Professor Zamorra 1324 - Veronique Wille - E-Book

Professor Zamorra 1324 E-Book

Veronique Wille

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Beschreibung

Manche Orte, so sagt man, sind verflucht. Verlassene Häuser bergen oft noch das Grauen, das ihre ehemaligen Bewohner in ihnen durchleiden mussten. Lost Places nennt man sie. Doch so verlassen, wie sie auf den ersten Blick wirken mögen, sind sie oft gar nicht. Und allzu neugierige Besucher treffen auf Wesen, die wie eine Spinne in ihrem Netz nur auf sie gewartet zu haben scheinen ...


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Seitenzahl: 128

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Lost Place

Leserseite

Vorschau

Impressum

Lost Place

von Veronique Wille

Manche Orte, so sagt man, sind verflucht. Verlassene Häuser bergen oft noch das Grauen, das ihre ehemaligen Bewohner in ihnen durchleiden mussten. Lost Places nennt man sie. Doch so verlassen, wie sie auf den ersten Blick wirken mögen, sind sie oft gar nicht ...

Frans Urban erwachte mitten in der Nacht. Da war eine Stimme gewesen, die den vierjährigen Jungen aus dem Traum gerissen hatte.

Der Traum hatte sich als Albtraum entwickelt. Frans war im Sommer über eine von der Sonne beschienene Wiese gesprungen. In der Ferne hatte er sein Elternhaus erblickt. Doch dann war Wind aufgekommen. Gewitterwolken hatten den Himmel verdunkelt und ihre schwarzen Schatten bis hinab auf die Erde geworfen. Regentropfen waren urplötzlich heruntergerasselt und hatten sich in dicke Schneeflocken verwandelt.

Eiseskälte umhüllte den Jungen, der sich nun in einer verschneiten Landschaft wiederfand. Sein Elternhaus war hinter dichten Schneeschleiern verschwunden. Orientierungslos hatte er sich im Kreis gedreht, weil er nicht mehr wusste, in welche Richtung er weitergehen sollte, um nach Hause zu kommen.

Da hörte er die Stimme!

»Frans! Oh, mein Frans!«

Es war die Stimme seiner Mutter.

An dieser Stelle hatten sich Traum und Wirklichkeit vermischt, und er war erwacht.

Die Stimme hörte sich unwirklich an. Sie war mit einem Hall unterlegt, als erklänge sie aus dem Geisterreich.

Als befände er sich noch immer in einem Traum, fühlte sich Frans geradezu gedrängt, aus seinem Bett zu steigen: Dabei hätte er sich am liebsten unter der Decke verkrochen.

Seine nackten Fußsohlen spürten die Kälte des Fußbodens kaum.

»Frans!«

Die Stimme klang schmeichelnd, sehnsüchtig. In Frans erwachte der innige Wunsch, sich in die Arme seiner Mutter zu werfen und sich an ihren warmen Körper zu drücken.

Leise schlich er zur Tür, um die anderen Jungs im Schlafsaal nicht zu wecken. Seltsam, dass sie nicht von dem Ruf erwachten!

Lautlos öffnete er die Tür und sah in den Korridor.

Er riss die Augen weit auf, als er die Szenerie sah, die so ganz anders war als das, was er erwartet hatte. Statt des Waisenhausflurs war da eine hohe Kuppelhalle. Unzählige Türen reihten sich links und rechts auf. Darüber gab es eine Balustrade. Auch dort gab es Türen. Sie erinnerten an die von Gefängniszellen.

Die Halle war leer, erfüllt von einem bläulichen Winterlicht, das durch die Glaskuppel hereindrang. Aber war es nicht mitten in der Nacht?

Obwohl sich alles in Frans sträubte, die Schwelle von seinem Schlafraum zu übertreten, stolperte er einen Schritt nach vorne, ganz so, als würde jemand hinter ihm stehen und ihm einen Schubs geben.

Kaum hatte er die unheimliche Halle betreten, hörte er wieder seine Mutter nach ihm rufen: »Frans! So komm doch und hilf mir!«

Ihre Stimme klang nun ganz anders. Da lag kein Sehnen mehr darin, sondern eine hoffnungslose Hilflosigkeit.

