Traummonster - Ben Lehman - E-Book

Traummonster E-Book

Ben Lehman

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Beschreibung

Die beiden Geschwister Jan und Jenny sind eineiige Zwillinge und am 29. Februar zur Welt gekommen. Und irgendwie sind die beiden etwas ganz Besonderes. Es geschieht Merkwürdiges: Jenny und Jan sind am helllichten Tag über ihren Schulsachen eingeschlafen. Und beide hatten denselben Traum! Ein komisches, anfangs wolkenartiges Ding, ein unbeschreiblich widerliches Wesen, das auch noch seine Gestalt wandeln kann, suchte sie heim: das Traummonster! Dann kommt das gefährliche Traummonster auch in die Träume ihrer Lehrerin, Frau Gutfelder. Sie erscheint total gerädert in der Schule und erzählt, dass ein Traummonster sie geplagt hat! Es schubst, es kratzt, es beißt, es schreit, es rempelt, stößt, bedroht und tut alles, damit keiner mehr eine ruhige Nacht hat und alle sich davor fürchten, einzuschlafen. Aber was passiert mit Menschen, die sich im Schlaf nicht erholen können? Irgendwann schafft das keiner mehr. Ist das Traummonster eine Gefahr für die ganze Menschheit?

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Inhaltsverzeichnis

1. Marta

2. Der nächste Schultag

3. Alltag

4. Die Überraschung

5. Eine noch größere Überraschung

6. Ein schlimmes Wochenende

7. Wie soll das nur weitergehen?

8. Ein brutaler Test

9. Jetzt gilt es!

10. Schlimme Ereignisse

11. Der große Kampf

12. Die Entscheidung

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Impressum:

Texte: © Copyright by Ben Lehman Umschlag: © Copyright by Ben Lehman Verlag: Ben Lehman

Von-der-Tann-Straße 12 82319 Starnberg [email protected]

1. Marta

Jan und Jenny Weber waren Geschwister. Und zwar eineiige. Das kommt gar nicht so häufig vor. Ihre Eltern, Claudia und Markus, wussten natürlich lange vor der Geburt, dass sie doppeltes Glück erwartete. Die Namen ihrer Kinder sollten in alphabetischer Folge gemäß ihrem Geburtszeitpunkt vergeben werden. Jenny kam fünf Minuten früher als Jan zur Welt. Beinahe hätte es mit den ausgemachten Namen geklappt, doch Vater Markus befand sich aufgrund der fürchterlich aufregenden Geburt kurz vor einem Kreislaufzusammenbruch. Er verwechselte bei der Anmeldung die verabredeten Namen. Das Mädchen sollte Jenny heißen, daran erinnerte er sich noch ganz genau. Doch der Junge, als Zweitgeborener, sollte eigentlich Johannes heißen. Da die Eltern für den Fall, dass der Junge früher zur Welt kommt, den Vornamen Jan ausgesucht hatten, passierte es eben. Als Markus seiner Frau Claudia sein Missgeschick beichtete, hielt sie längere Zeit die Luft an.

„Kannst du das noch ändern?“, wollte sie wissen.

„Eher nicht“, antwortete Markus verlegen.

Da sie jedoch noch recht schwach war, stöhnte sie schließlich nur und sagte: „Männer! Hätte ich mir eigentlich denken können.“

Jan und Jenny waren nicht nur eineiige Zwillinge, sie waren zu allem Unglück auch noch am 29. Februar, also in einem Schaltjahr, zur Welt gekommen. Wenn die Mutter sich so richtig über ihre Kinder ärgerte, drohte sie schon mal damit, sich künftig beim Geburtstagsgeschenk ganz korrekt zu verhalten, also drei Jahre lang nichts, aber wirklich gar nichts! Daraufhin folgten immer endlose Diskussionen, mit dem Ergebnis, dass schließlich die Eltern an diesem verflixten Geburtstag schuld seien und nicht die wirklich unschuldigen Kinder.

