Professor Zamorra 1182 - Veronique Wille - E-Book

Professor Zamorra 1182 E-Book

Veronique Wille

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Beschreibung

Der Finger der Furcht

Seit alters her ragt der Felsen vor der Küste steil auf in den Himmel. Die Bewohner nennen ihn den Finger der Furcht. Früher sorgte ein Wärter dafür, dass in dem Haus, das oben auf dem Felsen thront, ein Leuchtfeuer brannte. In stürmischen Gewitternächten soll es noch heute zu sehen sein, raunen die abergläubischen Fischer. Manche schwören, dort oben vor den erleuchteten Fenstern den Geist des alten Leuchtturmwärters erblickt zu haben.
Doch diesmal lockt das Leuchtfeuer etwas anderes an. Etwas, das besser für immer versunken geblieben wäre ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Finger der Furcht

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Viktor Gladkov/shutterstock

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8483-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Finger der Furcht

von Veronique Wille

Von alters her ragt der Felsen vor der Küste steil auf in den Himmel. Die Bewohner nennen ihn den Finger der Furcht. Früher sorgte ein Wärter dafür, dass in dem Haus, das oben auf dem Felsen thront, ein Leuchtfeuer brannte. In stürmischen Gewitternächten soll es noch heute zu sehen sein, raunen die abergläubischen Fischer. Manche schwören, dort oben vor den erleuchteten Fenstern den Geist des alten Leuchtturmwärters erblickt zu haben.

Doch diesmal lockt das Leuchtfeuer etwas anderes an. Etwas, das besser für immer versunken geblieben wäre …

»Das wird eine grandiose Szene, Siri«, schwärmte ihr Kameramann. Du steigst in den alten Kahn, winkst noch einmal tapfer lächelnd in die Kamera, lässt dich von dem miesepetrig dreinschauenden Fischer zum Felsen schippern, während sich der graue, wolkenbehangene Himmel mit dem Grau des Atlantiks vermischt …«

»Du bist und bleibst ein hoffnungsloser Romantiker«, seufzte Siri und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Sie zog sie jedoch gleich wieder fort, weil sie Sorge hatte, Paul könne die Geste missverstehen.

»Liegt die Betonung etwa auf hoffnungslos?« Paul verzog das Gesicht.

Sie standen am felsigen Ufer und warteten auf Marchand, der in seiner Hütte unweit des Felsens hauste und sich nach langem Hin und Her bereit erklärt hatte, Siri überzusetzen. Natürlich hätten sie sich auch ein Boot leihen und selbst zu dem Felsen fahren können, dem Felsen, den alle hier nur den Finger der Furcht nannten. Aber Paul war sofort Feuer und Flamme gewesen, als er das alte Ruderboot des Fischers auf den Wellen hatte dümpeln sehen.

Die Farbe war abgeblättert, das Holz vom Salz des Meeres fleckig wie die Haut eines Hundertjährigen. Dass das Ding sich überhaupt noch über Wasser halten konnte, war ein Wunder. Über kurz oder lang würde es jedoch den jahrzehntelangen Kampf gegen den Pazifik verlieren.

Genau wie Marchand selbst, dessen verwittertes Gesicht mit dem weißen Bart und der stets dampfenden Pfeife im Mund jedes Klischee eines alten Seebären perfekt erfüllte.

Nicht umsonst hatte ihr YouTube-Kanal »World of Ghosts« inzwischen über eine Millionen Abonnenten. Bei aller Seriosität des Inhalts – für den Siri verantwortlich war –, die Leute erwarteten nun mal atmosphärische und schaurige Bilder. Nach dem letzten Beitrag über ein sogenanntes Hexenloch im Schwarzwald hatten die Zuschauer massenhaft Mails geschrieben, dass sie nächtelang von Albträumen geplagt worden seien, weil sie die klaustrophobischen Bilder nicht aus dem Kopf verbannen konnten.

Paul sah zum wiederholten Mal auf die Uhr. »Hoffentlich kommt er bald. Möglichst bevor der Himmel aufklart.«

Aber da sahen sie den alten Fischer schon herannahen. Er torkelte leicht, als habe er bereits zum Frühstück ein paar Tassen Cidre getrunken.

