Notärztin Andrea Bergen 1391 - Marina Anders - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1391 E-Book

Marina Anders

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Aufgeben ist keine Option

Stille herrscht im OP, als die junge Assistenzärztin Darla Gentry den ersten Schnitt setzt. In einer geraden Linie vom Brustbein bis zum Schambein zieht sie das Skalpell - und ist sich dabei der stechenden Blicke ihres Kollegen Ulf Dannert nur allzu bewusst. Seit er am Elisabeth-Krankenhaus arbeitet, verfolgt er sie mit seinem Hass, mit Vorwürfen und Verleumdungen - denn er ist entschlossen, sie aus dem Beruf zu treiben! Als Darla nun die Größe des Aneurysmas sieht, das sie operieren soll, melden sich ihre alten Selbstzweifel. Die Klemme, um die Blutzufuhr zu unterbinden, setzt sie wie in Trance, und ein Zittern ergreift sie, als Dannert hämisch "Stümperin!" zischt. Das ist der Moment, in dem sich die Ereignisse dramatisch überschlagen: Das Aneurysma platzt, Unmengen an Blut ergießen sich in den Bauchraum, und die Monitore schlagen Alarm! Wie versteinert steht Darla da, unfähig zu handeln. Das Einzige, was sie hört, ist Dannerts zorniger Befehl an die OP-Schwester: "Chirurgin auswechseln - sofort! Dr. Gentry tötet den Patienten!"
Ist dies das Ende von Darlas Arztkarriere, die so vielversprechend begonnen hat?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 131

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Aufgeben ist keine Option

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: PeopleImages / iStockphoto

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-8960-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Aufgeben ist keine Option

Heute Morgen ist es in OP zwei zu einem Rieseneklat gekommen, nachdem das zu operierende Aortenaneurysma während des Eingriffs geplatzt war und wir den Patienten kurzzeitig zu verlieren drohten. Der arrogante Dr. Dannert kanzelte daraufhin die junge Chirurgin Darla Gentry vor versammelter Mannschaft ab und verwies sie schnöde des Operationssaals! Nun ist Darla verzweifelt und entschlossen, nie wieder zu operieren! Dabei wissen wir alle, dass mit dieser Komplikation zu rechnen war, da die Ausstülpung an der Hauptschlagader geradezu riesig war! Was passiert ist, ist nicht Darlas Schuld – doch gegen ihre ständigen Selbstzweifel konnte auch ich in einem Gespräch nichts ausrichten. Dr. Dannert, ihr Widersacher, der sie fertigmachen will, hat sein Ziel erreicht: Darlas bisher so erfolgreiche Laufbahn als Ärztin scheint zerstört zu sein, ihr größter Lebenstraum droht endgültig zu zerplatzen. Dann verliert sie alles, woran ihr Herz hängt. Und das, wegen einer falschen Anschuldigung. Darla darf nicht einfach aufgeben!

„Ach, Papa! Du fehlst mir so sehr!“

Darla liefen Tränen über die Wangen, als sie am Grab ihres Vaters stand und mit dem Schicksal haderte, das ihn ihr genommen hatte.

Professor Dr. Arthur Gentry, 1962 – 2019, stand auf seinem Grabstein. Der Grabhügel war noch frisch. Darla entfernte welke Blüten von den Blumengestecken und zündete die Kerze in der Laterne an. Fröstelnd zog sie ihren Schal hoch. Ein kalter Novemberwind wehte über den Friedhof und riss die letzten Blätter von den Zweigen der fast kahlen Bäume.

Sie vermisste ihren Vater, der wie der berühmte Fels in der Brandung für sie gewesen war. Er war immer für sie da gewesen, hatte sie aufgerichtet, wenn sie verzweifelt gewesen war, und hatte ihr Mut gemacht, wenn dieser sie verlassen wollte.

„Danke, Papa“, flüsterte sie bewegt. „Ohne dich hätte ich es nicht so weit gebracht.“ Für einige Minuten hielt sie noch stumme Zwiesprache mit ihrem Vater, dann wandte sie sich vom Grab ab und ging auf das Friedhofstor zu.

Der Parkplatz, auf dem ihr Auto stand, war gleich um die Ecke. Darla lenkte ihre Schritte dorthin, doch dann fiel ihr Blick auf das Friedhofscafé auf der anderen Straßenseite.

„Komm, lass uns einen Kaffee trinken gehen“, hörte sie ihren Vater in Gedanken sagen.

