Meister der Runen - der Chronik zweiter Teil - Patrick Huber - E-Book

Meister der Runen - der Chronik zweiter Teil E-Book

Patrick Huber

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Beschreibung

Die Abenteuer der Runenkrieger gehen weiter! Dieser Sammelband enthält die Bände Elf bis Zwanzig einer Reihe von Kurzgeschichten rund um die Runenkrieger, die Elitekämpfer der Zwerge. Sie sind Krieger, Gelehrte und Magier in einem. Oft nimmt ein Teil Bezug auf die Handlung, oder die Personen aus einem anderen Teil und doch gibt es keinen roten Faden; kein Motiv, das sich konsequent durch alle Bände auf ein gemeinsames Ziel zu bewegt. Die Runenkrieger ziehen aus, um furchterregende Monster zu bekämpfen, entführte Prinzen zu retten, die Tore des Zwergenreiches gegen feindliche Armeen zu verteidigen und die die Welt zu erkunden. Die Zwerge haben großen Reichtum angehäuft und verschanzen sich in ihrem Berg. Der Neid und der Groll der anderen Völker gegen das kleine Volk ist groß und so sehen sich die Runenkrieger immer größeren Herausforderungen gegenüber. Wie lange werden sie sich noch gegen die waschende Zahl an Feinden behaupten können? Wie können sie einen dauerhaften Frieden sichern?

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Buch Ivar

Buch Hrolf

Buch Ida

Kalin - Buch 3

Gunnar - Buch 3

Kalin - Buch 4

Buch Gabelbart

Buch Waräger

Buch der Entscheidung

Danksagung

Impressum

Patrick Huber

Meister der Runen

 Der Chronik zweiter Teil

Sammelband 2

Cover: Ireth Ancalimë

Inhaltsverzeichnis

Vorwort Seite 4

Buch Ivar Seite 5

Buch Hrolf Seite 32

Buch Ida Seite 63

Kalin - Buch 3 Seite 92

Gunnar - Buch 3 Seite 128

Kalin - Buch 4 Seite 160

Buch Gabelbart Seite 201

Buch Eloîn Seite 233

Buch Waräger Seite 263

Buch der Entscheidung Seite 288

Danksagung Seite 328

Impressum Seite 329

Für Apfelkuchen. Ja, du hast richtig gelesen: Apfelkuchen.

Vorwort

Die Abenteuer der Zwerge gehen weiter! In diesem Buch sind die Bände Elf bis Zwanzig von Meister der Runen zusammengefasst. Wie immer lassen sich die einzelnen Kurzgeschichten separat und in beliebiger Reihenfolge lesen, aber ich empfehle dir, chronologisch vorzugehen. Stelle sicher, dass du einen Humpen Bier oder Met zur Hand hast, denn das Kommende wird dich ganz schön durstig machen! Monster, Orks, Elfen, Druiden und aufrührerische Zwerge, sie alle lechzen nach dem Blut unserer tapferen Helden und fordern ihnen alles ab - da braucht es zwischendurch eine Stärkung! Es warten Wunder, Geheimnisse und grausige Schrecken darauf, entdeckt und bewundert zu werden. 

Nachdem ich nun über zwei Jahre lang an Meister der Runen geschrieben habe, werde ich eine kleine Pause von den Zwergen machen, um mich anderen Projekten zu widmen. Diese spuken mir seit geraumer Zeit im Kopf herum und verlangen danach, realisiert zu werden. Doch sei unbesorgt, es wird mit den Runenkriegern weitergehen. Auch hierzu habe ich bereits wieder einige Ideen und ich freue mich schon darauf, die Reise von Kalin und seinen Gefährten fortzusetzen. Solltest du in der Zwischenzeit Sehnsucht nach ihnen bekommen, so werfe doch einen Blick auf meine Patreon-Seite, (https://www.patreon.com/user?u=54047992) denn dort werde ich auch weiterhin Mini-Texte über die Welt der Runenkrieger verfassen.

Genug geschwafelt! Jetzt ziehe schon los und stürze dich in das Abenteuer! Viel Spaß!

Buch Ivar

Ich laufe durch die Gassen der Zweiten Ebene. Von irgendwo ertönt das eindringliche Läuten einer Alarmglocke. Sigurd rennt neben mir her. Unsere schimmernden Rüstungen klappern laut bei jedem Schritt. An einer Kreuzung müssen wir kurz verharren. 

In Welche Richtung jetzt?

Die restlichen Runenkrieger holen uns schwer atmend ein. Jeder von uns trägt eine meisterhaft gearbeitete Runenrüstung, die magischen Symbole tauchen unsere angespannten, verschwitzten Gesichter in goldenes Licht. 

Schreie ertönen aus westlicher Richtung und unser Trupp setzt sich unverzüglich wieder in Bewegung.

“Denkt daran, der Beschwörer hat oberste Priorität”, schärft Sigurd uns ein. “Wenn er tot ist, kollabiert das Portal und es tauchen nicht noch mehr Dämonen auf.

Es ist, als hätten wir die Unterwelt betreten. Ein Meer aus Flammen. Das Schreien der Sterbenden und der Gestank von brennendem Fleisch; unzählige dieser grausigen Kreaturen. 

Wäre da nicht Sigurd an meiner Seite, ich würde mich umdrehen und rennen.

Doch er steht neben mir, ungebeugt und furchtlos. Entschlossen hebt er seine Axt und schreitet den Monstern entgegen, wie ein Held aus den alten Sagen. 

Ich kann ihn nicht im Stich lassen. Ich darf ihn nicht enttäuschen.

Mit einem Schlachtruf werfen wir uns auf die Dämonen. Es sind groteske, alptraumhafte Wesen, die aus einer Welt jenseits der unseren stammen. Magier können Tore zu dieser Welt öffnen und deren Bewohner ihrem Willen unterwerfen, um Tod und Zerstörung über unsere Welt zu bringen. Ich nähere mich einem Dämon, meinen Schild erhoben; den Speer zum Stoß bereit. Das scheußliche Ding sieht aus, wie eine aufrecht gehende Echse mit sechs Hörnern auf dem länglichen Schädel und es labt sich an den verkohlten Überresten einer Zwergin.

Ruckartig fährt der Dämon zu mir herum und speit eine gelbe Flamme aus. 

Das Feuer prallt gegen meinen Schild, züngelt gierig nach mir und erlischt plötzlich. Die Runen gegen das Dämonenfeuer, mit denen Waffenmeister Astelan uns alle ausgestattet hat, sind mächtig. Ich spüre lediglich eine warme Brise. Der Kampf der zwischen den brennenden Gebäuden entflammt ist chaotisch und brutal. 

Wir sind zwar gegen die Magie unserer Gegner gefeit, doch nicht gegen ihre Zähne und Klauen. Immer mehr Dämonen strömen in die Gasse und bremsen unseren Vormarsch.

Gorak wehrt zwei von ihnen gleichzeitig ab und sieht den dritten nicht kommen, der ihm an die Kehle springt. Sein überraschter Aufschrei verstummt rasch.

Sigurd schwingt seine mächtige Axt in fließenden Bewegungen, schreibt mit den Schneiden eine blutige, liegende Acht in die Luft. Sein Harnisch ist über und über mit zischendem, schwarzen Blut bedeckt. “Wir dürfen nicht stehen bleiben! Bildet einen Keil und lasst keinen von Ihnen durch!”, brüllt er.

Ich rücke näher an Sigurd heran und versuche, ihn mit meinem Schild zu decken. 

Nach einer gefühlten Ewigkeit lichten sich die Reihen der Dämonen vor uns und ich kann mir einen Überblick verschaffen.

Wir haben das Epizentrum der Katastrophe erreicht. 

Auf einem zentralen Platz, an dem einmal ein Brunnen war, hat die Realität eine Wunde. Ein hohes Oval von… Nichts… das mitten in der Luft schwebt. Ich kann nicht erkennen, wo sich der Rand des Risses befindet, alles ist verschwommen und verläuft in Schlieren. Wende ich den Blick in das Zentrum des Risses, so erfassen meine Augen...Nichts… Es ist nicht das erste dämonische Portal, dass ich erblicke, daher versuche ich gar nicht erst, mir einen Reim darauf zu machen, was meine Sinne nicht zur Gänze erfassen können. 

“Sieht so aus, als hätte sich der Beschwörer überschätzt”, sagt Sigurd verächtlich. 

Ich folge seinem Blick und sehe die zerfetzten Überreste eines Zwerges in langen, schwarzen Roben nahe des Portales liegen. 

“Die Dämonen haben sich seiner Kontrolle entzogen. Trotzdem ist das Portal nicht kollabiert. Etwas anderes hält es offen. Aber was?”

Da erkenne ich den Anführer der Dämonen. Ein gigantischer Umriss schimmert in der Luft und wird zu einer festen Gestalt. “Dieser Dämon hat jetzt die Kontrolle”, sage ich.

Ein annähernd menschliches Gesicht mit pechschwarzen Augen starrt auf uns herab. Die zähe, ledrige Haut ist feuerrot und riesige Schwingen aus reinem Feuer lodern an seinem Rücken. Der Dämon lacht tief und dröhnend. 

Noch mehr magische Flammen züngeln an seinem Körper empor und die Hitze wird so intensiv, dass selbst unsere mit Runen geschützten Rüstungen heiß werden. 

“Ich bin Ignis. Ich bringe euch das Feuer.”

Bewegt der Dämon den Mund, oder donnert seine Stimme lediglich in unseren Köpfen? Ich weiß es nicht.

“Wie sollen wir gegen dieses Monstrum ankämpfen?” Ich hauche die Worte unwillkürlich. 