Siri und Paul sahen sich an. Paul sandte ihr ein aufmunterndes Lächeln. »Keine Sorge, selbst wenn Marchand sternhagelvoll ist, bringt er dich sicher rüber. Ist ja nur ein Katzensprung bis zum Felsen …«

»Du hast gut reden.«

»Notfalls rudere ich dich rüber«, scherzte er.

»Und wer macht dann die tollen Aufnahmen?«

Paul war froh, dass er nicht selbst rudern musste. Der Seegang war heute doch höher als gedacht. Wahrscheinlich wäre er hoffnungslos gekentert. Er war nun mal kein Seebär.

Marchand war inzwischen herangekommen. Siri roch seine Fahne. Der Fischer hatte was Härteres als Cidre intus. Wahrscheinlich ein paar Gläser Armorik, den bretonischen Whisky, der es hier in jedem Supermarkt zu kaufen gab.

Seine Augen flackerten, als er nuschelnd sagte: »Ich glaube, Sie sollten besser nicht da rüber, Mademoiselle.«

»Und warum nicht?«, übernahm Paul das Wort. Auch wenn Siri in ihrem Zweierteam für die Zuschauer die Hauptperson war, übernahm Paul meist den Part des »Chefs« – zumindest nach außen.

Er war der Ansprechpartner und Organisator, im Grunde Mädchen für alles. Dabei wirkte er für Fremde oft arrogant bis schroff. Vielleicht trug seine Größe dazu bei. Der drahtige Zweimetermann überragte die meisten seiner Gesprächspartner, und auf seinem harten, kantigen Gesicht zeigte sich nur selten ein Lächeln. Außer wenn er mit Siri zusammen war. Ihr öffnete er sein Herz, sie allein wusste, wie er wirklich tickte und welch ständig widerstreitende Gefühle in ihm herrschten.

Einige Wochen lang waren sie ein Paar gewesen, als sie vor knapp einem Jahr eine Woche auf North Brother Island gefilmt hatten. Auf der verlassenen Insel waren sie angesichts der Konfrontation mit der anderen Seite, wie Siri die Geisterwelt nannte, nur deshalb nicht dem Wahnsinn anheimgefallen, weil sie mit ihren Gefühlen dagegen angekämpft hatten. Mit ihren Gefühlen füreinander.

Die Liebesbeziehung hatte nicht lange gedauert. Sie beide wussten, dass es für ihre geschäftliche Partnerschaft nicht gut war. Siri war es gewesen, die den Stecker gezogen hatte. Paul hatte es akzeptiert, aber er hatte noch immer daran zu knabbern.

»Warum nicht?« Marchand hob den Kopf und sah ihn an. »Weil ich ein Narr war, mich darauf einzulassen.«

»Das Geld haben Sie aber kassiert, oder?«

»Das können Sie wiederhaben …« Marchand spuckte aus. Von Amerikanern, die mit Geld um sich warfen, schien er sowieso wenig zu halten.

»Dann her damit!« Paul hielt die Hand auf.

»Nicht sofort. Morgen. Oder übermorgen.«

Das hatte er sich schon gedacht. Der Alte war so gierig auf die Scheine gewesen, dass er damit bestimmt gleich seinen Alkoholvorrat aufgefrischt hatte.

»Nichts da!« Paul blieb hart. »Entweder Sie halten sich an unsere Abmachung, oder ich zeige Sie an!«

»Dann zeigen Sie mich meinetwegen an«, brummte der Fischer. »Is mir egal.«

Paul sah, dass Siri ihm mit einem knappen Kopfschütteln signalisierte, dass sie die Art und Weise, wie er mit Marchand umsprang, missbilligte.

Sie legte eine Hand auf den Arm des Fischers. »Bitte, Monsieur Marchand. Wir haben uns auf heute Morgen vorbereitet. Es wäre schade, wenn wir unseren Plan jetzt ändern müssten.«

Marchand räusperte sich. Er kämpfte sichtlich mit sich.

