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Bern ist absolut zufrieden mit ihrem Leben. Sie wohnt und arbeitet in einem Lastwagen, zieht durch das Land auf der Suche nach wertvollem Schrott und ist ihr eigener Boss. Von gelegentlichen Begegnungen mit Räuberbanden und aggressiven, verstrahlten Tieren einmal abgesehen läuft es gut für sie und ihren Geschäftspartner. Zu ihrem Arbeitsmaterial gehören Kreissägen, Schraubenschlüssel, Zangen, Gasmasken und Schusswaffen. Alltag für einen Prospektor. Begleitet sie durch einen ganz gewöhnlichen Arbeitstag - wenn ihr euch traut! Eine Dystopische Kurzgeschichte von Patrick Huber.
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von
Patrick Huber
Patrick Huber
Nürnberger Str. 21,
91217, Hersbruck
https://linktr.ee/Patrick_Autor
Cover: Uddelhexe
Kapitel 1
An diesem Morgen wurde Bern von einem äußerst aromatischen Geruch geweckt. Sie schlug die Augen auf und erblickte das vertraute, zerkratzte, in tristem Grau gehaltene Blechdach direkt vor ihrer Nase. Stöhnend rollte sie sich auf die linke Seite und sah sich in dem schummrigen Innenraum des Lastwagens um, der ihr Zuhause darstellte. Der Eckschreibtisch gegenüber war übersät mit Landkarten und Notizblöcken, der Bildschirm des kleinen Computers war schwarz. Auf dem Schwerlastregal reihten sich Kisten und Kartons mit Lebensmitteln, Munition, diversen Waffen und Werkzeugen. Nur das Rauschen des Windes, das Brummen des Luftfilters und ein leises Klappern waren zu hören. Stöhnend befreite sie sich von ihrer Decke und fand die Quelle des herrlichen Duftes. Neves hockte auf einem knarzenden Drehhocker vor der kleinen Küchenzeile und rührte in einer verbeulten Blechkanne.
„Der Rest vom Synthkaf?“, krächzte Bern und ließ sich unelegant auf den Boden herab.
Neves schaute kurz auf, bevor er sich wieder der wichtigen Aufgabe widmete, das koffeinhaltige Gebräu umzurühren.
Das Zeug verursachte höllisches Sodbrennen und war niemals auch nur in die Nähe einer Kaffeebohne gekommen. Bern vermutete, dass der Hersteller eine stark süchtig machende Substanz reinpanschte, denn trotz des grässlichen Geschmacks und des Herzrasens bekam sie einfach nicht genug davon.
„Ich dachte mir, das brauchen wir heute. Wird ein langer Tag“, brummte Neves.
„Völlig richtig. Wir kaufen neuen, wenn wir wieder bei der Station sind.“
Bern zog sich den zweiten Hocker unter dem Schreibtisch hervor und die beiden gönnten sich ein traditionelles Prospektor-Frühstück: Synthkaf und einen Proteinriegel. Beides aus den Werken von Bejing Sustenance Incorporate.
Anschließend schlüpfte sie in ihre Arbeitskluft. Eine Latzhose aus abgewetztem Denim, ein langärmliges Shirt und ein langer, schwerer Mantel. Darüber schnallte sie sich ein Gurtgeschirr mit Taschen für Gewehrmagazine, Leuchtstäbe, Taschenlampe und weiteres Werkzeug.
Dann ging es an die Arbeit.
Noch zu Berns Kindheit wäre ihr Arbeitsplatz, welcher zugleich ihr einziges Heim darstellte, als extrem merkwürdig empfunden worden. Die Bedingungen wären in den meisten Ländern als unmenschlich verboten worden. Doch seit die Ressourcen der modernen Industrie gefährlich knapp waren und mächtige, internationale Konzerne sich alles Wertvolle mit Waffengewalt nahmen, hatten sich die Befindlichkeiten der einfachen Bevölkerung drastisch verändert. Bern war eine von tausenden freiberuflichen Prospektoren. Sie durchforstete die Ödnis nach allem, was sich wiederverwerten ließ. Edelmetalle, Computerchips, in Vergessenheit geratene Ölvorräte, gesundes Saatgut. Doch das große Geld brachten intakte Wasserfilter, hochwertiger Edelstahl oder auch Lithium. Von solchen Funden konnte sie einen Monat lang leben.