Das Gespenst vom Würmsee - Ben Lehman - E-Book

Das Gespenst vom Würmsee E-Book

Ben Lehman

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Beschreibung

Simon Wacker hat es nicht so mit der Schule. Er ist ein Einzelkind, die Mutter alleinerziehend, sie schenkt ihm Rambo, einen kleinen Kater. Doch was ist mit dem kleinen Stubentiger plötzlich los? Auf dem Hocker sitzt ein seltsames Irgendwas, das grün leuchtet und so eine Art eckige Füße und auch einen eckigen Kopf hat. Es spricht mit einer seltsamen Stimme, sein Name sei Prix. Simon will das seinen Freunden erzählen, Fehlanzeige, auch Leon, sein bester Freund, will nichts von Gespenstern wissen. Und da passiert es! Eine Meute kläffender schwarzer Hunde rennt auf sie zu. In letzter Sekunde wechseln die gemeinen Hunde die Richtung. Was waren das für scheußliche Bestien? Simon hat einen Verdacht! Es wird immer gruseliger. Keiner kann sich erklären, was da passiert, auch die Polizei ist ratlos. Ist Prix wirklich ein Freund? Wer ist Verursacher all der mysteriösen Fälle? Können die Freunde einem Gespenst trauen? Und was ist überhaupt der Unterschied zwischen einem Gespenst und einem Geist?

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Inhaltsverzeichnis

1. Aber hallo!

2. Eine wilde Meute

3. Eine verrückte Geschichte

4. Wichtige Entscheidung

5. Die Geheimgruppe

6. Außerirdisch – oder was?

7. Der geheime Plan

8. Ein schrecklicher Badespaß

9. Die Wasserleiche

10. Einstein, das neue Mitglied

11. Das Fest

12. Entführung – oder?

13. Überfall

14. Ein Abend wie Halloween

15. Dr. Kümmerlich

16. Guter Rat ist teuer

17. Überraschungen

Impressum:

Texte: © Copyright by Ben Lehman Umschlag: © Copyright by Ben Lehman Verlag: Ben Lehman

Waldstraße 32

82335 Berg [email protected]

1. Aber hallo!

Die 6. Klasse Gymnasium ist verdammt schwer. Besonders wenn Lernen nicht zu den bevorzugten Interessen eines Schülers gehört. Auf Simon Wacker traf diese Aussage absolut zu. Wenn er nur an Mathe dachte, wurde ihm bereits schlecht. Geometrie noch schlimmer. Von Latein ganz zu schweigen, wozu brauchte er das überhaupt? Da blieb nur eines übrig: mit ein wenig Bewegung seinen Frust ausgleichen. Denn Sport, besonders Wassersport, war Simons große Leidenschaft. Sobald er sich dem wunderschönen See auch nur näherte, fing er bereits in der Unterführung an zu grinsen. „Scheiß Mathe“, dachte er, das musste er ja nicht laut sagen. Seine Freunde und Schulkameraden wussten sowieso, wie mühsam sich Simon von einem Zeugnis zum nächsten weiterkämpfte, doch er war bei allen echt beliebt. Er war immer fröhlich und nett und hatte nicht selten ein paar lustige Sprüche auf Lager, über die oft höllisch gegackert wurde. Herrschte mal wieder trübselige Stimmung wegen eines Vormittags zum Abhaken, schaffte es Simon immer wieder, alle zum Lachen zu bringen, obwohl er mehr litt als die anderen Schüler. Sobald sich die Mienen gelichtet hatten, begann er manchmal seine oft merkwürdigen Erlebnisse zu erzählen. Wieso passierte nur ihm so etwas? Aber wer hört nicht gerne lustigen Blödsinn.

Simon war mittelgroß, von kräftiger Statur und hatte mittelblonde, kurz geschnittene Haare, höchstens zwei Finger breit. Seine Frisur erinnerte an eine Kleiderbürste. Er wohnte in der Von-der-Tann-Straße in einem netten Mietshaus mit schönem Garten, und zwar zur Straßenseite hin im Erdgeschoss.