Inzwischen waren Jan und Jenny zehn Jahre alt und besuchten die vierte Klasse. Genau genommen waren beide Musterschüler, jedoch mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Jenny konnte besonders schön zeichnen. Außerdem liebte sie Sprachen. Das behauptete sie immer, jedoch gab es bis dahin nicht so richtig viele englische Unterrichtsstunden. Trotzdem hatte sich in ihren Zeugnissen die Note eins festgebissen. Jan dagegen bevorzugte alles, was mit Rechnen zusammenhing, seine Zeugnisnoten waren natürlich ebenso gut wie die Jennys. Deshalb waren die Geschwister ein starkes Team, wenn Hausaufgaben zu erledigen waren. Wenn einer von beiden irgendwo unsicher war, unterstützte der andere mit seinem sehr guten Wissen.

Die blonden Zwillinge hatten bereits einiges hinter sich. Wissbegierig, wie sie waren, wollte jeder immer wieder mit irgendetwas glänzen, vor allem dem anderen gegenüber. So war es auch kein Wunder, dass sich beide bereits vor längerer Zeit über ihre Zukunft ernsthafte Gedanken gemacht hatten. Jenny wollte Modezeichnerin werden. Sie entwarf die schönsten Kleider, die später von Models getragen werden sollten. Mutter fand die Entwürfe insgesamt ganz gut, doch manchmal murmelte sie Unverständliches vor sich hin. Jan war anderer Ansicht: „Wer kann denn so was Doofes anziehen? Du hast vergessen, dass jeder Mensch einen Bauch hat. Nicht nur wir beide!“

„Was du als Bauch bezeichnest, heißt bei uns Modezeichnern Hüfte. Aber solche Begriffe sind dir wahrscheinlich fremd“, kritisierte Jenny ihn.

„Ich dachte, du bist Schülerin. Plötzlich willst du Modezeichnerin sein. Kannst du vergessen. Ich bin da schon deutlich weiter!“

Jan hatte nämlich beschlossen, Flugzeugkonstrukteur zu werden, seitdem sie mit ihren Eltern in den Ferien nach Mallorca geflogen waren. Pilot schloss er aus, weil er gesehen hatte, dass Piloten stundenlang in einer kleinen Kabine sitzen und dauernd Instrumente anglotzen müssen: „Das ist doch kein richtiger Beruf“, erklärte er Jenny, „wenn du Busfahrer bist, kannst du an jeder Haltestelle wenigstens mal kurz aussteigen und frische Luft schnappen. Im Flugzeug geht da gar nichts.“

„War doch immer dein Wunsch, nicht meiner“, urteilte Jenny.

„Eben nicht“, widersprach Jan, „ich werde Flugzeugkonstrukteur. Schau dir mal meine ersten Entwürfe an!“

Jenny winkte ab und zeichnete weiter Kleider. Es dauerte nicht lange und beide beschlossen, sich über andere, noch interessantere Berufe Gedanken zu machen.

„Das war das Ende unserer ersten Karriere“, grinste später Jan, als sie längst neue Pläne schmiedeten. Jenny hatte sich nämlich entschlossen, eine berühmte Schauspielerin zu werden, und prüfte unterschiedliche Kombinationen von Kleidungsstücken, natürlich wieder selbst entworfen, die möglichst verrückt aussahen.

„Warum willst du denn so komische Sachen anziehen?“, wollte Jan wieder wissen.

„Das verstehst du bestimmt nicht“, erklärte Jenny, „du musst unbedingt auffallen, wenn du berühmt werden willst.“

„Aber nicht so“, wunderte sich Jan, „grünes T-Shirt, blaue Hose, rote Strümpfe und zwei verschiedene Schuhe. Einen schwarzen und einen braunen.“ Er schüttelte verständnislos den Kopf.

„Schließlich will ich Schauspielerin werden und nicht du“, entgegnete Jenny, „lass mich in Ruhe und arbeite an deiner eigenen zweiten Karriere.“

Jan nickte und grübelte weiter. Er suchte nach einer Entdeckung, die die ganze Welt in Staunen versetzen könnte. Es sollte irgendetwas mit Rechnen zu tun haben. Doch es wollte ihm einfach nichts Umwerfendes einfallen. Genau genommen beneidete er deshalb seine Schwester, behielt das aber für sich.

