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Band 1 Eine winterliche Romanze im verschneiten Lappland! Eher widerwillig tritt der erklärte Workaholic Roman einen Weihnachtsurlaub in Lappland an. Sein Vorgesetzter hat ihn dazu überredet, dessen guter Freund Leevi dort eine Schlittenhundefarm betreibt. Als er seinem Gastgeber das erste Mal gegenübersteht, beginnt für ihn eine Achterbahnfahrt der Gefühle, denn der freundliche und äußerst bemühte Naturbursche Leevi weckt Träume und Sehnsüchte in ihm, die sein ganzes bisheriges Leben in Frage stellen. Und dann passieren, sobald es dunkel wird, auch noch ziemlich eigenartige Dinge auf der Huskyfarm, hinter denen einer von Leevis Konkurrenten zu stecken scheint … Band 2 Eine romantische Reise in das winterliche Lappland! Vor einem Jahr hat der einstige Workaholic Roman sein Leben in Berlin hinter sich gelassen, um zu seiner großen Liebe, dem Musher Leevi, nach Lappland zu ziehen. Gemeinsam führen sie ihre Schlittenhundefarm, aber Roman überkommen Zweifel, ob er dem harten Leben im hohen Norden wirklich gewachsen ist. Und dann taucht kurz vor Weihnachten auch noch Leevis Ex auf, der wie der unglaubliche Hulk aussieht, nur ohne die grüne Farbe. Roman will sich unbedingt beweisen – und trifft eine fatale Entscheidung ... Enthält: Huskys, Naturburschen, Schnee, Bumsbudenmusik und Männer mit einem massiven Kommunikationsproblem, obwohl sie schon über 30 sind (und man das offiziell über 16 nicht mehr haben darf).
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Polarnächte
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Polarlichter
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Nachwort
Leseprobe - Nordmond: Kaamos
Gay Romance
© Urheberrecht 2016 Jona Dreyer
Impressum:
Tschök & Tschök GbR
Alexander-Lincke-Straße 2c
08412 Werdau
Text: Jona Dreyer
Coverdesign: Jona Dreyer
Coverbild: Pixabay
Lektorat/Korrektorat: Johanna Temme & Doris Lösel
Kurzbeschreibung:
Eine winterliche Romanze im verschneiten Lappland!
Eher widerwillig tritt der erklärte Workaholic Roman einen Weihnachtsurlaub in Lappland an. Sein Vorgesetzter hat ihn dazu überredet, dessen guter Freund Leevi dort eine Schlittenhundefarm betreibt. Als er seinem Gastgeber das erste Mal gegenübersteht, beginnt für ihn eine Achterbahnfahrt der Gefühle, denn der freundliche und äußerst bemühte Naturbursche Leevi weckt Träume und Sehnsüchte in ihm, die sein ganzes bisheriges Leben in Frage stellen. Und dann passieren, sobald es dunkel wird, auch noch ziemlich eigenartige Dinge auf der Huskyfarm, hinter denen einer von Leevis Konkurrenten zu stecken scheint …
Über die Autorin
»Fantasie ist wie ein Buffet. Man muss sich nicht entscheiden – man kann von allem nehmen, was einem schmeckt.«
Getreu diesem Motto ist Jona Dreyer in vielen Bereichen von Drama über Fantasy bis Humor zu Hause. Alle ihre Geschichten haben jedoch eine Gemeinsamkeit: Die Hauptfiguren sind schwul, bi, pan oder trans. Das macht sie zu einer der vielseitigsten Autorinnen des queeren Genres.
»Willkommen an Bord von Finnair. Unsere Flugzeit von Berlin nach Helsinki wird etwa eine Stunde und fünfzig Minuten betragen.«
Müde ließ sich Roman in seinen Sitz zurücksinken und zog den Sicherheitsgurt noch etwas fester. Er saß in der letzten Reihe, was er auf einem Flug möglichst immer versuchte, denn der Weg zur Toilette war kürzer und man hatte meist keine ungebetenen Sitznachbarn, die einem auf die Pelle rücken konnten. Roman wollte vor allem eines: seine Ruhe. Die würde er dort oben, einen gefühlten Steinwurf von der Arktis entfernt, sicherlich auch bekommen, allerdings war er eher skeptisch, was das Ziel seiner Reise anging. Lappland. Wie zum Geier hatte er sich nur darauf einlassen können?
Ihm selbst war ja eher etwas in sonnigeren Gefilden vorgeschwebt. Karibik, Weihnachten unter Palmen, irgendetwas in der Art. Aber Michael, sein Vorgesetzter, hatte ihm, einem erklärten Workaholic, quasi Zwangsurlaub verordnet. Und ihm so lange eingeredet, dass er nach Lappland zur Schlittenhundefarm seines finnischen Freundes Leevi müsse, bis Roman notgedrungen eingewilligt hatte, um seine Ruhe zu haben.
Während das Flugzeug vom Boden abhob, fragte er sich, ob Michael ihn vielleicht einfach an den Nordpol abschieben wollte, weil er ihm mit seinem Perfektionismus so auf den Wecker fiel. Hundeschlitten. Er würde einen Teufel tun, sich in so ein Ding zu setzen. Er hoffte inständig, dass man ihn, wenn er sich schon dazu hatte breitschlagen lassen, diesen Urlaub anzutreten, wenigstens auch in Frieden ließ.
Er hatte sich ein Buch mit auf seinen Sitz genommen, aber anstatt zu lesen, sah er lieber aus dem Fenster. Der Himmel unter ihm war wolkenverhangen, er konnte nicht bis hinunter auf die Erde sehen. Das Lämpchen, das die Fluggäste dazu anhielt, ihren Gurt geschlossen zu halten, ging endlich aus. Roman schnallte sich ab und streckte sich verstohlen. Die Sitzreihen waren sehr eng, selbst für einen durchschnittlich großen Mann wie ihn, und seine Knie stießen beinahe an den Sitz seines Vordermannes.
