Von Menschen und Zwergen - Patrick Huber - E-Book

Von Menschen und Zwergen E-Book

Patrick Huber

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Beschreibung

Der junge Zwerg Kalin Bücherschmied hat es endlich geschafft. Er hat die drakonische Ausbildung zu einem Runenkrieger abgeschlossen und sich bereits einen Namen gemacht. Eigentlich sollten die Abenteuer nun erst so richtig beginnen. Doch die Menschenfrau Helga Blaumohn hat sein Herz erobert und anstatt sich im Königreich unter dem Berg seinen Pflichten zu widmen, geht Kalin plötzlich eigene Wege. Das frisch verliebte Paar hat dabei einige Herausforderungen zu bewältigen und Kalin muss zu seiner Bestürzung feststellen, dass seine Vorgesetzten nicht frei von Vorurteilen sind. Dies ist Teil einundzwanzig einer Reihe von Kurzgeschichten rund um die Runenkrieger, die Elitekämpfer der Zwerge. Sie sind Krieger, Gelehrte und Magier in einem. Jeden Monat erscheint eine weitere Kurzgeschichte über die Meister der Runen.

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Anfang
Danksagung

 

 

 

 

 

 

 

Von Menschen und Zwergen

 

Meister der Runen Band 21

 

von

 

Patrick Huber

 

 

 

 

 

 

Patrick Huber

Nürnberger Straße 21,

91217 Hersbruck

[email protected]

https://linktr.ee/Patrick_Autor

Covergestaltung: Ireth Ancalimë

 

 

Anfang

Gemächlich zog das Muli seine schwere Last den gewundenen, steilen Pfad hinab. Hin und her wand sich der Weg. Das Tier beklagte sich dankenswerterweise nicht über sein Los, doch gab es auch keinerlei Grund zur Eile. Kalin wusste es besser, als den Vierbeiner zu drängen. Er war unter Tage gewesen und hatte eine Wagenladung Schamottsteine gekauft. Der Zwerg konnte es kaum erwarten, mit seinem neuesten Projekt zu beginnen. Doch der Heimweg war lang und beschwerlich, da die Hütte am Rand des kleinen Moores unterhalb des Westtores zum Königreich unter dem Berg lag. Kalin musste lächeln, als ihm klar wurde, dass er ganz selbstverständlich von Helgas Häuschen als „Heim“ gedacht hatte. Sein Zuhause. Ihr gemeinsames Haus. Das fühlte sich noch immer ungewohnt an. Der junge Runenkrieger war einundzwanzig Jahre alt und hatte erst vor zwei Wintern seine Prüfung der Wildnis abgeschlossen. Er hatte zehn Jahre lang in einem Gemeinschaftsraum im Runenviertel gelebt, zusammen mit anderen Kindern, welche die anspruchsvolle Ausbildung absolvierten.

Doch nun lebte er bei seiner Gefährtin Helga Blaumohn. Sie war einfach großartig, auch wenn sie häufig mit ihm schimpfte. Unter ihrer schroffen Fassade verbarg sich ein liebevolles und fürsorgliches Wesen. Sie hatte ihm von ihrem Leben im Land der Menschen erzählt. Eine harte Schale war überlebenswichtig, wenn man als Frau in Tanturil überleben wollte. Unweigerlich musste er daran denken, wie er Helga kennengelernt hatte. Er war von einem Hexenjäger engagiert worden, um sie festzunehmen. Die abergläubigen Menschen misstrauten einer Heilkundigen, die ganz alleine im Wald lebte und waren schnell bereit, ihr jedes persönliche Ungemach anzulasten. Kalin hatte sich gegen den wütenden Mob gestellt und war mit Helga aus dem Königreich geflohen. Wahrscheinlich suchte man sie dort noch immer für ihre angeblichen Verbrechen.

 

Das Muli hatte endlich das untere Ende des Weges erreicht und zog seinen Karren auf eine saftig grüne Wiese. Prompt hielt das Tier an und tat sich an der Vegetation gütlich.