Sigurd klopft mir bestärkend auf die Schulter. “So, wie wir alle Feinde der Zwerge bekämpfen, Ivar. Mit Entschlossenheit, Mut und Verstand.”

Damit wendet er sich dem Dämon zu, packt seine Axt fester und senkt angriffslustig den Kopf. “Zurück in den Abgrund mit dir, Dämon!”, brüllt er und stürmt los.

Er ist so furchtlos, so heldenhaft. Ganz anders als ich, denn in diesem Moment will ich nicht kämpfen. Meine Angst gilt nicht mir, sondern Sigurd. Es darf ihm nichts geschehen!

Ich zögere nur einen Augenblick. Dann stürme ich hinterher, den Blick fest auf Sigurds Rücken gerichtet. Zusammen stürzen wir uns in das Inferno.

Schweißgebadet und schreiend fahre ich aus dem Schlaf hoch. Mein Herz hämmert wild in meiner Brust, während ich mich hastig in dem dunklen Zimmer umsehe.

Neben mir rührt sich Sigurd im Schlaf. Ihn neben mir zu fühlen, in Sicherheit, beruhigt mich. 

Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, stehe ich auf und sehe mich in der Kammer um. Ich bin in meiner Unterkunft, im Runenviertel. 

Der Kampf gegen den Dämon liegt viele Jahre zurück, doch ich träume noch immer davon. Beinahe jede Nacht plagen mich die Erinnerungen an das Grauen und den verzweifelten Kampf. Wir schafften es, den Dämon zu töten und das Portal zu schließen, doch der Preis war hoch. Nur Sigurd und ich hatten überlebt.

Rastlos gehe ich auf und ab. Noch bin ich nicht bereit, mich erneut meinen Albträumen zu stellen. Warum quälen mich jene Erinnerungen nur so? Wir hatten unglaubliches Glück, Sigurd und ich. Der Feind wurde besiegt und wir haben ein gutes Leben. Ein gemeinsames Leben. Mein Herz macht einen freudigen kleinen Hüpfer, während ich der Liebe meines Lebens beim Schlafen zusehe. Ich wüsste nicht, was ich ohne ihn tun würde. Er ist mutig und edel, gerecht und aufrichtig. Er ist mein Fels in der Brandung. 

Seit jenem Zwischenfall mit dem Dämonenbeschwörer habe ich an keinem größeren Kampf mehr teilgenommen. Statt dessen habe ich geforscht und studiert, habe mich der Erweiterung unseres Wissens gewidmet. Sigurd brennt auf einen Kampf, ich sehe es in seinen Augen. Er ist zum Helden geboren. Er sagt, er sei glücklich damit, die Adepten zu trainieren, doch ich weiß, er verweilt meinetwegen. 

Ein stechender Schmerz jagt durch meine Knöchel und ein gepeinigtes Zischen entfährt mir. Die nächtliche Kälte macht meinen Gelenken zu schaffen. Ich habe so viel Zeit mit alten verstaubten Büchern verbracht, dass ich allmählich selbst alt und brüchig werde. Zweihundert Jahre habe ich schon auf dem Buckel - wäre ich überhaupt noch in der Lage, mit Sigurd hinaus zu ziehen und die Feinde des Zwergenreiches zu bekämpfen? Meine Knie protestieren knirschend gegen das unablässige Auf und Ab. 

Seufzend lege ich mich wieder hin. Sigurds Wärme umfängt mich und mildert den Schmerz in meinen Gliedern.

Nach einer weiteren Nacht voller Albträume quäle ich mich mühsam aus dem Bett. Ich verzichte auf meine Rüstung und trage stattdessen eine einfache Tunika unter meinen Wappenrock. 

Danach helfe ich Sigurd mit den Schnallen seiner Rüstung.

“Du siehst erschöpft aus. Hattest du wieder Albträume?” Er mustert mich besorgt.

“Mach dir keine Sorgen. Ich habe schon gehört, dass Zwerge im Alter nicht mehr so gut schlafen.”

Er lächelt charmant. “So alt bist du noch nicht, Ivar. Wenn du dich weiterhin so gut hältst wirst du mindestens dreihundert Jahre alt. Vielleicht sogar vierhundert.”

Seine Albernheiten bringen mich immer wieder zum Lachen. “Ich habe mich bei weitem nicht so gut gehalten, wie du.” Ich streichle ihm gedankenverloren über die glatten Wangen und den imposanten Bart, in den dem noch kein einziges graues Haar zu sehen ist. “Tatsächlich siehst du noch genauso schön aus, wie damals, als wir diesen Dämon besiegten.”

“Du Schmeichler! Wenn ich ein paar Falten weniger habe, als du, dann liegt das an Frana’s gutem Kräutermet. Ich sage dir schon seit Jahrzehnten, dass dieses Bier im kupfernen Kessel nicht gesund ist!”

Im Speisesaal des Runenviertels ist es stiller als sonst, da die achtzehnjährigen Adepten das Gebirge vor kurzem verlassen haben um ihre Prüfung der Wildnis abzulegen. Hinzu kommt, dass ungewöhnlich viele Runenkrieger auf Missionen entsandt wurden.

“So ruhig war es hier schon lange nicht mehr”, sagt Sigurd ernst, als hätte er meine Gedanken gelesen. 

“Meister Donnerhall schickt immer mehr von uns nach Süden, um die Druiden aus ihrem Versteck zu locken”, entgegne ich.

“Dieser Kampf hätte vermieden werden können  - und wir können ihn uns schwerlich leisten.”

Die Bitterkeit in seiner Stimme überrascht mich. Normalerweise bin ich derjenige, der kritisiert und hinterfragt. 

Als wir uns an einem leeren Tisch niederlassen, scheinen die anderen Zwerge um uns her lauter und angeregter miteinander zu plaudern. Das Getuschel schwillt an, wie das Summen erzürnter Bienen. Blicke wandern in unsere Richtung und meine Laune verfinstert sich. “Wir sind Runenkrieger, die besten Kämpfer und schlauesten Gelehrten unter dem Berg. Die Magie unserer Runen ist die mächtigste Waffe unseres Volkes! Warum benehmen sich die meisten von uns wie ignorante Waschweiber?”

Sigurd legt mir beruhigend eine Hand auf die Schulter. “Lass sie deinen Zorn nicht sehen. Ich fürchte die meisten von ihnen sind in ihrem Kern genau das, was du sagst: Ignorant und süchtig nach Klatsch und Tratsch. Lass sie erst einmal unser Alter erreichen und erleben, was wir erlebt haben, dann werden sie vernünftiger sein.”

“Falls sie so lange überleben”, brumme ich verstimmt.

Ich tue so, als würde ich die unverschämten und regelrecht feindseligen Blicke nicht bemerken und streiche Frischkäse auf mein Brot. Eine Weile lang essen wir schweigend, allein in einem tosenden Sturm aus Unverschämtheit und Häme. Gerade will ich den letzten Bissen mit Wasser herunterspülen, da läuft mir ein eiskalter Schauer über den Rücken. Rasch werfe ich einen Blick zu Sigurd, doch mein Geliebter scheint nichts ungewöhnliches zu bemerken. Ich mustere die Gesichter in der Halle, ohne zu wissen, wonach ich eigentlich Ausschau halte. Irgendetwas stimmt nicht, das sagt mir mein Instinkt.

Dort! Halb hinter einer Säule verborgen steht eine schattenhafte Gestalt! Ich greife nach meinem Apfel und tue so, als betrachte ich ihn nachdenklich von allen Seiten, behalte jedoch die unheimliche Erscheinung im Auge. Sie steht im Schatten, den die Säule im Licht der Laternen wirft und sieht eindeutig zu mir herüber. Es ist kein Zwerg, dafür ist das Wesen zu groß. Ich versuche angestrengt, mehr zu erkennen, doch es wirkt, als sei der Unbekannte selbst aus Dunkelheit. 

“Was hast du?”, fragt Sigurd.

Ich drehe mich zu ihm, so dass die Schattengestalt mein Gesicht nicht sehen kann und sage leise: “Da ist eine große Gestalt hinter der Säule in meinem Rücken. Sie beobachtet uns.”

Sigurd runzelt die Stirn, hebt seinen Becher und lässt dabei den Blick durch die Halle wandern. “Meinst du etwa Meister Turin? Als besonders groß würde ich ihn nicht unbedingt bezeichnen. Aber ich glaube du hast recht. Er beobachtet uns. 

“Runenmeister Turin? Bist du sicher?”

“Was meinst du damit? Natürlich bin ich sicher! Wer soll es denn sonst sein? Nicht viele Runenkrieger tragen Gewehrkugeln als Bartschmuck.”

Ich halte es nicht mehr länger aus, ich muss mir das genauer ansehen. Ich fahre schnell herum und Blicke direkt auf die Gestalt hinter mir. Einen winzigen Augenblick lang denke ich, die hochgewachsene Schattengestalt vor mir zu sehen. Zwei grelle, rote Lichter erstrahlen dort, wo die Augen sein müssten. Doch schon im nächsten Moment begreife ich, wen ich da vor mir habe. Es ist tatsächlich Meister Turin, der mir grüßend zunickt, bevor er sich abwendet und die Speisehalle verlässt. 

Verwirrt schüttle ich den Kopf. Was ist gerade passiert? Bin ich schon so alt, dass ich meinen eigenen Augen nicht trauen kann? Ich hätte schwören können, ein magisches Wesen vor mir zu haben, keinen Zwerg aus Fleisch und Blut. Diese rot glühenden Augen lassen mir das Blut in den Adern gefrieren. So etwas habe ich seit vielen Jahren nicht mehr gespürt. Nicht seit…

“Er spioniert uns nach”, flüstert Sigurd und blickt Turin mit finsterem Blick nach.