Und dann erblickte er sie: Seine schöne Mutter, gekleidet in einer weißen Rüschenbluse und einem langen dunklen Kleid. Verzweiflung lag in ihrem Blick. Aber sie schaute nicht ihn an, sondern hatte den Kopf nach oben gerichtet und in einer hilflosen Geste die Arme seitlich ausgestreckt.

»Mama!«, rief Frans leise. »Mama, hier bin ich doch.«

Er wollte zu ihr laufen, sich in ihre Arme werfen. Aber er stand da wie erstarrt.

Nebelschwaden wallten durch die Halle. Wie Geister wirbelten sie auf und verdichteten sich zusehends.

Und dann sah Frans die Hände. Dürre Krallenfinger, die von oben wie aus dem Nichts erschienen und nach seiner Mutter griffen ...

Seine Mutter schrie.

Dann wurde sie vom Nebel verschluckt.

Aber kurz, bevor sie endgültig seinem Blick entschwand, sah er noch etwas in dem Nebel. Hoch oben schälte sich eine grauenhafte Gestalt aus den Nebelschleiern hervor ...

Das war jedes Mal der Moment, in dem Frans Urban erwachte. Wirklich erwachte.

Neben ihm hatte sich Agneta im Bett aufgerichtet und die Nachttischlampe angeknipst. Nun sah sie ihn besorgt an.

»War es wieder der Traum? Du hast nach deiner Mutter gerufen ...«

Frans rieb sich über die Augen. Das Licht irritierte ihn. Er stand noch immer ganz unter dem Einfluss des grässlichen Traums.

»Es war ... es war wie immer«, murmelte er. »Oder fast ... da war diesmal noch etwas ...« Er versuchte sich zu erinnern, aber mit jeder Sekunde entglitt ihm das Monströse, das ihn derart erschüttert hatte, nur noch mehr. Da war etwas gewesen, das alle bisherigen Träume an Grauen übertroffen hatte.

Jetzt erst merkte er, dass er nass geschwitzt war. Kalter Schweiß bedeckte seinen Körper. Er zitterte.

»Du musst Doktor Rosenqvist davon erzählen«, sagte Agneta und strich ihm sanft über die Wange. Am liebsten hätte er sich an sie geklammert. Aber er schämte sich, dass er so verschwitzt war.

»Ich glaube, ich stehe noch mal auf und trinke was«, murmelte er und stieg aus dem Bett.

Er verließ das Schlafzimmer und hoffte, dass Agneta wieder einschlief. Wenn nicht, würde sie ihn nur wieder nerven, dass er doch ins Bett kommen solle. Aber heute Nacht, das wusste er, würde er keinen Schlaf mehr finden können.

Wie immer, wenn er von diesem immergleichen Traum heimgesucht wurde.

»Das ist ganz schön unheimlich hier«, stellte Lena Ågren fröstelnd fest. Die hübsche Siebzehnjährige mit den schulterlangen weißblonden Haaren und den himmelblauen Augen schlang fröstelnd die Arme um den schlanken Körper.

»Warte erst mal, bis wir drinnen sind«, sagte Niels Jeppesen. Der schlaksige, junge Mann mit den schwarzen Locken grinste extra diabolisch.

»Jetzt mach Lena nicht noch Angst!«, tadelte ihn Hanna Holst.

»Macht er doch gar nicht!« Malte Klausen, der vierte im Bunde, nahm seinen Freund sofort in Schutz. »Er sagt nur, wie's ist!«

Lena und Hanna hatten die beiden Jungs erst vor einigen Stunden im Blue Moon kennengelernt. Die zwei jungen Männer hatten sich im Club von der besten Seite gezeigt, ein paar Drinks ausgegeben und auf nette Art geflirtet. Nicht so wie die meisten anderen Jungs, die Lena bisher kennengelernt hatte und die gleich mehr wollten als nur zu tanzen.

