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Der Teufel und die Circe ... Gregor fühlte sich geradezu magisch angezogen von dem bunten Plakat auf der Litfaßsäule. Es zeigte den Leibhaftigen - aber Fabian hatte nur Augen für die barbusige Schönheit, die der grinsende Teufel mit seinen Klauen umfasst hielt.
Ihr Blick schien ihn, Fabian, geradezu anzuflehen:
Hilf mir ...!
Und dann, während er noch gebannt hinschaute - füllten sich ihre Augen mit Tränen.
Blutigen Tränen ...
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Seitenzahl: 128
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Tabeas Totentanz
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Impressum
Tabeas Totentanz
von Veronique Wille
Ein grellbuntes Plakat erweckte Fabians Aufmerksamkeit.
Noch während er es betrachtete, begann es sich vor seinen Augen zu verwandeln. Er musste träumen oder halluzinieren.
Der Teufel und die Circe ... stand nun dort zu lesen. Auch das Bild begann zu verschwimmen, formte sich zu einem ganz anderen. Es zeigte nun den Leibhaftigen – aber Fabian hatte nur Augen für die barbusige Schönheit, die der grinsende Teufel in den Klauen hielt. Ihr Blick schien ihn, Fabian, geradezu anzuflehen: Hilf mir ...!
Und dann, während er noch gebannt hinschaute, füllten sich ihre Augen mit Tränen. Mit blutigen Tränen ...
Berlin 1923
»Mensch, Fabian, du trübe Tasse! Raff dich auf: Im ›Caligula‹ tanzen heute die heißesten Puppen von ganz Berlin!«
Fabian erwachte wie aus einem Fiebertraum. Mit seinen Brüdern der schlagenden Verbindung hatte er beim Bier-Komment in der vergangenen Nacht den »Bierjungen« gespielt. Bei dem Ritual ging es darum, schneller als der Gegner eine vorher festgelegte Anzahl Gläser zu leeren. Und er hatte das Duell gewonnen. Wenigstens dieses. Zuvor auf dem Paukboden hatte er bei der Mensur jämmerlich versagt. Nicht nur, dass sein Gegner ihm zwei Treffer an Stirn und Wange verpasst hatte – gerade bei dem Treffer ins Gesicht war die Klinge so tief ins Fleisch gedrungen, dass er einen Schmerzensschrei nicht hatte unterdrücken können.
Beide Wunden hatten derart stark geblutet, dass er sogar ohnmächtig geworden war. Er hatte sich zum Gespött gemacht! Das anschließende Bier-Ritual hatte er wie in Trance erlebt. Dass er es gewonnen hatte, war nur ein schwacher Trost. Er hatte es in seinem Dämmerzustand kaum mitbekommen.
Ebenso wenig wusste er, wie er in seine Studentenbude gekommen war. Wahrscheinlich hatte ihn Gregor, sein Mitbewohner, geführt.
Fabian setzte sich stöhnend auf. Schwindel erfasst ihn. Als er sich an den Kopf fasste, fühlte er die Verbände.
»Siehst aus wie eine Mumie, mein Lieber«, neckte ihn Gregor. »Aber alle Achtung, wie du dich nachher beim Bier-Duell geschlagen hast. Du hast deinen Mann gestanden!«
»Spiegel! Gib mir sofort einen Spiegel!«, verlangte Fabian. »Und danach machst du zwanzig Liegestütze für Deutschland!«
Er ließ den Jüngeren nicht oft spüren, dass er, der Bursche, der Ranghöhere war. Gregor war noch ein Fuchs, ein Anfänger, der sich erst noch auf dem Paukboden bewähren musste. Es ziemte sich nicht, dass er sich über die Verbände lustig machte. Obwohl in den Worten auch eine gewisse Bewunderung mitgeschwungen hatte.
Gregor beeilte sich, einen Handspiegel herbeizuholen und ihm Fabian vors Gesicht zu halten.