„Kann das nicht warten? Jetzt ist es nicht mehr weit!“ Kalin wurde geflissentlich ignoriert. „Zuhause wartet ein Sack mit Hafer auf dich. Das ist doch viel besser, als das schnöde Gras hier, oder? Das stinkt bestimmt noch nach Orkblut.“

Kurz nachdem Kalin das Gebirge verlassen hatte, um seine Prüfung der Wildnis zu absolvieren, war ein riesiges Orkheer gegen die Zwerge marschiert und hatte das Westtor belagert. Man sah noch immer deutlich die Schäden, die eine lagernde Armee zwangsläufig in der Natur hinterlässt. Kahle, festgestampfte Erde und mit Schaufeln ausgehobene Löcher und Gräben. Baumstümpfe krallten sich in Todesstarre in die Erde und zeugten von den zahlreichen gefällten Bäumen. In der Ferne konnte Kalin eine deutlich abgegrenzte, kreisrunde Blumenwiese erkennen, umgeben von spärlichem Bewuchs. Dort mussten Leichen begraben sein, deren Körper die Pflanzen nährten.

Das Muli störte sich nicht daran und rupfte weiter Grasbüschel aus dem Schlachtfeld. Vielleicht mochte es ja das Orkaroma. Kalin atmete tief durch. Er musste sich in Geduld üben. Geduld war eine Tugend, die jeder Runenkrieger sich aneignen musste, doch heute war er ungewohnt rastlos. Die Aussicht, endlich wieder schmieden zu können, machte ihn ganz zappelig.

Endlich hatte das Muli genug gefressen und folgte nun dem Zwerg gehorsam zwischen die vereinzelten, niedrigen Bäume und hinein in das Moor, welches vom nahen Wasserfall gespeist wurde. Es gab einen sicheren Pfad durch das tückische Gelände, welcher mit Wegsteinen markiert war. Er wand sich durch das Moos, das Heidekraut und ein Dickicht aus niedrigen Büschen, immer weiter nach Westen. Hin und wieder grub ein verkrümmter Baum seine Stelzenwurzeln in den nassen Untergrund. Bei Nacht war das Moor wirklich unheimlich. Die Pflanzen wirkten in der Dunkelheit wie verzerrte, bösartige Abbilder ihrer Tagesgestalten. Die Stille wurde hin und wieder von einem gequälten Stöhnen unterbrochen, das so manchen Wanderer in Flucht geschlagen hatte. Kalin hatte den Ursprung dieser Geräusche natürlich untersucht. Die Wahrheit war leider sehr unspektakulär: Das Stöhnen entstand, wenn Gase sich gewaltsam einen Weg durch das matschige Erdreich bahnten. Er hatte versucht, Proben von dem Gas zu nehmen, um mehr über seine Eigenarten herauszufinden, doch bislang hatte er noch keine Erkenntnisse. Vermutlich war seine Gasausbeute zu niedrig. Sehr faszinierend, dieses Thema.

Noch faszinierender, als die natürlichen Gasvorkommen, waren die Irrlichter. Sie flammten nachts auf und lockten mit ihrem fahlen Licht arglose Reisende von dem sicheren Pfad weg und in den todbringenden Morast. Viele Zwerge glaubte, es handele sich um die Geister der Verstorbenen oder um heimtückische, magische Wesen. Wenn er doch nur ein solches Licht einfangen könnte! Aber Kalin war umsichtig genug, den Erscheinungen nicht nachzugehen.

Ein zweiter Pfad zweigte von dem Weg ab und führte nach Süden. Auch dieser war mit Wegsteinen markiert, doch die Runen auf ihnen waren in Kalins geschwungener Handschrift geschrieben. Dies war die Zufahrt zu der Hütte. Erleichtert lenkte er sein Zugtier auf diesen Pfad und nach einer langgezogenen Kurve kam sein Ziel in Sicht.

 

Das Häuschen war klein, das Innere bestand aus einem einzigen Raum. Die Wände aus Weidengeflecht waren mit Lehm verkleidet und das Dach mit Stroh gedeckt. Rauch stieg aus dem steinernen Schornstein in den nachmittäglichen Himmel. Ein niedriger Zaun, ebenfalls aus Weide, grenzte eine großzügige Fläche vor dem Eingang ab. Dort hatte Helga Beete mit Gemüse und Kräutern angelegt. Hinter dem Haus grasten ein paar Schafe. Ihr gelegentliches Blöken war für Kalin fest mit dem wohligen Gefühl zu Hause angekommen zu sein verknüpft.