Sein Weg zur Schule war nicht weit. Da er meist ziemlich flott ging, holte er morgens oft seine Mitschülerinnen Lena und Kimberly ein, bevor diese die Hahnfelder Straße überquerten. Sie wohnten ebenfalls in der Von-der-Tann-Straße, jedoch weiter hinten. Kimberly war stolz auf ihre aufregende Vergangenheit und erzählte gerne darüber. Sie war in Südafrika geboren, doch schon als kleines Kind zugezogen. Ihre Großeltern waren vor langer Zeit von den Niederlanden nach Südafrika ausgewandert und hatten dort eine Obstplantage aufgebaut. Die Eltern betreuten diese, bis der Umsturz im Lande sie zur Aufgabe und zum Verlassen des Landes zwang.

Die beiden Mädchen waren auch an diesem Morgen wieder früher als Simon vergnügt quatschend auf dem Weg zur Schule.

„Mann, seid ihr heute gut drauf“, begrüßte er die Mädchen, nachdem er sie eingeholt hatte.

Kimberly drehte sich grinsend um: „He, wen meinst du?“

„Wen wohl?“, feixte Simon.

„Du könntest mir endlich mal meine Tasche tragen“, schäkerte Kimberly, „weil du doch so stark bist und uns dauernd hinterherrennst. Wegen der Schule hast du es sicher nicht so eilig.“

„Doch, nur wegen der Schule“, nickte Simon eifrig, „je schneller ich dort bin, desto schneller bin ich wieder draußen.“

„Ist ja toll“, meinte Lena, „dann hoffe ich für dich, dass es heute kein Mathe-Ex gibt.“

„Ist mir egal“, antwortete Simon, „heute kann ich alles.“

„Aber hallo“, wunderte sich Kimberly, „wieso denn das?“

„Ich habe gestern wie verrückt gelernt, weil ich so aufgeregt war. Eigentlich musste ich.“

„Musstest du? Na ja, wer‘s glaubt“, lächelte Lena, „ich nicht. Erzähl uns lieber einen Schwank aus deiner Jugend.“

„Mach ich“, grinste Simon, „weil ich gestern nämlich was ganz Ungewöhnliches erlebt habe.“

„Ach ja?“, Kimberly hob die Augenbrauen, „was denn?“

„Los, erzähl, ich bin auch ganz Ohr!“, forderte auch Lena.

„Ich habe gestern ein Gespenst kennengelernt“, dabei verzog er keine Miene, „ein echt nettes Gespenst.“

„Ach, hör auf mit diesem Quatsch, Simon! Du brauchst nicht am frühen Morgen schon wieder so zu übertreiben“, reagierte Lena ärgerlich. „Komm Kimby, wir hören da nicht hin und reden weiter über unser Treffen heute Nachmittag.“

Kimberly dreht sich noch einmal kurz um und rief ungewöhnlich erregt: „Ich hasse Gespenster, damit du es weißt, Simon!“

Daraufhin packte Lena ihre Freundin am Arm und überquerte mit ihr die Hahnfelder Straße, weil die Ampel gerade auf Grün umgeschaltet hatte.

Simon war ein Einzelkind, das ist sowieso verdammt langweilig. Seine Mutter war alleinerziehend. Um den Lebensunterhalt decken zu können, arbeitete sie jeden Tag von morgens acht Uhr bis drei Uhr nachmittags im Supermarkt gegenüber dem Bahnhof an der Kasse. Die paar Stunden nach Schulschluss, bis die Mutter von ihrer Arbeit nach Hause kam, konnte Simon allein bleiben, immerhin war er bereits zwölf Jahre und wirklich alt genug. Wie sollte es auch anders gehen? Simons Vater hatte sich leider bereits vor Jahren aus dem Staub gemacht und war nie wiederaufgetaucht. Mutter und Sohn hatten es deshalb alles andere als leicht. Es gab eine Großtante Julie, die mit ihrem Mann, Onkel Max, in der Josef-Fischhaber-Straße in einem wunderschönen Haus wohnte. Manchmal, wenn die Mutter für ein paar Tage dringend irgendwohin musste, konnte Simon dort unterkommen. Sehr gerne ging er da nicht hin, aber seiner Mutter zuliebe widersetzte er sich nicht.

Damit Simon am Nachmittag, bis die Mutter nach Hause kam, nicht zu einsam herumhocken musste, hatte sie ihm ein schwarzes Katerchen, gerade mal ein paar Monate alt, geschenkt. Simon nannte den kleinen Tiger Rambo. Seiner Mutter gefiel dieser Name überhaupt nicht. Wenn Simon die Wohnungstür aufschloss, hob der kleine schwarze Kerl meistens verschlafen den Kopf und gähnte ausgiebig. Nachdem ihm Simon das Essen gegeben hatte, erwartete er, dass Simon mit ihm spielte. Simon ließ sich nie lange drängen, er liebte seinen Rambo.