“Ich wette, sein Kopf ist voller haltloser Anschuldigungen.”

Zwei Wochen nach jener unheimlichen Begebenheit beschäftigt mich das seltsame Verhalten von Meister Turin noch immer. Ich werde das Gefühl nicht los, in Gefahr zu sein. Ich habe im Laufe meiner Zeit als Runenkrieger mit vielen Wesen und Gefahren zu tun gehabt und mein geschulter Instinkt schreit mir unablässig ins Ohr. Ich habe meine alten Notizen über Dämonologie zusammengesucht, so wie eine Reihe von theoretischen Abhandlungen zu diesem Thema aus der Bibliothek geliehen. Jeden Morgen, wenn Sigurd zur Trainingshalle geht, setze ich mich an meinen Schreibtisch und lese, suche nach einem Hinweis. Ich bin mir nicht sicher, wonach ich suche, doch mein Bauchgefühl sagt mir, dass es etwas mit diesem verdorbenen Zweig der Magie zu tun hat.

Eine Zeile aus “Dämonologie: Eine Wegbeschreibung in die ewige Verdammnis” springt mir ins Auge: Dämonen sind Meister der Täuschung und der Manipulation. Selbst dem geschulten Blick entzieht sich ihre wahre Natur. Doch aus den Augenwinkeln, ohne bewusstes Zutun, können wir die Wahrheit erkennen. 

Eine eisige Faust umklammert meine Brust. Könnten sich Dämonen unter uns befinden? Hier, im Runenviertel? Rasch blicke ich mich nach allen Seiten um, doch außer mir ist niemand in dem Zimmer. Wenn sich ein paar dieser Wesen hier, im Zentrum der magischen Macht des Königreiches, eingenistet haben, sind sie in der idealen Position, um uns alle zu vernichten! Bilder von brennenden Straßen und verkohlten Leichen ziehen vor meinen geistigen Augen vorbei. Ohne die schützenden Runen wird der Rest des Volkes deutlich leichter zu vernichten sein!

Mein Herz hämmert laut und wild in meiner Brust. Ich muss alle warnen, allen voran den Fürsten der Runen, den Anführer der Zunft.

Ich habe die Tür schon fast erreicht, da öffnet sie sich und Sigurd tritt ein. 

“Sigurd! Gut, dass du da bist!”

“Meine Güte, du bist ja bleich, wie der Tod! Was ist passiert?”

Rasch berichte ich von meinem Verdacht, dass sich Dämonen unter uns befinden könnten. 

Er runzelt besorgt die Stirn und wirft einen Blick auf meine Notizen. “Hast du Beweise dafür?”

“Nein, aber was ich gesehen habe - “

“Das reicht nicht aus, um Misstrauen und Anschuldigungen unter unseren Kameraden zu verbreiten und das weißt du.” Seine Stimme ist streng und bestimmt. “Der Fürst der Runen wird dich auslachen, wenn du vor ihn trittst, ohne etwas handfestes vorweisen zu können.” Seine Worte bremsen mich in meiner Hast. Bei der Vorstellung, Dämonen könnten vor dieser Tür lauern, wird mir übel, doch ich bin noch immer ein Runenkrieger. Mein Verstand wurde jahrzehntelang geschärft und diszipliniert. Ich atme tief durch und besinne mich auf meine Ausbildung. Ich muss logisch an die Sache heran gehen, nicht von blanker Angst geleitet. “Du hast recht, mein Lieber. Wir brauchen Beweise. Ich werde weitere Nachforschungen anstellen und du behältst Meister Turin im Auge. Sobald wir etwas herausfinden, gehen wir zum Fürsten. Er wird diese Kreaturen vernichten.”

Die Runenkrieger sind fürchterliche Gegner im Kampf. Die Dämonen werden sich wünschen, niemals diese ehrwürdigen Hallen betreten zu haben. Bei dem Gedanken an die Halle der Runen, besudelt durch die Anwesenheit von Dämonen, weicht meine Angst. Heiß lodernder Zorn verdrängt sie. Ich packe meinen Liebsten bei an den Schultern und blickte ihm fest in die leuchtenden Augen. “Wir beide werden sie bezahlen lassen! Es ist zu lange her, dass wir Seite an Seite kämpften.”

Ein wölfisches Grinsen erscheint in Sigurds Gesicht. 

Die meisten Wesen, die jenseits des Schleiers existieren, scheinen über die Fähigkeit zu verfügen, den Körper sterblicher Wesen auf unserer Seite des Schleiers kontrollieren zu können. Wie diese Annektierung des Fleisches vonstatten geht erschließt sich mir bislang noch nicht. Jegliche Versuche, den Dämon von seinem Wirt zu trennen, ohne tödliche Gewalt anzuwenden schlug bislang fehl, was mich zu der Annahme führt, dass der Dämon den Geist seines Opfers zerstört, absorbiert oder extrahiert. Der Dämon tritt an die Stelle der Seele der sterblichen Hülle, welche folglich nicht mehr ohne den Dämon animiert werden kann. 

Trifft meine Vermutung zu, so unterscheidet sich dieser Prozess von der Nekromantie insofern, als dass der Dämon sein Bewusstsein vollständig in den Körper überträgt, während der Nekromant lediglich eine leblose Hülle mit einem Teil seiner Magie und seines Willens  füllt.

Henrik Kramer’s “Dämonenhammer - Runen gegen die infernalischen Kräfte der Unterwelt” ist eine wahre Fundgrube für Wissen über Dämonologie. Der riesige Wälzer nimmt einen Großteil meines Schreibtisches in Anspruch und ich brauche eine Weile, bis ich mein Notizbuch in dem Chaos finde. Ich notiere mir ein paar Stichpunkte und lese dann weiter. Die Runenkrieger hatten in der Vergangenheit bereits mit dämonischer Besessenheit zu tun und am Ende einer grausigen Kette von Ereignissen kamen die armen Zwerge, die übernommen worden waren, jedes Mal um. Ob Kramer Recht hat und ihre Seelen den Körper bereits verlassen hatten, als der Dämon von ihnen Besitz ergriff? Um ihrer selbst willen hoffe ich es.

Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken und ich wickle mich fester in den Schafspelz ein, den ich mir um die Schultern gelegt habe.

“Du siehst erschöpft aus.”

Eine Hand legt sich schwer auf meine Schulter ich fahre erschrocken zusammen. 

Meine Hand legt sich an den Griff meines Messers am Gürtel. 

“Sachte, Ivar! Ich bin es nur. Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken.”

“Sigurd! Beim göttlichen Schmied, schleiche dich doch nicht so an mich heran!” Erleichtert und mit noch immer laut hämmerndem Herzen sacke ich in meinem Stuhl zusammen. 

“Ich habe mich nicht angeschlichen. Du warst völlig in deine Studien vertieft.” Sigurd lehnt sich über die alten Seiten, die mit winziger Handschrift gefüllt sind. Ein paar Zeichnungen von Dämonen und ihren Opfern sind ebenfalls zu sehen. “Keine angenehme Gute-Nacht-Lektüre”, sagt er und runzelt besorgt die Stirn. 

“Das stimmt, aber ich habe viel herausgefunden”, entgegne ich und reibe mir die juckenden Augen. “Wie steht es mit dir? Hast du Meister Turin beobachtet?”

“Tatsächlich kam er selbst heute Mittag zu mir. Er hat sich nach dir erkundigt.”

Ein ungutes Gefühl überkommt mich. “Achja? Was hat er gesagt?”

“Er meinte, du würdest dich in letzter Zeit sehr merkwürdig verhalten. Er wollte wissen, woran du arbeitest. Er macht sich angeblich Sorgen um dich.” Sigurd schnaubt abfällig. 

“Das sagen die Leute immer, wenn sie herumschnüffeln wollen und mit haltlosen Anschuldigungen um sich werfen wollen.”

Ich hatte bislang noch nie viel mit Meister Turin zu tun. In jenen Tagen, da ich noch an vorderster Front für das Königreich kämpfte, unterstand ich Hauptmann Gerim und bekam meine Befehle von ihm. Gerim war derjenige, der regen Umgang mit den Runenmeistern pflegte. Immer, wenn ich persönlich mit einem Meister zu tun hatte, hatte ich das Gefühl, er würde mich beurteilen, ja sogar von oben auf mich herab sehen. 

“Turin glaubt, er kann über mich richten, nur weil er ein Runenmeister ist und ich den Rang eines einfachen Kriegers inne habe. Er spielt sich auf.”

Sigurd scheint meinen Unmut zu teilen, denn er blickt finster drein und antwortet: “Bei deiner Erfahrung und deinen Forschungen solltest du längst selbst ein Meister sein. Ich habe schon lange den Verdacht, dass Jemand aus höheren Kreisen etwas gegen dich hat und deinen Aufstieg verhindert. Ich habe mich umgehört, aber leider ohne Erfolg. Vielleicht ist es ja Meister Turin, der dich ausbremst.”

Ein wütendes Knurren entfährt mir. “Ein weiterer Beweis seiner dämonischen Absichten.”

Sigurd markiert sorgfältig die Seite des Folianten vor mir und schlägt ihn dann zu. “Komm ins Bett. Du siehst völlig erschöpft aus. Hast du heute überhaupt etwas gegessen?”

“Ich… Ich weiß es nicht.” Ich bin ehrlich überrascht. Ich habe den gesamten Tag in der Stube verbracht und gelesen. Ich habe doch sicherlich Hunger bekommen und etwas gegessen, oder? Ich kann mich nicht entsinnen, etwas zu mir genommen zu haben.