Helga kniete mit dem Rücken zu ihm in einem der Beete und schnitt große Büschel Beifuß ab. Der Zwerg lächelte breit. Diese große, stürmische und selbstbewusste Frau hatte ihn völlig in ihren Bann geschlagen. Allerdings nicht sofort. Bei ihrer ersten Begegnung hatte der Zwerg mit dem Gedanken gespielt, getrennte Wege zu gehen. Doch im Laufe des Jahres seiner Prüfung hatten sie gemeinsam zahlreiche Abenteuer erlebt und bei Kalins triumphaler Heimkehr hatte er sich bereits ein Leben ohne sie an seiner Seite nicht mehr vorstellen können. Wann war aus Freundschaft und Kameradschaft mehr geworden? Als sie in Sokoku die Gäste Watanabe Kenjis waren? Während der gefährlichen und ereignisreichen Reise durch das Wüstenreich Azhan? Kalin wusste es nicht. Bis Helga den ersten Schritt gewagt und ihm Einblick in ihre wahren Gefühle gegeben hatte, war es ihm nie in den Sinn gekommen, darüber nachzudenken.

 

In diesem Moment hörte Helga ihn kommen und richtete sich auf. Die strengen, angespannten Gesichtszüge wurden bei Kalins Anblick weicher. Doch sie wäre nicht Helga, würde sie ihm nicht zuerst eine Standpauke halten. Sie stemmte die Hände in die Hüften und brachte einen vorwurfsvollen Blick zustande, der sich mit dem des alten Borengar messen konnte. „Du bist spät dran“, verkündete sie finster. „Während du ein paar Steine hergezogen hast, habe ich die Tiere und Pflanzen alleine versorgen und Kochen müssen.“

„Tut mir leid“, entgegnete er reumütig. „Frala hat einen neuen Marillenmet gebraut und mich eingeladen, etwas davon zu kosten. Kaum war ich im Runenviertel, wollten mir die Meister einen Haufen Arbeit aufbrummen.“

„So, so. Hast du denn wenigstens daran gedacht, mir etwas Hübsches mitzubringen?“

Vor Schreck – und plötzlichen Schuldgefühlen - klappte ihm der Mund auf.

Helga lachte ungezwungen auf. „Du bist mir ein toller Verführer! Na los, schaff den Karren aus dem Weg und komm rein. Das Essen ist bald fertig.“

Verdammt, er hätte wirklich daran denken müssen, ihr etwas mitzubringen. Wo war er nur wieder mit seinen Gedanken gewesen?

Er tat, wie ihm geheißen, und führte das Muli und den Karren mit dem Baumaterial hinter das Haus. Er wusch sich Hände und Gesicht in einer großen Schüssel und trat schließlich ein.

In der gemauerten Feuerstelle brannte ein Torffeuer und spendete ein wenig Licht. Auf einem flachen Stein garte Gemüse. Pilze, Sellerie und Karotten. Helga eilte geschäftig in dem Raum umher. „Schneide doch bitte die Kräuter klein“, sagte sie. „Und wir brauchen einen Ort für deine Bücher. Ich bin heute schon wieder über einen Stapel gestolpert. Irgendwann breche ich mir noch den Hals!“

Als Kalin bei Helga eingezogen war, hatte er einige Werke aus dem Runenviertel mitgebracht. In Ermangelung eines Regales stapelten sich die Bücher auf dem Boden. Sie ragten in die Höhe, wie die Minarette der fernen Stadt Manzil Hadi und gaben äußerst tückische Stolpersteine ab.

„Ich werde ein Regal bauen, dann sind sie aus dem Weg“, versprach der Zwerg.

„Können sie bis dahin nicht in die Scheune?“

„Die Feuchtigkeit in der Luft würde dem Papier zusetzen. Außerdem möchte ich nicht, dass eines der Schafe Geschmack an Büchern findet.“

„Ich verstehe noch immer nicht, warum du so viele mitgebracht hast. Hätte eines nicht gereicht?“

Kalin musste grinsen. „Du fragst mich, ob mir ein Buch genügen würde? Mich?“

Die Heilerin nahm das oberste Werk von einem der Stapel und schlug den ledernen Einband auf. Neugierig betrachtete sie die grazilen Tintenmuster auf der ersten Seite. „Schön sehen sie ja aus. Aber helfen sie dir auch bei der täglichen Arbeit?“

„Ich könnte dir das Lesen beibringen, wenn du willst. Es gibt viele, nützliche Bücher, aber auch Geschichten, die nur der Unterhaltung dienen. Schöne Geschichten.“ Kalin machte diesen Vorschlag nicht zum ersten Mal. Er fand es nach wie vor befremdlich, dass die meisten Menschen in ihrem gesamten Leben nicht Lesen und Schreiben lernten. Im Königreich unter dem Berg musste jedes Kind die Schriftzeichen kennen.

---ENDE DER LESEPROBE---