Gestern war im Grunde genommen ein Tag wie jeder andere: Wohnungstür aufschließen, Schuhe ausziehen, Schultasche in die Ecke pfeffern, Dose mit Rambos Mittagessen öffnen, dann ein wenig spielen, bis Rambo übermütig wurde und vor lauter Begeisterung kratzte. Schließlich das Mathebuch mit Nachdruck auf den Tisch legen und dann erst einmal tief durchatmen. Er stützte den Kopf in den linken Handballen und überlegte, ob er sofort loslegen oder sich vorher noch mit einem Sprung in den See abkühlen sollte. Doch die Wolkendecke ließ nichts Gutes erahnen, wahrscheinlich war ein Regenschauer im Anmarsch. Deshalb brummte er vor sich hin: „Dann muss ich wohl!“

In diesem Augenblick ließ ihn ein Geräusch, das nicht in seine Wohnung gehörte, zusammenzucken. Rambo hob blitzartig den Kopf, legte die Ohren an und fauchte. Simon schoss herum. Er wollte es nicht glauben. Da saß irgendetwas auf dem Küchenhocker. Er schüttelte den Kopf, als wollte er eine Schliere aus dem Auge entfernen. Doch das nützte gar nichts. Auf dem Hocker saß ein Wesen, mit dem Simon überhaupt nichts anfangen konnte. Ein Mensch war es nicht, ein Tier auch nicht. Es hatte Hände, also eine Art Hände, sowie Füße, die in kleinen quadratischen Kübeln steckten und oben …? Tja, oben ist immer der Kopf, dann sollte es wohl der Kopf sein. Nun, rund war er nicht, eher eckig, jedoch ganz anders. Es gab ein paar Öffnungen, vielleicht zum Sehen und Hören, oder zu irgendeinem anderen Zweck. Der ganze kleine Körper steckte in einer Art metallenem Gehäuse. Doch das Besondere war die Farbe. Das ganze Wesen, wenn es denn eines war, strahlte in leuchtend grüner Farbe.

Sportlich wie er war, schoss Simon mit einem Satz hoch. Nur eine Zehntelsekunde und er hatte seinen Stuhl gepackt, die Stuhlbeine zur Abwehr gegen dieses Irgendetwas gerichtet. So stand er da, zum Äußersten bereit, und überlegte krampfhaft, was er tun sollte. Rambo hatte sich mit einem gewaltigen Satz unter die Kommode gerettet und starrte nun mit riesigen Augen hervor. Gewiss war ihm die Sache ebenfalls nicht geheuer.

„Brrrms. Was willst du denn mit dem Stuhl?“

„Ich glaub, ich spinn“, schoss es Simon durch den Kopf, „es kann richtig sprechen!“ Aber was für eine seltsame Stimme. Er spürte, wie Entsetzen seinen Rücken hochkroch. Was sollte er tun? Vielleicht sprang ihn dieses Etwas gleich an und verschlang ihn oder verzauberte ihn sogar. Nein, überlegte er! Dazu ist es zu klein. Aber wer weiß das schon?

Simon beschloss, dass es wahrscheinlich klüger war, diesem Wesen zu antworten, um Zeit zu gewinnen. Mutig, so kam es ihm wenigstens vor, rief er mit fester Stimme: „Wie kommst du hierher? Und was bist du überhaupt für einer?“ Da dieses Etwas sich jedoch nicht regte, forderte er: „Hau ab, du, sonst …!“

„Brrrms! Was sonst? Ich tu dir doch nichts.“ Wieder diese schreckliche Stimme!

„Ich will wissen, wie du hier reingekommen bist, sonst …, ich sag dir!“ Dabei bewegte Simon drohend die Stuhlbeine auf das Wesen zu, das aber völlig unbeeindruckt auf dem Hocker sitzen blieb.

Nun schüttelte es sogar den merkwürdigen Kopf, allerdings ziemlich langsam: „Reg dich bloß nicht auf, Simon.“

„Woher weißt du, wie ich heiß?“

„Weißt du doch auch, klack, klack, hi, hi.“ Ein widerliches Kichern kam aus einer der Öffnungen im Kopf.