Fabian musste lachen, als er sich betrachtete. Die Verbände waren noch immer blutverkrustet. »Du hast recht, Gregor, ich sehe wirklich aus wie eine Mumie. Ich lasse Milde walten: zehn Liegestütze reichen.«
Während Gregor die Strafe absolvierte, fragte Fabian: »Die heißesten Puppen, sagst du? Woher willst du das wissen?« Soweit er wusste, war das ›Caligula‹ bisher durch obskure Darbietungen ins Gerede gekommen. Die Aufführungen dort ließen angeblich die blutrünstige Grand-Guignol-Tradition wiederaufleben: Aufführungen, bei denen vor allem viel Blut floss.
Gregor sprang wieder hoch. Die zehn Liegestütze hatten ihm nicht viel abverlangt. Im Gegensatz zu dem eher dicklichen, unsportlichen Fabian war er durchtrainiert und fit wie ein Turnschuh.
Nun schüttelte er den Kopf. »Du erinnerst dich wirklich nicht mehr an gestern? Jean Grey hat dem Gewinner des Bierjungen zwei Freikarten spendiert. Also dir!«
»Jean Grey war gestern auch anwesend?«
Fabian erinnerte sich tatsächlich nicht. Jean Grey war ein Alter Herr, also jemand, der sein Studium beendet hatte und im Berufsleben stand. Ihn umgab stets die Aura des Geheimnisvollen. Zumeist tauchte er unangemeldet bei den Abenden auf. Als schweigender Zuschauer, der mit seinem stechenden Blick alle Anwesenden zu sezieren schien.
Fabian war der Mann unheimlich. Aber er hatte großen Einfluss, so hieß es, und in seiner verruchten ›Caligula‹-Bar wurde so manche Karriere fürs spätere Berufsleben geschmiedet.
»Ich weiß nicht ...!« Fabian gab einen unterdrückten Schmerzensschrei von sich. Er hatte den Fehler gemacht, sich zu schnell aufzusetzen. Schwindel erfasste ihn.
»Bis heute Abend bist du wieder fit«, versprach Gregor. Seine Augen glänzten. Er schien es kaum abwarten zu können, zusammen mit Fabian den Reiz des Verruchten zu kosten.
»Wer sagt denn, dass ich ausgerechnet ein Füchslein mitnehme?« Fabian konnte sich den Spaß nicht verkneifen, seinen Verbindungsbruder aufzuziehen.
Wie erwartet entgleisten dessen Gesichtszüge.
Fabian musste herzhaft lachen. »Natürlich kommst du mit! Schließlich muss mich hinterher jemand wieder hierher schleppen, wenn ich mich besoffen habe. Und jetzt lauf rüber zur Schenke und bring mir einen Krug Bier, damit ich auf die Beine komme! Aber schnell, bevor ich's mir wieder anders mit dir überlege!«
Seinem Ruf entsprechend hätte das ›Caligula‹ eigentlich auf den prachtvollen Kurfürstendamm gehört. Aber vielleicht gerade wegen des Rufes lag es ein wenig abseits in einer kleinen Gasse, in der sich neben Prostituierten und Strichjungen, Alkohol- und Drogenabhängigen sämtlicher Abschaum der Großstadt tummelte.
Fabian bereute es nicht, noch niemals hier gewesen zu sein. Er ekelte sich vor dem sich überall stapelnden Müll, den fetten Ratten, die sich darin die Bäuche vollschlugen, den umhertorkelnden Besoffenen und den hässlichen Dirnen, die ihm aus halbdunklen Hofeingängen zotige Angebote machten.
Fast war er froh darüber, dass die wenigen intakten Gaslaternen die Gasse nur schwach erhellten. So blieb das meiste Elend in den Schatten verborgen.
Einem dreisten Taschendieb, der ihm in die Jacke fasste, schlug Gregor die Nase blutig. Fabian war froh, dass er ihn an seiner Seite wusste. Dennoch wäre er am liebsten umgekehrt, während Gregor die zunehmende Erregung anzusehen war.
Zwei Schlägertypen stellten sich ihnen in den Weg und verlangten »Weggeld«.
»Zeig ihnen unsere Karten«, sagte Gregor. Es war, als habe er nun das Kommando übernommen.
Die werden sie uns abnehmen, dachte Fabian, aber selbst das wäre ihm recht gewesen, um nicht verprügelt zu werden. Er zog sie aus der Innentasche und hielt sie den beiden Schlägern hin.
