Papiertaschentuch die Tränen: „Bitte treten Sie näher. Hoffentlich nichts Schlimmes!“

Als Wanninger die traurige Botschaft übermittelt hatte, brachen beide, Frau Meierhoff und besonders das Mädchen, wieder in Tränen aus.“

Frau Meierhoff zog das Mädchen zu sich: „Arme Sunny!“

Wanninger und Lena schwiegen lange Zeit. Als Frau Meierhoff sich einigermaßen beruhigt hatte, wollte sie wissen: „Wie ist es denn passiert? Es gibt doch niemanden auf der ganzen Welt, der Miriam etwas antun könnte.“

„Das sagt ihre Freundin, Frau Hofbauer, auch“, erklärte Lena. „Trotzdem.“

„Ach ja, die Sandra“, schluchzte Frau Meierhoff. „Ist auch eine ganz liebe. Warum hat Miriam nur mit diesem Jörg was angefangen?“ Frau Meierhoff konnte sich kaum beruhigen. „Ich habe sie so oft gebeten, von dem die Finger zu lassen. Aber sie sagte immer: Mutter, ich weiß nicht, was ich tun soll. Mir bleibt doch gar nichts anderes übrig. Miriam war nicht so eine, die das einfach wegsteckt. Die war immer ganz korrekt …, und vorausschauend. Genau wie Sandra, deswegen sind …, ich meine deswegen waren sie so gute Freundinnen.“

„Mit diesem Jörg werden wir in den nächsten Tagen natürlich ebenfalls ausführlich reden“, versuchte Wanninger den erneuten Tränenstrom der beiden einzudämmen. „Wir hätten gerne noch gewusst, wo Ihre Tochter die letzten zwei Wochen war. Frau Hofbauer behauptet, keine Ahnung zu haben. Aber Sie können uns da bestimmt weiterhelfen.“

Frau Meierhoff schüttelte traurig den Kopf: „Wenn ich das nur wüsste. Miriam hat früher mir gegenüber nie Geheimnisse gehabt. Bis auf dieses eine Mal. Ich weiß nicht warum, wirklich nicht. Hätte sie doch bloß …“

„Könnte es mit diesem Jörg zusammenhängen?“, wollte Lena wissen.

„Vielleicht, aber ich habe nicht die geringste Ahnung“, sie schüttelte immer wieder den Kopf.

---ENDE DER LESEPROBE---