Professor Zamorra 1298 - Veronique Wille - E-Book

Professor Zamorra 1298 E-Book

Veronique Wille

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Beschreibung

In letzter Sekunde drückte Nicole auf die Bremse, sodass der Wagen zum Stehen kam. Gerade noch rechtzeitig, bevor er in voller Fahrt im Schlossgraben gelandet wäre.
"Nanu", wunderte sich Zamorra, "Wer hat denn die Zugbrücke hochgezogen?"
In dem Moment senkte sich die Zugbrücke knarrend.
Doch losfahren konnte Nicole immer noch nicht.
Genau in der Mitte der Zufahrt stand Butler William.
In den Händen trug er eine Kettensäge.
Die er in diesem Moment anwarf ...


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Inhalt

Cover

Personenliste

Monster-KI

Leserseite

Vorschau

Impressum

Die Hauptpersonen des Romans sind

Professor Zamorra: der Meister des Übersinnlichen

Nicole Duval: Zamorras Partnerin und Kampfgefährtin

Henry: fünfzehnjähriges Superhirn

Brittany Adair: sechzehnjährige Engländerin, Henrys platonische Freundin

William: dienstältester Butler auf Château Montagne

Thomas: englischer Butler auf Château Montagne

Kyra: eine Raub-Fyderra; obwohl sie eine Dämonin ist, lebt sie auf Château Montagne

Louis Doré : Spanner

Philippe Gaston: IT-Entwickler

Rahul: sein indischer Kollege

Monster-KI

von Veronique Wille

Unvermittelt hatte sich die Erde unter Zamorra und Taran geöffnet. Ein gewaltiger Schlund drohte den Parapsychologen in die Tiefe zu reißen. Taran reagierte blitzschnell. Er umfasste Zamorra und riss ihn mit sich, flog trotz seiner menschlichen Last mit unglaublicher Geschwindigkeit durch den Gang.

Doch fast ebenso schnell folgte ihm das Wesen aus der Tiefe. Überall riss die Erde auf. Zuckende Tentakel peitschten nach den Flüchtenden, bekamen Taran aber nicht zu fassen. Es war, als umgebe ihn ein unsichtbares Schutzfeld.

Hinter ihnen brach die Decke ein. Der gesamte Gang drohte einzustürzen ...

Kneipe »Zum Teufel«, Saint-Cyriac, Frankreich

»Dein Archivar, Zamorra, hat sich neulich schon bei mir beworben.« Dorfschmied Charles Goudon ließ den Satz bedeutungsvoll vorerst im Raume stehen. Wie erwartet trat gespannte Stille ein.

Goudon nahm einen Schluck aus seinem riesigen Bierglas, blickte dabei aber Zamorra über den Rand gespannt an.

Zamorra seinerseits fiel nicht auf die Finte herein. Er sagte nichts dazu, griff ebenfalls zum Glas, allerdings zum Weinglas, und stieß mit seiner Lebensgefährtin Nicole wortlos an. Dabei kniff er ihr ein Auge zu.

»Ja, und, Zamorra?«, unterbrach schließlich André Goadec die Stille, Zamorras größter Weinbergpächter. »Willst du ihm nicht erklären, dass unser Freund Goudon ein Lügenbold ist? Nie und nimmer würde Pascal bei ihm in die Lehre gehen!«

»Stimmt!«, donnerte Malteser-Joe dazwischen. »Goadec ist ein verdammter Lügner!«

»Woher willst ausgerechnet du das wissen?«, giftete der Schmied zurück.

»Tja ...« Auch Malteser-Joe griff nun erst mal zum Bierglas und nahm einen tiefen Schluck. Danach beugte sich der Ex-Fremdenlegionär angriffslustig über die Tischplatte Gouadec entgegen. »Ganz einfach. Pascal hat sich nämlich bei mir beworben!«

Jetzt waren alle baff.

Justine Rameau fand als Erste die Sprache wieder: »Und als was soll er sich bei dir beworben haben? Etwa als Witzeerzähler?«

»Nichts gegen Witzeerzähler!«, entgegnete Malteser-Joe. »Jeder hier weiß, dass ich der beste weit und breit bin! Kennt ihr den ...«

Jedermann und jedefrau am Stammtisch stöhnte auf. Nicole hielt sich sogar demonstrativ die Ohren zu.