„Schluss jetzt!“ Simon musste etwas unternehmen. „Sag, wie du hierhergekommen bist oder hau auf der Stelle ab!“

„Brrrms. Ich denk überhaupt nicht daran. Du willst wissen, wie ich hierhergekommen bin? Ganz einfach, ich komme überall hin, wenn ich das möchte, klack, klack.“

Einen Augenblick lang wusste Simon nicht weiter, wieso klackte das Ding fast nach jedem Satz? Daraufhin sagte er mit noch festerer Stimme: „Wenn du mich ausrauben willst, hier gibt es gar nichts zu holen. Verstanden! Wir sind nicht reich.“

„Brrrms! Ausrauben? Reich? Blödsinn! Ich brauche überhaupt nichts. Ich habe doch alles.“

„Dann sag endlich, was du von mir willst.“

„Ich will nichts. Vielleicht will ich dich kennenlernen. Aber wenn du so ekelhaft zu mir bist, ist es vielleicht besser, wenn ich wieder verschwinde, klack, klack.“

Nach diesen Worten stand Simon starr da, noch immer drohend den Stuhl in der Hand. Was sollte er jetzt tun? Das war doch bestimmt ein ganz gemeiner Trick. Vielleicht war das irgend so ein ferngesteuerter Roboter. Wer könnte ihm den geschickt haben? Ah! Vielleicht sein Freund Leon? Natürlich, Leon, wer sonst. Der kam oft, ebenso wie er selbst, auf ganz verrückte Ideen. Sein Vater war nämlich Entwickler in einem Unternehmen für computergesteuerte Roboter, die Autos bauen. Diese Dinger können alles Mögliche und sind richtige, fast selbstständig funktionierende Maschinen. Simon nickte zu sich selbst. Genau, Leon steckte dahinter. Wahrscheinlich stand er mit seinem Steuergerät draußen im Garten und lachte sich schon lange halb kaputt. Aber nicht mit ihm. Nicht mit Simon. So schlau war er schon lange. Mit einem Lächeln, das allerdings ein wenig verkrampft ausfiel, rief er deshalb zum offenen Fenster: „Okay, Leon. Eine super Vorstellung. Fast hätte ich es geglaubt. Komm rein und hol dir deine Figur wieder ab. Wir könnten damit die Mädchen super erschrecken.“

Das Ding ließ daraufhin ein seltsames Knarren hören: „Krrrrr. Leon? Wieso sagst du Leon zu mir?“

„Ja, ja“, lachte Simon. „Jetzt habe ich verstanden. Aber ich fall auf diesen Trick nicht rein, okay? Aber ich bin begeistert. Komm jetzt, Leon!“

„Leon heiße ich ganz bestimmt nicht, Simon, klack, klack.“ Die Stimme war nun merkwürdig verändert, eher ärgerlich. „Brrrms. Eigentlich habe ich gar keinen richtigen Vornamen. Aber du kannst mich, äääh …, meinetwegen Prix nennen. Ist mir gerade eingefallen. Dann musst du nicht immer he du zu mir sagen und schon lange nicht Leon, klack, klack.“

Simon drohte: „Du bleibst jetzt hier sitzen, verstanden, Prix oder Leon oder Brrrms und rührst dich nicht von der Stelle. Ich gehe zum Fenster und rufe meinen Freund.“

„Brrrms. Von mir aus. Vielleicht hörst du dann mit diesem Leon-Gestammel auf.“

Vorsichtshalber stellte Simon den Stuhl direkt vor jenen Hocker mit diesem merkwürdigen Grünen und flitzte zum Fenster. Er riss blitzschnell beide Flügel auf und beugte sich kurz über die Brüstung. Dann sofort wieder zurück, einen Blick zu dem seltsamen Wesen und wieder über die Brüstung gebeugt rief er: „Leon, komm endlich rein.“

Doch da war kein Leon. Nur Frau Wagner stand mit einem Korb voll Wäsche und verteilte diese gerade auf der Leine: „Wen suchst du denn, Simon? Leon ist nicht hier.“

Simon schoss zurück, packte sofort wieder den Stuhl und nahm dieselbe drohende Haltung ein: „Und was jetzt?“

Das Wesen knarrte: „Brrrms. Ganz in Ordnung bist du heute nicht, Simon.“

Simon wollte es nicht fassen: „Du kennst mich doch gar nicht.“

„Und ob ich dich kenne“, war die Antwort, „deshalb bin ich doch hier. Du bist so ein lustiges Haus, klack, klack.“