Lächelnd überquerte sie die Straße. Eine gemeinsame Kaffeepause, die hatten ihr Vater und sie sich fast jeden Tag gegönnt. Entweder in der Cafeteria der Kölner Uniklinik, an der sie beide tätig waren, oder in einem der umliegenden Cafés. Manchmal war auch Christoph mit von der Partie gewesen, ein Freund und Kollege ihres Vaters, der auch für sie zum guten Freund geworden war.

Darla betrat das Friedhofscafé. Die Atmosphäre war etwas bedrückend mit den dunkel gekleideten Gästen, die sich leise und traurig unterhielten. Doch sie passte zu ihrer eigenen Stimmung. Darla ließ sich an einem der Tische nieder und bestellte ein Kännchen Kaffee und ein Stück Käsekuchen. Sie hatte an diesem Nachmittag dienstfrei und brauchte sich nicht zu beeilen. Niemand wartete auf sie, keiner vermisste sie.

Sie bedankte sich bei der Bedienung, die ihr wenig später Kaffee und Kuchen servierte. Gedankenverloren setzte sie die Tasse an die Lippen.

Nein, ohne ihren Vater hätte sie es vermutlich nicht so weit gebracht. Ihr Medizinstudium hätte sie geschafft, ja. Aber sicher hätte sie nicht den Mut gehabt, anschließend eine chirurgische Facharztausbildung zu beginnen. Dabei war es ihr Traumberuf gewesen, nicht nur, weil ihr Verlobter Chirurg gewesen war.

Ein bitterer Zug legte sich um Darlas hübsch geschwungene Lippen. Nein, sie wollte nicht mehr an Ulf erinnert werden. Energisch schob sie ihn wieder aus ihren Gedanken.

Viel lieber dagegen dachte sie an Christoph Weisbrich, den medizinischen Wissenschaftler, mit dem ihr Vater im Labor der Uniklinik eng zusammengearbeitet hatte. Die beiden hatten sich beruflich hervorragend ergänzt und waren auch privat befreundet gewesen. Zwischen Darla und Christoph hatte sich ebenfalls eine enge Freundschaft entwickelt. Er war zwölf Jahre älter gewesen.

Auch ihn vermisste sie, besonders nach dem Tod ihres Vaters. Als sie sich mit Ulf verlobt hatte, war Christoph sehr enttäuscht gewesen. Er hatte es sich nicht anmerken lassen wollen, doch sie hatte es trotzdem gespürt. Heute war sie überzeugt, dass er ihretwegen ins Ausland gegangen war. Weil er sie liebte.

Für sie dagegen war er nur ein guter Freund gewesen, wenn auch ein sehr enger. Darla musste lächeln, als sein bärtiges Gesicht mit dem grau-blond melierten welligen Haar, das ihm immer so jungenhaft in die Stirn gefallen war, vor ihrem geistigen Auge auftauchte. Dass er allmählich auf die vierzig zuging, hatte man ihm nicht angesehen.

Darla seufzte. Sie schenkte sich den restlichen Kaffee aus dem Kännchen ein und rührte in ihrer Tasse.

Auch ihn habe ich verloren, dachte sie traurig. Christoph hatte sich irgendwo in den USA oder Kanada niedergelassen, um neue Erfahrungen in der medizinischen Forschung zu sammeln. Er hatte sich noch ein paar Mal gemeldet, doch dann war der Kontakt eingeschlafen.

Er weiß noch nicht mal, dass Papa gestorben ist, dachte Darla traurig. Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihn erreichen sollte. Auch an der Uniklinik hatte niemand seine Adresse. Sie würde Christoph wohl nie wiedersehen, ein Gedanke, der ihr das Herz schwer werden ließ.

Nun war sie ganz allein auf sich gestellt. Sie kam mit den Kollegen in der Uniklinik gut aus, doch engere Freundschaften hatte sie nicht schließen können. Sie tat ihre Arbeit, aß hin und wieder mit Kollegen zu Mittag und verbrachte ihre Freizeit meistens in ihrem Apartment im Ärztehaus, wo sie für ihre Weiterbildung büffelte.

Noch mehr als ein Jahr hatte sie vor sich, bis sie fertig ausgebildete Chirurgin war. Dieses letzte Jahr würde sie an einer anderen Klinik in einer anderen Stadt am Rhein absolvieren, am dortigen Elisabeth-Krankenhaus. Der Schmerz um den Verlust ihres Vaters war groß, und sie brauchte dringend einen Tapetenwechsel. An der Kölner Uniklinik erinnerte sie alles an die beiden lieben Menschen, die sie verloren hatte, und auch an den Mann, der sie beinahe vernichtet hätte.