»Na schön, dann kommt ihr eben nicht in den Genuss meiner neuesten Witz-Kreation. Ihr Kunstbanausen! Jawohl: Auch Witze sind eine Kunstform!« Malteser-Joe wirkte leicht verschnupft.

»Lenk nicht ab!«, sagte Gouadec. »Du hast mich einen verdammten Lügner genannt. Ich behaupte, dass du ein noch größerer bist!«

»Genau, Malteser-Joe!«, rief Mostache, der Wirt des »Zum Teufel« von der Theke herüber. Wie üblich, wenn sich die Kneipe zu später Stunde geleert hatte, verfolgte er umso lieber die Gespräche am Stammtisch. Die Zecher hatten in der Regel Sitzfleisch und brachten viel Trinkgeld in die Kasse. Außer von Malteser-Joe, der meistens klamm war und anschreiben ließ. Früher hatte er sogar eine Wohnung an Madame Claire, Zamorras Haushälterin, vermietet, aber die Wohnung hatte er ebenso versoffen wie sein Erspartes.

»Also, es war folgendermaßen ...«, begann Malteser-Joe, der es genoss, aller Aufmerksamkeit auf sich gezogen zu haben. »Gestern kam dein Archivar, Zamorra, zu mir. Er wirkte ziemlich niedergeschlagen. Als ich ihn fragte, welche Laus ihm denn über die Leber gelaufen sei, meine er nur, er müsse wohl bald betteln gehen, um seine Familie ernähren zu können. Seine Stelle auf eurem Schloss würde ja nun bald von einer KI wegrationalisiert werden.«

Nicole wollte protestieren, spürte aber Zamorras Hand auf ihrem Arm. Der Schlossherr wusste genau, dass Nicoles Lunte bei Weitem kürzer war als seine eigene. Normalerweise ertrug sie Malteser-Joes Aufschneidereien und konnte sogar über seine Witze lachen, auch wenn die einen Bart so lang wie Rübezahl hatten. Aber was er jetzt von sich gab, ging zu weit!

»Ja, und wieso ist er dann gerade zu dir gekommen?«, mischte sich nun auch Pater Ralph ein.

»Wieso nicht? Bei dir hätte er ja nur geistigen Beistand erhalten.«

»Mach's kurz!«, verlangte Gouadec. »Bis dahin nenne ich dich weiterhin einen verdammten Lügner!«

»Selber Lügner. Also gut. Ich habe eurem Archivar angeboten, ihn im Nahkampf und Waffengebrauch auszubilden, damit er sich bei der Fremdenlegion bewerben kann.«

Keiner lachte. Damit hatte Malteser-Joe offenbar nicht gerechnet.

»Jetzt reicht es, Malteser-Joe!«, ergriff endlich Zamorra das Wort. »Damit scherzt man nicht. Schreibt es euch alle hinter die Ohren, Leute: Pascal Lafitte war, ist und bleibt unentbehrlich. Das betrifft auch Faolan und alle anderen im Château Montagne. So! Schluss und aus mit euren schlechten Scherzen!«

Er trank den Rest seines Weines mit einem Schluck aus.

»Halt! So leicht kommst du nicht davon!«, sagte Marie-Claire, die den einzigen Krämerladen in Saint-Cyriac betrieb. »Was ist mit der KI? Ich hab so was neulich auch in der Zeitung gelesen: dass die KI alle Arbeitsplätze vernichten tut!«

»Meinen nicht!«, widersprach Mostache. »Keine KI der Welt kann euch Schluckspechten Wein und Bier kredenzen!«

»Und ob!«, rief Gouadec. »Hab erst kürzlich im Fernsehen gesehen, dass es in New York schon Roboter gibt, die dir den Cappuccino kochen!«

Zamorra verdrehte die Augen. »Nicht nur in New York, André. Das gibt's mittlerweile überall und hat nichts KI nicht zu tun.«

»Aber so was von überhaupt nicht!«, ergänzte Nicole, die fast platzte.