»Is gefährlich dort drüben«, nuschelte er. »Will nich schuld sein, wenn Ihnen was passiert.«

»Das weiß ich, und ich weiß Ihre Sorge auch zu schätzen, Monsieur Marchand. Aber letztlich ist mir noch nie etwas passiert.« Sie lächelte ihn an. »Sonst würde ich hier nicht vor Ihnen stehen, nicht wahr?«

Marchand brummte etwas in seinen Bart. Er kämpfte mit sich. Aber Paul wusste, dass Siri ihn überzeugt hatte. Sie hatte eine außergewöhnliche Begabung, Menschen für sich einzunehmen. Sie war gleichermaßen empathisch wie energisch, wenn es galt, ein Ziel zu erreichen. Dabei wirkte sie zart und zerbrechlich, wog viel zu wenig, selbst für ihre gerade mal ein Meter achtundsechzig. Auch jetzt, während der Wind vom Meer ihre langen blonden Haare wie einen Schleier wehen ließ, hatte Paul die irrationale Sorge, dass die nächste große Böe sie hinwegtragen würde.

Ohne ein weiteres Wort drehte sich Marchand um und stiefelte zu seinem Boot, das am Ufer lag.

Paul zwinkerte Siri zu und folgte ihm. Er trug Siris schweren Rucksack und hievte ihn jetzt ins Boot.

»Viel Glück«, sagte er und gab ihr einen Abschiedskuss auf die Wange.

Dabei hätte er sie am liebsten an sich gedrückt und nicht wieder losgelassen. Er hatte ein ungutes Gefühl.

Zu dritt schoben sie das Boot zu Wasser. Siri sprang als Erste hinein. Marchand folgte. Das Wasser schwappte ihm in die hohen schwarzen Gummistiefel. Er fluchte.

Paul blieb am Ufer zurück. Er hatte bereits die Kamera gezückt und filmte. Er hielt zunächst auf das Boot drauf, zoomte dann Siri heran. Sie lächelte und winkte. Eigentlich winkte sie nur ihm, aber bei den Zuschauern kam das immer bestens an. Jeder Einzelne fühlte sich angesprochen. Und jeder stellte sich die Frage, ob es vielleicht ein Abschied für immer sein würde.

Ein wenig zu lange hatte er allein Siri im Bild, aber das würde er sowieso alles hinterher schneiden. Trotzdem hätte er sie am liebsten die ganze Zeit gefilmt. Nur sie.

Denn zum ersten Mal nach all den Jahren und all den Expeditionen zu verfluchten Orten, Geisterstädten und finsteren Kulten hatte auch er das Gefühl, sie nicht mehr wiederzusehen. Sie zu verlieren. Dieses Gefühl hatte er noch vorher noch nie gehabt.

Geradezu mit Gewalt musste er den Kamerablick von ihr losreißen und über sie hinwegschwenken, wo in einiger Entfernung der zerklüftete Finger der Furcht in den bleigrauen, stürmischen Himmel ragte. Auf seinem Gipfel thronte wie ein Möwenschiss das sechseckige Haus, das allein über die steinernen Stufen zu erreichen war, die vor uralter Zeit, so hieß es, Druiden in den Fels gehauen hatten.

Paul und Siri hatten sich zuvor, wie sie es stets taten, ausführlich über den Finger der Furcht informiert. Der Fels selbst war vor Millionen von Jahren entstanden, aber die Stufen waren zweitausend Jahre alt. Von innen war der Felsen regelrecht ausgehöhlt worden, sodass die Stufen bis nach oben führten.

Einst mochten auf seinem Gipfel keltische Götter angebetet und ihnen Opfer dargebracht worden sein. Doch bereits seit Hunderten von Jahren war er als Leuchtturm benutzt worden. Das Haus war erst Anfang des letzten Jahrhunderts errichtet worden. Es diente den jeweiligen Leuchtturmwärtern als Schutz vor den Unbilden des Wetters.

Zur Seeseite hin gab es noch immer ein Leuchtfeuer, obwohl die Technik auf den meisten Schiffen heute mit modernen Navigationsgeräten ausgestattet war. Jahrelang hatte man es noch zu bestimmten Festtagen angezündet, doch dann hatte es vor zehn Jahren ein schreckliches Unglück gegeben. Seitdem galt der Finger der Furcht erst recht als verflucht …

Marchand senkte die Kamera und zoomte wieder auf Siri. Sie lächelte nun nicht mehr. Er hatte sogar das Gefühl, dass ein besorgter Ausdruck auf ihrem Gesicht lag. Spürte sie es auch? Spürte sie, dass von dem Felsen etwas zutiefst Beunruhigendes ausging?