„Lustiges Haus?“

„Genauso ist es. Ich möchte dein Freund werden, klack, klack.“

„Duuuuu?“

„Klar, ich – oder siehst du hier noch jemanden?“

„Nur, weil ich ein lustiges Haus bin?“

„Auch, brrrms. Ich war mal genauso wie du, ganz genauso. Wir könnten Brüder sein, wenn nicht …“

„Wenn nicht was?“

„Erklär ich dir mal, wenn wir uns besser kennengelernt haben, klack, klack.“

Simon überlegte: „Wieso siehst du überhaupt so komisch aus?“

„Brrrms. Komisch ist gemein“, brummte der seltsame Prix. „Ich habe mich bemüht, ähnlich wie du auszusehen, damit du nicht gleich in Ohnmacht fällst, wenn ich zum ersten Mal auftauche.“

„Aussehen wie ich? Du bist wohl verrückt. Ich sehe ganz normal aus. Aber wie du aussiehst, das kann ja kein Mensch beschreiben!“

„Eben.“ Das Wesen versuchte eine Nickbewegung zustande zu bringen. „Ich bin ja auch kein Mensch, klack, klack. Aber ich habe mir riesig Mühe gegeben. Vielleicht ist es mir nicht so gut gelungen. Ich kann‘s eben nicht besser. Brrrms, entschuldige tausendmal.“

Simon hatte inzwischen den Stuhl abgesetzt. Sprachlos stand er da und kratzte sich nachdenklich am Kopf. Das tat er immer, wenn er ratlos war. Einen Überfall plante dieses Wesen offensichtlich nicht, aber was sonst? Kein Mensch? Mann oh Mann!

Schließlich meinte er nachdenklich: „Du behauptest, kein Mensch zu sein. Das sehe ich. Was bist du denn dann für einer? Sogar Rambo ist abgehauen und der hat selten Angst.“

„Ja, was werde ich denn sein? Siehst du doch. Bin ein Gespenst, klack, klack.“

Simon war fast erledigt. Er sackte auf seinen Stuhl und blies die Wangen auf: „Du bist waaas?“

„Rede ich so undeutlich?“

„Bitte, sag das noch einmal. Bei mir ist ‚Gespenst‘ angekommen.“

„Brrrms. Na also, muss ich es nicht wiederholen. Oder bist du so schwer von Begriff?“

Simon kratzte sich wieder am Kopf. „Also, äääh, das kann ich wirklich nicht glauben. Ich dachte immer …, nein …“ Sein Körper schüttelte sich fast vor Entsetzen: „Es gibt überhaupt keine Gespenster.“

„Waaas? Brrrms! Soll keine Gespenster geben? Du hast wirklich null Ahnung. Gibt Gespenster ohne Ende, wisst ihr nur nicht. Wir haben nämlich mit euch komischen Menschen nichts mehr am Hut, gar nichts.“

„Ach so. Deshalb bist du hierhergekommen? Lustig!“

„Brrrms. Na ja, du bist vielleicht eine Ausnahme, klack, klack. Im Augenblick ist es bei uns schrecklich langweilig. Meine Freunde sind gerade … keine Ahnung, wo die alle sind. Mein bester Freund ist das Gespenst von Andechs, auch das ist irgendwo. Ist wie verhext.“

Simon stutzte: „Gespenst von Andechs? Wieso hat der so einen seltsamen Namen?“

„Brrrms! Na, ihr habt doch auch seltsame Namen. Gespenst von Andechs ist doch nicht seltsam, kennst du Andechs nicht?“

„Und ob. Das Kloster kennt hier jeder.“

„Brrrms. Mein Name ist übrigens Gespenst vom Würmsee.“

Nach einer Überraschungssekunde antwortete Simon: „Dann kommst du bestimmt aus der Steinzeit. Den Würmsee gab‘s mal, ganz früher, so heißt der See schon ewig nicht mehr.“

Nun änderte sich die Farbe des grünen Prix, er wurde rosa, offensichtlich ein Zeichen von Verärgerung.“

„Brrrms, brrrms! Beleidigen lasse ich mich nicht, damit du es gleich weißt. Wie heißt denn der Bach an der Autobahnbrücke, der aus eurem See rausfliest, na, klack, klack?“

„Ja, ja, das ist die Würm, so heißt die schon immer.“

„Eben“, nickte das Gespenst noch immer aufgeregt. „Deswegen heiße ich Gespenst vom Würmsee und das ist nicht Steinzeit! Verstanden? Basta. Klack, klack.“

Simon stöhnte: „Von mir aus. Dann heißt du eben Gespenst vom Würmsee. Ist doch mir egal.“

„Brrrms.“ Prix wurde wieder leuchtend grün. „Dann haben wir das auch geklärt.“

„… und was machen wir jetzt?“, rätselte Simon.