Nun geschah etwas Überraschendes, wodurch sich der bis dahin oft langweilige Alltag ungeheuer verändern sollte. Vater hatte einen anstrengenden Job als Chef eines Taxiunternehmens mit mehr als fünfzig Fahrzeugen. Da seine berufliche Zukunft gesichert schien, entschlossen sich die Eltern, die gemietete Wohnung aufzugeben und ein Haus zu erwerben. Zufällig wurde gerade ihr Wunschobjekt bezugsfertig und so dauerte es gar nicht lange, bis die ganze Familie mit roten Köpfen das neue Eigenheim zum ersten Mal betrat und schon bald einzog. Jeder hatte ein schönes, neues Zimmer und alles duftete wunderbar nach frischem Holz und frischer Farbe.

Jan und Jenny bemerkten, dass ihre Eltern seit einiger Zeit immer öfter die Köpfe zusammensteckten und wegen der inzwischen offensichtlich deutlich höheren Kosten für das neue Haus ziemlich verzweifelt herumrechneten. Eines Abends nach dem Essen war Mutter aufgeregter als üblich. Deshalb überraschte es auch kein Familienmitglied, als sie erklärte: „Also …, nun …, was ich sagen wollte …“

Vater und die Kinder warteten gespannt auf die anscheinend wichtige Mitteilung.

„Ja?“, stellte Vater schließlich fest.

Mutter wusste offensichtlich noch nicht genau, wie sie am besten beginnen soll: „Also, wie ich schon sagte!“

„Ja?“ Vater zog die Augenbrauen nach oben. Claudias zögerliche Einleitung schien ihm nicht so recht geheuer.

Mutter schluckte kurz und wiederholte: „Also, wie ich schon sagte, ich habe heute Nacht einen Entschluss gefasst.“

„So, so!“, nickte Vater, „ich dachte, du schläfst nachts.“

Mutter ging darauf nicht ein: „Ich habe mich entschlossen, meinem Leben eine kleine Wende zu geben. Es gefällt mir einfach nicht mehr, dass ich von früh bis spät das Haus, die Familie und neuerdings auch den Garten versorge und unsere finanziellen Belastungen immer bedenklicher ansteigen. Wer weiß, wie lange wir das noch durchhalten können. Ich möchte das schöne, neue Haus wirklich nicht aufgeben müssen. Ab nächster Woche werde ich arbeiten gehen!“

Nun war es gesagt.

Vaters Mund war geöffnet, es dauerte einige Zeit, bis er feststellte: „Ach so? Hast du also beschlossen? Soll ich denn ab nächster Woche zu Hause bleiben und mich um die Kinder kümmern?“

„Lächerlich!“, war Mutters Antwort. „Die Kinder sind groß genug, um mal ein paar Stunden allein zu bleiben. Außerdem habe ich auch dafür eine Lösung gefunden.“

„Ach?“, Vater war selten so verblüfft, „und welche?“

„Ganz einfach“, entschied Mutter mit einer Handbewegung. „Wir bekommen Unterstützung. Jeden Tag ein paar Stunden für Haushalt und was so anfällt. Jan und Jenny sind sowieso mit ihren Hausaufgaben beschäftigt und unsere neue Haushaltshilfe soll immer ein paar Stunden hier sein. Ich meine, falls die Kinder mal ein Problem haben.“

Jenny war nicht einverstanden: „Ich brauch keinen fremden Aufpasser. Jan ebenfalls nicht. Das Geld kannst du dir sparen.“

„In Ordnung“, antwortete Mutter, „dann müssen wir nur noch die verschiedenen Aufgaben auf euch verteilen.“

„Ach so“, antwortete Jenny und entschied blitzschnell, „gut, dann soll sie kommen.“

Jan hatte bisher geschwiegen: „Wer soll denn diese Person sein?“

Darauf hatte Mutter anscheinend gewartet: „Ihr dürft wählen. Ich habe zwei Frauen gefunden, die beide an dieser Aufgabe interessiert wären. Sie kommen heute Abend, um sich vorzustellen.“

Vater war noch immer überrascht. Sie kannten ihn als schnellen Denker und Entscheider, doch heute schien er so etwas wie einen Blackout zu haben: „So, so“, wiederholte er, „heute Abend bereits. Schon alles ausgemacht.“

„Genau“, nickte Mutter, „immerhin dürft ihr alle mitentscheiden, welche fremde Person künftig bei uns Zugang zu allen Räumen erhält.“

„Dürfen wir?“, murmelte der Vater.