“Du brauchst dringend eine Pause von deinen Studien. Seit Wochen versteckst du dich hier und liest diese grausigen Studien über Dämonen. Morgen begleitest du mich zum Training. Keine Widerrede!” Sigurd redet streng auf mich ein, während er mich sanft, jedoch bestimmt zum Bett bugsiert.

“Du übertreibst”, widerspreche ich dennoch. “Das waren doch nur ein paar Tage.”

“Ivar, es waren fünf Wochen!”, ruft er ehrlich bestürzt aus. 

Auf Sigurds Drängen hin begleite ich ihn am nächsten Morgen in die Speisehalle. Zum ersten Mal seit langem trage ich wieder meine Rüstung. Sie sitzt deutlich lockerer, als ich es in Erinnerung habe. Offenbar habe ich in letzter Zeit abgenommen. Als wir uns setzen nimmt die Intensität der Gespräche an den anderen Tischen zu und feindselige Blicke werden in unsere Richtung abgefeuert. Ich leere meine Schüssel mit Haferbrei zur Hälfte, bevor ich sie von mir wegschiebe. 

“Iss auf, du brauchst deine Kraft”, sagt Sigurd mit vollem Mund. 

“Ich kann nicht mehr.” Ich meine sowohl das Essen, als auch die Abneigung, die den Raum überflutet.

“Wenn das so weitergeht, muss ich dich an einen Stuhl fesseln und füttern, bis du wieder etwas auf den Rippen hast,”

“Das würde dir gefallen, nicht wahr?” Erneut schafft er es, mich zum Lächeln zu bringen.

In der Trainingshalle hat sich eine kleine Gruppe von Adepten  versammelt und hört aufmerksam Runenmeister Astelan zu.

Sigurd lehnt sich zu mir herüber und flüstert: “Nie wartet er auf mich. Tut immer so, als wäre er der einzige, der diesen Kindern etwas beibringen kann.”

“Heute üben wir den Kampf gegen einen Gegner mit deutlich höherer Reichweite”, verkündet Astelan gerade. 

“Geht paarweise zusammen. Einer kämpft mit Speer und Schild der andere mit einer kurzen Axt. Wechselt euch mit den Waffen ab.”

Als wir ihn erreichen, wendet Astelan sich zu uns um. “Ivar Feuerschild, schön euch zu sehen! Möchtet ihr den Adepten zeigen, wie man richtig mit dem Speer umgeht?”

“Natürlich, ignoriere mich einfach. Ich bin ja auch kein Meister, sondern stehe unter dir”, grummelt Sigurd erbost vor sich hin.

Ich hasse den Meister dafür, wie er meinen Liebsten behandelt. Am liebsten würde ich dem eingebildeten Meister in seiner glänzenden, prachtvollen Rüstung die Nase brechen! Sigurd berührt mich leicht am Arm und anstatt auf Astelan los zu gehen, nicke ich lediglich und nehme mir einen Speerschaft, dessen metallene Spitze für das Training abgenommen wurde, sowie einen großen Rundschild. Ich stehe Sigurd gegenüber und wappne mich für den Kampf, da tritt einer der Adepten näher und sieht mich erwartungsvoll an, eine Axt in Händen. 

“Was fällt dir ein, du Rotzbengel!” Mein Zorn bricht lautstark hervor. Zu meiner Zeit haben die Adepten sich nicht einfach den Erwachsenen als Trainingspartner aufgedrängt! Bevor ich den Adepten weiter zurecht stutzen kann, winkt Sigurd ab und tritt demonstrativ einen Schritt zurück. “Nur zu. Ich sehe liebend gerne dabei zu, wie du von einem vierzehnjährigen verprügelt wirst.”

“Danke auch,” brumme ich. “Na meinetwegen. Los, zeig was du kannst, Bursche.”

Der Adept starrt mich unter seinem Helm an, das Gesicht ganz weiß. Er wirft Astelan einen vielsagenden Blick zu, bevor er in Position geht. Jetzt blicken schon vierzehnjährige auf mich herab!

Der Adept ist wendiger, als ich und flitzt um mich herum, versucht an meinem Speer und Schild vorbei zu kommen. Ich halte mich nicht zurück und treffe ihn mehrmals hart mit dem dem Stumpfen Ende des Schaftes. Jetzt blickt er nicht mehr so abfällig! Er hastet nach links und schlägt zu. Sein Axtblatt hakt sich an meiner Schildkante ein und bevor ich meine Waffe herum reißen kann, zerrt er meinen Schild zur Seite. Er hat seine Lektionen gelernt und tritt noch näher an mich heran, hinein in meine Deckung. Bevor seine Axt mich jedoch berühren kann, verpasse ich ihm einen Kopfstoß. Ein lauter Knall ertönt, als unsere Helme gegeneinander schlagen. Überrascht taumelt er zurück und plumpst auf den Hintern.

Sieg!

Ich weiß, gegen einen vierzehnjährigen anzutreten ist nicht gerade fair, doch so gut und lebendig habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt! Ich grinse breit und genieße den Applaus von Sigurd. 

“Noch einmal.” Ich reiche dem Jungen die Hand und ziehe ihn auf die Beine.

Wir sind mitten im zweiten Duell und ich genieße den Schlagabtausch, da bemerke ich etwas aus den Augenwinkeln. Eine große Gestalt in der hintersten Ecke der großen Halle. Mein Kopf fährt herum und einen Augenblick lang starre ich auf eine annähernd menschliche Gestalt. ich erkenne ihr Gesicht nicht, da sind nur Schatten. Mir ist nicht klar, woher ich das weiß, doch ich bin mir sicher, die Gestalt starrt mich direkt an. Ihr Blick, den ich gar nicht wahrnehmen kann, bohrt sich in mein Innerstes und ich bin starr vor Angst.

Ein dumpfer Schlag und Schmerz explodiert in meiner Brust. Ich schreie auf und stolpere vom Adepten weg. Ich war nur einen Moment lang abgelenkt gewesen, doch das hatte genügt. Mein Gegner hatte seine Gelegenheit gnadenlos ausgenutzt und den Speer aus meiner Hand gerissen. Offenbar hatte seine Axt einen Spalt zwischen den Platten meiner zu großen Rüstung gefunden. Sigurd eilt besorgt zu mir und ich taste behutsam meine Rippen ab. Dunkle Flüssigkeit haftet an meinen Fingern, als ich sie zurück ziehe. Entsetzt starre ich den jungen Zwerg vor mir an, der ungemein zufrieden mit sich selbst wirkt. 

“Du benutzt eine scharfe Axt beim Training?”, frage ich ihn, ungläubig und erbost. Das wischt die Arroganz von seinem pickeligen Gesicht.

“N..Nein mein Herr”, stammelt er. 

Hastig werfe ich einen Blick in die Ecke, in der ich die Schattengestalt gesehen habe, doch sie ist verschwunden. Dort sind nur noch die Schatten, die von den Säulen geworfen werden, welche das hohe Felsendach stützen. Astelan kommt herüber und nimmt seinem Schüler die Waffe aus den Händen. Mit dem Daumen prüft er die Schneide und schüttelte stirnrunzelnd den Kopf. “Die Schneide ist Stumpf, Ivar.”

Er lügt. Der Schnitt ist nicht tief, doch er schmerzt noch immer, während dunkles Blut mein dick gepolstertes Gambeson tränkt. Am liebsten würde ich den verdammten Runenmeister anschreien und ihn am eigenen Leib spüren lassen, wie stumpf die Axt ist! Doch ich atme einmal tief ein, was ein fieses Stechen zwischen meinen Rippen verursacht, drehe mich auf dem Absatz um und eile aus der Halle, während Sigurd einen Stofffetzen auf meine Seite presst.

Ich weigere mich, zu einem Heiler zu gehen. Offenbar hat sich das gesamte Runenviertel gegen mich verschworen! Sigurd hat schon viele Wunden versorgt und kümmert sich in unserer Stube um den Schnitt, während ich ihm von der Schattengestalt erzähle, die ich gesehen habe,

“Es wird schlimmer”, sagt er, während er die Wunde mit einem feuchten Tuch abtupft. 

“Diese Erscheinungen scheinen überall zu sein.”

“Ich bin sicher, sie nehmen Einfluss auf die Zwerge, die nicht einmal wissen, dass Dämonen unter ihnen sind”, teile ich ihm mit. “Der Adept hatte eine scharfe Axt und wollte mit mir kämpfen! Das war ein Mordversuch! Wenn auch ein sehr unbeholfener.”

“Ich gehe morgen zum Fürsten. Du bleibst am besten hier und gehst nicht vor die Tür. Lass Niemanden rein, außer mir.”

Ich lache bitter auf. “Das brauchst du mir nicht erst zu sagen. Du hast mich doch zum Training gezerrt! Diese arroganten Meister und respektlosen Kinder! Ich brauche sie alle nicht! Ich bin fertig mit denen.”

Ich laufe durch die Gassen der Zweiten Ebene. Von irgendwo ertönt das eindringliche Läuten einer Alarmglocke. Sigurd rennt neben mir her. Unsere schimmernden Rüstungen klappern laut bei jedem Schritt. An einer Kreuzung müssen wir kurz verharren. 

In Welche Richtung jetzt?

Die restlichen Runenkrieger holen uns schwer atmend ein. Jeder von uns trägt eine meisterhaft gearbeitete Runenrüstung, die magischen Symbole tauchen unsere angespannten, verschwitzten Gesichter in goldenes Licht. 