Das gierige Grinsen verschwand aus deren Gesicht.
»Ihr seid Ehrengäste, das wussten wir nicht«, sagte der Größere der beiden. »Nichts für ungut!« Er lüftete die Kappe, und die beiden trollten sich.
»Ehrengäste, was heißt das?«, wunderte sich Fabian, während er die Karten nun zum ersten Mal genauer betrachtete. Sie glänzten schwarz, wie mit Klavierlack überzogen. Die filigrane blutrote Schrift schien vor seinen Augen zu zerfließen. Er konnte nicht ein einziges Wort erfassen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass es hier so dunkel ist. Oder es sind die Nachwirkungen des Rausches?. Und dennoch: Die beiden Schläger hatten gleich gewusst, was die Karte bedeutete.
Und auch Gregor gab nun Antwort: »Du wirst es sehen! Es wird ein unvergesslicher Abend werden.«
»Du redest, als seist du schon einmal hier gewesen!«
»Nein, aber man erzählt sich viel.«Fabian ließ es dabei bewenden, obwohl er Gregor nicht glaubte.
Hinter ihnen heulte der Motor eines Wagens auf. Rasch drehte sich Fabian um. Etwas kam herangerast. Ein schwarzer feuerspeiender Drache, der sich rücksichtslos den Weg durch die enge Gasse bahnte und die Passanten zur Seite fegte.
Im nächsten Moment klärte sich Fabians Blick. Das »Feuer« waren zwei blendend-grelle Scheinwerfer, und der Drache ein Automobil. Und die Menschen waren rechtzeitig beiseite gesprungen. Niemand war »hinweggefegt« worden ... wie hatte er sich so irren können? Verwundert rieb er sich über die Augen.
Er erhielt einen Stoß, taumelte nach hinten gegen eine Hauswand. Mit donnerndem Motor raste das Gefährt hautnah an ihm vorbei. Er glaubte sogar, die Hitze des Motors zu spüren.
»Junge, Junge, das war knapp!« Es war Gregor, der ihm den Schubs versetzt und ihn so vor einem Zusammenstoß bewahrt hatte. »Hast du geträumt, oder was?«
»Was ...? Ich ...« Fabian fühlte sich tatsächlich nicht ganz auf der Höhe. Der plötzliche Stoß hatte einen erneuten Schwindelanfall bewirkt. Die Wunden begannen fürchterlich zu brennen.
»Um ein Haar wärst du unter die Räder gekommen. Kannst froh sein, dass ich auf dich aufpasse.« Gregor klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter. »Komm weiter, es sind nur noch ein paar Schritte.«
»Wer, zum Teufel, war das eben?«, fragte Fabian nun doch.
»Das? Jean Grey natürlich. Mann, hast du das schnieke Automobil gesehen? Ein Diablo! Ich habe gehört, es gibt nur dieses eine Modell. Es ist ein Prototyp, extra angefertigt für ihn!«
Fabian war die Begeisterung seines Kommilitonen suspekt. Er kniff die Augen zusammen und betrachtete ihn misstrauisch. »Sag mal, du weißt ja gut Bescheid über Grey.«
»Nur vom Hörensagen.«
Abermals ließ es Fabian dabei bewenden, obwohl er mehr denn zuvor der Überzeugung war, dass Gregor ihm etwas verschwieg. Aber war das nicht egal? Was änderte es, wenn er zugab, schon einmal das ›Caligula‹ besucht zu haben?
»Komm, hak dich unter!«, sagte Gregor und unterbrach seine Überlegungen. Dankbar nahm Fabian das Angebot an.
Während sie weitergingen, kamen die Menschen, die zuvor beiseite gesprungen waren, wieder aus den Ecken und Hauseingängen hervor.