„Ganz einfach. Ich hau wieder ab. Hab noch was zu erledigen. Du doch auch – oder nicht?“

„Meinst du Mathe?“

„Brrrms. Keine Ahnung! Überleg es dir, ob du mein Freund werden möchtest. Ich komm wieder vorbei.“

Damit rutschte das Wesen vom Hocker und wackelte zur Tür. Die öffnete sich wie von selbst, das grüne Wesen verschwand und die Tür knallte hinter ihm zu.

Simon hielt noch immer die Luft an. Unfassbar, was gerade geschehen war. Er saß noch einige Zeit reglos auf seinem Stuhl. Schließlich schüttelte er sich und drehte sich um. Rambo sprang auf den kleinen Schreibtisch und schnurrte.

„Rambo, was sagst du dazu?“

Er sagte natürlich nichts und stupste Simon an. Schließlich öffnete Simon mit einem Seufzer sein Mathebuch und versuchte seine Aufgaben zu lösen. „Ich muss jetzt, Rambo, leider.“

Zuerst verstand er nicht einmal die Aufgaben. Darüber ärgerte er sich gewaltig. „Mit Gespenstern rummachen und keine Ahnung von Mathe“, brummte er. Dann dachte er wieder nach: „Vielleicht werde ich gerade in diesem Augenblick verrückt? Dann muss ich mich nicht mehr mit Mathe herumärgern. Ein Gespenst!“

Sein Entschluss stand nach kurzem Nachdenken fest. Heute wird Mathe gepaukt, bis die Aufgaben gelöst sind. Als Mutter von ihrer Arbeit nach Hause kam, knobelte er noch immer herum. Doch er gab nicht auf, bis plötzlich die zündende Idee kam. Von da an löste er auch die restlichen Aufgaben. Dabei grinste er und nickte zufriedener denn je.

2. Eine wilde Meute

Während des restlichen Wegs zur Schule redete Simon an jenem Tag mit Kimberly und Lena nur noch nebensächliches Zeug. Schließlich wollte er die beiden Mädchen nicht verärgern. Sie waren seit ihrer Kindheit befreundet. Fast täglich begegneten sie sich und unternahmen auch in ihrer Freizeit viel gemeinsam. So ein verstörtes Gesicht, wie nach jener Mitteilung, hatte Simon bei der schönen Kimberly noch nie erlebt. Angeblich hasste sie Gespenster. Simon war sich jedoch sicher, dass sie noch nie eins gesehen hatte – im Gegensatz zu ihm, vielleicht. „Na gut, dann eben nicht“, dachte er und behielt sein Erlebnis für sich.

Fröhlich gackernd betraten die drei später ihr Klassenzimmer und wurden von verschiedenen Mitschülerinnen und Mitschülern begrüßt. Die blonde, langhaarige Kimberly und die brünette Lena umarmten ihre besten Freundinnen Anna und Monika, während Simon nach Leon Ausschau hielt. Ein anderer Freund, Tim Obermeier, klopfte ihm auf die Schulter: „Hallo Simon“, grinste er, „alles okay?“

„Logo“, nickte Simon, in diesem Augenblick kreuzte Leon auf.

„Du hast mir gestern aber einen riesigen Schreck eingejagt“, begrüßte Simon seinen Freund.

„Was? Ich? Du spinnst wohl? Wir haben uns doch gestern gar nicht getroffen“, reagierte Leon leicht erbost und irritiert.

„Ja, eben“, antwortete Simon. „Erzähl ich dir später …“ Er unterbrach seinen Erklärungsversuch, weil in diesem Augenblick Kimberly neben ihm stand. „Kimby möchte nämlich davon gar nichts hören“, meinte er mit einer Kopfbewegung zu ihr. „Sie war ganz schön sauer.“

Sofort bekam Kimberly wieder ihre rote Birne: „Ich habe dir gesagt, dass ich Gespenster hasse. Und damit basta.“

„He, he“, stoppte Simon Kimberly aufgebracht.