Schreie ertönen aus westlicher Richtung und unser Trupp setzt sich unverzüglich wieder in Bewegung.

“Denkt daran, der Beschwörer hat oberste Priorität”, schärft Sigurd uns ein. “Wenn er tot ist, kollabiert das Portal und es tauchen nicht noch mehr Dämonen auf.”

Es ist, als hätten wir die Unterwelt betreten. Ein Meer aus Flammen. Das Schreien der Sterbenden und der Gestank von brennendem Fleisch. Unzählige dieser grausigen Kreaturen. 

Wäre da nicht Sigurd an meiner Seite, ich würde mich umdrehen und rennen. Doch er steht neben mir, ungebeugt und furchtlos. Entschlossen hebt er seine Axt und schreitet den Monstern entgegen, wie ein Held aus den alten Sagen. Ich kann ihn nicht im Stich lassen. Ich darf ihn nicht enttäuschen.

Ich wache schreiend auf. Kerzengerade sitze ich aufrecht im Bett. Erneut hab ich im Traum diesen furchtbaren Tag durchlebt. Die ersterbende Glut einer Kohlenpfanne taucht den ansonsten absolut dunklen Raum in rotes Licht. Für einen Moment wirkt es, als seien die Wände mit Blut bedeckt. Ich fröstele, trotz der dicken, gesteppten Decke. Von einem unguten Gefühl geleitet, blicke ich mich aufmerksam um. Hier stimmt etwas nicht.

Da sehe ich es. 

Die Schatten, die das kleine Feuer in den Raum wirft, verhalten sich nicht richtig. Ein ganz leichter, beständiger Luftzug lässt das Licht ein wenig flackern, doch nicht alle Schatten bewegen sich mit der Lichtquelle. 

Dort, über der Tür! 

Ein Schatten huscht von rechts nach links den Rahmen entlang!

Mein Puls beschleunigt sich und mir wird abwechselnd heiß und kalt. Wie ist das möglich? Ich nehme noch mehr Schatten wahr, die sich aus freien Stücken Bewegen. Mein Instinkt schreit mir ins Ohr: “Gefahr! Nimm deine Waffe und lauf!” Doch ich bin wie erstarrt. Als die unnatürliche Aktivität der Schatten immer weiter zunimmt und mein Herzschlag einem lauten, anhaltenden Trommelwirbel gleicht, werfe ich die Starre endlich ab. Ich springe aus dem Bett und haste zum Schreibtisch. Ich muss Sigurd und mich schützen! Ich glaube, leises Gekicher und Getuschel zu hören, während ich das Chaos auf dem Schreibtisch nach Feder und Tinte durchsuche. 

Endlich gefunden!

In der Mitte des Zimmers sorgt ein dicker Teppich für Behaglichkeit. Ungeduldig schlage ich ihn zurück, knie mich auf den kalten Steinboden und tauche die Feder in das Tintenglas.

“Ivar? Was machst du da?”, fragt Sigurd besorgt und tritt näher. 

“Ich zeichne einen Schutzkreis.”

Bei all den Werken über Dämonen, die ich gelesen habe, bin ich immer wieder auf Symbole gestoßen, die einen vor ihnen Abschirmen sollen. Ich habe sie mir eingeprägt, in dem Wissen, dass ich sie eines Tages brauchen würde. Die Symbole sind keine zwergischen Runen, doch sie scheinen nach einem ähnlichen Prinzip zu funktionieren. Schnell habe ich den Kreis vervollständigt. In dem Moment, als das Letzte Symbol die Zeile um Sigurd und mich schließt, scheinen die Stimmen der Schatten leiser zu werden.

Verängstigt klammern wir uns aneinander, während wir auf dem Boden kauern.

Es ist der fünfte Tag der Belagerung. Hätten wir uns nicht am ersten Morgen aus dem Zimmer gewagt, um Vorräte zu holen, so würden wir verdursten und verhungern. Nachts scheinen die Dämonen aktiver zu sein. Das gilt natürlich nicht für jene, die bereits Besitz von einem Zwerg ergriffen haben. 

Wir wollten den Kampf hinauszögern. 

Früher oder später werden Zwerge von außerhalb des Runenviertels bemerken, was sich hier abspielt und uns zur Hilfe eilen. Je länger wir durchhalten, desto höher stehen unsere Chancen. Unsere Vorräte reichen noch für drei weitere Tage. Fünf, wenn wir noch strenger rationieren.

Doch nun hämmern sie an unsere Tür und es scheint, als könnten wir den Kampf nicht noch weiter hinauszögern.

Ich schreibe die Zeilen in dem Wissen, dass sie vielleicht mein Epitaph werden. 

Sollte jemand mein Tagebuch finden, so bringt es unbedingt zum König! Er muss erfahren, was ich herausgefunden habe und was sich hier abgespielt hat! Die Dämonen sind mitten unter uns! Wir befinden uns im Krieg und es ist uns noch nicht einmal bewusst!

Sollte Sigurd die Schlacht überleben und ich nicht, so soll er wissen, dass ich ihn über alles Liebe. 

Er ist das Licht im dunklen Stollen, der meinen Lebensweg darstellt. 

Mein Liebster, ich danke dir für Alles.

Ich lege die Feder beiseite und puste sachte die Tinte auf den Seiten meines Tagebuches trocken.

Erneut hämmert es laut an die Tür hinter mir. 

“Mach dir Tür auf, Ivar. Wir wollen dir nur helfen.”

Der Sarkasmus ist selbst durch das dicke Holz deutlich zu hören. Ich antworte dem Dämon nicht und überprüfe statt dessen meine Rüstung. Die zahlreichen Runen, die ich im Laufe der Zeit eingearbeitet habe, erleuchten den Raum und geben mir ein kleines bisschen Sicherheit, während meine Welt um mich her zerbricht. Nur Sigurd ist noch da, unerschütterlich, mein Fels in der Brandung. Wir beide werden das zusammen durchstehen, bis zum bitteren Ende. 

Stimmen murmeln draußen vor der Tür und erneut wird gegen das Holz geklopft, doch das wird ihnen nichts bringen. Ich habe den Kleiderschrank zerschlagen und mit den Brettern den Eingang zugenagelt. Es ist jedoch nur eine Frage der Zeit, bis die Barrikade durchbrochen wird. 

“Wir harren aus, so lange wir können”, sage ich zu Sigurd. “Wenn sie durchbrechen, rennen wir mitten durch sie hindurch und schlagen uns zum königlichen Palast durch.”

Doch Sigurd schüttelt den Kopf und entgegnet: “Sie werden mit unserer Flucht rechnen und am Ausgang des Viertels auf uns warten. Aber es gibt auch noch andere Wege hinaus. Zwischen der Halle der Toten und der Trainingshalle gibt es einen schmalen Durchgang, der hinunter in die Stollen führt. Von dort aus gibt es zahlreiche Wege, die wir einschlagen können und sie werden unsere Spur verlieren.”

Anscheinend haben die Dämonen Äxte geholt, denn ich höre, wie Stahl auf Holz schlägt. Jetzt ist es soweit. 

Ich schnalle mir meinen Schild an den linken Arm und ziehe mein Gladius. Die kurze und breite Klinge ist bestens für einen Kampf auf engem Raum geeignet. Die Tür erbebt unter den Einschlägen und während ich darauf schaue, muss ich an das Tor zur Unterwelt denken, dass sich krachend öffnet um die Armee der Verdammten auszuspeien. Sigurd drückt sich direkt links vom Türrahmen an die Wand, ich tue es ihm auf der rechten Seite gleich. Splitternd birst die Tür. Nach ein paar weiteren Schlägen geben auch die Holzbretter nach und der Weg ist frei. Mehrere Runenkrieger betreten den Raum, die schweren Äxte noch in den Händen. Ich rühre mich nicht, lasse sie an mir vorbei gehen. Kaum ist der letzte an mir vorbei, springe ich durch die Tür und renne, so schnell ich nur kann. Auf dem langen Flur, von dem zahlreiche Türen zu den Unterkünften der Runenkrieger abgehen, stehen zwei junge Zwerge und reißen erstaunt die Augen auf, als sie Sigurd und mich erblicken. Die beiden sind noch in der Ausbildung, Adepten. Die Dämonen schrecken nicht einmal davor zurück, Kinder in Besitz zu nehmen! Die Krieger hinter uns rufen laut und nehmen die Verfolgung auf.

Die Adepten vor uns strecken abwehrend die Hände aus und versperren unseren Fluchtweg. Ich sehe, wie sich eine boshafte, fremdartige Intelligenz hinter diesen jungen Augen regt. Ich bremse nicht ab, halte meinen Schild vor mich und ramme einen Jungen mit voller Wucht. Knochen knacken laut und sein schlaffer Körper fällt zu Boden. Ich drehe mich auf dem linken Fuß und hacke auf den zweiten Dämon ein. Blut spritzt auf und der Weg nach draußen ist frei.

Auf dem großen Platz, im Zentrum des Viertels, stehen noch mehr Dämonen bereit. Diese sind ausgewachsene Runenkrieger in voller Rüstung und als sie Sigurd und mich erblicken, zücken sie ihre Waffen. Der Kampf ist kurz und brutal. Der erste Dämon redet auf mich ein, während ich mich nähere, versucht mich zu manipulieren. Ich höre ihm nicht zu und stoße ihm meine Klinge in die Achselhöhle, wo er nicht gepanzert ist. Der zweite Gegner lässt sich nicht so leicht überrumpeln und wir tauschen ein paar Hiebe aus, ehe ich an seiner Abwehr vorbei komme und ihn niederstrecke. Laute Rufe erschallen von überall um uns her und die Schar unserer Verfolger nimmt immer weiter zu. Es wirkt, als hätte die Dämonen bereits jeden einzelnen Runenkrieger übernommen! Sigurd und ich hasten weiter, durch den Stolleneingang und hinab in die Tiefe, gejagt und auf uns allein gestellt.