Er ließ sie nicht mehr aus den Augen, bis das Boot anlegte. Siri sprang auf die schmale Felskante. Marchand reichte ihr den schweren Rucksack.

Paul fluchte leise, als er erkannte, dass Marchand nicht mit ausstieg, so wie es ab gesprochen war. Stattdessen hatte es der Fischer sehr eilig, wieder davon zu rudern. Das Boot wirkte aus der Entfernung mit bloßem Auge wie die sprichwörtliche Nussschale. Aber Marchand verstand sein Handwerk und ruderte geschickt an den scharfkantigen Felsklippen vorbei.

Ein letztes Mal zoomte Paul auf Siri. Aber selbst mit der größten Einstellung erschien sie nun winzig und verloren.

Im nächsten Moment verschluckte sie der Eingang der Treppenhöhlung.

Zwei Tage zuvor

Die dreiköpfige bretonische Band spielte so laut, dass Paul und Siri kein einziges Wort verstanden, das sie sich zuriefen. Den meisten Gästen im Auberge du coz schien die Lautstärke aber nicht im Geringsten etwas auszumachen, sodass die Gespräche zusätzlich die Geräuschkulisse bereicherten.

Sie hatten herausgefunden, das es in dem Hotel nicht nur die komfortabelsten Betten zum fairen Preis, sondern auch die leckersten Moules frites gab.

Die letzten Abende hatten sie sich früh auf ihre Zimmer zurückgezogen und sich auf ihren Ausflug vorbereitet. Doch heute Abend war daran nicht zu denken. Die Gästezimmer befanden sich direkt über dem Gastraum. Also machten sie das Beste aus der Situation und genossen den Abend.

»Pardon, kann ich mich zwischen euch hocken?«

Die Worte der Frau waren aufgrund des Lärms kaum zu verstehen, aber Siri machte eine einladende Geste.

»Ihr seid aber keine Bretonen«, sagte die Frau später, als die Musiker eine Pause machten und man sich wieder einigermaßen unterhalten konnte.

Die Frau mochte Mitte zwanzig sein. Sie bevorzugte einen bunt gemixten Kleiderstil, den Siri in Gedanken bestenfalls als »alternativ« bezeichnete. Die hennaroten Haare hatte sie zu einer kunstvollen Frisur geknotet. Die filigranen Tattoos an den Fingern und die weniger filigranen an den bloßen Armen wiesen keltische und bretonische Motive auf.

»Nein, wir sind aus Phoenix, Arizona.«

»Arizona, echt? Ihr seht gar nicht aus wie Cowboys, hups, und Cowgirls natürlich.«

»Das verwechselst du mit Texas. Außerdem tragt ihr Bretonen ja auch nicht alle gestreifte Hemden und ein Baguette unterm Arm.«

Die junge Frau lachte herzlich und stellte sich als Crazy Laze vor.

»Das ist aber nicht dein richtiger Name, oder?«, fragte Paul. Siri sah ihm an, dass ihm die Frau gefiel.

»Ups, nein, Crazy Laze ist ein Achat. Ihr könnt mich aber schlicht Crazy nennen.«

»Du nennst dich nach einem Stein?«, fragte Paul verwundert.

»Einem Heil- und Schutzstein«, betonte Crazy.

»Also bist du so etwas wie die Verkörperung davon?«

»Wie man‹s nimmt. Der Achat gibt dir Sicherheit und löst deine Verkrampfungen und vieles mehr. Nichts für ungut, aber du siehst mir auch etwas verkrampft aus, mon cher.«

Jetzt musste auch Siri lachen. »Oh ja, das ist er manchmal. Besonders wenn er schlecht gelaunt ist.«

»Ist er das jetzt?«

»Bin ich nicht!«, protestierte Paul. »Aber die Sache mit der Verkrampfung, also … äh …«

»Du meinst, ob ich die lösen kann? Aber sicher?«

»Ich bin unglaublich verkrampft!«, betonte Paul, was ihm einen heimlichen Tritt gegen das Schienbein einbrachte. In Siris Augen übertrieb er es deutlich.