»Also ...«, hob Zamorra bedächtig an. »Fakt ist, wie die meisten von euch wahrscheinlich schon durch den Dorffunk erfahren haben, dass wir auf Château Montagne eine neue moderne Computeranlage bekommen, deren Software in der Tat hauptsächlich mit KI-Unterstützung arbeitet. Das bedeutet zum Beispiel für unsere beiden Archivare, insbesondere für Pascal: Die entsprechende KI-Software sortiert für ihn bereits weltweit die Fälle heraus, die er wiederum für uns entsprechend vorbereitet, ob sie für Nicole und mich von Relevanz sind.«

»Wir können so viel schneller reagieren, wenn Gefahr in Verzug ist«, setzte Nicole hinzu.

»So weit, so gut«, ergriff Pater Ralph erneut das Wort. »Ihr wisst, dass ich alles andere als ein Technikgegner bin, aber KI sehe ich als Werk des Teufels an. Führende KI-Experten haben erst neulich davor gewarnt, wohin das führen könnte!«

Zamorra seufzte. »Du beziehst dich wahrscheinlich auf den Appell des Center Of All Safety, den übrigens unter anderem keine Geringere als Monicas Peters unterzeichnet hat, Chefin von Tendyke Industries. Und ratet mal, wem wir die neue Anlage verdanken: Tendyke Industries!«

»Im Übrigen, Pater, ist jener Appell ein Weckruf, eben vernünftig mit jeder Form von KI umzugehen«, ergänzte Nicole. Sie hatte inzwischen ihr TI-Gamma gezückt und die Seite mit dem Wortlaut aufgerufen. »Es heißt hier, das Ziel muss sein, das Risiko einer Vernichtung durch KI zu verringern, und sie sollte eine globale Priorität neben anderen Risiken gesellschaftlichen Ausmaßes sein, wie etwa Pandemien und Atomkrieg.«

»Und damit erkläre ich die Debatte für heute beendet«, entschied Mostache, der sich während des Disputs von seinem Platz an der Theke gelöst und zum Abkassieren an den Stammtisch gekommen war. »Schluss für heute! Es ist spät genug, meine Damen und Herren. André und Malteser-Joe: Los, reicht euch die Hände, und gut ist!«

Die beiden Kontrahenten warfen sich zwar noch unfreundliche Blicke zu, taten aber wie geheißen. Im »Zum Teufel« hatte allein Mostache das Sagen.

Es war nach Mitternacht, als sich die Runde nach einem letzten Absacker endlich auflöste.

Da Nicole weit weniger dem Alkohol zugesprochen hatte als der Meister des Übersinnlichen, hatte Zamorra ihr ausnahmsweise das Steuer der »Göttin« überlassen. Dabei handelte es sich um einen schneeweißen Citroën DS 23 Pallas, dessen Inneres es dank der innovativen Technologie von Tendyke Industries in sich hatte und mit allerlei Gimmicks aufzutrumpfen wusste. Letzte Neuerung war, dass Zamorra mithilfe der im Wagen installierten Computeranlage jederzeit auf das Netzwerk im Château zugreifen konnte.

Wobei die Installation der Anlage, die die TI-Techniker sinnigerweise TI-Ultra getauft hatten, so gut wie vor dem Abschluss stand. Nachdem über Wochen eine ganze Brigade an IT-Technikern und -Spezialisten im Château ein- und ausgegangen war, waren es nun nur noch zwei Fachleute, die letzte Hand anlegten. Gleich morgen wollten sie abreisen. Zamorra und Nicole hatten sie eingeladen, mit ihnen hinunter ins Wirtshaus zu fahren und auf ihren letzten Abend anzustoßen, aber die beiden waren wahre Nerds und hatten Arbeit vorgeschützt.

»Ich kann unsere Freunde unten im Dorf ja verstehen«, sagte Nicole, während sie das schwere Gefährt lässig mit einer Hand die Serpentinen hinauf zum Schloss lenkte. »Alles, was die Menschen nicht verstehen, macht ihnen Angst.«

»Verstehen wir denn alles, was mit KI zusammenhängt?«, fragte Zamorra. »Ehrlich gesagt, da war einiges, was mir in den letzten Wochen Spanisch vorkam, wenn die TI-Techniker loslegten.«

»Ging mir genauso. Aber schließlich sind wir keine IT-Fachleute, sondern Fachleute im Aufstöbern und Eliminieren von Dämonen und anderem Kroppzeug.«

»Was wohl nichts anderen heißen soll als ›Schuster bleib bei deinen Leisten‹.«

Nicole warf ihm einen Blick zu und lächelte. »Insofern bist du der beste Schuster der Welt, chéri.«

»Der Meister dankt.«

Mit Schwung nahm Nicole auch die letzte Serpentine. Nur wenige Momente später erhob sich vor ihnen Château Montagne.