Anfangs befinden sich noch in regelmäßigen Abständen Laternen an den Stollenwänden, doch irgendwann ist das einzige, was unseren Weg noch erhellt, das flackernde Licht der Fackeln unserer Verfolger.

“Hier lang”, presst Sigurd schwer atmend hervor und biegt nach links in einen schmalen Seitengang ab. Blind tasten wir uns weiter voran. Warum hat keiner von uns beiden daran gedacht, eine Fackel mit zu nehmen? Der Abstand zu den Dämonen wird größer, ihre Stimmen immer leiser. Doch den Schattengestalten, die uns schon seit Tagen belauert haben, können wir nicht davon rennen. Ihre Stimmen werden lauter, ertönen von überall her, direkt um mich herum. Ein boshaftes Gekicher und Getuschel, einem aggressiven Summen gleich, das meine Ohren erfüllt. 

Ich stolpere über etwas und stürze hart zu Boden. Das laute Scheppern meiner Rüstung hat garantiert unsere Position preisgegeben! Ich krieche auf allen Vieren weiter und nehme Sigurds Schritte unmittelbar vor mir wahr. Vielleicht sollte ich dankbar für die Dunkelheit sein. So sehe ich zumindest nicht die Schatten, die sich um mich scharen und mir in die Ohren kreischen.

“Weiter nach rechts”, flüstert Sigurd und zieht mich auf die Beine. Er nimmt meine Hand und führt mich den Weg entlang, den er wohl ertastet hat. Kurz darauf höre ich ihn fluchen und wir halten an. Ich strecke meinen Arm aus und ertaste eine raue Felswand.

“Nein, verdammt!Hier hätte es wieder nach oben gehen müssen!”, zischt Sigurd zornig und verzweifelt.

“Vielleicht haben wir eine Abzweigung übersehen. Los, zurück”, sage ich und wende mich um, doch er hält mich auf. 

“Nein! Besser, wir verstecken uns hier. In der Dunkelheit übersehen sie uns vielleicht.”

So kauern wir in der hintersten Ecke des Ganges, dicht aneinander gedrängt und warten ab. Ich wage kaum, mich zu bewegen.

Es dauert nicht lange, bis der flackernde Schein der Fackeln näher kommt. Leider vertreibt das Licht nicht die hämisch kichernden Schatten. Wenn überhaupt, dann befeuert es nur noch ihre boshafte Freude. Zu sehen, wie sie sich den zahlreichen dunklen Ecken des Tunnels tummeln ängstigt mich mehr, als sie zu hören und das wissen sie genau.

Unsere Verfolger rufen meinen Namen, lassen mich wissen, wie nah sie sind und dass wir ihnen nicht entkommen können. Bastarde!

Sie erreichen die Abzweigung und blicken sich aufmerksam um. Es sind drei Dämonen, in den Körpern von Runenkriegern, deren Namen ich nicht kenne. 

Geht einfach weiter, ihr seht uns nicht. Geht einfach weiter!

Das Glück ist uns heute wirklich nicht hold. Der Blick des Anführers trifft den Meinen und einen Augenblick lang sehe ich die boshafte, fremde Intelligenz hinter seinen Augen. “Lass die Waffe fallen und ergib dich. Wir wollen nur dein Bestes, Ivar.”

Ich denke gar nicht daran, mich ihnen auszuliefern. Ich springe auf und hebe mein Schwert, bereit alles und jeden zu erschlagen, der sich uns in den Weg stellt. “Du musst dir schon mehr Mühe geben, Dämon! Lebend bekommst du uns nie!”

Das Monster hebt beschwichtigend die Hände, seine Axt steckt noch im Gürtel. “Ich weiß, es geht dir nicht gut. Wir wollen dir helfen, Ivar. Es muss nicht noch mehr Blut vergossen werden, bitte komm zur Vernunft und höre auf mich.”

“Beachte ihn nicht, los, wir kämpfen uns den Weg frei!”, rufe ich Sigurd zu, der hinter mir steht.

Das Gesicht des besessenen Zwerges vor mir nimmt einen merkwürdigen Ausdruck an. Ist das… Besorgnis? Verwunderung? “Ivar, mit… mit wem redest du da?” 

Was für eine dumme Frage! Ich lache verbittert auf. “Sag bloß, du hast noch nie von Sigurd gehört, dem tapfersten aller Runenkrieger, der schon unzählige Dämonen vernichtet hat?”

Der Dämon wirkt völlig verunsichert. Zaghaft streckt er eine Hand nach mir aus. Seine Stimme ist sanft, aber Eindringlich, als würde er mit einem verletzten Tier sprechen. 

Oder mit einem Verrückten. “Ivar, Sigurd ist tot.”

Stille. Zum ersten Mal seit Tagen sind die Schatten um mich her still und regungslos.

“Was redest du da?”, blaffe ich den unverschämten Idioten an. “Er steht doch vor dir, genau hier.”

Ich deute auf Sigurd, der noch immer links hinter mir steht und der merkwürdig schweigsam ist. 

Der Runenkrieger blickt zu Sigurd und dann wieder zu mir. “Ivar, da ist niemand. Sigurd ist schon seit vielen Jahren tot. Er starb im Kampf gegen den mächtigen Dämon, den ihr besiegt habt, erinnerst du dich denn nicht? Wir haben ihn in der Halle der Toten begraben, du hast seine Grabrede gehalten.”

Was er sagt ergibt überhaupt keinen Sinn! Ich versuche zu begreifen, was hier vor sich geht, doch ich bin wie betäubt. 

Ein kalter Schauer läuft mir den Rücken hinunter und ich drehe mich zu Sigurd um.

Da steht er, eine Armeslänge von mir entfernt im Licht der Fackeln und sieht mir in die Augen. Er ist noch genauso schön, wie damals, als ich ihn kennenlernte… Genau genommen sieht er haargenau so aus, er ist keinen einzigen Tag gealtert.

“Wer bist du?”, hauche ich kraftlos.

“Ich bin dein Freund. Dein Gefährte - und das schon seit sehr langer Zeit. Ich will nur, dass es dir gut geht. Ohne mich würdest du vergehen vor Trauer um deinen Liebsten. Tatsächlich hast du auch um ihn getrauert. Du hast so bitterlich geweint - bis ich kam und dir deinen Kummer nahm und dich erneut glücklich machte.”

Er ist so ruhig, spricht so gelassen und ich begreife einfach nicht, was er da sagt. In meiner Angst brülle ich: “Wer bist du?”

Sein Gesicht verändert sich. Es wirkt länger und kantiger, die Augen liegen plötzlich in den Schatten verborgen und ein breites, bedrohliches Grinsen zerteilt ein Antlitz, das gerade eben noch das meines Liebsten war. Auch seine Körperhaltung verändert sich. Er wirkt selbstsicher und ungezwungen. Doch unter dieser oberflächlichen Erscheinung verbirgt sich eine tödliche Gefahr. Ich kann sie spüren, wie eine Aura umgibt sie ihn. Als das Wesen spricht, erinnert nichts mehr an meinen Sigurd. “Ich bin Ignis. Ich bringe euch das Feuer.”

Ignis - der mächtige Dämon, gegen den Sigurd und ich damals kämpften. Ich war mir bislang sicher, wir hätten ihn vernichtet. Mein Schwert entgleitet meinen kraftlosen Fingern und meine Beine knicken unter mir ein.

Ich erinnere mich an den Kampf.

Sigurd und ich griffen den Dämon von verschiedenen Seiten aus an, wichen seinen Klauen aus, unsere Runen schützten uns vor seinem magischen Inferno. Vor meinem geistigen Auge sehe ich erneut, wie Sigurd die Aufmerksamkeit und den Zorn des Dämons auf sich lenkte um mir den entscheidenden Schlag gegen den Hals des Ungeheuers zu ermöglichen. Ignis verging schreiend, doch Sigurd lag in seinem eigenen Blut, das Gesicht zerfetzt, die Gliedmaßen unnatürlich verdreht.

“Nein!”

Meine Kehle brennt und Tränen nehmen mir die Sicht. Es ist, als hätte ich meinen Geliebten noch einmal verloren.

“Siehst du, genau diesen Schmerz wollte ich dir ersparen”, sagt der Dämon sanft und geht neben mir in die Hocke. 

“Du hast mich manipuliert und benutzt”, brülle ich ihm ins Gesicht.

Erst als ich es ausspreche, wird mir die ganze Tragweite der Ereignisse offenbar. Jahrelang hat er mich beeinflusst und ich hatte keine Ahnung. Die anderen Runenkrieger… Oh nein… Er hat mich dazu gebracht, meine Waffen gegen die Meinen zu erheben! Gegen die Kinder!

In diesem einen Moment ist mein Verstand so klar, wie seit langer, langer Zeit nicht mehr. 

Während ich schluchzend auf dem kalten, steinernen Boden kauere, blicke ich zurück und erkenne, wie der Dämon sich an meinen Verstand angeheftet hat, wie subtil er meine Wahrnehmung manipulierte. Die Blicke der anderen Zwerge empfand ich stets als hochnäsig und feindselig, dabei waren sie nur erstaunt und neugierig - kein Wunder, immerhin saß ich stets abseits und führte Selbstgespräche! Die Runenkrieger waren nie von Dämonen besessen gewesen - ich war der Besessene!