Letztlich war es auch zwischen ihr und Malte nicht nur dabei geblieben. Aber mehr als ein paar innige Küsse waren bei ihr nicht drin gewesen. Sie war keines dieser Mädchen, die es am ersten Abend schon auf der Toilette trieben. Sie wusste, dass Hanna da nicht so zimperlich war. Sie war auch nicht wirklich ihre Freundin. Es hatte sich einfach so ergeben, dass sie sich heute im Blue Moon getroffen hatten.

Jedenfalls hatte der Club irgendwann spät in der Nacht zugemacht. Der letzte Bus nach Lyngby, dem nördlichsten Vorort Kopenhagens, war längst abgefahren. Da hatte sich Niels angeboten, die beiden Mädchen mit seinem alten Saab nach Hause zu bringen.

Die beiden Mädchen hatten das Angebot nur zu gern angenommen.

Irgendwo auf dem Weg dahin hatte Niels von einem tollen »Lost Place« gesprochen.

»Wenn man die nächste Seitenstraße nimmt, geht es ein Stück durch den Wald. Bald darauf kommt man an dem alten Irrenhaus vorbei.«

»Wow!« Hanna war sofort Feuer und Flamme gewesen. »Echt jetzt? So eine richtig gruselige Location?«

»Das sag' ich euch«, hatte Niels geantwortet. »Malte und ich waren schon zweimal da drin. Voll spooky! Bisher waren wir nur im Erdgeschoss, aber wir haben vor, uns demnächst auch mal den Keller anzugucken.«

»Wow!«, sagte Hanna wieder. »Bei dem Gedanken krieg' ich jetzt schon eine Gänsehaut.«

»Die würde ich mir gern mal angucken«, grinste Niels. »Was ist? Habt ihr Lust auf einen Abstecher in das alte Gemäuer?«

»Ich auf keinen Fall!«, erklärte Lena. Nicht nur die Aussicht, mitten in der Nacht in ein leerstehendes Haus einzusteigen, bereitete ihr Unbehagen. Sie kannte die Jungs kaum. Vielleicht war das auch nur eine Finte.

»Sei kein Frosch, Lena!«, sagte Hanna. »Wäre doch mal ne echt geile Sache. Was meinst du, was die in der Klasse Stilaugen machen, wenn wir das erzählen.«

Lena dachte eher daran, wie sie dastehen würde, wenn Hanna erzählte, dass sie, Lena, zu feige gewesen war, mitzukommen. Oder zu blöde. Die beiden Jungs sahen wirklich klasse aus. Lena fand sich nicht besonders hübsch. Das Gegenteil sagte man ihr zwar immer, aber sie fand ihre Nase zu schief, ihre Brüste zu klein und ihren Hintern zu dick.

Im Gegensatz zu Hanna, die ihre Vorzüge stets ins rechte Licht setzte, war Lena in der Hinsicht zurückhaltender. Umso mehr hatte es sie überrascht, dass beide Jungs sich zunächst um sie gerissen hatten. Hanna hatte sich schon sehr bemühen müssen, um Niels' Aufmerksamkeit von Lena weg und auf sich zu lenken.

Lena erwiderte nichts. Dafür schien für Niels nun die Sache klar.

»Dann ist ja alles gucci, Mädels. Da vorne geht's in den Wald.«

Er bremste stark ab. Lena schaute nach hinten. Die roten Bremslichter setzten die einsame Bundesstraße in Flammen. Zumindest hatte Lena die Assoziation.

Kein anderer Wagen war so spät in der Nacht unterwegs.

Niels bog in den schmalen Seitenweg ein. Lena war schon zigmal mit dem Bus daran vorbeigefahren, ohne ihn bisher bemerkt zu haben. Malte merkte wohl ihre Sorge. Er legte den Arm um ihre Schultern. Sie musste sich eingestehen, dass sie es in diesem Moment als angenehm und beruhigend empfand.

Überhaupt fand sie Malte von den beiden Jungs viel angenehmer. Niels war ein Angeber und Aufschneider. Malte war eher ernsthafter, ruhiger.

Wahrscheinlich waren die beiden Jungs genauso gegensätzlich wie sie und Hanna.

Der alte Saab wurde ordentlich durchgeschüttelt, als das linke Vorderrad in ein Schlagloch geriet.

»Tja, die Stoßdämpfer sind auch nicht mehr die besten«, kommentierte Malte.