Trotzdem wurde es noch ein amüsanter Abend. Crazy konnte ihnen viel über die Bretagne und insbesondere die Gegend erzählen. Schließlich fragte sie: »Und was treibt euch hierher? Ich meine, der Phönix ist ein mächtiges Symbol, wisst ihr das?« Und sie plapperte davon, das der Vogel Phönix in enger Verbindung zum Sonnengott Ra und zum Gott der Wiedergeburt Osiris stehe. »In den Strahlen der Morgensonne verbrennt der Phönix sich selbst, um aus der Asche zu neuerlichem Leben aufzusteigen. Ein wundervolles Bild, oder? Und, hey, jetzt habe ich echt vergessen, was ich eigentlich fragen wollte.«

Siri half ihr auf die Sprünge, während Paul bei der vorbeilaufenden Kellnerin noch drei Tassen Cidre bestellte.

Dann setzte leider die Kapelle wieder ein, sodass an eine Fortsetzung des Gesprächs nicht zu denken war.

Am nächsten Vormittag, während sie durch Port Rose marschierten, fiel ihnen die Geschäftigkeit auf, die überall herrschte. Fliegende Händler bauten ihre Stände auf, und viele von ihnen waren genauso farbenfroh gekleidet wie Crazy.

»Findet hier ein Mittelaltermarkt statt oder so was?«, fragte Siri erstaunt. Da entdeckte sie schon Crazy.

Auch die Frau hatte sie sofort wiedererkennt und winkte ihnen nun mit einem lauten »Huhu« zu.

Sie war beschäftigt gewesen, einen Stand zu errichten. Noch sah dieser allerdings eher wie ein Mikadospiel aus.

»Was wird das hier?«, fragte Siri.

»Das siehst du doch«, sagte die Frau und wies auf zwei Flaggen gegenüber. »Aus dem ganzen ehemaligen Keltenlande eilen die Zauberkundigen und Gläubigen herbei, um die Sonnenwende zu feiern. Hey, die ist übermorgen, nicht wahr?«

»Und warum gerade hier, in Port Rose?«

»Na ja, Port Rose galt schon immer als ein besonderer Kraftort. Er zieht die Geister an, wisst ihr?«

»Verstehe«, sagte Paul und zeigte auf ihren noch rudimentären Stand. »Und da versprecht ihr euch alle auch einen gewaltigen Reibach, oder?«

Sie sah ihn mit großen Augen an. »Reibach, wie meinst du das?«

»Na ja, ihr verhökert ihnen alles mögliche Zeugs.«

Zum ersten Mal zeigten Crazys Gesichtszüge Verärgerung. »Ich handle mit Edelsteinen. Aber ich ›verhökere‹ sie nicht. Das wäre nicht redlich, nein. Ich spüre, welche Blockaden ihre Energien behindern und wähle den passenden Heilstein für sie aus.«

»Du verschenkst sie?«

»Wer möchte, kann mir gerne freiwillig eine Gabe zukommen lassen. Hey, du bist übrigens immer noch reichlich verspannt. Warte mal!«

Sie hüpfte zu einem Koffer, wühlte darin herum und holte einen bunt schillernden Achat hervor. Er hing an einer ledernen Kette.

»Trage ihn immer bei dir. Auch beim Sex.«

»Paul hat keinen Sex«, sagte Siri.

Crazy sah beide erstaunt an. »Was? Aber ich dachte, ihr zwei seid …«

»Das denken viele, stimmt aber nicht«, sagte Siri.

»Aber was treibt ihr dann hier?«

Und nun beantworte Siri die Frage vom gestrigen Abend. Crazys Augen wurden immer größer. Schließlich sagte sie. »Ihr seid also so etwas wie Ghostbusters, hey, wie spannend!«

»Nein, wir jagen keine Geister, wir suchen sie.«

»Trotzdem solltet ihr den Finger der Furcht lieber meiden.«

Paul winkte ab. »Die Legenden darüber kennen wir.«

»Aber vielleicht nicht alle«, sagte Crazy düster.

»Welche denn noch nicht?«, hakte Siri nach, aber Crazy schüttelte den Kopf. »Die ist so grausig, dass ich lieber schweige. Aber wirklich, ihr solltet den Felsen meiden! Erst recht zur Sonnenwende«