“Verschwinde aus meinem Kopf!”, verlange ich mit zitternder Stimme.

Der unbekannte Runenkrieger machte einen weiteren Schritt in meine Richtung, die Hand noch immer ausgestreckt. “Bitte, Ivar, komm mit uns. Wir werden dir helfen.”

Ich nicke kraftlos. Ich habe gemordet. Ich bin Besessen. Ich weiß, ich muss mich stellen und meine gerechte Strafe erhalten. 

“Lass mich dir zeigen, was passiert, wenn du dich ihnen ergibst.” Bevor ich reagieren kann, hat der Dämon mir bereits seine Hände an den Kopf gelegt und Bilder tauchen in rascher Folge in meinem Geist auf. 

Ich sehe die Zukunft vor mir.

Die Runenmeister wissen, dass ich nicht verantwortlich für meine Taten bin. Sie werden mich nicht hinrichten. Stattdessen werden sie mich in ein dunkles, kaltes Verlies sperren und versuchen, den Dämon von mir zu lösen. Jahrelang werden sie an mir experimentieren, ohne Erfolg. Ich beobachte, wie sie mich quälen, immer rücksichtsloser Vorgehen und mich am Leben halten.

Erst in vielen Jahren, wenn sie die Hoffnung verlieren, Dämon und Wirt je voneinander trennen zu können, werden sie mich von meinem Leid erlösen. 

Die Vision verblasst und ich sehe in das Gesicht des Dämons. Er sieht wieder wie Sigurd aus und der Anblick dieser wunderschönen Augen ist erschütternd.

Das erwartet mich also? Lieber bettle ich auf Knien um meinen Tod!

“Du weißt, dass dies die Wahrheit ist”, säuselt Sigurd. “Ich gebe zu, ich habe dich beeinflusst. Aber ich habe dich niemals belogen. Niemals.”

“Töte mich doch einfach.”

Spreche ich mit dem Dämon, oder mit dem Runenkrieger? Ich weiß es selbst nicht. Ich will nur, dass diese Qualen enden.

“Um dein Leid zu beenden musst du nicht zwangsläufig sterben”, flüstert Sigurd mir ins Ohr. “Du hast die Wahl. Das Leid im Verlies der Zwerge, oder ein Leben mit mir. Keine Schuld, keine Schmerzen, kein Leid mehr, nie wieder. Nur du und ich, für alle Ewigkeit.”

Ich spüre seine Lippen an den meinen und mein gebrochenes Herz hüpft in meiner Brust. Ich vermisse meinen Sigurd! Ich will einfach nur bei ihm sein! Ich will das alles hier ungeschehen machen, will nie wieder daran denken müssen!

Der Sterbliche greift nach uns, eiserne Handschellen in den Händen. Die Zeichen in dem Metall blenden uns, versengen unsere Haut mit kaltem Feuer. Was glaubt dieser Zwerg, was er da tut? Ein leichter Stoß mit der flachen Hand und er kracht mit einem befriedigenden Knirschen gegen die Wand. Die anderen beiden stürmen vor, doch sie sind unwichtig. Langweilig. 

Ich bin müde und erschöpft. Ich kann nicht mehr.

Dann brauchen wir Nahrung! Unsere Zähne graben sich in weiches Zwergenfleisch. Das Blut ist heiß und pulsiert mit Kraft.

Schon viel besser. 

Der letzte Sterbliche bewegt sich so langsam und ungeschickt wie ein Greis. Nicht wie wir. Spielend leicht weichen wir seinen lächerlichen Attacken aus. Ein einzelner Sprung katapultiert uns an die Felswand gegenüber und rasch klettern wir mit unseren Krallen daran empor. Kopfüber von der Decke hängend betrachten wir unser nächstes Opfer. Das bärtige Gesicht ist uns zugewandt, die Augen vor Angst weit aufgerissen. Sein Mund öffnet sich weit und sein entsetzter Schrei hallt weit durch die dunklen Gänge. Der Sterbliche schreit noch immer, als wir uns auf ihn stürzen.

Buch Hrolf

Korin rannte so schnell seine kurzen Beine ihn trugen über die Bergwiese. 

In der aufziehenden Dunkelheit wurde das Gelände tückisch und er stolperte mehrmals. 

Hinter sich hörte er den keuchenden Atem seines älteren Bruders.

Ein schauriges Heulen erklang in der Ferne. Es ähnelte einem Wolfsgeheul, aber kein Tier aus Fleisch und Blut konnte so unheilverkündend klingen.

Die Jungen rannten noch schneller, die Furcht trieb sie an. Sie wussten, was dort im fernen Wald lauerte. 

Korin sah sein Heim vor sich, die Eltern standen an der offenen Tür des kleinen Häuschens und winkten hektisch. 

Kaum waren die Jungen hindurch, verschloss der Vater den Eingang und legte einen schweren Holzbalken vor. 

“Korin, schüre das Feuer. Runak, kümmere dich um deine Schwester”, erteilte die Mutter ihnen Anweisungen. Sie bemühte sich, Zuversicht auszustrahlen, doch Korin bemerkte das Zittern in ihrer Stimme. Finja, Korins jüngere Schwester klammerte sich an das Bein ihrer Mutter und weinte. 

Während der große Bruder, die kleine Zwergin hochhob und sanft mit ihr sprach, nahm Korin das schwere Bündel von seinem Rücken. Der Vater hatte die Jungen ausgesandt, neues Feuerholz zu holen, damit sie für diese Nacht ausreichend Licht und Wärme hatten. 

“Keine Sorge, Hilfe ist unterwegs. Hafnir hat es bestimmt in den Berg hinein geschafft”, sprach der Vater zu niemand bestimmtem. Er hatte sich vor der verbarrikadierten Tür aufgebaut und hielt sich krampfhaft an einer Axt fest. Es war keine Streitaxt, wie sie von den Helden des Zwergenreiches in der Schlacht geführt wurden, sondern ein schlichtes, kurzes Beil, dass er normalerweise dazu verwendete, Holzscheite zu spalten. Keiner von ihnen war ein Kämpfer, die Familie verdiente sich ihren Lebensunterhalt mit der Aufzucht von Schafen. 

Es gab ein paar unterirdische Stallungen, von denen aus Nutztiere durch verborgene Zugänge nach draußen, auf die saftigen Weiden an den Bergflanken getrieben werden konnten. Jene Hirten konnten die meiste Zeit über unter der Erde bleiben, wo sich die Zwerge sicher fühlten. Doch Korins Familie gehörte zu den wenigen, deren Heim oberirdisch und abseits der dicht bevölkerten Tunnel lag. 

Diese Abgeschiedenheit rächte sich nun.

Vor etwa einer Woche begannen die nächtlichen Angriffe. Etwas brach in den Stall ein und tötete zahlreiche Schafe, metzelte nach und nach die gesamte Herde nieder. Selbst Verge, der tapfere Hund, konnte die Wesen nicht abschrecken. Sie fanden seinen zerfetzten Leib am nächsten Morgen inmitten des Blutbades.  

Zuerst dachte der Vater noch, besonders aggressive Raubtiere würden umherstreifen und so reparierte er den Stall und baute den Zaun höher. Doch in der Nach darauf kehrten die Wesen zurück und töteten noch mehr Tiere. Sie kratzen und schlugen sogar gegen die Wände des Wohnhauses, doch glücklicherweise hielten die Mauern stand. Daraufhin bewaffneten sich die Männer des Hofes und hielten während der dritten Nacht draußen Wache.

Es stellte sich heraus, dass die Angreifer gar keine Tiere waren - jedenfalls keine von dieser Welt. Hafnir, der Stallbursche, sowie der Vater flüchteten ins Haus und berichteten von grausigen Raubtieren, die aus Rauch und der nächtlichen Dunkelheit selbst zu bestehen schienen. Diese Wesen störten sich nicht an den Hieben, mit denen sie bedacht wurden und töteten Ragnar, den Cousin der Mutter.

Daraufhin beschloss Hafnir, die Reise in das Innere des Berges zu wagen, um Hilfe zu holen. 

“Bald wird Hilfe kommen”, wiederholte der Vater wie im Gebet.

Von der anderen Seite der Tür war ein tiefes Knurren zu hören und alle hielten den Atem an.

Nach einem Moment der Stille erschütterte ein heftiger Schlag die Tür und die Kinder schrien erschrocken auf. Finja weinte erneut. Die Wesen schienen dieses Mal fest entschlossen zu sein, hinein zu gelangen. Die Tür erzitterte unter ihrem Ansturm. Das Holz des schweren Balkens ächzte gequält auf.

Korin wusste, dass es nicht mehr länger würde standhalten können. Der Junge schnappte sich Mutters größte und schwerste Pfanne vom Tisch neben der Feuerstelle und wankte damit an die Seite seines Vaters. 

“Bleib zurück Korin!”, befahl dieser seinem Sohn, doch Korin schüttelte lediglich den Kopf.

“Ich helfe dir, die Monster zu vertreiben. Du schaffst das nicht alleine.”

Am liebsten wäre Korin zu seiner Mutter gerannt, oder hätte sich unter seinem Bett versteckt. Doch er musste tapfer bleiben und seine Mutter und seine kleine Schwester beschützen.

Seine Finger krampften sich um den Stiel der Pfanne, während er wie gebannt auf die Tür starrte. Er glaubte schon, Risse im Holz des Querbalkens zu erkennen, da erklangen andere Geräusche von draußen.

Eine Stimme rief etwas und die Monster hörten auf, gegen die Tür zu schlagen.

Das Geheul der Schattengestalten wurde schriller und dumpfe Schläge ertönten.