»Darf ich Ihnen ein Getränk anbieten?«, schreckte die freundliche Stimme einer Stewardess ihn aus seinen Gedanken. »Kaffee, Tee, Blaubeersaft?«
»Blaubeersaft?«, fragte Roman verwirrt, was die Stewardess als Bestellung missinterpretierte und ihm einen Becher eingoss. Zähneknirschend nahm er ihn entgegen, darauf bedacht, nichts von der dunkelvioletten Flüssigkeit auf seinen hellen Pullover zu verschütten. »Dankeschön.« Ein wenig misstrauisch beäugte er den Inhalt des Bechers und nahm schließlich einen kleinen Schluck. Schmeckte gar nicht übel, angenehm herb-fruchtig mit einer leichten Süße. »Blaubeersaft ...«, murmelte er noch einmal vor sich hin, zuckte mit den Schultern und nahm noch ein paar Schlucke. Das hatte er in einem Flugzeug in der Tat noch nie angeboten bekommen, er kannte nur den allgegenwärtigen Tomatensaft, aus dem sich hier niemand etwas zu machen schien. Im Norden war wohl alles ein wenig anders.
Roman stellte seine Lehne so weit zurück, wie das in der letzten Reihe möglich war und schloss die Augen. Ließ sich die Sonne, der hier oben in kilometerweiter Höhe keine Wolken mehr im Weg waren, ins Gesicht scheinen, während er ein wenig döste und versuchte, alle Gedanken an die Arbeit auszusperren. Das war gar nicht so leicht. Da gab es Projekte, die im neuen Jahr zügig fertig werden mussten. Arbeit, die immer noch unbeendet auf seinem Schreibtisch lag. Neue Sachen, deren Planung bald in Angriff genommen werden sollte. Eigentlich konnte er sich zeitlich gesehen überhaupt keinen Urlaub leisten, nicht einmal über Weihnachten. Aber Michael war da anderer Meinung gewesen. Na, der musste dann ja auch nicht die doppelte Arbeit leisten, wenn er wieder da war …
Irgendwann nickte er ein und wurde erst wieder wach, als knirschend die Durchsage in den Lautsprechern erklang, dass sie sich nun im Landeanflug auf Helsinki befanden. Roman rieb sich müde die Augen, stellte seinen Sitz wieder in eine aufrechte Position und schloss den Gurt. Bald durchbrachen sie die Wolkendecke und der Blick auf die verschneite Hauptstadt Finnlands wurde freigegeben. Mein Gott, Schnee, dachte Roman und wünschte sich lieber an einen Sandstrand. Aber Schnee war besser als der ekelhafte Nieselregen bei 10°C, der in den letzten Tagen zu Hause gefallen war.
Bei der Landung fragte er sich für einen flüchtigen Moment, wie viele Unfälle wohl mit Flugzeugen und Eisglätte passierten, aber sie setzten sicher auf und rollten ohne Zwischenfälle von der Landebahn. Roman blickte auf die Uhr. Er hatte nur fünfzehn Minuten Zeit, um in das nächste Flugzeug umzusteigen, das ihn an sein endgültiges Ziel nach Rovaniemi im Norden des Landes bringen würde. Entsprechend beeilte er sich und hastete von einem Gate zum anderen, damit seine Koffer sich nicht etwa ohne ihn auf die Weiterreise machten.
Die Inlandsmaschine war deutlich kleiner als die, die ihn in die Hauptstadt gebracht hatte. Ihm wurde ein wenig mulmig, als er sie bestieg. Die vielen Asiaten, die im Flugzeug von Berlin nach Helsinki gesessen hatten, waren fort. Stattdessen umgaben ihn nun hauptsächlich Einheimische, aber er saß wieder allein in der letzten Reihe. Diesmal bestellte er ganz bewusst einen Blaubeersaft und achtete auch gar nicht mehr so sehr darauf, ihn nicht zu verschütten. Als ob es irgendein Rentier dort oben interessiert, ob ich Flecken auf dem Pulli habe, dachte er bei sich und blätterte mit wenig Aufmerksamkeit im Bordkatalog, bevor er diesen wieder weglegte. Er fragte sich, ob die Kleidung, die er eingepackt hatte, wohl warm genug war. Was er in diesen zehn Tagen im Schnee mit sich anfangen sollte. Und wie dieser Leevi wohl war. Er stellte sich einen weißblonden Mann um die fünfzig vor, mit wettergegerbtem Gesicht und rauem Händedruck. Er wusste nicht, ob dieser Mann Familie hatte und wie genau er lebte. Michael hatte einfach behauptet, es sei wie im Märchen und er solle sich überraschen lassen. Roman fragte sich, welches Märchen sein Vorgesetzter dabei wohl im Sinn gehabt hatte. Väterchen Frost? Wer wusste das schon. Am Ende war alles besser, als zu Hause am Familientisch zu sitzen und den anderen beim Streiten zuzuhören. Seine Schwester, die sich mit seinem Schwager ankeifte, seine Mutter, die sich fortwährend die Haare raufte und sein Bruder, der schon vor sechzehn Uhr betrunken war. Nein, das musste er sich nicht antun.
Beim Landeanflug auf Rovaniemi warf er einen weiteren Blick aus dem Fenster und stellte fest, dass hier noch sehr viel mehr Schnee lag als in Helsinki. »Scheiße, ich bin nach Sibirien geflogen«, murmelte er und schüttelte sachte den Kopf. Es ging ein ziemlicher Wind, der das Flugzeug erfasste und durchschüttelte, während sie landeten. Roman verspürte eine leise Übelkeit und hielt sich verstohlen an seiner Armlehne fest. Er konnte sich ein erleichtertes Aufatmen nicht verkneifen, als die Räder des Flugzeugs auf dem Boden aufsetzten und sie langsam von der Landebahn rollten. Es begann zu schneien und war bereits dunkel, als er aus der Maschine ausstieg. Kalter Wind wehte ihm um die Ohren und er kramte eilig seine Mütze aus der Tasche und setzte sie auf. Ihn fröstelte. Er sehnte sich einmal mehr nach der Karibik.