In letzter Sekunde trat Nicole auf die Bremse, sodass der Wagen zum Stehen kam. Gerade noch rechtzeitig, bevor er in voller Fahrt im Schlossgraben gelandet wäre.

»Nanu«, wunderte sich Zamorra. »Wer hat denn die Zugbrücke hochgezogen?«

»Da will uns wohl einer aussperren!«, sagte Nicole. Sie gähnte. »Und das zu nachtschlafender Zeit, wo sich frau nur noch nach einem Bett sehnt ...«

»Mann auch«, ergänzte Zamorra. »Und was machen wir jetzt?«

In dem Moment wurde die Zugbrücke knarrend heruntergelassen.

Doch losfahren konnte Nicole immer noch nicht.

Genau in der Mitte der Zufahrt stand Butler William.

In Händen hielt er eine Kettensäge.

Die er in diesem Moment anwarf ...

»Spinn ich, oder ist etwa schon wieder Halloween?«, fragte Nicole.

William, der ansonsten so auf seine Etikette bedachte Butler, stand im Nachthemd da. Obwohl sein Gesicht mit einer Ledermaske bedeckt war, handelte es sich unverkennbar um William. Das Rattern der riesigen Stiehl-Kettensäge in seinen Händen dröhnte so laut wie eine Harley durch mitternächtliche Stille.

»Vielleicht hat William ausnahmsweise zu tief ins Glas geschaut«, mutmaßte Zamorra.

»William? Niemals! Der schottische Whisky, den ihm Sam vor zwei Jahren geschenkt hat, steht noch immer unangerührt in seinem Regal.«

»Woher weißt du das denn?« William hütete sein Zwei-Zimmer-Refugium wie den berühmten Augapfel. Zumindest Zamorra hatte es in den letzten Jahren nicht einmal von innen gesehen. Und er gönnte seinem Butler seine Privatsphäre.

»Ist doch jetzt egal. Ich steig mal aus und rede mit ihm ...«

»Lass mich das machen, Nici. Mit William stimmt was nicht ...«

Nicole sah ihren Partner spöttisch von der Seite an. »Aha, verstehe. Du Tarzan, ich Jane, was?«

Zamorra seufzte. »Also schön, steigen wir beide aus.«

William hatte sich unterdessen nicht einen Schritt vorwärtsbewegt. Es hätte auch eine Wachsfigur dastehen können. Allein die Motorsäge vibrierte in seinen Händen.

Während sie sich dem Butler näherten, achtete Zamorra genau auf sein Amulett und darauf, ob es sich vielleicht auf seiner Brust erwärmte, was ein untrügliches Zeichen für eine dämonische Aktivität gewesen wäre. Aber Merlins Stern blieb kalt.

Es wäre auch fast ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Denn William befand sich innerhalb des Châteaus. Und dafür, dass die Bewohner vor magischen Attacken aller Art geschützt waren, sorgte die M-Abwehr rund um das Schloss.

Wobei ... Zamorra kam plötzlich ein beunruhigender Gedanke. Es war Williams Aufgabe, die Siegel täglich zu überprüfen. Was, wenn ...?

Er hatte den Butler fast erreicht, als der zum Angriff überging!

Château Montagne

Henry, das fünfzehnjährige Genie mit den drei Gehirnen, verdrehte genervt die Augen. Er saß in seinem Zimmer vor dem PC und war via Skype mit Brittany im fernen England verbunden. Die beiden so gegensätzlichen Jugendlichen hatte beim ersten Aufeinandertreffen einvernehmliche Abneigung erfüllt. Doch nach und nach hatten sie sich zusammengerauft und einander sogar schätzen gelernt.