Und erneut verschwamm für einige Sekunden die Wirklichkeit vor Fabians Augen: Es waren gar keine Menschen, sondern ... andere Wesen. Solche, die, wie aus Albträumen geboren, plötzlich in die Realität hinein schwappten. Da war ein fellbedeckter Hüne mit einem Wolfsschädel, der ihn mordlüstern anstarrte. Dicht dahinter stand eine barbusige Frau, der anstelle der Haare züngelnde Schlangen auf dem Kopf wuchsen. In einer schmalen Einfahrt erblickte Fabian zwei Kinder. Als sie ihn gewahrten, verzerrten sich ihre Gesichter in monströse Fratzen. Lange Reißzähne schoben sich über die Lippen. Vor ihm auf dem Pflaster hockte ein Wesen, halb Kröte, halb Mensch. Die lange Zunge schnellte genau in dem Moment hervor, als eine Ratte dessen Weg kreuzte. Die Zunge fuhr mitsamt der gefangenen Ratte in den Schlund der Krötenkreatur zurück.
Etwas Klebriges verfing sich in Fabians Haaren. Als er danach griff, fühlte er klebrige Spinnenfäden. Er schaute nach oben und erblickte unterhalb des Dachfirstes ein riesiges spinnenartiges Geschöpf, das ein meckerndes Lachen ausstieß.
Fabian konnte gerade noch zur Seite springen, als die Spinnenkreatur eine klebrige stinkende Flüssigkeit auf ihn herabregnen ließ.
»Was ist denn los mit dir?«
Es war Gregor, der ihn erstaunt anschaute.
Aber auch sein Mitbewohner hatte sich verändert. Das Gesicht war von einer feurig glühenden Tätowierung verunziert, die ihm etwas Diabolisches verlieh. So als hätte er eine flammende Maske übergestreift, unter der sein wahres Gesicht nur noch zu erahnen war.
»Fabian! Was ...?«
»Bleib mir vom Leib!«
Gregor war an ihn herangetreten und hatte seinen Arm ergriffen. In Panik schüttelte Fabian ihn ab.
Da verwandelte sich die Welt um ihn erneut. Die Wirklichkeit brach sich Bahn. Das Flammengesicht erlosch, und vor ihm stand der alte Gregor, der ihn verdutzt anstarrte. Auch die Monster waren verschwunden. Die Menschen hatten wieder ihr natürliches Aussehen angenommen: Der Wolfsmensch war ein riesiger Kerl mit unfreundlicher Visage. Die Medusa hatten statt Schlangen wieder Haare, die sie zu einem Turm hochgesteckt hatte. Die beiden Kinder hockten noch immer in der Einfahrt. Aber es waren keine Vampire. Die blassen Gesichter und die tief in den Höhlen liegenden dunklen Augen deuteten nur an, dass sie wohl nur selten die Sonne sahen. Wahrscheinlich schufteten sie in irgendeiner Fabrik für einen Hungerlohn. Das Krötenwesen entpuppte sich als beinamputierter Kriegsversehrter, der sich mit Hilfe eines Rollbrettes über das Pflaster quälte.
Unwillkürlich schaute Fabian nach oben. Er glaubte gerade noch zu sehen, wie ein schwarzer, kugeliger Leib hoch oben unter dem Dachbalken verschwand. Aber das war bestimmt keine monströse Spinne, sondern konnte auch – ja was sein?
»Es geht schon wieder«, murmelte Fabian.
»Bist du dir sicher?«
Fabian rang sich ein Grinsen ab. »Wenn du mich der Lüge bezichtigst, absolvierst du hier auf der Stelle dreißig Liegestütze!«
Gregor erwiderte das Grinsen. »Meine Kräfte würde ich mir gerne noch etwas aufheben. Ich habe gehört, dass manche der Puppen nicht abgeneigt sei, nach der Vorstellung noch etwas Spaß zu haben ...«
»Also komm!«
Der Eingang des ›Caligula‹ befand sich laut Gregor hinter der nächsten Biegung. Umso mehr wunderte sich Fabian, dass weder eine Leuchtreklame noch sonst etwas darauf hinwies, dass sich hier ein Etablissement befand. Nur ein dunkler Eingang gähnte ihnen entgegen. Allerdings gab es doch einen Hinweis darauf, dass sie bei der richtigen Adresse angelangt waren: der nachtschwarze Diablo stand davor.