Als er endlich das Flughafengebäude betrat, fragte er sich, ob er je zuvor auf einem so kleinen Flughafen gewesen war. Alles war äußerst übersichtlich. Aber das hatte auch große Vorteile: Er musste kaum auf sein Gepäck warten. Es vergingen keine zwei Minuten, ehe die ersten Koffer auf dem Fließband landeten. Mit einem Seufzen zog er den seinen herunter und machte sich auf den Weg in den Empfangsbereich. Dieser Leevi wollte ihn abholen, so hatten sie es per Email vereinbart, und Roman hoffte, dass der Mann sich nicht verspäten würde. Der Rücken und die Knie schmerzten ihm von den unkomfortablen Flugzeugsitzen und er war müde. Er sehnte sich nur noch nach etwas zu essen, einer Dusche und einem gemütlichen Bett. Alle anderen Pläne würde er dann schmieden, wenn er einigermaßen erholt und ausgeschlafen war.
Suchend sah er sich um. Es war ziemlich blöd, dass er nicht wusste, wie Leevi aussah, aber dieser hatte versprochen, ein Schild mit Romans Namen hochzuhalten. Die anderen Menschen, die mit ihm im Flugzeug gesessen hatten, verließen eilig das Gebäude. Nur wenige wurden in der Wartehalle von anderen empfangen. Roman befürchtete schon, bald allein hier zu sein, als er schließlich doch noch das Schild mit seinem Namen entdeckte: Roman Brandstädter. Der Mann, der es in den kräftigen, langfingrigen Händen hielt, war allerdings weder blond, noch um die fünfzig. Sein Haar, ein wenig plattgedrückt von der Mütze, die er vermutlich noch bis vor wenigen Minuten getragen hatte, war hellbraun und er war höchstens fünfunddreißig. Er trug dicke, warme Winterkleidung, die dennoch nicht verbarg, wie schlank und hochgewachsen er war. Roman war überrascht.
»Roman?«, fragte der Mann, als er ihn bemerkte.
»Kyllä«, antwortete er, eines der wenigen finnischen Wörter, die er sich gemerkt hatte.
Der andere schenkte ihm ein freundliches Lächeln, bei dem er schöne, gerade Zähne offenbarte. »Puhutteko suomea?«, fragte er neugierig.
Peinlich berührt kratzte sich Roman am Kopf. »Tut mir leid, ich ...«
»Schon gut«, erwiderte sein Gegenüber grinsend.
»Aber Sie sprechen Deutsch?«, erkundigte sich Roman erstaunt.
»Nur ein bisschen«, erklärte der andere ein wenig holprig und mit einem starken Akzent. »Ich habe es in der Schule gelernt. Mein Name ist Leevi Koskinen.«
Es war also tatsächlich Leevi, Michaels finnischer Freund. Kein Neffe oder Sohn oder irgendjemand, den der Gastgeber in Vertretung geschickt hatte, um ihn abzuholen. »Sehr angenehm. Ich bin Roman.« Er streckte ihm die Hand hin und der andere ergriff sie. Wenigstens diese Sache war in Romans Vorstellung korrekt gewesen: Leevis Händedruck war rau.
»Dann fahren wir mal nach Hause, was?«, verkündete er. Diesmal auf Englisch, einer Sprache, in der sie beide wohl am besten miteinander kommunizieren konnten.
»Gern«, entgegnete Roman und war ein wenig irritiert, als Leevi ihm den Koffer und das Handgepäck abnahm und sie nach draußen trug, während er ein wenig nutzlos hinterherdackelte. Sie gingen zu einem robusten Geländewagen und Leevi verstaute das Gepäck im Kofferraum, während Roman auf der Beifahrerseite einstieg.
»Los geht’s«, verkündete sein Gastgeber mit einem strahlenden Lächeln, während er den Motor anließ. »Wir fahren ungefähr eine halbe Stunde.«
Roman verkniff sich die Frage, ob ihr Ziel noch weiter im Niemandsland lag, als die kleine Stadt Rovaniemi und schwieg, während er auf Leevis inzwischen wieder behandschuhte Finger am Lenkrad starrte. Er versuchte, sich daran zu erinnern, wie sie ohne die Handschuhe ausgesehen hatten und fragte sich im gleichen Moment, was das sollte. Welchen Grund gab es, einem wildfremden Mann auf die Hände zu glotzen?
»Weißt du schon, was du alles machen möchtest?«, wollte Leevi unvermittelt wissen. »Eine Tour mit dem Hundeschlitten? Eisangeln? Eine Schneewanderung? Polarlichter anschauen?«
»Polarlichter auf jeden Fall«, erklärte Roman, »alles andere überlege ich mir noch.« Eisangeln? Schneewanderung? Um Gottes willen, bloß nicht!, fügte er in Gedanken hinzu. Irgendwie würde er diesem Leevi vermitteln müssen, dass er kein Entertainment-Programm wollte, sondern nur seine Ruhe.
Sie fuhren durch einsame Straßen, auf denen ihnen, seit sie die Stadt verlassen hatten, kein einziges anderes Fahrzeug mehr begegnete. Dicke Schneeflocken reflektierten im Scheinwerferlicht und trotz, dass Leevi die Heizung im Auto aufgedreht hatte, zog Roman seinen Schal ein wenig höher ins Gesicht, weil ihm kalt war.
Endlich kam so etwas wie ein kleines Dorf in Sicht, nicht mehr als eine Ansiedlung ein paar weniger Häuser.
»Hattest du einen guten Flug?«, erkundigte sich Leevi unvermittelt und bog in eine kleine Seitenstraße ab, die wieder aus dem Dorf hinauszuführen schien.