Heute konnte sie nicht mehr verstehen, dass Dr. Ulf Dannert einmal ihr Traummann gewesen war. Ulf war überheblich und selbstgerecht gewesen. Er war erst seit wenigen Jahren fertiger Chirurg, hatte sich jedoch für den Größten gehalten und sich im OP aufgespielt, als wäre er der Chefarzt persönlich. Auf Darla hatte er immer nur spöttisch-mitleidig herabgesehen. Wie oft hatte sie im OP ungerechtfertigte Kritik von ihm einstecken müssen! Und wie oft hatte er ihr nahegelegt, ihre chirurgische Weiterbildung abzubrechen, weil sie dafür nicht geschaffen sei. Aus ihr würde nie eine erfolgreiche Chirurgin werden. Das und Ähnliches hatte sie von ihm fast jeden Tag zu hören bekommen.

Ihr Vater und auch Christoph dagegen hatten ihr immer Mut gemacht und ihr prophezeit, dass sie eines Tages eine hervorragende Chirurgin sein würde. Darla war auch mit Leib und Seele Ärztin. Doch Ulf hatte es mit seiner ständigen – zunächst unterschwelligen und später immer offener vorgetragenen – Kritik geschafft, dass sie selbst Zweifel an ihren Fähigkeiten bekam und zunehmend unsicherer wurde.

„Kind, hör nicht auf ihn“, hatte ihr Vater oft eindringlich zu ihr gesagt. Ebenso hatte er sie beschworen, Ulf nicht zu heiraten. Darla hatte sich ein Leben an seiner Seite auch immer weniger vorstellen können. Schließlich hatte sich die Sache von selbst erledigt, als er eine Affäre mit einer anderen Frau angefangen hatte. Er hatte Darla und die Uniklinik verlassen und war in eine andere Stadt gezogen.

Auch Darla würde nun fortziehen und an einem anderen Krankenhaus arbeiten. Manchmal zweifelte sie daran, dass dieser Entschluss richtig war. Dann stand ihre berufliche Zukunft wieder wie ein großer, unüberwindbarer Berg vor ihr. Aber sie brauchte nur an ihren Vater und an Christoph zu denken, und schon war der Wille wieder da, es zu schaffen.

„Darf es noch etwas sein?“, unterbrach die Bedienung ihre Gedanken.

Darla lehnte dankend ab. „Ich möchte zahlen“, sagte sie stattdessen.

Es war an der Zeit, nach Hause zu gehen.

***

„Morgen fängt auf der Chirurgie eine neue Assistenzärztin an“, erzählte Dr. Andrea Bergen ihrer Familie beim Abendessen. „Sie will ihre Facharztausbildung bei uns beenden.“

Dr. Werner Bergen, der im Anbau der Jugendstilvilla, die er mit seiner Familie bewohnte, eine gut gehende Kinderarztpraxis betrieb, nahm sich noch eine Portion Paprikareis.

„Kommt nicht auch bald ein neuer Chirurg, als Vertretung für Dr. Anger?“, glaubte er sich zu erinnern. Als Belegarzt auf der Kinderstation hatte er öfter im Elisabeth-Krankenhaus zu tun.

Andrea nickte. „Richtig. Er fängt nächsten Montag an.“

„Hoffentlich ist er nicht auch so ein Ekel wie der Anger“, meinte Franzi, die zwölfjährige Tochter des Hauses. Sie nahm neuerdings regen Anteil am Leben im Elisabeth-Krankenhaus und interessierte sich für medizinische Belange ebenso wie für den neuesten Krankenhausklatsch.

„Das wäre schrecklich.“ Andrea schnitt eine kleine Grimasse. „Ich weiß weiter nichts von ihm, nur dass er zuletzt an der Uniklinik in Marburg gearbeitet hat.“

„Dann wird er auch eure Dr. Behnke kennen“, warf Hilde Bergen ein, Werners Mutter. Sie war über das, was sich im Elisabeth-Krankenhaus abspielte, ebenfalls gut informiert. Dr. Linda Behnke war eine hervorragende Neurochirurgin, und das Elisabeth-Krankenhaus konnte sich glücklich schätzen, sie regelmäßig als Gastchirurgin zu bekommen.