»Kann ich was dazu, wenn die scheiß Schotterpiste seit Jahrzehnten nicht mehr erneuert wurde?« Niels fühlte sich offensichtlich persönlich angegriffen, was seine Fahrkünste betraf.

Und schon kam das nächste Schlagloch.

Zweige strichen wie Fingernägel über die Karosserie. Der Wald war hier so weit vorgedrungen, dass er die Straße schon halb für sich erobert hatte.

Irgendwann war der Straßenbelag so schlecht, dass es rumpelnd nur noch im Schritttempo vor sich ging. Die Zweige strichen gespenstisch gegen die Fensterscheiben.

Wie Geisterfinger, dachte Lena.

»Das ist ja wie in einer Geisterbahn!«, kommentierte Hanna auch prompt. Sie stieß einen gespenstischen Laut aus, der sich wie Huuuuiiii anhörte. Dann kicherte sie albern. Sie hatte die Nacht über mindestens doppelt so viel getrunken wie Lena. Entsprechend angeheitert war sie.

»Mist!«, schimpfte Niels. »Da vorne geht's nicht weiter! Sehr ihr das?«

Die anderen reckten den Hals. Im Lichtkegel der Scheinwerfer war eine umgestürzte Fichte zu sehen, die quer über der Straße lag.

»Die war letztens aber noch nicht da«, sagte Malte.

»Das war ja auch vor einem Monat und vor dem Sturm vor einer Woche.«

Lena schöpfte Hoffnung. »Dann können wir ja endlich umkehren.«

»Kommt nicht infrage«, bestimmte Niels. »Jetzt sind wir schon mal hier. Sind nur noch hundert Meter, schätze ich.«

Er schaltete den Motor aus, und sofort erloschen auch die Scheinwerfer. Vor ihnen wurde es schlagartig stockdunkel. Nur die Beleuchtung im Wagen war noch an.

Hanna stieg als Nächste aus. Sie ging um den Saab herum und schmiegte sich eng an Niels. Für sie war es ein echter Thrill. Ein Abenteuer.

Lena zögerte.

»Komm, wir gehen mit denen. Du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Niels und ich waren schon zweimal dort. Es ist nichts weiter als ein altes Gemäuer mit Gerümpel darin.«

Er verschwieg allerdings, dass sie das ehemalige Irrenhaus bisher nur bei Tag betreten hatten. Da hatte die Sonne geschienen und ihr Licht durch die zerborstenen Fensterscheiben geworfen. Auch sagte er nichts davon, dass es rund um Kopenhagen eine ganze Szene von Leuten gab, die Lost Places aufsuchten. Mit manchen war nicht zu spaßen. Erst kürzlich hatte im Dagbladdet ein Artikel über eine Gruppe Satanisten gestanden, die alle Spuren ihrer Orgien verwischten, indem sie die leerstehenden Häuser nachher anzündeten. Selbst eine leerstehende Kirche sollte schon auf ihr Konto gegangen sein.

Bei dem Gedanken fühlte sich auch Malte nicht mehr ganz wohl in seiner Haut.

»Kommt ihr endlich, oder was?«, rief Niels ungeduldig.

»Na los, es ist wirklich ganz harmlos«, sagte Malte. Er nahm Lenas Hand und zog sie auf seiner Seite mit nach draußen.

Das Erste, was Lena wahrnahm, war die vollkommene Stille. Kein Lüftchen wehte. Kein Wind flüsterte in den Bäumen. Aber auch kein nächtlicher Waldbewohner war zu hören. Nirgendwo ein Laut. Es war geradezu unheimlich.

Als sie draußen standen, schmiegte sich Lena an Malte. Seine Nähe beruhigte sie.

Wieder legte er den Arm um sie. Niels und Hanna waren schon vorausgegangen. Sie hatten die Taschenlampenfunktion ihrer Handys eingeschaltet. Die schmalen Lichtkegel tanzten vor ihnen her. Auch Lena und Malte schalteten ihre Handys an.