»Ja«, gab Roman ein wenig gedankenverloren zurück, »nur die Landung in Rovaniemi war ein wenig holprig.«
»Ich bin froh, dass du gut angekommen bist. Ich hoffe, deine Unterkunft wird dir gefallen.«
Roman nickte und ein paar Gewissensbisse überkamen ihn, weil Leevi die ganze Zeit so freundlich war, während er selbst sich heimlich in die Karibik wünschte. Sein Gastgeber lenkte den Wagen auf ein weiträumiges Grundstück mit mehreren Gebäuden und einem sehr großen Hundezwinger mit Hundehütten und deren Bewohnern, die wie Wölfe heulten, sobald Leevi und Roman aus dem Auto stiegen.
»Sie begrüßen dich«, verkündete Leevi mit einem Augenzwinkern.
»Wie viele sind das?«, fragte Roman, der es ein wenig mit der Angst zu tun bekam. »Und können die über den Zaun springen?«
»Es sind zwölf.«
»Du hast zwölf Hunde?«
Leevi nickte. »Acht Rüden und vier Hündinnen. Und nein, sie können nicht über den Zaun springen. Du musst keine Angst haben. Sie sind gerade laut, aber sehr friedlich und sozial.«
Roman wurde beim Anblick der umherspringenden Huskys dennoch ein wenig eng in der Kehle, aber er sagte nichts mehr, sondern lief Leevi hinterher, der auf ein kleineres Gebäude zusteuerte, das ein wenig abseits vom Wohnhaus, dem Zwinger und der Scheune stand. Ein kleines, niedliches Holzhäuschen. Der Gastgeber schloss die Tür auf, schaltete das Licht an und bat Roman herein.
»Willkommen in deinem Domizil für die nächsten zehn Tage«, verkündete er. »Ich hoffe, es gefällt dir. Ich habe den Kamin heute Nachmittag schon angeheizt, damit du es schön warm hast.« Er griff prüfend an die Ziegel und sein zufriedenes Lächeln schien zu bedeuten, dass der Ofen noch warm war. »Ich führe dich mal herum, ja? Also das hier ist, wie du siehst, das Wohnzimmer. Und gleich hier hinten«, er machte ein paar Schritte nach vorn, »ist die offene Küche. Es gibt einen Kühlschrank und einen Gasherd. Ich habe einige Grundnahrungsmittel wie Nudeln, Kartoffeln, Brot, Salz und so weiter schon für dich bereitgestellt. Kannst du einen Gasherd bedienen oder soll ich es dir zeigen?«
»Nein«, erklärte Roman ein wenig verunsichert. »Ich kann überhaupt nicht kochen. Mich würde vielmehr interessieren, wo ich hier ein Restaurant oder einen Imbiss finden kann.«
Leevi schien ein wenig aus dem Konzept gekommen und kratzte sich irritiert am Kopf. »Restaurants gibt es in Rovaniemi, aber hier nicht.«
»In Rovaniemi?«, fragte Roman entsetzt. »Soll das heißen, ich muss jeden Tag nach Rovaniemi fahren, um etwas zu essen?«
»Nein, ich – ich dachte, du … ich dachte, wir gehen einkaufen und dann ...« Hektische, rote Flecken erschienen auf Leevis Wangen. Die Situation schien ihm sehr unangenehm zu sein. Aber Roman fühlte sich nicht minder unbehaglich.
»Ich sagte ja schon, ich kann nicht kochen. Du hättest mir das vielleicht vorher sagen sollen, dass ich mich hier selbst versorgen muss.«
Leevi biss sich auf die Unterlippe und senkte seinen Blick. »Ja, das hätte ich wohl tun sollen. Ich bin einfach davon ausgegangen, dass du das weißt. Es ist hier so üblich … wir sind hier nicht gerade dicht besiedelt, da gibt es nicht viele Restaurants. Verzeih mir. Wir werden eine Lösung finden, in Ordnung?«
Roman nickte, auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, wie diese Lösung aussehen sollte. Leevi zeigte ihm noch das kleine, gemütlich aussehende Schlafzimmer und verabschiedete sich dann vorläufig.
»Ich lasse dich erst mal in Ruhe auspacken. Ich komme nachher noch einmal und schaue nach dem Rechten, ist das in Ordnung?«
»Ja, natürlich.«
Nachdem sein Gastgeber das Haus verlassen hatte, zog Roman seine Jacke aus und setzte sich seufzend auf die Couch. Das konnte ja etwas werden. Kein Restaurant, er konnte nicht kochen, wie man einen Kamin anheizte, wusste er auch nicht und die Toilette glich eher einem Plumpsklo. Manche mochten das urig-gemütlich finden, aber Roman bevorzugte eher Hotel-Standards. Was hatte Michael sich nur dabei gedacht, ihn hierher zu schicken? Er kannte ihn schließlich und musste doch wissen, dass so etwas wie hier ihm nicht zusagte. Er stöhnte auf und rieb sich mit den Händen über das Gesicht. Sein Magen knurrte und er war müde. Träge stand er auf und schlurfte hinüber in die Küche. Zumindest ein Butterbrot konnte er sich schmieren. Das war schon mal besser als nichts.
»Voi paska! Nuija!«, fluchte Leevi vor sich hin, während er durch das immer dichter werdende Schneegestöber zu seinem Haus hinüberstapfte. Das war kein guter Einstand. Es war aber auch seine eigene Schuld! Wie konnte er nur ein so schlechter Gastgeber sein? Es war Abend, sein Gast hatte Hunger und er war einfach davon ausgegangen, dass dieser kochen konnte. So würde er gewiss keinen guten Eindruck auf Roman machen. Er musste das schnellstmöglich wieder ausbügeln.
Im Haus zog er hastig Stiefel und Jacke aus und warf sie achtlos in eine Ecke. Taneli, sein ältester Hund, der seinen Lebensabend bei ihm im Haus verbringen durfte, kam ihm entgegen getrottet. »Hei, alter Knabe«, begrüßte er den Vierbeiner. »Ich habe leider gar keine Zeit, um dich hinter den Ohren zu kraulen, denn ich muss ein Abendessen für meinen Gast richten, sonst reist er bestimmt gleich morgen wieder ab. Und das will ich nicht. Er ist nämlich sehr hübsch.« Er schenkte sich selbst ein gequältes Grinsen, machte sich an die Arbeit und heizte den Ofen vor. Für ein großes Menü blieb keine Zeit, aber er wollte, dass Roman für heute Abend zumindest satt und zufrieden war.