„Das ist anzunehmen.“ Andrea griff noch einmal zu. Sie hatte ungewöhnlich viele Einsätze mit dem Rettungswagen hinter sich und war heute nicht einmal zu einem Mittagessen gekommen. Entsprechend groß war jetzt ihr Hunger. Und Schwiegermutter Hildes Puszta-Gulasch mit Paprikareis schmeckte vorzüglich, wie alles, was sie auf den Tisch brachte.

Von den beiden neuen Chirurgen, die ans Elisabeth-Krankenhaus kommen würden, kam die Familie auf andere Themen zu sprechen. Werner berichtete von seinem neuesten Sorgenkind, einem siebenjährigen Jungen, der an Muskeldystrophie vom Typ Duchenne litt. Da der arme Kerl sich auch noch eine heftige Grippe eingehandelt hatte, würde Werner nach dem Essen noch einen Hausbesuch bei ihm machen.

„In zwei, drei Jahren wird er im Rollstuhl sitzen“, prophezeite Werner. „Leider ist Muskelschwund noch immer eine unheilbare, tödlich verlaufende Krankheit. Die Muskeln werden immer schwächer und schwächer, und das betrifft nicht nur den Bewegungsapparat. Auch Atemfunktionen und das Herz sind davon betroffen.“

„Dann werden diese Kinder sicher nicht alt“, bemerkte Hilde mitfühlend.

„Nein, sie sterben meist schon in jungen Jahren“, erwiderte Werner.

„So was finde ich total schlimm.“ Auch Franzi war voller Mitgefühl für den kleinen Patienten ihres Vaters. „Bin ich froh, dass ich gesund bin. Und ihr auch“, schloss sie mit einem Blick in die Runde.

„Gesund zu sein sollten wir auch niemals als selbstverständlich betrachten“, sagte Hilde ernst. „Es kann jeden von uns jederzeit treffen.“

„Stimmt“, pflichtete Andrea ihr leise bei. Sie dachte an die hübsche junge Balletttänzerin, zu der sie heute mit ihrem Notarztteam gerufen worden war. Bei Proben war sie gestürzt und mit starken Kopfschmerzen liegen geblieben. Eingehende Untersuchungen im Elisabeth-Krankenhaus hatten ergeben, dass sie an einem Glioblastom litt, einem äußerst bösartigen Gehirntumor. Das bedeutete nicht nur, dass ihre Karriere zu Ende war, sondern auch eine qualvolle Therapie und schließlich den Tod. Und das mit zweiundzwanzig Jahren!

Andrea verzichtete darauf, davon zu erzählen, damit das Abendessen nicht gar zu trübsinnig verlief. Stattdessen kam sie auf ihre Blockhütte im Westerwald zu sprechen, in der sie noch einmal ein Wochenende verbringen wollten, bevor es Winter wurde. Diesmal sollte die ganze Familie mitkommen, einschließlich Dolly, der lebhaften jungen Mischlingshündin. Doch Hilde lehnte ab. Sie hatte bereits ihre eigenen Pläne, die ein Wochenende mit Freundinnen in Amsterdam beinhalteten.

Andrea lächelte verständnisvoll. Hilde war durch und durch ein Stadtmensch. Einem Wochenende in ihrer abgelegenen Waldhütte konnte sie nicht viel abgewinnen.

***

„Ich geh mal auf die Chirurgie“, teilte Andrea Bergen ihren beiden Sanitätern am nächsten Vormittag mit. „Falls etwas sein sollte, wisst ihr, wo ich zu finden bin.“

„Bei Dr. Benrath im Dienstzimmer“, glaubte Jupp Diederichs, der Fahrer des Rettungswagens, zu wissen und grinste.

„Der kocht auch einen viel besseren Kaffee als wir“, fügte Ewald Miehlke, der Rettungssanitäter im Team, mit einer Grimasse hinzu.

„Falsch geraten. Ich gehe nicht wegen Dr. Benraths Kaffee auf die Chirurgie, auch wenn er den besten im ganzen Krankenhaus braut. Ich wollte nach unserer unglücklichen Ballerina sehen, die wir gestern eingeliefert haben, und die neue Assistenzärztin begrüßen.“ Andrea blickte auf die Uhr. „Wenn dann noch kein neuer Einsatz gekommen ist, werde ich anschließend im Personalrestaurant zu Mittag essen.“

„Dann schon mal guten Appetit, Chefin“, wünschte Jupp ihr, und Miehlke schloss sich ihm an.