Bevor der Rest der Familie noch irgendeine Bemerkung machen konnte, klingelte es bereits.

Mutter blickte auf die Uhr und nickte: „Frau Margani ist pünktlich.“

„Frau wer?“, erschrak der Vater, „woher kommt denn die?“

Inzwischen öffnete Mutter bereits die Tür und herein kam eine mittelalterliche, gemütlich runde Frau, gütig lächelnd, doch ein wenig schwitzend: „Iss serr scheen bei Ihnen“, grüßte sie den Rest der Familie.

Es wurden ein paar Worte gewechselt, Jan war schnell klar, dass Vater einigermaßen entsetzt war. Auch Jenny verkrampfte ihre Lippen und sagte kein einziges Wort.

Mutter erklärte, dass der Familienrat über die Einstellung von Frau Margani beschließen würde und deshalb verließ sie kurz darauf mit ein paar freundlichen Worten das Haus der Webers: „Kommen morgen serr gerne wieder. Widerrsehn!“

Sie blickten sich längere Zeit stumm an, schließlich meinte Mutter: „Vielleicht gefällt euch Marta besser.“

„Ist die genauso alt?“, wollte Jenny wissen.

„Eigentlich nicht“, entgegnete Mutter, „ich schätze sie auf zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre.“

„Spricht die besser Deutsch als diese Frau Margarine?“, wollte Jan wissen.

Jenny gackerte lautlos.

Mutter nickte: „Ja, doch. Schon. Sie kommt zwar aus Ecuador, doch sie studiert hier Germanistik. Sie möchte Lehrerin für deutsche Sprache in ihrer Heimat werden. Und weil das dort so üblich ist, schreibt sie sich auch ohne den Buchstaben h, einfach Marta.“

Schließlich klingelte es, Mutter öffnete wieder die Tür und Marta trat ein. Sie war mittelgroß, schlank, dunkelhaarig und hatte ein Allerweltsgesicht.

Eigentlich schien sie ganz nett zu sein. Sie sprach recht gut Deutsch, wenn auch mit einem seltsam fremden Akzent. Ihr Gesichtsausdruck war und blieb gleichmäßig kühl, doch ihre Worte klangen angenehm und freundlich: „Ich habe schon viele Jahre die deutsche Sprache gelernt. Hier zu studieren war mein größter Wunsch. Aber hier ist das Leben recht teuer. Darum muss ich mir etwas dazuverdienen. Meine Eltern sind nicht sehr reich.“

Vater nickte ziemlich gleichgültig. Mutter versuchte, die Gedanken ihrer Kinder zu ergründen, offensichtlich hatten sie gegen Marta weniger einzuwenden als gegen Frau Margani. Schließlich fasste sie sich ein Herz und fragte direkt heraus: „Was meinst du, Markus? Wollen wir es mit Marta versuchen? Ich meine, falls Jan und Jenny einverstanden sind.“

Vater zuckte die Schultern: „Meinetwegen. Wenn du unbedingt meinst, arbeiten zu müssen.“

„Und du Jan?“, das schien die größere Hürde zu sein.

Jan meinte: „Ist schon okay.“

„Jenny?“

Jenny stimmte ebenfalls trotz eines Einspruchs zu: „Eigentlich hättest du mich als die Ältere von uns beiden zuerst fragen müssen“, meinte sie ein wenig verärgert, „aber meinetwegen.“

Also wurde per Handschlag mit Marta die neue Tätigkeit vereinbart. Mutter erklärte die Aufgaben im Einzelnen. Am kommenden Montag sollte Martas Arbeit beginnen. Es wurde 13 Uhr ausgemacht. Das Mittagessen für Jenny und Jan sei immer vorbereitet und stünde im Kühlschrank. Marta bestätigte, dass es für sie kein Problem sei, um diese Zeit ohne Schwierigkeiten ihre Tätigkeit neben dem Studium zu beginnen. Es wurde vereinbart, dass die Kinder Marta die Tür öffnen sollen, da sie ja um diese Zeit immer bereits zu Hause sind. Später, nach ausreichender Erfahrung, wollte Mutter entscheiden, ob Marta einen eigenen Schlüssel erhält.