Roman. Leevi murmelte den Namen vor sich hin. Es war ein schöner Name. Aber sein Gast, der Bekannte seines deutschen Freundes Michael, von dem dieser ihm bei seinem letzten Besuch vorgeschwärmt hatte, schien sich hier nicht wohlzufühlen. Oder lag es vielleicht gar nicht an der Umgebung, sondern an ihm? Hatte Michael Roman kein Foto von ihm gezeigt, oder wurde er dem Foto nicht gerecht? Er sollte aufhören, sich so viele Hoffnungen zu machen. Es wäre ohnehin schwierig genug – Roman in Deutschland, er hier oben in Lappland. Aber es war nicht so einfach, eigentlich nahezu unmöglich, als schwuler Mann am Ende der Welt, wo kaum Leute lebten, einen Partner zu finden. Deshalb hatte er sich auf Michaels Verkupplungsversuch mit Roman, der ebenfalls schwul und partnerlos war, eingelassen. Aber wenn er sich so anstellte, dann brauchte er sich wirklich keinerlei Chancen auszurechnen.
Er fragte sich, ob sein gekochtes Abendessen wohl reichen würde, um den schlechten ersten Eindruck wieder wettzumachen, während er Würstchen in der Pfanne briet, Kartoffelpüree bereitete und im Ofen einen Leipäjuusto, einen speziellen finnischen Käse, buk. Als alles fertig war, lud er es auf ein Tablett und deckte es gut ab, damit es auf dem Weg zum Gästehaus nicht sofort kalt wurde. Er zog sich wieder an und machte sich auf den Weg. Vor der Tür der kleinen Blockhütte klopfte er mit dem Fuß an die Tür, weil er keine Hand frei hatte. »Roman?«
Es dauerte eine Weile, bis sein Gast zur Tür kam und ihm öffnete. »Oh, hallo.«
»Ich bringe Abendessen mit«, verkündete Leevi feierlich und hoffte, Roman damit zu beeindrucken.
Dessen Augen wurden groß. »Oh? Ich habe gerade mit mäßigem Erfolg versucht, mir ein Spiegelei zu braten. Es ist unten schwarz und oben roh. Hätte ich gewusst, dass du kochst, hätte ich mir das erspart.«
»Ich muss mich bei dir entschuldigen«, bekannte Leevi und wünschte, sein aufgeregter Herzschlag würde sich nicht so sehr im Klang seiner Stimme zeigen. »Ich war wirklich schlecht vorbereitet. Du sollst während deines Aufenthaltes hier natürlich nicht hungern. Ich werde für dich kochen. Ich hoffe, du findest mein Essen genießbar.«
Romans Augen weiteten sich überrascht und seine Wangen röteten sich leicht. »Danke, das ist … das ist wirklich nett von dir.«
Leevi bekam weiche Knie. Dieser Kerl war wirklich genau sein Typ – dunkelhaarig, sehr maskuline Gesichtszüge, schlank und in seinem Alter oder vielleicht zwei, drei Jahre älter. Seine braunen Augen wirkten warm, aber auch ernst. Himmel, er wünschte sich, Roman würde ihn genau so attraktiv finden wie Leevi ihn. Er schüttelte kurz den Kopf, um seine Gedanken zu ordnen, während Roman ihm das Tablett abnahm und es hinüber zum Küchentisch trug.
»Es gibt Würstchen mit Kartoffelpüree und Möhren, und Leipäjuusto mit Moltebeeren«, erklärte er und zog Jacke und Stiefel aus. Er hoffte, dass Roman nichts dagegen hatte, wenn sie gemeinsam zu Abend aßen.
»Leipä– was?«
»Leipäjuusto. Das ist eine finnische Käsespezialität.«
»Ich bin gespannt.« Roman holte Teller, Gläser und Besteck aus dem Schrank und deckte für sie beide ein. »Es wäre übrigens nicht nötig gewesen, dass du extra für mich kochst«, murmelte er.
Leevi winkte ab. »Das habe ich doch gern gemacht. Du sollst in deiner ersten Nacht in Lappland schließlich nicht hungrig zu Bett gehen.« Wieder fragte er sich, ob Roman seine Gegenwart unangenehm war. Und wenn ja, wie sie dann die nächsten zehn Tage gestalten sollten, ohne sich gegenseitig auf die Nerven zu fallen.
Sie setzten sich an den Tisch, wünschten sich einen guten Appetit und begannen zu essen. Roman schien wirklich sehr hungrig zu sein; jedenfalls war sein Teller mit Würstchen, Kartoffelpüree und Möhrengemüse schon leer, als Leevi noch nicht einmal die Hälfte verspeist hatte.
»Das hat ziemlich gut geschmeckt«, erklärte er und Leevi freute sich insgeheim über das Lob. »Jetzt probiere ich mal diesen Käse.«
Leevi hielt inne und beobachtete, wie sich Roman eine kleine Ecke Leipäjuusto abschnitt, sie in Moltebeerenmarmelade tunkte und an den Mund führte. Er fragte sich, wie diese Lippen sich wohl beim Küssen anfühlen mochten, während er beobachtete, wie sie sich um die Gabel schlossen. Du solltest nicht so starren, ermahnte er sich selbst und richtete seinen Blick hastig auf seinen eigenen Teller.