Das waren die Geräusche einer Schlacht!

“Endlich! Die Krieger sind eingetroffen!”, rief der Vater erleichtert. Die Spannung wich aus seinem Gesicht und er strahlte seinen Sohn an. “Jetzt wird alles gut!”

Korin ließ sie Pfanne fallen und eilte zu einem Fenster. Auf Zehenspitzen versuchte er, hindurch zu spähen, doch die Fenster waren ebenfalls verbarrikadiert. Die Krieger, die man zu ihrer Rettung entsandt hatte, mussten nun direkt im Hof sein, Korin konnte das Sirren von geschärftem Stahl hören, der durch die Luft schnitt. 

Plötzlich flog die Tür in einem Schauer aus Holzsplittern auf und die Dunkelheit drang in die Hütte ein. Ein lebendig gewordener Schatten, dessen Umrisse nur schwer auszumachen waren, kauerte mitten im Raum wie ein angriffslustiges Raubtier. Sein Grollen ließ die Milchkannen auf dem Tisch klirren. 

Die Familie war starr vor Angst. Die Bestie beobachtete sie, unentschlossen, welchen Zwerg sie zuerst fressen sollte.

“Hinfort mit dir, sage ich!”, erschallte eine laute, tiefe Stimme und Stahl blitze auf, als ein schwer gepanzerter Zwerg durch die zerstörte Tür stürmte. Ungebremst traf seine Schulter auf den Schatten und das Monster jaulte auf, als es gegen das Mobiliar der Hirten geschmettert wurde. Das Splittern, Krachen und Fauchen des Kampfes war ohrenbetäubend. Schließlich rappelte sich der an einen Wolf erinnernde Schatten auf und brachte etwas Abstand zwischen sich und den Krieger. 

Korin konnte den Zwerg nun erstmals deutlich erkennen. Einen Augenblick lang dachte er, der göttliche Schmied höchstselbst wäre in die Welt der Sterblichen herabgestiegen um die Familie zu retten. Der Kämpfer war hochgewachsen und trug einen glänzenden Harnisch über einem Kettenhemd. Ein Spangenhelm saß auf seinem Kopf und die langen, feuerroten Zöpfe seines Bartes fielen ihm auf die Brust. In einer gepanzerten Faust hielt er eine lange Streitaxt. Mit der anderen deutete er auf die Familie und sprach, ohne den Blick von dem Schattenwolf abzuwenden: “Bleibt zurück!”

Korin blinzelte erstaunt. Seit dem Auftauchen des Kriegers schien es viel heller in der Hütte zu sein. Dann erkannte der Junge, dass die Runen auf der Rüstung von innen heraus leuchteten! Die magischen Symbole gaben ein warmes, goldenes Licht ab, dass den Raum besser erleuchtete, als der flackernde Schein des Feuers. Es erreichte jedoch nicht die Bestie, die im Eingang kauerte. Diese duckte sich erneut, bereit zum Sprung. Der Krieger schlug zu, doch seine Axt glitt durch das Monster, wie durch Rauch. 

“Nächster Versuch”, knurrte der Krieger und schlug den Schattenwolf mit der freien Hand auf die Schnauze. Seltsamerweise traf der stählerne Handschuh auf Widerstand, wo die Axt keine Wirkung zeigte. Achtlos warf der Krieger seine Waffe fort und zog eine weitere Axt. Korin sah ein ganzes Waffenarsenal in breiten Lederschlaufen auf seinem Rücken befestigt. 

Jede dieser Äxte war mit Runen versehen, welche so hell leuchteten, wie jene auf der Rüstung. Inzwischen hatte der Schattenwolf Verstärkung erhalten. Weitere dunkle Gestalten drängten sich in dem Eingang und rangen darum, der nächste zu sein. 

Der Krieger versperrte den Weg in das Haus mit seinem Körper und hieb wieder und wieder auf die Bestien ein. Jedes Mal war es so, als bekämpfe er körperlose Geister und er zog die nächste Axt um es erneut zu versuchen. 

Der Zwerg zog gerade die dritte oder vierte Axt, da rammte ihn eine Gestalt von der Größe eines Braunbären und warf ihn mit einem lauten Knall rücklings zu Boden. 

Der Krieger riss die Axt hoch und mit einem dumpfen Schlag borte sich die Schneide in den lichtlosen Leib. Das Ungetüm brüllte auf und wich hastig zurück, stolperte dabei über die nachrückenden Schatten. Der Zwerg hielt den Stiel seiner Axt entschlossen fest und wurde mitgeschleift. Er stemmte seine Füße gegen den Boden und mit einem schmatzenden Geräusch und einem Schauer dunkler Tropfen kam die Axt frei.

“Jetzt kann es endlich losgehen”, knurrte der Krieger ließ einen wahren Hagel von Schlägen auf die Monster niedergehen. Sie jaulten schmerzerfüllt auf und wandten sich zur Flucht.

Schwer atmend blieb der Krieger in der Tür stehen und rief seinen Gegnern hinterher: “Schert euch fort, Kreaturen der Nacht! Lasst euch hier nie wieder blicken!”

Stille kehrte ein und der Runenkrieger Hrolf wandte sich der verschreckten Familie zu. Alle waren vom Schrecken der letzten Tage gezeichnet. Blutunterlaufene Augen starrten ihn aus abgemagerten Gesichtern heraus an.

Beim göttlichen, Schmied, wenn er auch nur ein paar Minuten später eingetroffen wäre, hätte er ein Blutbad bezeugen müssen!

“Seid ihr unverletzt?”, fragte er.

Alle nickten und die Frau sank schluchzend auf Knie, als die Schockstarre von ihr abfiel. “Danke. Vielen Dank! Ihr habt uns gerettet!” 

“Bitte steht auf, ich bin doch kein Adliger.” Hastig trat Hrolf vor und zog die Zwergin wieder auf die Füße. “Ich fürchte, es ist noch nicht vorbei. Diese Wesen werden wieder kommen.”

Der Vater der Familie neigte dankbar Kopf. “Ich heiße Rollo und das ist meine Frau, Lufina. Ihr seid gerade rechtzeitig gekommen. Wie viele Krieger habt ihr mitgebracht?”

Darüber musste Hrolf schmunzeln. “Ich bin Hrolf Steinfuß und ich fürchte, ihr müsst euch mit meiner Wenigkeit begnügen.”

Der Hirte riss erstaunt die Augen auf. “Ihr seid alleine gekommen? Hat Hafnir euch nicht gesagt, wie viele Bestien es sind?”

“Ihr seid ein Runenkrieger, stimmt’s?”, fragte einer der Jungen und starrte Hrolf voller Bewunderung in den großen Augen an.

“Ja, ich bin ein Runenkrieger. Bevor ich mit einer Truppe Krieger aufmarschiere, muss ich zunächst herausfinden, mit welcher Art von Bedrohung wir es hier zu tun haben. Doch eines, nach dem anderen. Helft mir zuerst, die Tür zu verbarrikadieren.”

Hinter der relativen Sicherheit eines Trümmerhaufens versammelten sich alle am knisternden Feuer. Hrolf untersuchte die Runen jener Axt, welche den Schattenbestien geschadet hatte.

Als sein Hauptmann ihn mit diesem Fall beauftragt hatte, wusste Niemand, von welcher Art die Bedrohung war. Daher hatte er sich von Runenmeister Astelan mit mehreren Waffen ausstatten lassen, die jeweils mit unterschiedlichen Runenzaubern versehen waren.

Die Inschrift auf diesem Axtblatt neutralisierte Schattenmagie.

“Ah, das passt”, sagte Hrolf und schob die Waffe in seinen Gürtel. “Diese Bestien dort draußen sind Wesen aus reiner Schattenmagie. Die Vereinigung von Licht und Dunkelheit, ihre Zauberkraft beziehen sie von Sonne und Mond gleichermaßen.”

“Dann wisst Ihr, wie ihr sie töten könnt?”, fragte Rollo hoffnungsvoll.

Hrolf nickte und strich sich gedankenverloren über den Bart. Er war bereits vor ein paar Jahren einmal Schattenwesen begegnet und diese Aggression passte nicht zu ihnen. Die meisten lebten in der Nähe potenter Magiequellen. Vorzugsweise dort, wo Schattenmagie das Land durchtränkte. In der Heimat der Zwerge gab es keine solche Quelle und der Gebrauch arkaner Magie war beim kleinen Volk verpönt. 

Warum also versammelten sich so viele Schattenwesen an diesem Ort - und wieso waren sie derart blutrünstig?

“Warum konnte Eure Faust die Schattenwölfe verletzen und Eure Äxte nicht?” Der kleine Junge beobachtete den Runenkrieger voller Neugier und Bewunderung. Krieger wie Hrolf stellten die Elite des Zwergenreiches dar. Sie galten als die fähigsten Kämpfer, die weisesten Gelehrten und die Weber mächtiger Runenzauber. Für den Jungen musste es so sein, als wären seine Gute-Nacht-Geschichten lebendig geworden.

“Wie heißt du, Junge?”

“Korin.”

Hrolf ging in die Hocke und streckte seinen rechten Arm aus, damit Korin die leuchtenden Runen auf seinem Panzerhandschuh betrachten konnte. “Diese Wesen haben keinen Körper aus Fleisch und Blut. Sie bestehen aus reiner Magie. Meine Rüstung ist mit Runen gegen alle möglichen Arten der Magie gefeit - Die Äxte haben jeweils nur eine Inschrift gegen eine bestimmte Form der Magie.”

Korins Augen wurden groß und er fragte voller Ehrfurcht: “Habt Ihr diese Rüstung selbst geschmiedet?”