2. Der nächste Schultag

Am darauffolgenden Montag war also der erste Schultag nach dem langen Wochenende. Jan und Jenny waren ordentlich aufgeregt, weniger wegen der Schule, sondern wegen Marta, die an diesem Tag zum ersten Mal verschiedene Hausarbeiten verrichten und ein wenig auf die Kinder achten sollte.

Als sie von der Schule heimkehrten, stand Marta bereits vor der Tür.

„Ah, da seid ihr ja“, sagte sie mit ihrem fremdländischen Akzent, „dann kann ich sogleich mit meiner Arbeit beginnen.“

Jan und Jenny wärmten ihr Mittagessen in der Mikrowelle auf.

„Kann ich morgen übernehmen“, bemerkte Marta.

„Wäre nett“, stimmte Jenny zufrieden zu. Eine kleine Aufgabe für die Geschwister war für Marta gewiss kein Problem.

Nachdem die Kinder ihren Linseneintopf verspeist und den Tisch abgewischt hatten, setzten sie sich wieder an den Esstisch und holten ihre Hefte heraus. Sie beschlossen, mit Mathe zu beginnen. Die Aufgaben waren für die beiden Musterschüler einfach babyleicht. Es dauerte auch nicht lange, bis sie ein Fach nach dem anderen erledigt hatten.

Marta arbeitete inzwischen Mutters vorbereiteten Aufgabenzettel nacheinander ab. Mit dem Finger rutschte sie von einer Zeile zur nächsten und hakte jede erledigte Aufgabe mit einem bereitliegenden Bleistift ab. Schließlich brachte sie den Müll weg und zuletzt die alten Zeitungen, die sich vom Wochenende angesammelt hatten. Danach setzte sie sich zu Jan und Jenny.

„Bist du fertig?“, wollte Jenny wissen.

„Bin ich. Hab noch Zeit. Wollen wir ein wenig reden? Wir kennen uns noch nicht so richtig.“

Die Geschwister räumten gerade ihre Schultaschen für den nächsten Morgen ein.

„Ja, ja, Marta“, nickte Jan, „von mir aus.“

„Erzähl uns, warum du nach Deutschland gekommen bist“, schlug Jenny vor.

„Das ist schnell erklärt“, antwortete Marta. „Ich habe in meiner Heimat studiert und möchte später Lehrerin für deutsche Sprache werden. Nirgendwo auf der Welt kann ich eure Sprache besser erlernen als in eurem Land. Und genau deswegen bin ich hier.“

„Wollen denn bei euch Leute die deutsche Sprache lernen?“, wollte Jan wissen, „Südamerika ist doch so weit weg.“

„Oh ja“, antwortete Marta. „Es gibt viele Menschen, hauptsächlich Kinder deutscher Auswanderer, die daran interessiert sind.“

„Und“, überlegte Jenny, „wie ist das so bei euch?“

„Ja, was soll ich sagen. Das Klima ist bei uns anders, … und die Menschen auch. Die Sprache sowieso.“

„Wie sprecht ihr dort?“

„Spanisch. Wir sprechen alle spanisch. Soll ich euch erzählen, warum bei uns spanisch gesprochen wird?“

„Gerne“, antwortete Jan und auch Jenny nickte zustimmend.

„Vor Jahrhunderten kamen spanische Seefahrer und eroberten unser Land. Und seither sprechen wir spanisch.“

„Sind denn die Eroberer immer noch dort?“, wollte Jan wissen und überlegte blitzschnell, ob er vielleicht ein Eroberer werden könnte.

Marta lachte laut: „Du bist aber ein lustiger Junge. Natürlich nicht. Aber die Sprache ist uns geblieben.“

„Na ja“, entschied Jenny, „ist doch egal, welche Sprache man spricht. Ich möchte jetzt ein wenig zeichnen. Weil ich Schauspielerin werden will, verstehst du das, Marta?“

„Schauspielerin! Aber hallo, da hast du dir was Tolles vorgenommen. Möchtest du zum Film oder lieber zum Theater?“

„Weiß ich noch nicht.“

„Und was willst du zeichnen?“

„Meine Kleider natürlich.“

Jan mischte sich ein: „Verrückte Kleider. Ich finde sie nicht schön.“

„Darf ich die sehen. Ich bin gespannt“, lächelte Marta.