»Interessante Konsistenz«, bemerkte Roman. »Es quietscht beim Kauen.«
Leevi lächelte. »Ja, das stimmt.«
»Aber es schmeckt überraschend gut.«
Jetzt lächelte auch Roman und Leevis Herz schlug so heftig gegen seine Brust, dass es schmerzte. Ohne Zweifel, er war schon verknallt gewesen, als Michael ihm ein Bild von Roman gezeigt hatte, und noch mehr, seit er ihn vor wenigen Stunden das erste Mal am Flughafen gesehen hatte. Jetzt allerdings wurde es so schlimm, dass ihm davon übel wurde, weil ihm von seinem Herzrasen der Kreislauf verrückt spielte. Lieber Gott, kannst du bitte dafür sorgen, dass er sich in mich verliebt?, betete er stumm. Er hatte zehn Tage Zeit, um Roman dazu zu bringen. Immerhin war dieser hierher gekommen, zu ihm ans Ende der Welt. Das bedeutete doch, dass er ihm eine Chance geben wollte, oder nicht? »Soll ich den Kamin nochmal anheizen?«, fragte er, weil er trotz seiner inneren Hitze bemerkte, dass das Haus langsam ein wenig auskühlte.
»Das wäre nett, ja«, entgegnete der andere. »Ich weiß nämlich nicht so richtig, wie das geht.«
Leevi ging mit Roman zum Kamin und zeigte ihm, wie man das Holz richtig schichtete und ein Feuer entzündete. »Vergiss nicht, den Abzug oben zu öffnen. So eine Kohlenmonoxidvergiftung holt man sich nur einmal im Leben, denn danach ist keins mehr übrig.«
»Oha. Ja, da passe ich mal lieber auf.« Roman wirkte ziemlich erschrocken und Leevi beschloss, sicherheitshalber mehrmals am Tag zur Kontrolle zu kommen. Immerhin ein Vorwand mehr, Roman möglichst häufig aufzusuchen.
Ein wenig verlegen standen sie sich gegenüber, bis sich Leevi räusperte. »Ich gehe dann mal«, murmelte er. »Wenn du irgendwas brauchst, komm einfach rüber ins Haus oder schreib mir eine Mail, dann komme ich her.«
»In Ordnung.«
»Also dann.« Er warf seinem Gast ein scheues Lächeln zu, während er sich Jacke und Stiefel anzog. »Gute Nacht und schöne Träume.«
Roman nickte und schien ein wenig abwesend. »Ja, du auch.«
Leevi verließ das Haus und atmete einmal tief durch, als er die Tür hinter sich schloss. Ihm war schwindelig, denn seine Gefühlswelt hatte sich zu einem wilden Achterbahnritt entschlossen. Er konnte kaum an Roman denken, ohne rot zu werden. Allerdings gab es da ein kleines Problem: Der andere schien sich kaum für ihn zu interessieren, jedenfalls wich er ständig seinen Blicken aus und war eher von der wortkargen Sorte. Vielleicht braucht er ja nur ein Weilchen, um aufzutauen, sprach er sich selbst Mut zu, und Auftauen ist hier im winterlichen Lappland ja eher eine schwierige Angelegenheit. Er selbst, Leevi, mochte keine sonderlich beeindruckende Person sein, aber wenn er seinem Gast dessen Aufenthalt so schön wie möglich gestaltete, brachte dieser die positiven Gefühle vielleicht mit ihm in Verbindung und sah ihn mit anderen Augen.
Eigentlich war es vollkommen verrückt, sich so in diese Sache hineinzusteigern. Der Mann war im Grunde genommen ein Fremder. Sie waren sich nie zuvor begegnet, er kam sogar aus einem anderen Land. Und trotzdem hatte Leevi Hoffnung. Nicht nur, weil Michael der Meinung war, dass sie beide sich guttun würden, sondern vielleicht auch ein wenig, weil Weihnachten immer für Hoffnung stand. Für Frieden und Besinnlichkeit und den Wunsch, dass alles besser werden würde, auf der ganzen Welt, besonders aber in der eigenen. Und gegen dieses Kribbeln im Bauch, das sich gegen jede Vernunft stellte, war man ohnehin machtlos. Warum also nicht auf das Beste hoffen? Was hatte er schon zu verlieren? Richtig – nichts. Er hatte hier und da ein paar kurze Beziehungen gehabt, als es ihn mit Anfang zwanzig für drei Jahre in die Hauptstadt gezogen hatte, aber seine Sehnsucht nach seiner lappländischen Heimat war größer gewesen und so war er zur heimischen Schlittenhundefarm zurückgekehrt, die er inzwischen ganz allein führte, da seine Eltern vor wenigen Jahren innerhalb kurzer Zeit verstorben waren.
Leevi war nicht wirklich allein, denn er hatte Nachbarn, die ihm gute Freunde waren. In einer solch kleinen Dorfgemeinschaft hielten sie alle zusammen. Aber natürlich konnten die Nachbarn ihm keinen Partner ersetzen. Und nach einem solchen sehnte er sich an den langen Abenden, an denen er am Kaminfeuer hockte und nichts Rechtes mit sich anzufangen wusste. Er hatte sich oft vorgestellt, wie ein Mann bei ihm saß, einen Arm um seine Schultern und er seinen Arm um die Taille des anderen. Sie würden miteinander reden oder einfach schweigen und die Gegenwart des anderen genießen. Jetzt stellte er sich Roman an seiner Seite vor. Überlegte, wie es wohl gewesen wäre, wenn er jetzt nicht gegangen, sondern bei ihm geblieben wäre. Aber er wollte ihn nicht schon am ersten Abend überfordern. Er war schließlich selbst schon ziemlich mit seinen Gefühlen überfordert.
Nachdem er in seinem Haus angekommen war und sich ausgezogen hatte, schrieb er eine Mail an Michael:
Hei mein Freund,
mein Gast ist gut angekommen. Allerdings werde ich den Eindruck nicht los, dass er nicht so richtig auf das vorbereitet war, was ihn hier erwartet. Ich hoffe, das wird kein großer Reinfall für ihn.
Liebe Grüße
Leevi
Seufzend lehnte er sich zurück und warf einen verstohlenen Blick aus dem Küchenfenster, von dem aus er das Gästehaus im Blick hatte. Dort brannte noch Licht. Er fragte sich, was Roman wohl gerade machte. Ob das Essen ihm auch wirklich geschmeckt hatte? Ob es noch warm genug in der Hütte war?