„Danke. Bis dann.“ Andrea Bergen ging zum Fahrstuhl und fuhr hinauf in den zweiten Stock.

„Wie ist die Gehirntumor-Operation bei Mila Stadler verlaufen?“, erkundigte sie sich bei Dr. Helfridge, dem farbigen Chirurgen aus Los Angeles, der ihr auf dem Korridor der Chirurgie begegnete. Sie wusste, dass er zu dem Team gehört hatte, das unter der Leitung von Oberarzt Dr. Anger dem Glioblastom der jungen Ballerina operativ zu Leibe rücken wollte.

Ein bekümmerter Ausdruck zog über sein sympathisches Gesicht. „Wir konnten nicht operieren“, erklärte er und hob hilflos die Hände. „Der Tumor sitzt zu nahe an lebenswichtigen Bereichen des Gehirns, unter anderem dem Atemzentrum.“

Andreas Hoffnung sank. „Inoperabel?“

John Helfridge nickte. „Leider. Wir werden es mit anderen Methoden versuchen müssen.“

„Chemotherapie?“

Der Kollege wiegte bedächtig den Kopf. „Da sind wir uns noch nicht einig. Es wird wohl eine Kombination aus Chemo- und Strahlentherapie werden. Aber auch stereotaktische Radiochirurgie ist im Gespräch. Gamma-Knife-Behandlungen werden immer populärer und erfolgreicher.“

„Dann besteht also noch Hoffnung für unsere Ballerina?“

„Nicht auf Dauer“, schränkte John Helfridge ein. „Bei Glioblastomen ist die Prognose äußerst schlecht.“

„Das ist so traurig.“ Andrea seufzte. Gut, dass sie gestern Abend nichts von diesem Fall erwähnt hatte! Ihre Familie würde sonst nur Fragen nach der jungen Tänzerin stellen, wenn sie heute Abend nach Hause kam.

„Das ist es“, stimmte John ihr zu. „Oh!“, machte er dann und strahlte plötzlich über das ganze Gesicht.

Andrea wunderte sich darüber. Dann sah sie, dass sein Blick über ihre Schulter gerichtet war, und drehte sich um. Eine attraktive Ärztin mit glatt zurückgekämmten schwarzen Haaren, die sie zu einem üppigen Pferdeschwanz gebunden hatte, kam lächelnd auf sie zu.

„Haben Sie unsere neue Kollegin schon kennengelernt, Frau Bergen?“, fragte Dr. Helfridge.

Sie verneinte, und er machte sie miteinander bekannt.

„Willkommen in unserer Mitte, Frau Gentry“, begrüßte Andrea die neue Assistenzärztin herzlich und reichte ihr die Hand.

„Danke.“ Lächelnd blickte Darla Gentry von einem zum anderen. „Ich fühle mich schon recht wohl bei Ihnen am Elisabeth-Krankenhaus. Alle scheinen sehr nett zu sein. Gerade habe ich Mittagspause und wollte sehen, wo man hier essen gehen kann.“

„Im Haus gibt es zwei Möglichkeiten“, erklärte Dr. Helfridge. „Entweder das Personalrestaurant im dritten Stock oder die Patientencafeteria im Erdgeschoss.“

„Ich wollte gerade ebenfalls zu Mittag essen gehen“, warf Andrea ein. „Ins Personalrestaurant. Haben Sie Lust mitzukommen? Ich würde mich freuen.“

„Oh, sehr gern“, erwiderte Dr. Gentry erfreut.

„Kommen Sie mit, Herr Helfridge?“, fragte Andrea.

„Danke, ich habe bereits zu Mittag gegessen und muss gleich zu einer Operation“, lehnte er ab. „Ein andermal gern.“ Er wünschte den beiden Kolleginnen noch einen angenehmen Tag und ging weiter.

Andrea und Darla betraten den Fahrstuhl und fuhren nach oben. Da es noch relativ früh war, war es diesmal kein Problem, einen Platz zu finden. Ein großer Teil der Tische war noch unbesetzt.

„Setzen wir uns ans Fenster“, schlug Andrea vor und ging voran.

Einen Moment später saßen sie an einem der Fenstertische, von denen aus man in den Park hinunterblicken konnte, der das Elisabeth-Krankenhaus umgab. Nebelschwaden hingen in den Bäumen, und es nieselte leicht.

„Vorbei ist es mit dem goldenen Oktoberwetter“, bemerkte Darla. „Bald steht wieder Weihnachten vor der Tür.“