Jenny holte ihre Skizzen heraus, Marta nickte bedächtig, sie musste sich erst an Jennys Darstellung gewöhnen: „Nun, die sehen sehr interessant aus.“

„Freut mich, wenn sie dir gefallen“, lächelte Jenny.

Marta wandte sich an Jan: „Und was ist mit dir? Hast du auch schon eine Idee?“

„Nicht so richtig. Früher wollte ich Flugzeugkonstrukteur werden. Aber jetzt gefällt mir das nicht mehr. Ich muss mir was Besseres suchen.“

Marta blickte die Zwillinge durchdringend an.

Jenny bemerkte es: „Warum guckst du so eigenartig?“, wollte sie wissen.

„Ich denke über das nach, was ihr mir gerade erzählt habt. Seid ihr nicht ein bisschen müde?“

„Wieso denn das?“, konnte Jenny gerade noch fragen. Und schon im selben Augenblick konnte sie ihren Kopf nicht mehr halten, er sackte nach vorne. Jan war total überrascht, wollte etwas sagen, doch es ging ihm nicht viel besser. Auch sein Kopf wurde schwerer und schwerer.

Jenny erwachte und sah, dass Jans Kopf auf seinen überkreuzten Armen auf dem Tisch lag.

„He du!“, rief sie. „Seit wann pennst du denn am Küchentisch.“

Jan erschrak und schoss hoch: „Mann, Jenny, ich bin tatsächlich eingeschlafen.“

„Ich auch“, wunderte sich Jenny. „Wo ist denn Marta?“

„Wahrscheinlich verschwunden, weil wir ihr was vorgepennt haben.“

Jenny bekam ganz verzückte Augen: „Ich bleib dabei, Jan. Ich werde eine ganz berühmte Schauspielerin.“

„Warum erzählst du das gerade jetzt?“ Jan schien überrascht.

„Weil ich bis eben eine berühmte Schauspielerin war.“

„Ach!“ Jan schien zuerst sprachlos, doch dann sagte er: „Eigentlich wollte ich gar nicht mehr Flugzeugkonstrukteur werden. Aber jetzt weiß ich, dass das bestimmt ein toller Beruf ist. Mein Flugzeug ist wunderbar geflogen. Und alle haben gesagt, dass ich das toll gemacht habe.“

„Was hast du toll gemacht?“ Jenny verstand im Augenblick eher Bahnhof.

„Na eben“, antwortete Jan widerwillig, „das Flugzeug. Ich habe es gebaut und dann ist es geflogen. So toll, wie das Flugzeug mit dem wir in Mallorca waren.“

„Komisch“, überlegte Jenny, „dass wir genau das geträumt haben, worüber wir vorher gesprochen hatten. Und Marta ist weg.“

„Na gut“, entschied Jan, „dann ist sie eben weg. Morgen kommt sie wieder.“

„Aber …“, zögerte Jenny.

Jan schaute sie an und wartete. Als sie immer noch zögerte zog er die Stirn in Falten: „Hast du vergessen, was du sagen wolltest?“

„Nein“, sie schien weiter zu überlegen. „Ich wollte dir was erklären. Da kam plötzlich so ein riesiges Ding auf mich zu.“

„In deinem Traum?“

„Ja, sag ich doch.“

Jan stutzte: „In meinem Traum auch. Ich weiß nicht genau, was es war. Zuerst eine giftgelbe Wolke, oder ein Felsen, oder was weiß ich.“

Jenny nickte: „Ja, so ähnlich war es in meinem Traum auch. Die Wolke, dann irgendwas. Ein richtiges Gesicht konnte ich nicht erkennen. Aber das Ding konnte sprechen.“

„Sag bloß!“, antwortete Jan. „Genau wie bei mir. Es hat auch geredet, ich habe vergessen, was es gesagt hat. Und es sah so aus, als würde es die Zähne fletschen. Aber wenn es nur eine gelbe Wolke war, ist das natürlich ein Quatsch.“

„Ich habe mir übrigens gemerkt, was es zuletzt gesagt hat“, runzelte Jenny die Stirn.