Vielleicht sollte er Roman morgen einmal ganz unverbindlich in seine hauseigene Sauna einladen. Hier in Finnland war das Saunieren eine ziemlich gesellige Angelegenheit, in der die Gesprächsatmosphäre viel lockerer war als anderswo. Vielleicht konnte sich auch Roman im wahrsten Sinne des Wortes dafür erwärmen. Ja, das klang nach einer guten Idee.
Leevi hatte sich gerade in seinen Sessel zurückgelehnt, als hinterm Haus, in der Nähe des Hundezwingers, das Licht anging. Der Bewegungsmelder reagierte nicht auf Kleintiere, also musste da etwas – oder jemand – Größeres sein. Ein Blick hinüber zum Gästehaus verriet, dass es offenbar nicht Roman war, der herüberkam, denn dort brannte Licht und er meinte auch, seine Silhouette hinter den Vorhängen zu erkennen. Es war nicht das erste Mal, dass jemand bei Nacht auf Leevis Grundstück herumzuschleichen schien. Er beobachtete seit Tagen, wie immer wieder der Bewegungsmelder anging und die Hunde nervös wurden, aber er konnte des Eindringlings nicht habhaft werden. Allerdings hatte er einen Verdacht.
Fluchend erhob er sich, zog seine Jacke über und bewaffnete sich mit dem dicken Stock und einer Taschenlampe, die er direkt hinter der Tür deponiert hatte. Erst als er hinausgegangen und ein paar Schritte durch den Schnee gestapft war, bemerkte er, dass er noch immer seine Hausschuhe trug, die langsam auf eine ekelhafte, nasskalte Weise bis auf seine Socken durchweichten. Er ignorierte es und schlich vorsichtig um die Ecke. Niemand war zu sehen und auch die Hunde schienen sich langsam wieder zu beruhigen. Leevi leuchtete mit seiner Taschenlampe den Boden ab und fand Spuren, die allerdings schneller wieder verweht wurden, als er ihnen folgen konnte. Sie sahen ziemlich menschlich aus. Und sie verloren sich irgendwo in Richtung Wald.
Misstrauisch ging Leevi zurück zum Zwinger und sah bei den Hunden nach dem Rechten. Alles schien normal. Sie sprangen fröhlich um ihn herum, während er in der Zwingeranlage umherging und alles ableuchtete. Die Futternäpfe waren leer gefressen … und auch hier gab es Fußspuren. Wieder einmal.
»Voi paska!«, fluchte Leevi. Er würde sich Überwachungskameras zulegen müssen. War das denn zu glauben, dass so etwas selbst hier oben, wo kaum jemand lebte und jeder jeden kannte, vonnöten war? Er verließ die Anlage und ging noch eine Kontrollrunde ums Haus. »Ich weiß, dass du das warst, Oskari Laukkanen!«, brüllte er. »Hörst du mich? Wenn ich dich eines Tages erwische, und das werde ich, dann prügele ich die Scheiße aus dir heraus, das schwöre ich dir!« Er knurrte wie einer seiner Hunde und ging missmutig zurück zum Haus.
Leevi war sicher, dass hinter diesen seltsamen, nächtlichen Besuchen Oskari Laukkanen steckte, ein Kerl aus dem Nachbarort, der ebenfalls eine Schlittenhundefarm besaß und lieber auf scharfe Konkurrenz, denn auf brüderliche Zusammenarbeit setzte. Er hatte den Verdacht, dass dieser seinen Hunden irgendetwas antun wollte, vielleicht Giftköder auslegte, am Zwinger manipulierte, damit die Hunde ausbrechen konnten und irgendein Unglück passierte, das Leevi große Probleme bereiten würde. Er musste sich den Zwinger morgen noch einmal ganz genau anschauen und jeden Hund untersuchen. Laukkanen traute er im Zweifelsfall alles zu.
»Leevi?«, rief es plötzlich hinter ihm. Er fuhr herum. Es war Roman, der, lose eine Jacke übergezogen, ein wenig ratlos vor ihm stand. »Ist alles in Ordnung? Ich habe dich rufen gehört und die Hunde haben geheult.«
»Oh!«, machte Leevi. »Kein Grund zur Sorge. Da hat nur irgendein Tier den Bewegungsmelder ausgelöst. Nichts Ungewöhnliches hier.« Es war besser, wenn Roman nichts von den seltsamen Vorkommnissen wusste. Es würde ihn nur unnötig verunsichern, wo er doch so schon nicht so recht zu wissen schien, was er von der ganzen Situation halten sollte.
»Okay. Du, das klingt vielleicht blöd, aber … in die Häuser können die nicht rein, oder?«
Leevi lächelte. »Die Tiere? Nein, keine Angst. Wie gesagt, wenn irgendetwas ist, ich bin gleich hier im Haus und mein Handy bimmelt, wenn ich eine Mail bekomme.«
»Gut.« Roman nickte und zog sich die Jacke fester um den schlotternden Körper. »Ich gehe dann mal wieder rein. Es ist scheißkalt hier draußen. Gute Nacht.«
»Gute Nacht.« Ein wenig verdattert blickte Leevi ihm hinterher. Hatte Roman gerade wirklich geflucht?
Roman konnte nicht schlafen. Ständig bildete er sich ein, Geräusche von Tieren zu hören, die an der Hauswand kratzten. Ob es hier wohl Bären gab? Leevi hatte behauptet, die Tiere kämen nicht ins Haus, aber Bären waren klug, warum sollte ein solcher nicht in der Lage sein, eine Türklinke herunterzudrücken? Zumal man es hier offensichtlich für überflüssig hielt, abzuschließen, jedenfalls hatte er nirgendwo einen Schlüssel finden können.
Unruhig wälzte er sich hin und her und zog sich die Decke bis über seine Nasenspitze. Wie sollte er das nur zehn Tage lang durchhalten? Gewöhnte man sich irgendwann an die Geräusche? Wie konnte Leevi hier nur ruhig schlafen?