»Also, ich wiederhole«, begann Henry erneut. »Eine Frau geht zum Metzger, um sich einen Pferdebraten zu kaufen. Als sie nach dem Preis fragt, antwortet der Metzger: ›Zwei Schweinebraten und ein Steak kosten dasselbe wie ein Huhn. Sieben Würstchen und ...‹«

»Scheiße!« Brittany fuhr sich genervt mit beiden Händen durch die pechschwarz gefärbten Haare. »Verdammte Hacke, ich raff's einfach nicht, kapier das endlich! Auch wenn du die Textaufgabe noch tausend Mal wiederholst!« Ihre Hände fuhren wieder herab und zerknüllten vor Wut das Blatt Papier, auf dem sie sich die Aufgaben notiert hatte. Anschließend formte sie es zu einem Ball und warf es gegen die Kamera.

Henry blieb völlig ruhig. »Hör zu. Mathe ist kinderleicht ...«

»Für dich vielleicht! Wenn ich drei Gehirne hätte, wäre ich Superwoman!«

»Die Aufgaben sind für normalsterbliche Schüler konzipiert. In diesem Fall musst du einfach vier Gleichungen aufstellen und sie anschließend in einem Gleichungssystem lösen, indem ...«

»Schluss damit, du Kröterich! Mein Kopf qualmt bereits. Außerdem bin ich müde. Ich schlage vor, dass du bis morgen früh die Aufgaben löst und ich sie dann in mein Heft übertrage.«

»Also wie immer.« Henry war niemand, der so leicht resignierte. Er hob belehrend den Zeigefinger. »So lernst du's nie!«

»Na und? Dafür habe ich in den letzten Wochen etliche Fleißsternchen bei der doofen Kuh von Mathelehrerin gesammelt. Sie ist begeistert über meine Fortschritte.«

»Spätestens bei der nächsten Klausur wirst du auffliegen.«

»Da habe ich mir schon was Nettes überlegt. Ich fotografiere die Aufgaben, melde mich mal kurz ab, weil ich dringend aufs Klo muss, und schick dir die Aufgaben zu.«

»Das ist illegal.«

»Na und? Bist du etwa so ein Hosenscheißer?« Sie schaute auf ihre Smart Watch. »Du, ich muss jetzt echt gleich schlafen, damit ich morgen ausgeruht bin.«

»Für die Schule?«

»Nee, ich bin morgen auf 'ner Pyjamaparty bei Mike eingeladen. Irre, was?«

Henry erwiderte nichts. In letzter Zeit erwähnte Brittany diesen Mike sehr oft. Eigentlich hätte es ihm nichts ausmachen dürfen. Brittany und er waren doch nur ... Tja, was waren sie eigentlich? Kumpels? Beste Freunde? Außerdem hatte er sich noch nie was aus Mädchen gemacht. Dennoch ... war das etwa Eifersucht, die er verspürte? Er hatte keine Ahnung. An seine eigenen Gefühle hatte er noch nie einen Gedanken verschwendet.

»Hey, Kröti, bist du eingeschlafen?«

»Nein, ich habe nur nachgedacht.«

»Ist klar, mindestens eines deiner Gehirne rattert ja immer. So, ich muss jetzt aber! Bis morgen, ja.«

»Schlaf gut, Brit...«

In diesem Moment barst der Monitor mit einem lauten Knall.

Gleichzeitig verlosch die Schreibtischlampe.

Im Zimmer wurde es schlagartig stockdunkel.

»Henryyyy!«

Er vernahm Brittanys entsetzen Ruf wie aus weiter Ferne.

Was eigentlich unmöglich war, denn nicht nur der Monitor, auch die Festplatte hatte sich verabschiedet.

Saint-Cyriac

Louis Doré ging wie fast jeden Abend seiner drittliebsten Beschäftigung nach: Er schaute Pornos. Lieber noch hätte er sich in einen Life-Sex-Chat mit der rassigen Madeleine eingeklinkt. Über Monate hatte sie ihm die feuchtesten Fantasien beschert. Leider war der Chat seit einigen Tagen unauffindbar.

Auf die Pornoschiene war er erst seit einem Jahr gekommen. Mehr oder weniger als Notlösung. Die Jahre vorher hatte er sich damit vergnügt, seine Nachbarin von gegenüber, Annabelle Boisson, allabendlich heimlich auszuspähen. Er hatte sich sogar eingebildet, dass sie es wusste, ja sogar genoss. Warum zog sie sich sonst jeden Abend vor dem hell erleuchteten Fenster eine Striptease-Show ab, wenn sie sich das Nachthemd überstreifte. Im Sommer schlief sie nackt.