„Was denn?“

Jenny zögerte einen Augenblick, dann sagte sie schnell: „Ist doch egal, war sowieso nur ein Traum. Aber es hat zu mir gesagt: ‚Damit du es weißt! Ich bin das berühmte Traummonster‘. Dann hat es mit schrecklicher Stimme gedroht: ‚Du wirst mich noch kennenlernen!‘ Zuletzt hat es so widerlich gelacht, dass es mir kalt den Rücken runter gelaufen ist. Dann war es weg. Ich krieg jetzt noch eine Gänsehaut.“

„Ist doch nicht so schlimm“, versuchte Jan seine Schwester zu beruhigen.

„Für mich schon.“

„Dass du das noch so genau weißt“, wunderte sich Jan. „Aber Träume sind manchmal idiotisch.“

„Jan, das muss unter uns bleiben! Ein Geheimnis. Versprochen?“

„Klar. Versprochen! Wir lassen uns doch nicht auslachen“, nickte Jan.

3. Alltag

Jenny schlief in der folgenden Nacht besonders unruhig. Immer wieder wachte sie auf und versuchte, in der Dunkelheit etwas zu erkennen, ein Traummonster oder etwas Anderes, das vielleicht in ihrem Zimmer herumgeisterte. Doch sie schlief nach einiger Zeit, trotz lautem Herzklopfen, schnell wieder ein. Am nächsten Morgen fühlte sie sich wie gerädert.

Vater war längst zu seinem Büro aufgebrochen. Die Mutter musterte Jenny beim Frühstück aufmerksam, dann meinte sie leicht beunruhigt: „Ist was, Jenny?“

„Nein, wieso?“, antwortete Jenny mürrisch.

„Ich dachte nur“, Mutters Blick schien durchdringend, „war gestern irgendwas mit Marta?“

„Nein, was meinst du?“, schüttelte Jenny den Kopf. Jans Augen wanderten von Mutter zur Schwester und wieder zurück.

„Was soll denn gewesen sein?“, wollte Jenny wissen.

„Nichts, ich dachte nur. War sie nett zu euch?“ Mutter wollte alles immer ganz genau wissen.

„Doch, sie war nett.“ Endlich konnte Jenny das Gespräch in eine andere Richtung lenken. „Sie hat uns von ihrer Heimat erzählt. Vielleicht macht sie das wieder einmal.“

„Na gut“, antwortete Mutter und strich ihr Butterbrot.

Auf dem Schulweg meinte Jan: „Du denkst immer noch an deinen doofen Traum, oder?“

„Na klar“, brach es aus Jenny heraus, „ich habe die ganze Nacht davon geträumt. Du nicht?“

„Nee, ich habe geschlafen.“

„Das hätte ich auch gerne, aber es ging nicht.“

In der Pause hatte Jenny ihren Entschluss gefasst. Als sie mit ihren Freundinnen Miriam und Kathrin alleinstand, bemerkte sie beiläufig: „Ich habe da von einer anderen Freundin was Komisches gehört.“

Wie sie es erwartet hatte, gingen die beiden Köpfe hoch: „Was denn? Erzähl!“, rief Kathrin.

„Habt ihr schon mal von einem Traummonster gehört?“

Beide schüttelten den Kopf: „Was soll das sein?“, fragte Miriam.

„Weiß ich auch nicht genau. Sie haben so komisch rumgeredet, ich hab’s nicht genau verstanden“, wich Jenny aus.

„Wieso sagst du, sie haben komisch rumgeredet, ich dachte es war eine Freundin“, wunderte sich Kathrin.

„Ja, ja“, blitzschnell überlegte Jenny, wie sie aus der Sache wieder rauskommen kann, „eigentlich ist sie gar nicht meine Freundin. Sie wohnt in der Nachbarschaft und ich hatte sie mit ihrer Freundin getroffen. Sie haben beide davon erzählt.“

„Na ja“, stellte Miriam fest, „die wollten dich auf den Arm nehmen.

---ENDE DER LESEPROBE---