Leevi. Der Kerl brachte ihn durcheinander mit seiner Freundlichkeit und seiner Zuvorkommenheit. Und das, obwohl Roman ziemlich unfreundlich zu ihm gewesen war. Er hatte ihm sogar Essen gekocht – eine etwas gewöhnungsbedürftige Menüzusammenstellung, aber überraschend schmackhaft. Und dann war da noch die Tatsache, dass der Kerl unverschämt gut roch. Nach Rauch, nach Holz, nach Freiheit. Einer Art von Freiheit, die Roman faszinierte und zugleich ein wenig Angst machte. Was war das für ein Leben, das Leevi hier lebte, mit nichts als Schnee und seinen vielen Hunden? Hatte er Familie? Bislang war noch niemand anderes zu sehen gewesen, aber vielleicht waren bei seiner Ankunft auch alle schon zu Bett gegangen, wer weiß.
Leevi. Roman murmelte den Namen vor sich hin. Es war ein schöner Name. Einfach auszusprechen, was man nicht von allen finnischen Namen behaupten konnte. Verdammt, warum dachte er über diesen Namen nach? Wurde er nach ein paar Stunden oberhalb des Polarkreises schon sonderlich? Ohne Zweifel, dieser Leevi war ein attraktiver Mann mit seinem strahlenden Lächeln und seinem Dreitagebart, der ihm etwas Verwegenes verlieh, während Roman damit eher wie ein Obdachloser aussah. Allerdings sorgten all diese Gedanken dafür, dass er den kommenden Tagen mit noch mehr Skepsis entgegenblickte. Wie schwierig es war, sich in der Gegenwart eines Mannes zusammenzureißen, den man anziehend fand, hatte er leidlich erfahren.
Da war dieser eine Kollege gewesen, Jannik, dessen Signale er völlig fehlgedeutet hatte. Oder besser gesagt: bei dem er Signale wahrgenommen hatte, wo gar keine gewesen waren. Als er schließlich seinen ganzen Mut zusammengenommen und Jannik nach einem Date gefragt hatte, hatte dieser ein Gesicht gemacht, als wolle er Roman gleich vor die Füße speien. Das Arbeitsklima war danach dermaßen hinüber gewesen, dass sich Jannik sogar in eine andere Abteilung hatte versetzen lassen. Roman fand das ziemlich albern und fragte sich immer wieder, ob der Kerl auch bei einer Frau so reagiert hätte, oder ob er einer von der Sorte war, der glaubte, homosexuelle Männer seien alle potentielle Analvergewaltiger.
Eine solche Pleite wollte er jedenfalls nicht noch einmal erleben. Vor allem nicht hier, wo er für die nächsten anderthalb Wochen nicht wirklich eine Ausweichmöglichkeit hatte. Gähnend stand er auf. Sein Magen knurrte, er brauchte etwas zu essen. Draußen war noch finsterste Nacht, aber ein Blick aus dem Fenster nach drüben zum Haupthaus verriet, dass Leevi auch schon wach war, denn dort brannte Licht.
Ein Blick auf die Uhr ließ Roman stutzen. Sie zeigte acht Uhr morgens an. Es dauerte ein paar Momente, bis er einmal mehr begriff, wo er hier wirklich war: sehr weit oben im Norden. Und das bedeutete, dass die Tage verdammt kurz waren. Gott im Himmel, war das deprimierend. Hier war ja um diese Jahreszeit praktisch dauerhaft Nacht. Wie hatte er das nur vergessen können? Mit einem Seufzen zog er sich an. Wenigstens war es hier im Haus noch angenehm warm, der Kaminofen hatte die Temperatur auf einem angenehmen Level gehalten, aber er würde Leevi nachher bitten müssen, wieder nachzulegen. Nein, er würde es selbst versuchen. Er wollte seinen Gastgeber nicht öfter behelligen, als es wirklich nötig war. Weshalb er sich nun ebenso allein, wie er den Kamin anheizen wollte, um sein Frühstück kümmern würde. Er hatte Brot, Butter, Käse und Eier im Kühlschrank. Ein Butterbrot mit Käse, dazu ein schönes Spiegelei, das war doch ein guter Start in den Tag, wann auch immer die Sonne hier auf die Idee kam, sich über den Horizont zu quälen.
Es kann so schwer nicht sein, dachte er bei sich und erhitzte Öl in einer Pfanne. Das schaffst du, sprach er sich im Stillen zu, es kann doch nicht so schwer sein, ein verdammtes Ei auf einem Gasherd zu braten. Er klopfte zwei davon auf – er war schließlich hungrig – und ließ sie in das heiße Fett gleiten. Es brutzelte vielversprechend. Sein Magen knurrte umso lauter – konnte allerdings nicht das Klopfen an der Tür übertönen, das im selben Moment erklang.
»Ja?«, rief er ein wenig verunsichert.
»Guten Morgen! Hier ist Leevi«, war gedämpft von draußen zu vernehmen. »Darf ich reinkommen?«
»Klar«, antwortete Roman und ging zur Tür, um Leevi zu öffnen.
»Guten Morgen«, begrüßte ihn sein Gastgeber noch einmal mit einem strahlenden Lächeln, von dem Roman ein wenig eng in der Kehle wurde. »Ich hoffe, du hast gut geschlafen?«
»Ja«, log Roman, »ganz gut. Ich hatte allerdings nicht bedacht, dass ich im Stockfinsteren wieder aufwachen würde.«
»Oh. Nun ja, das ist die Polarnacht. Wir nennen das hier Kaamos.«
»Heißt das, die Sonne geht hier gar nicht auf?«, erkundigte er sich entsetzt.
»Doch«, versicherte Leevi und hob entschuldigend die Hände, »in ungefähr zwei Stunden.«
»Und wann geht sie wieder unter?«
»So gegen halb zwei am Mittag«, bekannte Leevi zähneknirschend. »Aber es bleibt noch einigermaßen hell bis ungefähr drei Uhr nachmittags. Du solltest den blauen Moment gegen fünfzehn Uhr nicht verpassen. Der Himmel, der Schnee – alles wirkt dann wie in tiefes Blau getaucht.«
»Klingt spannend«, bemerkte Roman.