„Ich habe doch gar nichts gesagt.“

„Aber du wolltest gerade. Gib es zu!“

Leon blickte mit offenem Mund von einem zu anderen: „Wieso Gespenster?“, murmelte er.

„Da bitte!“ Kimberly war noch immer auf 180, doch Lena zog sie am Arm zu sich: „Ist schon in Ordnung, Kimby. Komm jetzt!“

Als die beiden Mädchen ein paar Meter entfernt waren, schüttelte Leon den Kopf: „Ich verstehe nur Bahnhof. Vielleicht erklärst du mir mal freundlicherweise, wieso ich dir angeblich einen riesigen Schrecken eingejagt habe, obwohl wir uns nicht einmal gesehen hatten. Auch Tim und Florian hatten den seltsamen Wortwechsel mitbekommen.

„Mädchen!“, Tim zog die Augenbrauen hoch, „mehr sag ich nicht.“

„Später!“, entschied Simon und ließ seine drei verblüfften Freunde stehen.

Während des Unterrichts überlegte Simon angestrengt, ob und was er Leon sagen sollte. Trotz seiner kurzfristigen geistigen Abwesenheit gab er im Matheunterricht sogar einmal eine richtige Antwort, als Frau Winkler ihm überraschend eine schwere Frage zu einer Dreisatzaufgabe stellte. Er war von seiner Antwort selbst überrascht. Daraufhin beobachtete er bewunderndes Kopfnicken von Kimberly, vielleicht war ihr Ärger über das Gespenst wieder verraucht.

In der Pause war er schnell von verschiedenen Freunden umringt, natürlich auch von Leon sowie Tim, Florian und der kleinen, netten Antonia, die in der Kaiser-Wilhelm-Straße wohnte. Simon stutzte, als Kimberly mit Lena und Anna vorbeischlenderte und ihm einen kritischen Blick zuwarf. Sofort hatte er eine Idee, wie er das Gespensterthema erst einmal zurückstellen konnten: „Wer hat Lust zu einer Fahrradtour?“

„Ist heute schlecht“, meinte Tim, „Freitagnachmittag habe ich Tennistraining.“

„Und morgen?“

„Schon besser“, nickte Tim, Leon schloss sich an.

„Wo soll‘s denn hingehen?“, wollte Antonia wissen.

„Weiß ich noch nicht“, überlegte Simon.

„Wieder mal typisch“, meckerte Emma, die Klassenzicke, die zugehört hatte. „Einladen und keine Ahnung haben.“

„Hab dich überhaupt nicht eingeladen“, brummte Simon.

„Wirst auf mich auch leider verzichten müssen!“

Simon murmelte: „Das kriegen wir hin.“

Zu Antonia sagte er: „Vielleicht fahren wir ins Mahntal oder in die Maisinger Schlucht?“

„Maisinger Schlucht wäre ich dabei“, lächelte Antonia.

Auch Leon, Florian und Johanna, die Antonias Zusage gehört hatten, sagten zu.

„Dann treffen wir uns morgen um drei Uhr vorne am Neubau in der Ottostraße“, schlug Simon vor.

Alle waren einverstanden.

Als die anderen Freunde sich über die Wettervorhersage unterhielten, meinte Leon leise: „Jetzt sag endlich was mit dir los ist. Seit wann traust du dich nicht zu reden, wenn dich Kimberly wütend anglotzt?“

„Weil ich Kimby nicht verärgern möchte, sie ist heute so schlecht drauf. Du kannst dir überhaupt nicht vorstellen, was ich gestern erlebt habe.“

„Sag schon!“

„Ich habe ein Gespenst kennengelernt.“

„Ein Gespenst kennengelernt? Einfach so?“

„Einfach so. Plötzlich saß es in meinem Zimmer.“

„Glaub ich nicht. Ich lass mich heute von dir nicht verscheißern.“

Simon schnaubte: „Leon! Ich schwör‘s dir. Es ist die Wahrheit. Es saß auf unserem Küchenhocker und sagte, dass es mein Freund werden möchte.“

„Hör auf damit. Der Unterricht geht gleich weiter. Diesen Unsinn kannst du anderen erzählen, von mir aus Emma.

---ENDE DER LESEPROBE---