Dennoch hatte Fabian noch Zweifel. »Bist du dir sicher, dass das hier der Eingang und nicht irgendein Kellerloch ist?«
»Es ist der Hintereingang.«
Wieder grinste Gregor ihn an. Fabian hatte immer mehr den Eindruck, dass sich sein Mitbewohner merkwürdig verhielt. Es war nicht mehr der kumpelhafte Gregor, der Fuchs, der ihn, den Älteren, bewunderte. Vielmehr schien es so, als habe Gregor nun das Zepter in die Hand genommen und bestimme über ihn.
Kurz kam Fabian der Verdacht, dass er ihm heimlich irgendeine Droge verabreicht hatte. Daher die Halluzinationen?
Aber warum sollte Gregor das getan haben? Natürlich! Das alles war so etwas wie eine Prüfung, ein weiteres Komment. Eines, das ihm bisher unbekannt gewesen war. Wahrscheinlich erwarteten ihn in dem Kellerloch seine Verbindungsbrüder, um ihn entsprechend zu empfangen. Vielleicht mit einer Bierdusche. Oder mit Aufgaben, die es furchtlos zu bewältigen galt.
Bei dem Gedanken daran straffte sich Fabian. Er würde ihnen zeigen, dass er ein echter Bursche war!
»Also los, lass uns hier nicht länger Maulaffen feilhalten!«, drängte er seinen Begleiter und schritt voran.
Der Eingang verschluckte ihn. Für ein paar Sekunden war er orientierungslos. Dann hatten sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt.
Eine Treppe führte hinab in eine unergründliche Tiefe. Fabian klammerte sich ans Geländer, um nicht zu stolpern. Von unten drang plötzlich grüner Lichtschein nach oben.
Und wieder beschlichen Fabian Zweifel. War es wirklich Jean Grey gewesen, der an ihnen vorbeigerast war? Wegen der getönten Scheiben hatte er nur einen Schatten hinter dem Lenkrad erkannt. Aber hatte es der Besitzer des ›Caligula‹ wirklich nötig, seinen eigenen Laden durch den Hintereingang zu betreten?
Musikfetzen waren zu hören. Eine Tür schlug, und die Musik verstummte wieder.
»Nun mach schon! Es geht gleich los!«, drängte ihn Gregor.
Als sie den Treppenabsatz erreichten, öffnete sich vor ihnen die Tür. Ein Liliputaner in einer roten Phantasieuniform hielt sie ihnen offen, als habe er sie erwartet. Er verbeugte sich tief und nuschelte mit hoher Stimme: »Herzlich willkommen, meine Herren! Sie kommen spät, aber gerade noch rechtzeitig. Darf ich Sie zu Ihren Plätzen führen?«
Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern hüpfte voran.
Fabian hätte ihn gern gefragt, ob er sie denn kenne und woher er gewusst habe, dass es sie waren, die vor der Tür gestanden hatten. Aber der Liliputaner war so schnell, dass die beiden jungen Männer kaum mit ihm Schritt halten konnten.
Der Korridor war schummrig beleuchtet. Das Licht der an den Wänden hängenden Kandelaber drang kaum bis zum Boden, der mit zerschlissenen Teppichen bedeckt war. Einmal machte Fabian den Fehler, nach unten zu schauen, und sofort verfing sich sein Blick in den verwirrenden Mustern darin. Es war, als würden sie ihn verschlingen wollen. Erneut wurde ihm schwindlig.
Auch die Stofftapeten waren mit diesen fremdartigen Zeichen bedeckt. Fabian wollte gar nicht wissen, welche Bedeutung sie hatten. Es ging etwas Bedrohliches von ihnen aus.
Unsinn! Reiß dich zusammen!
»Kommen Sie, meine Herren! Aber ... pssst! Die Aufführung hat begonnen!« Theatralisch führte der Liliputaner den krummen Zeigefinger an die Lippen.
Mit der rechten Hand öffnete er leise eine Tür. Dahinter tanzten bunte Lichter, die Fabian an flackernde, schwirrende Elmsfeuer erinnerten. Er spürte einen Stoß im Rücken, wusste aber nicht zu sagen, ob der Liliputaner oder Gregor sich diese Übergriffigkeit erlaubt hatten.