Niels hatte die Wahrheit gesagt: Nach knapp hundert Metern tauchte ein finsterer Bau vor ihnen auf. Er wirkte wie ein schwarzes Monstrum und schien hier, mitten im Wald, völlig fehl am Platz.

Sie hatten zu den anderen aufgeschlossen.

»Ich weiß nicht, ob ich da rein will«, sagte Lena. Der Klotz kam ihr vor, als würde er sie verschlingen wollen.

»Ach was!«, wiegelte Niels ab. »Jetzt, wo wir hier sind, gibt's keinen Rückzieher mehr.«

Lena widersprach nicht. Alles in ihr sträubte sich zwar, aber die Alternative wäre, das sie allein hier draußen stünde.

»Der Eingang ist natürlich verbrettert, ebenso die Fenster im Erdgeschoss. Aber Malte und ich haben einen Zugang gefunden. Kommt mit!«

Abermals gingen Niels und Hanna voran. Malte zog Lena mit sich. Sie wehrte sich nicht, obwohl sie am liebsten davongelaufen wäre. Wieso verspürte nur sie diese Aversion gegen das Haus? Lag es daran, dass die anderen zu viel getrunken hatten? Aber zumindest Malte machte nicht den Eindruck.

Niels hielt vor einem ebenerdigen Fenster auf der Rückseite. Zuvor hatten sie sich einen Pfad durch dornige Brombeergebüsche bahnen müssen.

»Hier ist es«, stellte er zufrieden fest. »Malte und ich haben es durch Zufall herausgefunden.«

»Was herausgefunden?«, fragte Hanna.

»Na ja, dass man den Bretterverschlag hier einfach zur Seite schieben kann.« Er bückte sich und demonstrierte es. Hinter dem Verschlag gähnte ein dunkles glasloses Loch. Niels grinste diabolisch. »Na, Mädels, wie wär's? Ich lasse euch gern den Vortritt.«

»Nie und nimmer!«, quiekte Hanna.

Niels' Grinsen geriet noch breiter, denn genau mit der Reaktion hatte er gerechnet.

»Na schön, Papa geht als Erster.«

Sagte es und hangelte sich durch das Fensterloch hinein ins Innere.

»Los, der Nächste!«, hörten die anderen ihn rufen. Seine Stimme klang dumpf, so, als hätte etwas einen Teil davon erstickt.

»Ich komme!«, rief Hanna und kletterte nun auch hindurch. Der dunkle Rechteck verschluckte sie wie ein schwarzes Loch.

»Willst du ...?«, fragte Malte und sah Lena gespannt an. »Oder soll ich?«

»Ich!«, sagte Lena schnell. Der Gedanke, hier allein vor dem monströsen Bauwerk zu stehen, war noch schlimmer als der, den anderen beiden zu folgen.

Malte half ihr, indem er ihren Arm hielt.

Sie machte sich klein und kletterte hindurch. Obwohl sie die Augen weit aufriss, sah sie schlichtweg – nichts. Noch nicht mal die Lichtfinger der Taschenlampen.

Geschickt hangelte sie sich nach unten.

»Hanna?«, rief sie. »Niels?«

»Pst!«, erklang Niels' Stimme neben ihr. »Ich fürchte, wir sind nicht allein.«

Jetzt vernahm es auch Lena. Von weit entfernt klangen Stimmen. Hallend und irgendwie – unwirklich.

»Das hört sich wie eine Litanei an«, sagte Hanna.

»Satanisten«, entfuhr es Niels. »Da wette ich für!«

»Welche Satanisten denn?«, fragte Lena. Sie war jetzt schon nahe daran, loszuheulen.

»Habe ich in der Zeitung gelesen«, antwortete Niels. Seine Stimme war nur noch ein Flüstern. Allerdings klang sie jetzt nicht mehr ganz so überheblich. »Die feiern ihre schwarzen Messen in leerstehenden Gebäuden. Kirchen, Fabrikhallen – und jetzt wohl auch hier.«

Dass es hieß, die Satanisten zündeten hinterher auch die Lost Places an, um ihre Spuren zu verwischen, verschwieg er wohlweislich.

»Ich mach' mir gleich Pipi in die Hose«, sagte Hanna. »Lass uns lieber von hier verschwinden!«